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Selbstwirksamkeit

Sebastian Anselmann, Prof. Dr. Uwe Faßhauer

veröffentlicht am 01.12.2020

Englisch: self-efficacy

Das Konzept der Selbstwirksamkeit entspricht der eigenen Überzeugung, ob und auf welche Weise eine Anforderung gemeistert werden kann.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Abgrenzung
  3. 3 Entstehung von Selbstwirksamkeit
  4. 4 Erfassung und Klassifizierung der Selbstwirksamkeit
  5. 5 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Selbstwirksamkeit ist die persönliche Annahme über die eigene Fähigkeit, bestimmte Aufgaben zu beeinflussen und im eigenen Sinne gestalten zu können (Zimmermann und Cleary 2006). Die Konzeption geht auf die Überlegungen von Bandura (1977) zurück und nimmt in seinen Ausführungen zu seiner Social cognition theory eine Schlüsselstellung ein. So spielen die Überzeugungen eine Rolle bei der

  • Handlungsselektion,
  • Bereitschaft, Anstrengungen und Ressourcen zu investieren,
  • Durchsetzung der Aktivitäten trotz Hindernissen.

2 Abgrenzung

Konzeptuell gilt es, die Selbstwirksamkeit von anderen Konstrukten zu trennen. Selbstwirksamkeit ist keine Motivationskomponente und keine Form von Selbstregulierung oder Selbsterfahrung. Sie ist weder eine aktuelle Interessenbenennung, Selbstwertgefühl oder Selbstbestimmungstheorie, noch eine Form von Flowerlebnis (Bong 2006). Wohl aber kann Selbstwirksamkeit das dahinter liegende System zu den Ansätzen darstellen. Das Selbstverständnis über die eigenen Fähigkeiten bedingt seinerseits

Schwarzer und Jerusalem (2002) beschreiben Selbstwirksamkeit

„als die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungssituationen auf Grund eigener Kompetenz bewältigen zu können. Dabei handelt es sich nicht um Aufgaben, die durch einfache Routine lösbar sind, sondern um solche, deren Schwierigkeitsgrad Handlungsprozesse der Anstrengung und Ausdauer für die Bewältigung erforderlich macht“ (Schwarzer und Jerusalem 2002, S. 35)

3 Entstehung von Selbstwirksamkeit

Die Ansichten zu den eigenen Fähigkeiten spiegeln sich auch in den Lernhandlungen wider. Der Erwerbsprozess beginnt mit den frühkindlichen Erfahrungen und findet eine prägende Ausrichtung in der Adoleszenzphase (Schunk und Meece 2006). Beibehaltung, Erweiterung oder Vertiefung der Ansichten ist ein sich fortwährend neu bewertender Prozess. Tendenzen können in bestimmten Lebensabschnitten ausgebildet werden, sind aber nicht unveränderlich. Viel mehr werden erlebte Lernhandlungen und deren Wirkungsgrad die zukünftigen Einschätzungen prägen.

Je umfassender die Vorstellung von den eigenen Fähigkeiten ist, desto bereitwilliger, häufiger und intensiver werden Situationen aufgesucht, in denen Lernhandlungen begünstigt werden. Im Arbeitskontext zeigen Maurer et al. (2003) einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer hohen Selbstwirksamkeit und der Bereitschaft zu lernen, sich neue Inhalte anzueignen. Auffallend ist die zunehmende Relevanz der Selbstwirksamkeit mit dem Alter. Je stärker die Selbstwirksamkeit ausgeprägt ist, desto häufiger oder bereitwilliger wird eine Handlung ausgeführt. Dabei spielt nicht nur die soziale Anerkennung im Berufsalltag eine Rolle. Dem Konzept beisteuernd sind auch Aussagen und Wertschätzungen von Familie und Freunden als soziokulturelle Einflüsse (Maurer und Tarulli 1994).

4 Erfassung und Klassifizierung der Selbstwirksamkeit

Zur Erfassung und Klassifizierung der Selbstwirksamkeit steht eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung. Gerade im Bereich der Arbeitspsychologie etablierte sich das Konzept der Selbstwirksamkeit als Faktor. Der 29 Items umfassende dreifaktorielle OSEI (Occupational Self-Efficacy Index) evaluiert die Bereiche

  • Arbeitsleistung
  • Selbstwirksamkeit bezogen auf Lernprozesse
  • organisatorische und soziale Kompetenz.

