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Soziale Kompetenz

Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning

veröffentlicht am 30.08.2024

Abkürzung: SK

Synonyme: Soziale Fertigkeiten; interpersonale Kompetenzen; Sozialkompetenz

Englisch: social skills; interpersonal competence; social competence

Soziale Kompetenzen versetzen Menschen in die Lage, erfolgreich und friedfertig mit anderen zu interagieren.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Zum Begriff
  3. 3 Unterscheidung verschiedener sozialer Kompetenzen
  4. 4 Messung sozialer Kompetenzen
  5. 5 Entwicklung sozialer Kompetenzen
  6. 6 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Der Begriff der sozialen Kompetenz fasst eine Vielzahl einzelner Kompetenzen zusammen, die Menschen in die Lage versetzen, auf der einen Seite ihre eigenen Ziele erfolgreich zu verwirklichen und auf der anderen Seite eine soziale Akzeptanz des eigenen Verhaltens zu gewährleisten. Soziale Kompetenzen sind von großer Bedeutung für jedwede Form des zwischenmenschlichen Miteinanders. In der Forschung werden zahlreiche soziale Kompetenzen unterschieden, die sich auf unterschiedliche Weise diagnostizieren lassen. Zum Einsatz kommen hierbei beispielsweise Leistungstests, Fragebögen oder die Verhaltensbeobachtung. Soziale Kompetenzen sind prinzipiell erlernbar und damit auch veränderbar.

2 Zum Begriff

Der Begriff der sozialen Kompetenz kann als Oberbegriff für eine Vielzahl einzelner sozialer Kompetenzen verstanden werden. Je höher entsprechende Kompetenzen bei einem Menschen ausgeprägt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die betreffende Person in unterschiedlichen Situationen ein sozial kompetentes Verhalten gegenüber anderen Menschen zeigt.

  • Sozial kompetentes Verhalten wird definiert als „Verhalten einer Person, das in einer spezifischen Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen, wobei gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird“ (Kanning 2002, S. 115).
  • Soziale Kompetenzen werden definiert als die „Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, welche die Qualität eigenen Sozialverhaltens – im Sinne der Definition sozial kompetenten Verhaltens – fördert“ (ebd.).

Ein und dasselbe Verhalten kann in unterschiedlichen Kontexten als unterschiedlich sozial kompetent angesehen werden (z.B. das Trinken von Bier im Kino oder in der Oper), da die soziale Akzeptanz eines Verhaltens kontextabhängig variiert. Personen, die über hohe soziale Kompetenzen verfügen, werden sich zudem nicht in jeder beliebigen Situation sozial kompetent verhalten, da Kompetenzen nicht immer in gleicher Weise auch in Verhalten umgesetzt werden können. Hier verhält es sich bezogen auf die soziale Kompetenz nicht anders als bei grundlegenden Eigenschaften eines Menschen. So kann beispielsweise auch eine besonders intelligente Person, wenn sie stark belastet ist, nicht ihr gesamtes Potenzial nutzen.

In der Psychologie existieren mehrere Konzepte, die sich auf ähnliche Inhalte beziehen wie das Konzept der sozialen Kompetenz. Hierzu zählen etwa:

  • die „Soziale Intelligenz“ (Thorndike 1920),
  • die „Interpersonale Kompetenz“ (Buhrmester 1996; Riggio 2010) oder
  • die „Sozialen Fertigkeiten“ (Becker und Heimberg 1988).

Während der erste Begriff einen Schwerpunkt auf die intellektuelle Verarbeitung sozialer Hinweisreize setzt, bezieht sich das zweite Konzept auf enge zwischenmenschliche Beziehungen und das dritte auf konkrete Verhaltensweisen. Die einzelnen Definitionen sind allerdings unscharf und überschneiden einander.

3 Unterscheidung verschiedener sozialer Kompetenzen

Es existieren mehrere Modelle, in denen verschiedene soziale Kompetenzen differenziert werden. So beschreiben beispielsweise Buhrmester et al. (1988) fünf Kompetenzen:

  1. Initiieren von Interaktionen,
  2. Preisgabe persönlicher Informationen,
  3. Durchsetzung,
  4. emotionale Unterstützung und
  5. Konfliktmanagement.

