Sozialpsychiatrie
Prof. Dr. Margret Dörr
veröffentlicht am 17.06.2024
Sozialpsychiatrie ist der Oberbegriff einer gesellschaftskritischen und ethisch-normativ orientierten Denk-, Handlungs- und Beziehungspraxis, die sich aus der psychiatriekritischen Protestbewegung Ende der 1960er-Jahre in der BRD konstituiert hat. Als interdisziplinäre Disziplin erforscht sie psychisches Leiden in seinen vielfältigen Bezügen. Ihre (Be)Handlungs- und Beziehungspraxis verfolgt das Ziel der sozialen Integration auf der Basis einer machtkritischen und partizipativ-dialogischen Haltung.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Sozialpsychiatrie – eine Soziale Bewegung
- 3 Sozialpsychiatrie – eine theoretische und empirische Wissenschaft
- 4 Sozialpsychiatrie – eine soziale Praxis
- 5 Schlussbemerkung
- 6 Quellenangaben
- 7 Literaturhinweise
1 Zusammenfassung
Die Sozialpsychiatrie hat sich Ende der 1960er-Jahre aus einer vielstimmigen Kritik an einer menschenunwürdigen psychiatrischen Internierungspraxis entwickelt, mit der die als psychisch erkrankt geltenden Menschen systematisch aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wurden. Die Sozialpsychiatrie setzt(e) der dominanten Definitionsmacht einer sich als Naturwissenschaft verstehenden biomedizinischen Psychiatrie auf psychische Devianz eine bio-psycho-soziale Alternative entgegen und bewirkt(e) durch eine gesellschaftskritische mediale Skandalisierung dringliche politische und professionelle Reformanstrengungen, mit denen die psychiatrie- und krisenerfahrenen Menschen, partizipativ und dialogorientiert, in ihrem gesellschaftlichen Alltag eingebunden werden bzw. bleiben können.
2 Sozialpsychiatrie – eine Soziale Bewegung
Die späten 1960er- bis frühen 1980er-Jahre waren in politischer Hinsicht die Jahre global agierender antiautoritärer Bewegungen, die gegen die Verstrickung in neokoloniale Kriege und Strukturen, gegen das Beschweigen der Hitlerdiktatur und des Holocaust, gegen verkrustete Herrschaftsstrukturen in Politik und Gesellschaft, im Bildungswesen, in den Familien und in der Arbeitswelt rebellierten. Auch die bis dato inhumane psychiatrische Internierungspraxis geriet, wenn auch im Vergleich zu unseren Nachbarländern (z.B. Frankreich, England und Skandinavien) sowie den USA, verspätet ins Brennglas der Kritik. Von der gesamtgesellschaftlichen Umbruchphase einer sozialliberalen Politik – „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ (Willy Brand 1969) – durchdrungen, beschleunigt durch scharfe gesellschaftskritische Positionen der antiautoritären Studierendenbewegung sowie neuen Erkenntnissen der Sozialwissenschaften prangerten unzufriedene Kliniker:innen gemeinsam mit Betroffenen, ihren Angehörigen sowie engagierte Journalist:innen die „untragbaren und menschenunwürdigen“ Verhältnisse in der psychiatrischen Versorgung an (Dörner 1969).
Kritisiert wurden die systematische Ausgliederung der als psychisch krank geltenden Menschen in sozial randständige Institutionen, wie z.B. den Landeskrankenhäusern sowie der – die Betroffenen verobjektivierende – einseitige neurophysiologische und/oder biochemische, symptomorientierte Blick in der Psychiatrie, der eng mit einer Vertechnisierung und Pharmakologisierung psychosozialer Probleme verzahnt war (und es teilweise noch immer ist).
„Unter dem Stichwort der ‚Antipsychiatrie‘ formierten sich politische wie theoretische Neuorientierungen, die der institutionalisierten ‚Deautonomisierung‘ (Jervis 1983) der psychisch erkrankten Menschen durch ihre Deinstitutionalisierung entgegenwirken wollten“ (Hanses 2018, S. 460).
Gemeinsam traten sie für das Ziel ein, die als psychisch erkrankt geltenden Menschen in die Gesellschaft zurückzuholen. Sie wollten ihnen auf sozialpolitischer Ebene Gehör verschaffen und (mit) ihnen als Subjekte die vollen Menschenrechte – wie bei körperlich erkrankten Menschen – erstreiten, damit auch sie als vollwertige Mitglieder eines Gemeinwesens an dessen institutioneller Ordnung gleichberechtigt partizipieren können (Dörr 2005, 2015). So gründeten 1965 Franco Basaglia, Aaron Esterson und David Cooper, gemeinsam mit Patient:innen, die Wohngemeinschaft „Kingsley Hall“ in London. David Cooper hatte in London mit „Villa 21“ bereits ein ähnliches Projekt mit jungen Erwachsenen erfolgreich ins Leben gerufen.
