Sozialgesetzbuch V
Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer
veröffentlicht am 03.09.2019
Das SGB V – Sozialgesetzbuch Fünftes Buch regelt die gesetzliche Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Grundsätze
- 3 Versicherte
- 4 Leistungen
- 5 Leistungserbringung
- 6 Organisation
- 7 Finanzierung
- 8 Literaturhinweise
1 Zusammenfassung
Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) ist ein Buch und damit Teil des Sozialgesetzbuches (SGB). Dieses kodifiziert das deutsche Sozialrecht. Kodifikation bedeutet die zusammenfassende und systematische Darstellung eines rechtlichen Teilgebietes wie des Strafrechts im Strafgesetzbuch (StGB) oder des Bürgerlichen Rechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Im SGB V ist die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) geregelt. In 13 Kapiteln sowie Abschnitte und Teile untergliedert, sind zentrale Gegenstände des SGB V dessen Grundsätze, die Versicherten, Leistungen, Leistungserbringung, Organisation und Finanzierung.
2 Grundsätze
Die GKV beruht auf dem Sachleistungsprinzip. Sie unterscheidet sich darin von der privaten Krankenversicherung (PKV); diese beruht auf dem Kostenerstattungsprinzip. Sachleistungsprinzip bedeutet, dass die GKV die geschuldeten Leistungen den Versicherten unmittelbar gewähren muss; dies hat insbesondere Bedeutung für Behandlungsleistungen, welche Versicherte von der GKV direkt erhalten (§ 2 SGB V). Die von der GKV geschuldeten Leistungen werden aber nicht von dieser erbracht, sondern von Leistungserbringern, welche mit der Krankenversicherung rechtlich verbunden sind. Ihre Handlungen sind den Versicherten gegenüber zu erbringen und sie werden von den der GKV unmittelbar bezahlt: Bei der PKV bezahlen dagegen die Versicherten Behandlungen und Arznei-, Heil- und Hilfsmittel selbst und erhalten die aufgewandten Kosten von der PKV erstattet.
Die GKV bildet eine Solidargemeinschaft. Sie soll die Gesundheit der Versicherten erhalten, wiederherstellen oder gesundheitliche Schäden beheben (§ 1 SGB V). Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich, d.h. sie sollen gesundheitsbewusst leben, sich an vorbeugenden Maßnahmen beteiligen sowie an Krankenbehandlung und Rehabilitation aktiv teilnehmen. Die GKV wird aus Beiträgen finanziert. Die Beiträge werden auf das Einkommen der Versicherten erhoben. Für abhängige beschäftigte Versicherte trägt die Hälfte der Beiträge deren Arbeitgeber (§ 3 SGB V). Die GKV wird von den Krankenkassen (KK) getragen. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 4 SGB V).
3 Versicherte
In der GKV versichert sind Versicherungspflichtige (§§ 5 ff. SGB V), freiwillig (§ 9 SGB V) und Familienversicherte (§ 10 SGB V). Der Versicherungspflicht unterliegen ArbeitnehmerInnen, BezieherInnen von Arbeitslosengeld I und II, LandwirtInnen, KünstlerInnen und PublizistInnen, Studierende, RentnerInnen sowie ausländische, im Inland wohnhafte Personen. Von der Versicherungspflicht kraft Gesetzes befreit sind ArbeitnehmerInnen, deren Jahresarbeitsentgelt die in § 6 Abs. 6 SGB V geregelte Grenze übersteigt. Diese ist 2019 mit 60.750 € festgelegt. Des Weiteren sind BeamtInnen versicherungsfrei. Ihnen kommt in Gestalt der Beihilfe ein eigener im Dienstverhältnis begründeter Schutz bei Krankheit zu. Diesen hat der BeamtInnen beschäftigende Dienstherr (= Körperschaft öffentlichen Rechts) in Höhe von wenigstens der Hälfte der Gesundheitsaufwendungen zu tragen. Versicherungsfrei sind auch ArbeitnehmerInnen, die eine geringfügige Beschäftigung mit einem monatlichen Ertrag von derzeit weniger als 450 € ausüben. Freiwillige Versicherte sind die vormals Versicherungspflichtigen. Die Versicherung wird durch den durch Erklärung gegenüber einer KK zu erklärenden Beitritt begründet. In die Familienversicherung sind die Ehegatten und minderjährigen, in Ausbildung befindlichen oder durch eine Behinderung beeinträchtigen Kinder der Versicherten einbezogen; ein Einschluss besteht aber nicht, wenn ein Ehegatte einer substanziellen eigenen Erwerbstätigkeit nachgeht.
4 Leistungen
Die Leistungen der GKV (§ 11 SGB V) werden bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c-24i SGB V), zur Krankheits- und Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch(§§ 20–24b SGB V), zur Risikoerkennung und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25–26 SGB V), Krankenbehandlung (§§ 27–52 SGB V) sowie schließlich im Rahmen des persönlichen Budgets (§ 29 SGB IX) erbracht. Leistungen der Krankenbehandlung umfassen ärztliche wie zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Zahnersatz, Arznei-, Verband-, Heil und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung, medizinische Rehabilitation und ergänzende Leistungen (§ 27 SGB V). Auch Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung (§ 27a SGB V) werden Ehepaaren in Höhe der Hälfte des Behandlungsaufwands erstattet. Auch das sich an die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anschließende Krankengeld (§ 44 SGB V), welches den krankheitsbedingten Einkommensausfall ausgleicht, ist eine Leistung der GKV.