Kanning (2009a, 2024) unterscheidet auf der Basis eines Literaturüberblicks zunächst 17 Kompetenzen (sog. „Primärkompetenzen“), die sich empirisch zu vier übergeordneten Kompetenzen („Sekundärkompetenzen“) zusammenfassen lassen. Tabelle 1 gibt einen Überblick. Jede Kompetenz ist dabei als Merkmalsdimension zu verstehen. Dies bedeutet, dass jede Kompetenz bei einem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Ein Mensch ist also nicht einfach sozial kompetent oder inkompetent, sondern im Hinblick auf spezifische Kompetenzen mehr oder weniger kompetent. In diesem Zusammenhang wird auch von Kompetenzprofilen gesprochen. Im beruflichen Kontext gilt eine Bewerberin bzw. ein Bewerber umso geeigneter für eine konkrete Stelle, je stärker sich das individuelle Kompetenzprofil mit dem Anforderungsprofil der Stelle deckt.

Tabelle 1: Soziale Kompetenzen nach Kanning (2009a, 2024)
Kompetenz Kurzbeschreibung
Soziale Orientierung anderen Menschen mit offener und positiver Grundhaltung entgegentreten
Prosozialität sich für andere Menschen einsetzen
Perspektivenübernahme sich in andere Menschen hineindenken, ihre Perspektive einnehmen können
Wertepluralismus den Einstellungen anderer Menschen offen und tolerant gegenübertreten
Kompromissbereitschaft in Konfliktsituationen einen Interessenausgleich anstreben
Zuhören in Gesprächen den Ausführungen anderer aufmerksam folgen
Offensivität im Umgang mit anderen Menschen eigene Interessen aktiv vertreten
Durchsetzungsfähigkeit sich erfolgreich für die eigenen Interessen einsetzen
Konfliktbereitschaft sich Konflikten stellen und aktiv Lösungen anstreben
Extraversion auf andere Menschen zugehen und soziale Kontakte knüpfen
Entscheidungsfreudigkeit sich in sozialen Kontexten schnell für eine Verhaltensalternative entscheiden
Selbststeuerung in sozialen Kontexten flexibel und rational das eigene Verhalten steuern
Selbstkontrolle eigenes Verhalten in belastenden Situationen rational steuern
Emotionale Stabilität emotional ausgeglichen sein; weder Aggression noch Ängste erleben
Handlungsflexibilität eigenes Handeln schnell situationsspezifisch gestalten
Internalität Überzeugung, Verantwortung für das eigene Leben und Verhalten zu haben
Reflexibilität sich gedanklich aktiv mit der eigenen Person und anderen Menschen auseinandersetzen
Selbstdarstellung gegenüber anderen Menschen einen bestimmten Eindruck erzeugen können
Direkte Selbstaufmerksamkeit sich selbst und das eigene Verhalten bewusst reflektieren
Indirekte Selbstaufmerksamkeit die Wirkung der eigenen Person auf andere bewusst reflektieren
Personenwahrnehmung andere Menschen beobachten, sich für sie interessieren

4 Messung sozialer Kompetenzen

Soziale Kompetenzen lassen sich mit vielfältigen Methoden untersuchen (Kanning 2009b):