Bedeutsam für eine radikale Psychiatriekritik war ebenfalls die demokratische Psychiatrie Italiens, die besonders durch die Theorie und Praxis der Psychiater Giovanni Jervis (1978) und Franco Basaglia (1971) international bekannt wird. Als politisch Linker war Basaglia maßgeblich an der schrittweisen Auflösung der psychiatrischen Anstalten und der Neugründung von lokalen Ambulatorien beteiligt, die 1978 gesetzlich durch das italienische Parlament „legge cenottanta“ festgeschrieben wurde. Basaglia (2002, S. 175) kritisierte die Idee der „Geisteskrankheit“, ohne die Existenz des Wahnsinns zu leugnen – „Wahnsinn ist etwas Menschliches“. Er betont die gesellschaftlich repressive Funktion der psychiatrischen „Ordnung“, vor allem die psychiatrischen Diagnosen, die durch ihre stigmatisierende Wirkung eine soziale Ausgrenzung der Betroffenen forciert. Befeuert wurde die Skandalisierung psychiatrischer Großkliniken durch die historischen Analysen von z.B. Michel Foucault (Wahnsinn und Gesellschaft, 1973), den soziologischen Arbeiten von Erving Goffman (Asyle, 1973), durch die Entwicklung des „labeling approach“ von Howard S. Becker (Outsiders, 1963), den Arbeiten von Klaus Dörner (Bürger und Irre, 1969), von Thomas Szazs (Der Mythos der Psychotherapie, 1982) sowie von Franco Basaglia (Die negierte Institution oder Die Gemeinschaft der Ausgeschlossenen, 1971).
Ebenso wurde der Soteria-Gedanke (gr. Geborgenheit, Befreiung) von Loren Mosher (Mosher und Burti 2004) begeistert von der psychiatriekritischen Bewegung aufgenommen. Mosher führte in San José bei San Francisco (Kalifornien) erfolgreich eine experimentelle Wohngemeinschaft zur psycho- und milieutherapeutischen Behandlung von akut schizophrenen Patient:innen fast ohne Medikamente durch, und legte stattdessen besonderen Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen von Bewohner:innen und Mitarbeitenden. Auf diese Weise grenzte er sich nicht nur von der vormundschaftlich- autoritären Arzt-Patient-Beziehung ab, sondern klagte auch die „unheilige Allianz der Psychiatrie mit der Pharmaindustrie“ massiv an (Mosher und Meltzer 1980). Zudem fand sowohl in der antiautoritären Pädagogik (Aichhorn 1925; Bernfeld 1925, 1929), als auch in der psychiatriekritischen Bewegung die (Rück-)Gewinnung psychoanalytischer Verstehens- und Behandlungsansätze (Reich 1933; Lorenzer 1970; Mitscherlich und Mitscherlich 1977) sowie die Wiederentdeckung psychoanalytischer Kulturtheorie (Erdheim 1984) breite Resonanz.
2.1 Zur Brutalität der Psychiatrie im Nazi-Deutschland
Im Zuge der Protestbewegung wurde in Deutschland auch die brutale, unheilvolle Rolle der damals weitestgehend männlichen Ärzte im Nationalsozialismus dem (Ver)Schweigen der Nachkriegszeit entrissen. Bis dato hatte die bundesdeutsche Psychiatrie ihren barbarischen Umgang mit als sozial abweichend und/oder psychisch krank geltenden Menschen in der NS-Zeit weder historisch noch ethisch aufgearbeitet, obwohl sie während dieser Zeit eine ihrer dunkelsten Stunden hat (Dörner 1988; Klee 1985; Cranach und Siemen 1999). Als sich naturwissenschaftlich verstehende Disziplin hat sie auf der Basis ihrer Leitwissenschaft der Eugenik wesentlich mit dazu beigetragen, dass in dieser Zeit die als „Geisteskranke“ bezeichneten Menschen in Deutschland als „Erbfeinde unseres Volkes“ stigmatisiert und umgebracht wurden. Diese fatale Koalition von Menschenverachtung und Eugenik fand zwar nicht erst im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten ihren Anfang, bspw. befürworteten der Jurist Binding und der Ordinarius der Psychiatrie in Freiburg Hoche bereits 1920 die Euthanasie verschiedener Gruppen von „Geisteskranken“ (Güse und Schmacke 1976, S. 413 ff.). Dennoch konnten die Nationalsozialisten ihre perverse Rassenideologie und Lebensvernichtungspolitik nur mit der teilweise engagierten Unterstützung der Psychiater verwirklichen.
Zudem ermöglichte die Identifizierung vieler Psychiater mit diesen staatlichen Kontroll-, Sanktionierungs- und Vernichtungszielen (legal) die Kastration und Sterilisation von als „schwachsinnig“, „geisteskrank“ oder „geistesschwach“ medizinisch diagnostizierten Menschen. „Die Ärzte“, urteilt Robert Jay Lifton (1988), amerikanischer Psychoanalytiker jüdischer Konfession, legten „die Grundlage für den Massenmord“ und folgten bereitwillig „der Nazi-Doktrin vom Heilen durch Töten“. Bis zum Jahre 1945 wurden zwischen 200.000 und 350.000 Menschen zeugungsunfähig gemacht. Der „absoluter Nullpunkt psychiatrischen Gewissen[s]“ (Blasius 1986, S. 149) war die Ermordung von etwa 200.000 als psychisch krank geltenden Menschen im Rahmen der Aktion T4 (a.a.O., S. 112).
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben die großen Verwahranstalten baulich wie versorgungskonzeptionell unangetastet. Sie waren weiterhin zuständig sowohl für die Akut- als auch für die Unterbringung der Langzeitpflegefälle. Ebenso brachten es (neben Juristen) auch ehemalige Nazi-Psychiater nach der Gründung der Bundesrepublik wieder zu „Chefarzt-, Amtsarzt- und Professorenstellen, und waren geachtet als Akademiker und Hochschullehrer, tadellos vernetzt mit Justiz, Bürokratie und Archiven, beschützt durch alte Kameraden, fürsorglich alimentiert von ihrem Vater Staat“ (Halter 1988, o. S).