Diese auf Fletcher et al. (1992) zurückgehende allgemeine Fassung der Selbstwirksamkeit für die Bedeutung des Lernens und Handelns wird in der lernspezifischeren Ausrichtung und im konzeptuellen Bezug zum Arbeitsplatz von Maurer und Tarulli (1994) und den Folgestudien beleuchtet. Untersucht wurden die einflussnehmenden Faktoren am Arbeitsplatz, die zur konkreten Aufnahme oder zur allgemeinen Bereitschaft zur Ausübung von Lernhandlungen wie etwa in Aus- und Weiterbildungsprogrammen, beitragen. Selbstwirksamkeit spielt in diesen Konstrukten die tragende Rolle.

Unter Einbeziehung des Alters als unabhängige Variable ergibt sich folgender Zusammenhang: Das chronologische Alter und die zuvor gemachten Erfahrungen in anderen Lernhandlungen beeinflussen das Verständnis der eigenen Wirksamkeit. Dies wiederum bedingt die Haltung bezüglich Entwicklung und Bildung, vermutlich auch Wissen. Damit einher geht auch die Absicht Lernhandlungen auszuführen, in Weiterbildungen zu gehen und schließlich die tatsächliche Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen. Die Überzeugungen über die eigene Entwicklung und Entwicklungsfähigkeit sind die treibenden Kräfte. Das Verständnis von der eigenen Wirkung wird von gemachten Erfahrungen und dem Alter gespeist. Die Bereitschaft zur Entwicklung, zum Lernen, ist gekoppelt mit den Auffassungen von Selbstwirksamkeit und epistemologischen Überzeugungen. Wobei mit höherem Alter die Selbstwirksamkeit an Bedeutung zunimmt. Eine Abnahme der Selbstwirksamkeit spiegelt sich direkt in der geringeren Bereitschaft zu lernen. Eine ausbalancierte Selbstwirksamkeit ist der Initiator für die Handlungen.

So wird verdeutlicht, dass Selbstwirksamkeit innerhalb der individuellen Einflussfaktoren eine Basisfunktion innehat, von der andere abgeleitet oder beeinflusst werden können. Dies sind z.B. verschiedene Erwartungen an bevorstehende Situationen, Leistungserfahrungen, Commitments und Selbstbewertungen (Schwarzer und Jerusalem 2002).

Die Untersuchungen von Maurer (2001) sowie Noe und Wilk (1993) zeigen den Einfluss der Selbstwirksamkeit auf Lernprozesse. Darüber hinaus stellen Rebok und Offermann (1983) sowie Wang und Shi (2016) den Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit und Lernverhalten bei älteren ArbeitnehmerInnen und infolgedessen auch den Einfluss auf das Arbeitsverhalten heraus. Grundintention dabei ist es, eine effektive Selbstkonzeption zur Gestaltung und Bewältigung des kontinuierlichen Wandels am Arbeitsplatz zu finden (Billett und Van Woerkom 2008). Maurer (2001) zeigt den Zusammenhang zwischen niedriger Selbstwirksamkeit und niedriger Bereitschaft zur Partizipation an Lernhandlungen in Trainings.

Robson und Hansson (2007) zeigen in ihren Untersuchungen, dass Selbstwirksamkeit ein entscheidender Faktor für ein erfolgreiches Altern in Betrieben ist. Die Schwerpunkte der Fähigkeiten der Älteren liegen in der Eigenständigkeit, ihrer organisatorischen Fähigkeit und in ihren sozialen Kompetenzen. Lernhandlungen werden gestartet, wenn eine Notwendigkeit zur Reaktion besteht. Personen mit einer niedrigen Selbstwirksamkeit initiieren weniger häufig Lernhandlungen und auch weniger komplexe und andauernde. Das Initiieren von Lernaktivitäten hängt mit der Vorstellung des eigenen Wissens und des Wissenserwerbs zusammen. Die besondere Bedeutung individueller Einflussfaktoren, gerade für die älteren MitarbeiterInnen, betonen Billett und Van Woerkom (2008).

Allen Ansätzen gemein ist – trotz differenzierter Herangehensweise – die Schwierigkeit das Konstrukt der Selbstwirksamkeit umfassend eruieren zu können. Bandura (2006) selbst unterstreicht den hohen Grad an domänenspezifischer Betrachtung zur Erfassung von Selbstwirksamkeit. Befragungen können nur eingebettet in den jeweiligen Kontext der Befragten erfolgen. Losgelöste, unspezifische Untersuchungen fördern lediglich widersprüchliche Ergebnisse.