  • Leistungstests arbeiten mit kognitiven Aufgaben, die richtig oder falsch gelöst werden können. Je mehr Aufgaben richtig gelöst werden, desto stärker ausgeprägt sind die untersuchten Kompetenzen. Entsprechende Testverfahren beschreiben beispielsweise das Verhalten einer unbekannten Person und bitten die zu untersuchenden Personen, die Stimmungslage der beschriebenen Person einzuschätzen. Andere Aufgaben bestehen aus einer Art Comic-Zeichnung, in der eine Interaktion zwischen Personen dargestellt wird. Die untersuchten Personen müssen etwa erklären, wie es zu einem Konflikt gekommen ist oder warum eine der dargestellten Personen Freude empfindet. Wieder andere Aufgaben erfassen das Wissen über soziale Normen – also (ungeschriebene) Verhaltensregeln –, die beispielsweise in einer bestimmten Kultur existieren.
  • Verhaltensbeobachtungen zur Einschätzung sozialer Kompetenzen spielen unter anderem in der Personalauswahl oder der Personalentwicklung eine wichtige Rolle. Die am stärksten ausgereifte Methode in diesem Feld ist das Assessment-Center. Einzelne Personen müssen dabei meist in Form von Rollenspielen verschiedene soziale Situationen durchlaufen, in denen ihr Sozialverhalten im Umgang mit Rollenspielerinnen und Rollenspielern durch mehrere Beobachtende eingeschätzt wird. Wichtig für die Qualität der Diagnose ist, dass jede interessierende Kompetenz mehrfach in voneinander unabhängigen Szenarien untersucht wird und zuvor verbindlich definiert wurde, durch welches Verhalten in der jeweiligen Situation eine bestimmte Ausprägung einzelner Kompetenzen gekennzeichnet ist.
  • In ähnlicher Weise können soziale Kompetenzen über Interviews erfasst werden. Sinnvoll wären hier etwa situative Fragen, in denen die befragten Personen mit konkreten sozialen Situationen konfrontiert werden (z.B. eine Gesprächssituation aus dem Berufsalltag). Ihre Aufgabe besteht anschließend darin, die Situation zu erklären, ihr eigenes Verhalten in einer solchen Situation zu beschreiben und das eigene Vorgehen zu begründen. Vergleichbar zum Assessment-Center ist dabei eine Einschätzung der Antworten durch mehrere Personen zu empfehlen. Zudem müssen im Vorfeld die Kriterien zur Bewertung festgelegt werden.
  • Am häufigsten kommen Fragebögen zum Einsatz, wenn es um die Untersuchung sozialer Kompetenzen geht. Dabei ist zwischen Selbst- und Fremdbeschreibung zu unterscheiden. Bei der Selbstbeschreibung bearbeitet die zu untersuchende Person selbst einen Fragebogen und beschreibt darin ihr eigenes Sozialverhalten. Beim Einsatz von Fragebögen zur Fremdbeschreibung erfolgt die Einschätzung durch andere Menschen, die mit der Zielperson häufig in Interaktion stehen. Im beruflichen Kontext wird Letzteres beispielsweise im Rahmen einer 360°-Beurteilung eingesetzt. Dabei nimmt eine Führungskraft eine Selbstbeschreibung vor und wird parallel dazu von anderen Menschen hinsichtlich derselben Kompetenzen eingeschätzt. Die Fremdbeurteilungen werden aus verschiedenen Perspektiven vorgenommen: Vorgesetztenebene, Ebene der Mitarbeitenden, Ebene der Kolleginnen und Kollegen, auf Kundenebene. Der Vergleich zwischen Selbstbild- und Fremdbildern wird später zur Führungskräfteentwicklung genutzt.

5 Entwicklung sozialer Kompetenzen

Soziale Kompetenzen sind prinzipiell durch Lernprozesse veränderbar. Mehr noch, das Profil der sozialen Kompetenzen spiegelt in gewisser Weise die eigenen Sozialisationserfahrungen wider (Kanning 2015). Ganz offensichtlich gilt dies für das Wissen um soziale Normen. Aber auch andere Kompetenzen, die etwa bei der Lösung von Konflikten benötigt werden, sind letztlich das Ergebnis von Lernprozessen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass jeder erwachsene Mensch auch beliebig in seinen sozialen Kompetenzen verändert werden kann. Hierauf deuten u.a. Studien hin, die sich mit der Effektivität von Führungskräftetrainings beschäftigen. Demnach lassen sich Verhaltensänderungen in diesem Kontext nur in einer Größenordnung von etwa 14 Prozent belegen (Lacerenza et al. 2017). Dieser Wert ließe sich durch eine Optimierung des methodischen Vorgehens sicherlich noch erhöhen, eine nahezu beliebige Veränderung von Kompetenzausprägungen erscheint jedoch höchst unwahrscheinlich. Gezielte Veränderungsmaßnahmen versprechen umso mehr Erfolg, je stärker sie die folgenden Punkte berücksichtigen:

  • In der Lernphase sollte nicht nur über Sozialverhalten geredet werden, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten vielmehr aktiv Sozialverhalten zeigen bzw. neues Verhalten ausprobieren können.
  • Die Übungen sollten eine möglichst große Nähe zum Alltag aufweisen. So wie Führungskräfte das Führen von Menschen nicht durch Interaktionen mit Pferden oder Schafen lernen, so wenig hilfreich ist ein Nachmittag im Klettergarten bei der Verbesserung des eigenen Konfliktverhaltens im Kundengespräch.
  • Die Inhalte der Maßnahme sollten sich an den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer orientieren. So wird gewährleistet, dass alle die Möglichkeit bekommen, etwas zu lernen, das sie selbst in ihrem Sozialverhalten weiterbringt.
  • Die Teilnehmenden sollten ein differenziertes Feedback zu ihrem Verhalten bekommen – z.B. vermittelt über ein Video, in dem sie ihr Verhalten aus der Perspektive eines Gesprächspartners heraus betrachten können.
  • Es sollte ausreichend Zeit bestehen, um auf das Feedback einzugehen und das Verhalten erneut einüben zu können.
  • Die Maßnahme sollte nicht massiert an einem oder zwei Tagen stattfinden, sondern sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Zwischen den einzelnen Sitzungen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Aufgaben, das Erlernte im Alltag auszuprobieren. In den wiederholten Treffen werden ihre Erfahrungen gemeinsam reflektiert und Lösungen für aufgetretene Probleme gesucht.
  • Die Maßnahme sollte nicht digital, sondern face-to-face durchgeführt werden.
  • Im beruflichen Kontext sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Umsetzung des Gelernten in den Arbeitsalltag durch ihre Führungskräfte sowie durch Kolleginnen und Kollegen unterstützt werden. Dies fällt den Betreffenden leichter, wenn sie zuvor die gleiche Maßnahme durchlaufen haben.

6 Quellenangaben

Becker, Roland E. und Richard G. Heimberg, 1988. Assessment of social skills. In: Alan S. Bellack und Michel Hersen, Hrsg. Behavioral assessment. Oxford: Pergamon Press, S. 365–395. ISBN 978-0-08-020531-1

Buhrmeister, Duane, Wyndol Furman, Mitchell T. Wittenberg und Harry T. Reis, 1988. Five domains of interpersonal competence in peer relationships. In: Journal of Personality and Social Psychology. 55(6), S. 991–1008. ISSN 0022-3514

Buhrmester, Duane, 1996. Need fulfillment, interpersonal competence, and the development contexts of early adolescent friendship. In: William M. Bukowski, Andrew F. Newcomb und Willard W. Hartup, Hrsg. The company they keep: Friendship in childhood and adolescence. Cambridge: Cambridge University Press, S. 158–185. ISBN 978-0-521-62725-2

Kanning, Uwe P., 2002. Soziale Kompetenz: Definition, Strukturen und Prozesse. In: Zeitschrift für Psychologie. 210, S. 154–163. Göttingen: Hogrefe. ISSN 0044-3409

Kanning, Uwe P., 2009a. Inventar sozialer Kompetenzen (ISK/ISK-K). Göttingen: Hogrefe

Kanning, Uwe P., 2009b. Diagnostik sozialer Kompetenzen. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe. ISBN 978-3-8017-2253-1 [Rezension bei socialnet]

Kanning, Uwe P., 2015. Soziale Kompetenzen fördern. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe. ISBN 978-3-8017-2697-3 [Rezension bei socialnet]

Kanning, Uwe Peter, 2024. Inventar sozialer Kompetenzen. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe

Lacerenza Christina N., Denise L. Reyes Shannon L. Marlow, Dana L. Joseph und Eduardo Salas, 2017. Leadership training design, delivery, and implementation: A meta-analysis. In: Journal of Applied Psychology. 102(12), S. 1686–1718. ISSN 0021-9010

Riggio, Ronald E., 2010. Emotional intelligence and interpersonal competencies. In: Mitchell G. Rothstein und Ronald J. Burke, Hrsg. Self-management and leadership development. Northampton: Edward Elgar Publishing, S. 160–182. ISBN 978-1-84844-323-5

Thorndike, Edward Lee, 1920. Intelligence and its use. In: Harper’s Magazine. 140, S. 227–235. ISSN 1045-7143

Verfasst von
Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning
Dipl.-Psych., Professor für Wirtschaftspsychologie
Hochschule Osnabrück
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Uwe P. Kanning.

Zitiervorschlag
Kanning, Uwe P., 2024. Soziale Kompetenz [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 30.08.2024 [Zugriff am: 16.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/4367

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