2.2 Politische und konzeptionelle Antworten auf die sozialpsychiatrische Bewegung
Auf die breiten Proteste und medialen Skandalisierungen antwortete die Politik 1971 mit der Einrichtung einer Sachverständigenkommission, die 1973 eine erste Zwischenbilanz über die elenden, menschenunwürdigen Zustände in den psychiatrischen Großanstalten veröffentlichte und darin „Sofortmaßnahmen zur Befriedigung humaner Grundbedürfnisse“ (Deutscher Bundestag 1973, S. 27) forderten. Schließlich legte die Enquete-Kommission – die hauptsächlich aus Direktoren der bestehenden psychiatrischen Fachkrankenhäuser und Unikliniken zusammengesetzt war –, 1975 ihren Abschlussbericht vor (Deutscher Bundestag 1975), in dem sie u.a. das Konzept der kooperativen Partnerschaft (a.a.O., S. 65) einbrachten. Zwar leiteten die zuständigen Bundesländer in kurzer Zeit beträchtliche Finanzmittel in die bauliche Modernisierung der überalterten Klinikgebäude, die aber überwiegend aus gemeindefernen Anstaltszeiten stammten. So wurde mit diesen Renovierungen auch ein Teil der Chancen auf eine unmittelbare Umsiedlung und Rückführung der Psychiatrie in die Gemeinde verspielt (Jehle 2007, S. 22). War die reformorientierte Fachwelt mit einem moralisch politischen Anspruch ausgezogen, um gemeinsam mit den als psychisch krank geltenden Menschen ein Mehr an solidarischer Mitmenschlichkeit und Emanzipation durch eine lebensweltliche Umstrukturierung psychiatrischer Hilfen zu eröffnen, so zeigte sich, dass die „technokratische Planungsphilosophie der Enquete“ (ebd.) mit ihrer administrativen, formalen Orientierung des Transformationsprozesses dem Einflussbereich der traditionellen Psychiatrie noch allzu wenig entgegenzusetzen vermochte.
„Die Lebensperspektiven der Betroffenen und deren Mitwirkung bei der Gestaltung von Hilfe-Arrangements konnten in diesem expertendominierten, auf Versorgung angelegten Modell noch keine Berücksichtigung finden“ (Jehle 2007, S. 23).
Parallel zur Arbeit der Enquete-Kommission knüpften Aktivist:innen der sozialpsychiatrischen Bewegung ein sozialpolitisch relevantes „Psychiatrienetz“. Um einige wesentliche Knotenpunkte zu nennen: „Mannheimer Kreis“ (1970); „Aktion Psychisch Kranke e.V.“ (APK 1971); Familienselbsthilfe Psychiatrie/​Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. (BApK). Da das erste überregionale Treffen im Mai 1970 in Mannheim stattfand, wurde der „Mannheimer Kreis“ zu einem Inbegriff der Psychiatriebewegung. Aus diesen Treffen entwickelte sich in den 1990er-Jahren die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP). Inzwischen ist ein großer Teil der gemeindepsychiatrischen Akteure im Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V., einem der Mitträger des Psychiatrienetzes, organisiert.
Auf der Ebene der Bundesländer wurden regionale Psychiatriepläne konzipiert und verabschiedet, wodurch sich an einigen Orten nach und nach die psychiatrische Versorgungslandschaft durch die Schaffung von Tages- und Nachtkliniken, Tagesstätten, kleinen Wohnheimen sowie ambulante Angebote wie Beratungsstellen etc. veränderte. Gleichwohl zeichnete die Expertenkommission 1988 (BMfJFG 1988) erneut ein äußerst pessimistisches Bild über die bis dahin erreichten Veränderungen. Vor allem für die als chronisch psychisch krank geltenden Menschen waren notwendige Veränderungen in der Versorgungsstruktur weiterhin mangelhaft.
Erst 1998 leitete ein Folgebericht – Projekt: „Personalbemessung im komplementären Bereich der psychiatrischen Versorgung“, APK e.V., einen weiteren Paradigmenwechsel ein. Das Denken und Handeln einer gemeindepsychiatrischen Hilfestellung sollte nunmehr von einer institutionszentrierten zu einer personzentrierten Organisation erfolgen, was ein Eingriff in das bislang funktionierende „Kartell der Hilfe-Anbieter“ nötig machte (Kardorff 2001). Dies bedeutete, dass für eine sozialrechtliche Bewilligung einer Maßnahme nicht mehr eine örtliche psychiatrische Institution zuständig sein sollte, sondern es galt, für und mit den betroffenen Menschen Zielvereinbarungen auf der Basis eines „Individuellen Behandlungs- und Rehabilitationsplan(s)“ (IBRP) zu erstellen. Mit diesem expliziten Paradigmenwechsel ging die Kommission davon aus, dass der differenzierte Bedarf der Betroffenen (insbesondere von als „schwer“ und/oder chronisch psychisch krank geltenden Menschen) vor der Frage der Organisation der Hilfe und der Kostenzuständigkeit Vorrang haben sollen. Denn, „niemand [sei] so gestört, so krank, so behindert, um vom Leben in der Gemeinde ausgeschlossen werden zu müssen, wenn nur die Hilfen entsprechend gestaltet sind“ (BMG 1999, S. 14). Dabei wurde von engagierten Vertreter:innen der sozialpsychiatrischen Bewegung (bspw. Finzen 1974) der Einbezug moderner Psychopharmaka als eine wichtige Voraussetzung für die breite Umsetzung sozialpsychiatrischer Konzepte gesehen, damit ehemals eindeutig klinikbedürftige Menschen, nun mithilfe sozialpsychiatrischer Assistenz von Lebenspraxis, in eigenen Wohnungen oder Wohnheimen leben können.