5 Quellenangaben

Bandura, Albert, 1977. Social Learning Theory. New York: General Learning Press. ISBN 978-0-13-816744-8

Bandura, Albert, 2006. Adolescents’ Development from an Agentic Perspective. In: Frank Pajares und Tim Urdan, Hrsg. Self-Efficacy Beliefs of Adolescents. Greenwich: IAP-Information Age Publishing Inc., S. 1–44. ISBN 978-1-59311-366-7

Billett, Stephen und Marianne Van Woerkom, 2008. Personal epistemologies and older workers. In: International Journal of Lifelong Education [online]. 7(3), S. 333–348 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 0260-1370. Verfügbar unter: doi:10.1080/02601370802047833

Bong, Mimi, 2006. Asking the right question: How confident are you that you can successfully perform these tasks? In: Frank Pajares und Tim Urdan, Hrsg. Self-Efficacy Beliefs of Adolescents. Greenwich: IAP-Information Age Publishing Inc., S. 287–305. ISBN 978-1-59311-366-7

Fletcher, Wesla L., Robert, O. Hansson und Lawrence Bailey, 1992. Assessing Occupational Self-Efficacy Among Middle-Aged and Older Adults. In: Journal of Applied Gerontology [online]. 11, S. 489–501 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 0733-4648. Verfügbar unter: doi:10.1177/073346489201100408

Maurer, Todd, J., 2001. Career-relevant learning and development, worker age, and beliefs about self-efficacy for development. In: Journal of Management [online]. 27(2), S. 123–140 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1557-1211. Verfügbar unter: doi:10.1177/014920630102700201

Maurer, Todd, J. und Beverly Tarulli, 1994. An investigation of perceived environment, perceived outcome, and person variables in relation to voluntary development activity by employees. In: Journal of Applied Psychology [online]. 79(1), S. 3–14 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1939-1854. Verfügbar unter: doi:10.1037/0021-9010.79.1.3

Maurer, Todd, J., Elizabeth M. Weiss und Francisco G. Barbeite, 2003. A Model of Involvement in Work-Related Learning and Development Activity: The Effects of Individual, Situational, Motivational, and Age Variables. In: Journal of Applied Psychology [online]. 88(4), S. 707–724 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1939-1854. Verfügbar unter: doi:10.1037/0021-9010.88.4.707

Noe, Raymond und Steffanie Wilk, 1993. Investigation of factors that influence employees’ participation in development activities. In: Journal of Applied Psychology [online]. 78(2), S. 291–302 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1939-1854. Verfügbar unter: doi:10.1037/0021-9010.78.2.291

Rebok, George und Lynn Offerman, 1983. Behavioral competencies of older college students: a self-efficacy approach. In: The Gerontologist [online]. 23(4), S. 428–432 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1758-5341. Verfügbar unter: doi:10.1093/geront/23.4.428

Robson, Sean, M. und Robert O. Hansson, 2007. Strategic Self Development for Successful Aging at Work. In: The International Journal of Aging and Human Development [online]. 64(4), S. 331- 359 [Zugriff am: 18.11.2020]. ISSN 1541-3535. Verfügbar unter: doi:10.2190/Q303-171U-7686-8517

Schunk, Dale, H. und Meece, Judith, L., 2006. Self-Efficacy Development in Adolescence. In: Frank Pajares und Tim Urdan, Hrsg. Self-Efficacy Beliefs of Adolescents. Greenwich: IAP-Information Age Publishing Inc., S. 71–96. ISBN 978-1-59311-366-7

Schwarzer, Ralf und Matthias Jerusalem, 2002. Das Konzept der Selbstwirksamkeit In: Matthias Jerusalem und Diether, Hopf, Hrsg. Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen – Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft; 44. Weinheim: Beltz Verlag, S. 28–53. ISBN 978-3-407-32120-6

Wang, Mo und Junqi Shi, 2016. Work, Retirement and Aging. In: K. Warner Schaie und L. Willis Sherry, Hrsg. Handbook of the Psycology of Aging. 8. Auflage. London: Elsevier. ISBN 978-0-12-411469-2

Zimmermann, Barry J. und Timothy J. Cleary, 2006. Adolescents’ Development of Personal Agency: The Role of Self-Efficacy Beliefs and Self-Regulatory Skills. In: Frank Pajares und Tim Urdan, Hrsg. Self-Efficacy Beliefs of Adolescents. Greenwich: IAP-Information Age Publishing Inc., S. 45–70. ISBN 978-1-59311-366-7

Verfasst von
Sebastian Anselmann
M.A., Akademischer Mitarbeiter
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd - University of Education -
Institut für Bildung, Beruf und Technik, Abteilung Berufspädagogik
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Prof. Dr. Uwe Faßhauer
Professor für Berufspädagogik
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd - University of Education -
Institut für Bildung, Beruf und Technik, Abteilung Berufspädagogik
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Es gibt 4 Lexikonartikel von Sebastian Anselmann.
Es gibt 4 Lexikonartikel von Uwe Faßhauer.

Zitiervorschlag
Anselmann, Sebastian und Uwe Faßhauer, 2020. Selbstwirksamkeit [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 01.12.2020 [Zugriff am: 08.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/3002

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