5 Leistungserbringung
Das Recht der Leistungserbringung hat seinen Gegenstand in den Beziehungen von Krankenkasse, Versicherten zu ÄrztInnen, ZahnärztInnen, PsychotherapeutInnen (§§ 72–106d SGB V = Vertragsarztrecht), Krankenhäusern (§§ 107–122 SGB V) und Erbringern von Heil- Hilfs- und Arzneimitteln u.a. (§§ 124–134a SGB V). Das Leistungserbringungsrecht verwirklicht den Sachleistungsanspruch. Es befähigt Versicherte zur unmittelbaren Inanspruchnahme der Leistungen auf Kosten der GKV. Der im Versicherungsverhältnis angelegte öffentlich-rechtlich begründete Leistungsanspruch der Versicherten löst einen Anspruch auf Abschluss eines privatrechtlichen Arzt- (§§ 630a ff. BGB), Krankenhausaufnahme- oder Kaufvertrages aus, der auf die Behandlung oder Beschaffung zielt. Für die dadurch entstandenen Kosten kommt die Krankenkasse auf. Dies geschieht bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln durch individuelle Erstattung (unter Anrechnung der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlungen) und für Krankenhausbehandlungen durch Fallpauschalen. Die ärztlichen wie zahnärztlichen Leistungen werden durch Pauschalzahlungen der Krankenkassen an die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung eines Landes abgegolten. Diese sind öffentlich – rechtliche Zusammenschlüsse der in einem Land niedergelassenen (Zahn-)ÄrztInnen: Sie haben die Versorgung sicherzustellen, deren Organisation zu gewährleisten sowie die Honorarverteilung vorzunehmen.
6 Organisation
Die KK bestehen als Orts- (§§ 143 ff. SGB V), Betriebs- (§§ 147 ff. SGB V), Innungs- (§§ 157 ff. SGB V) und Ersatzkassen (§§ 168 ff. SGB V).In diesen Organisationsformen drückt sich die Entstehungsgeschichte der KK in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus. Die Mitgliedschaft eines Pflicht – oder freiwillig Versicherten richtet sich nach deren Wahl (§ 172 SGB V) unter den vorhandenen KK.
7 Finanzierung
KK finanzieren sich durch Beiträge auf Einkommen und sonstige Einnahmen (§ 220 SGB V). Der Bund gewährt einen jährlich festgelegten Zuschuss (§ 221 SGB V); er beläuft sich seit 2017 auf 14,5 Mrd. €. Die GKV-Beiträge errechnen sich aus dem Arbeitsentgelt aus versicherungspflichtiger Beschäftigung oder dem Zahlbetrag einer Rente oder vergleichbaren Versorgungsleistung – einschließlich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (§ 226 SGB V). Der Beitragssatz beträgt 14,6 % – der bei ArbeitnehmerInnen hälftig vom Arbeitgeber getragen wird; reicht dieser nicht aus, so kann ein einkommensproportionaler Zusatzbeitrag erhoben werden. Beiträge und Bundeszuschuss fließen in den Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V). Der Risikostrukturausgleich (§§ 265 f. SGB V) sichert die Wettbewerbsgleichheit zwischen den KK. Dadurch sollen Benachteiligungen einzelner Kassen aus deren Risikostruktur (hohes Krankheitsrisiko und geringes Einkommen der Versicherten) gegenüber anderen KK ausgeglichen werden. Er kommt insbesondere den Ortskrankenkassen zugute, deren Versicherte höheren Lebensalters sind und ein geringeres Durchschnittseinkommen als die von Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie die Ersatzkassen beziehen.
8 Literaturhinweise
Becker, Ulrich und Thorsten Kingreen, Hrsg., 2018. SGB V, gesetzliche Krankenversicherung: Kommentar. 6., neu bearbeitete Auflage. München: C.H. Beck. ISBN 978-3-406-72333-9
Ebsen, Ingwar und Astrid Wallrabenstein, 2018. § 15: Krankenversicherungsrecht. In: Franz Ruland, Ulrich Becker, Peter Axer und Bernd Baron von Maydell, Hrsg. Sozialrechtshandbuch: SRH. 6. Auflage. Baden-Baden: Nomos, S. 777–840. ISBN 978-3-8487-2792-6 [Rezension bei socialnet]
Eichenhofer, Eberhard und Ulrich Wenner, Hrsg., 2016. Kommentar zum Sozialgesetzbuch V. 2. Auflage. Köln: Luchterhand. ISBN 978-3-472-08644-4
Hauck, Karl, Hartmut Haines und Wolfgang Noftz, 1989 ff. Gesetzliche Krankenversicherung: Kommentar. Loseblattsammlung. Berlin: Erich Schmidt. ISSN 0936-4773
Igl, Gerhard und Felix Welti, 2018. Gesundheitsrecht: eine systematische Einführung. 3. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen. ISBN 978-3-8006-5422-2 [Rezension bei socialnet]
Hänlein, Andreas, Jürgen Kruse und Rolf Schuler, Hrsg., 2012. Sozialgesetzbuch V, gesetzliche Krankenversicherung: Lehr- und Praxiskommentar. 4. Auflage. Baden-Baden: Nomos. ISBN 978-3-8329-5642-4 [Rezension bei socialnet]
Schnapp, Friedrich E. und Peter Wigge, Hrsg., 2014. Handbuch des Vertragsarztrechts: das gesamte Kassenarztrecht. 3. Auflage. München: C.H. Beck. ISBN 978-3-406-70942-5
Schulin, Bertram, Hrsg., 1994. Handbuch des Sozialversicherungsrechts. Bd. 1 Krankenversicherungsrecht. München: Beck. ISBN 978-3-406-37985-7
Verfasst von
Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer
Friedrich-Schiller-Universität Jena, im Ruhestand und wohnhaft in Berlin.
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