Erforderlich war der Aufbau einer weiteren Vielfalt an Hilfeformen, um hinreichend flexibel und angemessen auf die sich im Erkrankungsprozess ändernden Bedarfe und Bedürfnislagen der Betroffenen und der umgebenden Gemeinschaft reagieren zu können. Zentrales Kernstück der entwickelten Vorstellungen war und ist die Idee einer regionalisierten Versorgungsverantwortung, um die Gemeindenähe der Versorgung zu erreichen. Angestrebt und in weiten Teilen auch erreicht wurde die Implementierung von wohnortnahen psychiatrischen Fachabteilungen, die eine „gemeindenahe“ Akutbehandlung ermöglichen, all dies unterstützt durch eine nachhaltige und stetige Einbeziehung von inzwischen vernetzten Selbst- und Angehörigengruppen, die sich weiterhin sozialpolitisch einmischen.
Rechtlich gerahmt wird dies durch diverse gesetzliche Reformen zur Sicherung des Status der Betroffenen als vollwertige Rechtssubjekte, mit denen vor allem die Ermöglichung und Förderung von Selbstbestimmungs- und Bundesteilhaberechte gestärkt werden (z.B. SGB IX; Betreuungsrecht [BGB]). Auch das Streiten der sozialpsychiatrischen Akteur:innen um gesetzliche Neuregelungen für einen verbesserten Schutz vor Zwangseinweisung (Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder, PsychKG), die in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen haben (Müller 2004), und ebenso der Kampf um notwendige Veränderungen in der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Forensischer Psychiatrie und Sozialpsychiatrie, einschließlich Präventions- und Nachsorgeangebote stehen weiterhin auf der sozialpolitischen Agenda der Sozialen Psychiatrie (Feißt, Lewe und Kammeier 2022).
2.3 Ein Blick auf sozialpsychiatrische Reformen in der DDR
In der DDR wurde unter der Leitung des ärztlichen Direktors Rolf Walther bereits 1956 im „Betriebseigenen Plan“ des Fachkrankenhauses Rodewisch festgehalten, „die Einrichtung zu einer modernen psychiatrischen und neurologischen Klinik zu entwickeln, die in der Lage ist, sämtliche international zum Standard gewordenen therapeutischen Maßnahmen anzuwenden“ (Rank 2023, o.S.). Im Fokus stand die Rehabilitation psychisch akut und chronisch erkrankter Menschen. Dies bezog sich – im Vergleich zu einem heutigen Verständnis – „nicht nur auf die berufliche Wiedereingliederung, sondern beinhaltete vielmehr die sozialen Aspekte bei einer Rehabilitation: soziale Teilhabe und vor allem Toleranz gegenüber psychisch Erkrankten bei der Bevölkerung“ (Jachertz 2013, o.S.).
Entsprechend wurden die Gitter entfernt, die Stationen wohnlich eingerichtet und offener geführt sowie neue Therapieformen – einschließlich der Einführung der Psychopharmakotherapie – etabliert. „Diese fortschrittlichen Bestrebungen wurden im In- und Ausland wahrgenommen und führten dazu, dass Rodewisch 1963 als Tagungsort für ein internationales psychiatrisches Symposium ausgewählt wurde“ (a.a.O.). Unterstützt durch das DDR-Gesundheitsministerium, trafen sich vom „23. bis 25. Mai 1963 […] Vertreter der 22 Psychiatrischen Groß-Anstalten (‚Fachkrankenhäuser‘) und einiger Universitätskliniken der DDR in Rodewisch mit Kollegen aus sozialistischen und westlichen Ländern, darunter auch der Bundesrepublik Deutschland“ (a.a.O). Im Zuge dieses Symposiums wurden zehn „Rodewischer Thesen“ als ambitioniertes sozialpsychiatrisches Programm formuliert, um die Verwahr-Psychiatrie der großen Anstalten zu überwinden. Verbunden war dies mit der Absicht, die Patient:innen möglichst ambulant oder halbstationär in Polikliniken zu behandeln.
Insbesondere der Psychiater Klaus Weise, der Ende der 1950er-Jahre in Rodewisch ausgebildet wurde, setzte als Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik in Leipzig zwischen 1973 und 1995 wesentliche Leitsätze der Rodewischer Thesen um, die die konzeptionelle Basis für eine moderne Psychiatrie gaben und entwickelte diese – so die damalige Zuschreibung – „zur sozialpsychiatrischen Leiteinrichtung der DDR“ (Jachertz 2013, o.S.). Das Leipziger Modell zeichnet(e) sich durch die Öffnung der Kliniken, die Verkleinerung der Anstalten sowie durch ein aktivierendes therapeutisches Programm aus. Damit wurde eine konsequente Sektorisierung angestrebt, die „stationäre, Teilzeit- und ambulante Behandlungsmöglichkeiten umfass[t] und für einen begrenzten Bereich des Territoriums (circa 250 000 Einwohner) zuständig [ist]“ (ebd.).
An der Neuruppiner Nervenklinik setzte die Internistin Karen Bellin (1962–1995) in ihrem Feld einige der von den Rodewischer Thesen beeinflussten Reformideen um, sodass Neuruppin als ein Musterbeispiel für die sogenannte Sektorisierung im Sinne der Thesen im kleinstädtisch-ländlichen Raum galt. 1974 folgten weitere neun „Brandenburger Thesen“, die sich insbesondere dem Thema der Therapeutischen Gemeinschaft widmeten.
Zwar führten die Thesen zumindest zu kleinen Teilerfolgen in der ehemaligen DDR, letztlich kommen Kumbier, Haack und Steinberg (2013) in ihrer Untersuchung aber zum Ergebnis, dass eine nachhaltige Wirkung der Rodewischer- und Brandenburger Thesen auf die psychiatrische Versorgung in der gesamten DDR nicht erfolgte. Bis zur „Wende“ – so die Autor:innen – überdauerte die traditionelle Anstaltspsychiatrie aufgrund einer „verantwortungslose[n] Vernachlässigung des Fachgebietes Psychiatrie innerhalb des Gesundheitswesens der ehemaligen DDR“ (a.a.O., S. 319). Zum einen wirkten – wie in der BRD – nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der DDR die unheilvolle Einstellung der NS-Zeit gegenüber als psychisch krank geltenden Menschen nach. Zum anderen war auch in der DDR die naturwissenschaftlich orientierte Krankheitslehre leitend, die einer subjektorientierten sozialpsychiatrischen Behandlung entgegensteht. Vor allem aber gab es in der DDR über diese Initiativen hinaus keine öffentliche Diskussion, wie sie im Gefolge der Psychiatriebewegung in der Bundesrepublik geführt wurde. Damit fehlte der öffentliche Druck, etwas zu bewegen (ebd.).
Eine Bestandsaufnahme zehn Jahre nach der Wende zeigte, dass die psychiatrische Versorgung zwar einigen Fortschritt ermöglicht habe, allerdings seien auch bisherige Errungenschaften verloren gegangen, wie die Integration psychisch kranker und behinderter Menschen in die Arbeitswelt (ebd.).
3 Sozialpsychiatrie – eine theoretische und empirische Wissenschaft
Ronald D. Laing (1960; 1964) und David Cooper (1967; 1978) gehen einer der für die gesamte Sozialpsychiatriebewegung grundlegenden Frage nach:
„Welche (sozialen und epistemologischen) Voraussetzungen und Bedingungen müssen strukturell gegeben sein, damit ein symbolisches (Un-)Bewusstseinsphänomen, eine (phänomenologische) ‚Erscheinung‘ oder Erfahrung wie der ‚Wahnsinn‘ überhaupt gegeben sein und auftauchen kann“ (Barberi 2011, S. 12).
Laing erforscht dazu vor dem Hintergrund phänomenologischer und existenzphilosophischer Denkansätze die innere Dynamik der schizophrenen Erfahrung, analysiert die begriffliche Herstellung des Gegenstandes „Wahn“, ohne die Existenz eines „Wahns“ zu bestreiten. Zudem durchleuchtet er unter Bezug auf ethnologische und anthropologische Erkenntnisbestände (ebd.) die interpersonale Dimension zwischen Patient:in und Arzt bzw. Ärztin, untersucht Kommunikationsmuster in Familien sowie die Struktur psychiatrischer Klassifikationsordnungen. Wie Laing geht auch Cooper auf der Grundlage existenzphilosophischer und phänomenologischer Überlegungen von der grundsätzlichen Einfühlbarkeit und Verstehbarkeit psychotischen Erlebens aus (Jehle 2007, S. 20).
Im fachlichen Konsens des sozialpsychiatrischen Denkens wird dem Sozialen eine wesentliche Bedeutung, sowohl bei der Entstehung psychischer Erkrankung als auch bei der (Vermeidung von) Chronifizierung psychischer Erkrankungen, beigemessen. Infrage gestellt wird die unredliche, wissenschaftlich nicht begründbare Übertragung des somatischen Krankheitsbegriffs aus der naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin auf die psychosoziale Ebene von Handeln, Erleben und Denken in spezifischen sozialen Lebenszusammenhängen. Und ebenso wird die Praxis der Medikalisierung und „Psychologisierung ökonomischer, sozialer und politischer Zusammenhänge, die bei gleichzeitiger Verschiebung des Ursachenzusammenhangs in die Subjekte hinein entnannt werden“ (Weber 1998, S. 476), als herrschaftsstabilisierend zurückgewiesen.
3.1 Psychische Krankheit versus abweichendes Verhalten
Die faktische Absonderung der Kranken von den Gesunden beruht letztlich auf soziokulturellen Zuschreibungen von Normalität versus Abweichung, die von jenen vorgenommen werden, die mit gesellschaftlicher Macht und zugeschriebener Kompetenz ausgestattet sind. Folglich ist die Psychiatrie weder eine „heilende“ Institution noch eine naturwissenschaftlich-objektive Disziplin. Dies erzwingt – so die Schlussfolgerung –, den Begriff „psychische Krankheit“ durch den Terminus „abweichendes Verhalten“ (Devianz) zu ersetzen. Damit verbunden ist ein veränderter Blick auf und ein anderes Sprechen über psychisch kranke Menschen, die nun vor allem als Leidende an den gesellschaftlichen Widersprüchen begriffen werden. Unter Rekurs auf zahlreiche theoretische und empirische Analysen der praktisch betriebenen Kontroll-, Ordnungs- und Sozialtechnologien der Psychiatrie wird diese als eine gesellschaftliche Disziplinarmacht entlarvt, die unter Verwendung normativer Kategorien eine repressive Institution sozialer Kontrolle für abweichendes Verhalten darstellt (Keupp 1972; Szasz 1982).
Auf der Basis der Interpretation epidemiologischer Befunde, diverser sozialpsychologischer und soziologischer Theorieansätze werden psychische Störungen als abweichendes Verhalten begriffen und somit als soziale Probleme thematisiert. Erarbeitet werden subjektwissenschaftliche Kategorien für eine Theorie der Soziogenese psychischer Störungen, um Subjekte in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft (und zur Welt) beschreibend zu erkunden.
Dennoch wird auch diese soziologische Perspektive wiederum als einseitig kritisiert. Als problematisch benannt werden sowohl die abstrakte Negation der biologischen Ebene als auch die Reduktion von Störungen auf die Verhaltensebene (Treppenhauer 1972), die mit einem tendenziellen Unsichtbarmachen (Abwehr) seelischen Leidens der Betroffenen einhergehe. In der Weise werde es gerade nicht möglich, die realen Wechselwirkungen biologischer, psychischer und sozialer Prozesse zu erfassen (Gleiss 1975, S. 529).
3.2 Einbettung psychischer Krankheiten in gesellschaftliche Lebenspraxis
Demgegenüber haben die Hannoveraner Sozialpsychiater Karl Peter Kisker und Erich Wulff den unauflösbaren Zusammenhang der psychischen Verfasstheit des/der psychisch Erkrankten in seiner/​ihrer konkreten Situation und der sozialkulturellen und politischen Beschaffenheit der Gesellschaft reflektiert (Machleidt 2001).
Bei allen Differenzen innerhalb sozialpsychiatrischen Denkens bleibt es einhelliger Konsens, dass psychische Krankheiten/Störungen nur eingebettet in gesellschaftliche Lebenspraxis umfassend verstanden werden können. Denn der auf die eigene Lebenspraxis bezogene Ausdruck von körperlichem und psychischem Leiden ist immer eingebettet in sozialkulturelle Sinnstrukturen und ist doch zugleich als ein Produkt der intim-subjektiven Verarbeitung jener widersprüchlichen gesellschaftlichen Anforderungen zu sehen. Psychische Krankheit ist wie jede Krankheit immer eine gelebte Erfahrung.
Die damit notwendig verbundene Orientierung sozialpsychiatrischen Denkens an der Subjekthaftigkeit des Menschen erfolgt vermehrt durch eine intensivierte Integration biografischer Perspektiven auf der Basis eines bio-psycho-somatischen Krankheitsbegriffs. Qualitativ empirisch (Krumm, Kilian und Löwenstein 2019) wird untersucht, wie die subjektive Perspektive von als psychisch krank geltenden Menschen auf ihr eigenes Leben Aufschluss gibt über die Art ihrer Wirklichkeitskonstruktionen und gleichlaufend damit auf die Art der Reproduktion oder Variationen von gesellschaftlichen Regeln und Strukturen. Gezeigt wird, dass das Konzept der Biografie erhellen kann, wie gesellschaftlich vorgegebene Regeln zur Organisation des Lebenslaufs und deren „eigensinnige“ Aneignung und Brechung durch die Individuen zusammentreffen. Eindrucksvoll rekonstruiert Gerhard Riemann (1987) am Beispiel von Lebensgeschichten psychisch erkrankter Menschen, wie die Verinnerlichung von kulturell bedeutungsvollen und ontologischen Terminologien, wie psychiatrische Diagnosen, Eingang in das autobiografische Kategoriensystem finden und als „Fremdwerden der eigenen Biografie“ Wirksamkeit entfaltet. Vermehrt werden von sozialpsychiatrisch und psychoanalytisch orientierten Kliniker:innen, gemeinsam mit Selbsthilfe- und Betroffenenverbände, die jeweils subjektiven Erfahrungen von „wahnhaftem“ Erleben zum Ausgangspunkt genommen, um ein erweitertes Verständnis von Psychosen zu gewinnen. Diese sinnverstehende Perspektive, mithin das Ernstnehmen der Inhalte des „Wahns“, führt auch Thomas Bock, Professor für Klinische- und Sozialpsychiatrie am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf, zu einem erweiterten Verständnis von Psychose:
„Psychotisches Erleben in der akuten Krise wird nicht als Psychopathologie, sondern als Bewältigungsversuch und als Kommunikationsangebot verstanden, und mit einem Beziehungsangebot beantwortet. Das erfordert eine neue Sicht psychotischer Erlebniswirklichkeiten als wirkliche Wirklichkeiten der Subjekte, als imaginierte Realitäten, die so wahr und wirklich sind wie unser aller Wirklichkeiten“ (Machleidt 2001, S. 5).
Entsprechend ist eine Integration des „eigensinnigen“ Psychoseerlebens in die Biografie und Identität des/der Betroffenen anzustreben (Bock, Buck und Esterer 2007; Mentzos 1997).
4 Sozialpsychiatrie – eine soziale Praxis
„Psychiatrie ist soziale Psychiatrie oder sie ist keine Psychiatrie“ (Dörner 1972).
Klaus Dörner, der als zentraler Vordenker und Galionsfigur der Sozialpsychiatrie in Deutschland gilt, hat geradezu beispielhaft vorgeführt, wie er seine Aussage verstanden wissen will und eine konsequente sozialpsychiatrische Praxis lebbar gemacht. Als leitender Arzt der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Gütersloh war es ihm mit seinem Team, auch gegen Widerstand von Kolleg:innen, nach und nach gelungen, sämtliche Langzeitpatient:innen außerhalb der Institution unterzubringen. Psychische Störungen sollen dort behandelt werden, wo sie entstehen und sichtbar werden, d.h. im sozialen Lebensraum der Patient:innen und nicht in ab- und ausgrenzenden spezialisierten Institutionen. Er lehnt die mehrheitlich großen Wohlfahrtsverbände mit der Begründung ab, dass diese – wie auch die schulmedizinisch organisierten Psychiater:innen – eher eigenen Organisationsinteressen folgen würden und nicht jene der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen (Dörner 2014). Er favorisiert und gründet kleine Hilfsvereine, die die regionale ambulante, sektorübergreifende Versorgung und Unterstützung der Psychiatrieerfahrenen übernehmen und dennoch weiterhin – mit ihnen – mutig Innovationen trotz unternehmerischem Risiko voranbringen (ebd.). Verbunden ist damit eine Ausrichtung an ethischen und fachlichen Werten wie eine subjektorientierte, dialogische Haltung aller Fachkräfte, die über eine personale Begegnung für die Problemerfahrungen der Betroffenen offenbleiben.
4.1 Leitperspektiven einer sozialpsychiatrischen Praxis
Inzwischen ist das Netz an stationären und ambulanten Angeboten – Tageskliniken und -stätten zur Akut- oder Langzeitbehandlung, ambulante oder halbambulante Kriseninterventionsstationen, Rehabilitationszentren, patientenbetriebene Firmen, Wohnheime, ambulante Beratungsangebote, betreute Einzel- oder Gruppenwohnungen und andere gemeindenahe Einrichtungen – getragen von interdisziplinären und multiprofessionellen Teams, enorm verdichtet und ausgeweitet und die Kooperationsbezüge zwischen ihnen sind intensiviert worden. Zentrales Ziel der multiprofessionellen Teams ist es, krisenerfahrene Menschen in ihren Krisen zu begleiten oder zu beraten, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen zu unterstützen und/oder soziale Orte zu schaffen, die eine (Re-)Integration in die Gesellschaft und ein Wohlbefinden der Betroffenen sicherstellen. Dazu orientieren sozialpsychiatrisch Tätige ihre Handlungsweisen und Methodiken an einem ethisch-normativen Menschenbild in Anerkennung der Würde des Menschen – trotz und mit seinen eigenwilligen, widerspenstigen oder (ver)störenden Äußerungen. Zu den Leitperspektiven gehören folglich „Subjekt- und Biografieorientierung“, „Alltag- und Lebensweltorientierung“ sowie „Soziale Anerkennung“ (u.a. Dörr 2015; Obert 2015). Entsprechend fragt eine sozialpsychiatrische Praxis nach dem Status der Akteur:innen – z.B. was es für das Selbst- und Weltverhältnis von als psychisch erkrankt geltenden Menschen heißt, wenn sie mit vorherrschenden hierarchisierenden Machtverhältnissen in den diversen Betreuungskontexten konfrontiert werden, was es heißt, wenn sie durch strukturell ungleiche Handlungs- und Lebensgestaltungsmöglichkeiten, in den Worten von Nancy Fraser (1994, S. 45) „durch institutionalisierte kulturelle Wertmuster daran gehindert werden, als Gleichberechtigte am Gesellschaftsleben zu partizipieren.“ Dies erfordert von den sozialpsychiatrischen Fachkräften, ihre Praxis über machtsensible, dialogisch orientierte Aushandlungsprozesse mit den Betroffenen zu organisieren. Denn:
„Dialogische Räume sind als fließende und veränderbare Prozesse zu verstehen, die immer wieder situationsbezogen auszuhandeln sind. Sie sollen Raum für Selbstrepräsentationen nach subjektiven Vorstellungen und Mustern und mittels des entsprechenden Mediums bieten, sie sollen Raum sein für Irritationen, Konflikte und Aushandlungsprozesse. Das Tempo, die Dichte und die Abfolge biografischer Ereignisse sollen frei wählbar sein und selbst bestimmt werden können“ (Wresnik 2014, S. 196).
Damit können sozialpsychiatrische Fachkräfte nicht nur ihrem Anspruch einer dialogischen Interaktionsordnung mit den als psychisch erkrankt geltenden Menschen nachkommen, sondern es wird zudem eher möglich, im Sinne „lernender Organisationen“ (Senge 1990), die bei Bedarf notwendigen Umgestaltungen von Ordnungsstrukturen flexibel vorzunehmen.
Auch haben Selbsthilfegruppen seit den 1970er-Jahren in der deutschen Sozialpsychiatrie eine hochrelevante Bedeutung zur Förderung seelischer Gesundheit für krisenerfahrene Menschen. Zentrale Prinzipien von „Selbstbehandlung und Selbsterkenntnis in eigenverantwortlichen Kleingruppen“ (Moeller 1978) sind „die Selbstbestimmung; die Echtheit oder Authentizität; die Hoffnung und die Solidarität“ (a.a.O., S. 239). Neben dem Informations- und Erfahrungsaustausch sind das gegenseitige Unterstützen sowie das Kennenlernen unterschiedlicher Krisen- und Bewältigungsmodelle wichtige Ziele, um sich – gegen ärztliche Fremdbestimmung – die Expert:innenrolle für eigenes Krankheitserleben und Gesundheitshandeln zurückzuholen.
4.2 Gefährdungen sozialpsychiatrischen Denkens und Handelns
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte zeichnet sich eine ungute Veränderung der sozialpsychiatrischen Szene ab. War schon in ihren Anfängen die Ausweitung der teilstationären und ambulanten Versorgung vor allem der für sie günstigen „Nutzen-Kosten-Evaluation“ (Ciompi 1985) geschuldet, so wird der Ruf nach weiteren angeblich kostensparenden Maßnahmen deutlich lauter, auf den eine biologisch einäugige Psychiatrie erneut bereitwillig als „Retterin“ reagiert, was einen tendenziellen Rückfall in das alte sozialdarwinistische psychiatrische (Selektions-)Denken nach sich zu ziehen droht. Psychopharmaka haben als leicht handhabbares Manipulationsinstrument zur Unterdrückung von gestörtem und vor allem störenden Verhalten wieder einen wachsenden, offenbar alternativlosen Stellenwert in der Erforschung und Behandlung von psychischen Erkrankungen, sodass sozialpsychiatrische Interventionen zunehmend als Anhängsel der neurobiologischen und -chemischen Behandlungsdoktrin betrachtet werden. Und dies, so Weinmann (2008, 2019) in seiner harschen Kritik an Psychiatrie-Kolleg:innen, ohne hinreichend den Blick auf faktisch wenig erfolgversprechende (unabhängige) Langzeitstudien zu richten.
Zudem sind zahlreiche Vertreter:innen einer konsequenten Sozialpsychiatrie – so auch Finzen (1998, S. 47) – davon überzeugt, dass die Psychiatrie sich mit ihrem derzeitigen a-theoretischen Diagnose-Systemen „verrannt“ habe. Er sieht in dieser Nosologie – durch das Abhaken von Symptomen zu einer Diagnose zu kommen (ebd.) – ein massives Hindernis für das forschende Nachdenken über psychische Erkrankungen. In der Zwischenzeit warnt gar der international renommierte Psychiater Allan Frances (2013) – ehemals als Ko-Autor an der DSM III- und DSM IV-Klassifizierung federführend beteiligt – sehr eindringlich vor einer Inflation der Diagnosen in der Psychiatrie und wirbt erbittert für „das Recht ‚normal’ zu sein“ (ebd.): Im DSM 5 – so seine Mahnung – werden z.B. auch alltägliche, zum Leben gehörende Sorgen und Leidenszustände (bspw. Trauer nach Verlust eines geliebten Menschen) als psychische Krankheiten diagnostiziert.
Auch die Ökonomisierung im Gesundheitsbereich zeitigt mit ihren derzeitigen Innovationen zur gesundheitlichen Sicherung erkennbare Auswirkungen auf die Sozialpsychiatrie: Anstrengungen zur Optimierung von Organisationsprozessen durch Konzepte wie Disease- und Case-Management sind vor allem an Organisationsrationalitäten gebundene:
„die Orientierung an zeitlich, finanziell abgesteckter professioneller Dienstleistungen und die immer stärker werdende Zersplitterung von zuständigen Kostenträgern unterschiedlicher Maßnahmen mögen eine Optimierung gesundheitsbezogener Dienstleistungen suggerieren. Diese können auf eindeutigen Diagnosen, Behandlungskonzepten und Prognosen aufbauen. Den Herausforderungen und dem Konzept der Gemeindepsychiatrie entsprechen die unterschiedlichen Maßnahmen nicht“ (Hanses 2018, S. 465).
Nicht zuletzt gehen auch die gegenwärtig hegemoniale Teilhabe- oder Befähigungsstrategien des deutschen Sozialstaates (Reumschüssel-Wienert 2021, S. 292) mit einer die Interaktionen von Fachkräften und Nutzenden ihrer personenbezogenen Dienstleistungen überformenden Evaluationslogik einher. Nahezu permanent schwingt dabei die Frage mit, inwieweit Letztere die in der Teilhabeplanung ihnen häufig eher aufgenötigten als vereinbarten Ziele alleine bewältigen können oder aber dazu Hilfe benötigen (Dangel und May 2023; May 2022). Diese Praxis führt allzu häufig zu verdinglichenden Mustern im fachlichen Handeln, womit die Forderung nach Inklusion und Integration droht, konterkariert zu werden. Verbunden ist dies mit einer tendenziellen Passivierung der Betroffenen, einhergehend mit Aspekten von Entsubjektivierung, die diametral dem Inklusions-Verständnis der Behindertenrechtsbewegung entgegenstehen.
Zudem ist es vor allem für viele als chronisch psychisch erkrankt bezeichnete Menschen schwer, dauerhaft in der Gemeinde zu leben, sodass von einer wirklichen Integration kaum die Rede sein kann. Eher lässt sich von einer „weichen“ Mauer gemeindepsychiatrischer Einrichtungen sprechen, da sich die „Gemeindepsychiatrie […] mitunter in eine Psychiatriegemeinde mit Wohn-, Arbeits- und Freizeitstätten verwandelt [hat], die eine ‚Parallelwelt‘ für die Betroffenen schafft“ (Stange 2015, S. 35).
5 Schlussbemerkung
Es ist zu begrüßen, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) nach fast 50 Jahren Psychiatrie-Enquete weiterhin kritisch ihrer Schlüsselbegriffe „Krankheitsbegriff“, „Subjektorientierung“, „Alltag und Lebenswelt“, „Partizipation“ und „Normalität“ versichert. Diese sind in ihren sozialpolitischen wie praktischen Antworten auf bestehende Handlungsbedarfe zur Reform der psychosozialen Versorgung (FES 2019) in Anschlag zu bringen, um darüber den Forderungen der internationalen, personenorientierten Recoverybewegung, mithin dem Emanzipationsbegehren von krisen- und psychiatrieerfahrenen Menschen, Rechnung zu tragen. Inzwischen haben sich auch in Deutschland Ansätze zu einer Recovery-Orientierung in Feldern der (Sozial-)Psychiatrie ausgebildet (Dörr und May 2022). Damit wird ein kritisches Element – wenn auch in moderater Form – des sozialpsychiatrischen Diskurses der 1970er-Jahre von Gruppierungen und Vertreter:innen innerhalb der Psychiatrieerfahrenen-Bewegung in Gang gehalten (Jehle 2007, S. 21).
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Fachzeitschriften – siehe Psychiatrienetz https://www.psychiatrie.de/zeitschriften/​fachzeitschriften.html
Verfasst von
Prof. Dr. Margret Dörr
Professorin (i. R.) für Theorien Sozialer Arbeit, Gesundheitsförderung an der Katholischen Hochschule in Mainz, Fachbereich Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften.
Arbeitsschwerpunkte: Affektabstimmungsprozesse in der Sozialpsychiatrie (BMBF-Projekt)‚ Psychoanalytische (Sozial)Pädagogik, Gesundheitsförderung.
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Zitiervorschlag
Dörr, Margret,
2024.
Sozialpsychiatrie [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 17.06.2024 [Zugriff am: 18.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/992
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Sozialpsychiatrie
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