Soziodrama
Thomas Wittinger
veröffentlicht am 21.10.2025
Das Soziodrama ist ein szenisches Verfahren zur Erforschung und Bearbeitung von sozialen Problemen und Konflikten in oder auch zwischen Gruppen. Die Teilnehmer:innen übernehmen dabei soziale Rollen, die kulturelle Strukturen und deren unbewusste Narrative repräsentieren. Ziel des inneren emotionalen Erlebens ist ein besseres Verständnis für die Situation und die Entwicklung humaner Lösungen unter Beteiligung der Betroffenen.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Morenos eigene Soziodrama-Praxis
- 3 Das Konzept des Soziodramas nach Moreno
- 4 Axiodrama als Sonderform des Soziodramas
- 5 Merkmale des Soziodramas
- 6 Praxis und Ziele des Soziodramas
- 7 Soziodrama in der Realität
- 8 Theoretische Herausforderungen
- 9 Quellenangaben
- 10 Literaturhinweise
1 Zusammenfassung
Das Soziodrama ist neben dem Protagonistenspiel und der Soziometrie die dritte Säule des psychodramatischen Projekts nach Jakob Levy Moreno (1889–1974). Das „Soziodrama führt einen neuen Zugang zu anthropologischen und kulturellen Problemen ein“ (Moreno 1943, S. 438). Er wollte mit dem Soziodrama soziale Themen sowie Konflikte in Gruppen und zwischen Gruppen bearbeiten und die Gruppe für sie passende Lösungen selbst erarbeiten lassen. Er hat hierfür zwar ein eigenes Konzept entwickelt (Moreno 1943, S. 434–449), das Soziodrama allerdings weniger ausgearbeitet als das Protagonistenspiel. Deshalb ist das Soziodrama in der Gegenwart das Ergebnis späterer Entwicklungen. Gemeinsame Grundlagen werden gerade erst erarbeitet (Wittinger und Zammit i.E. 2026). Einen Weiterbildungslehrgang gibt es bisher nur in Portugal.
Das Soziodrama ist auch ein Beitrag zur Aktionsforschung. Manche sehen es als dritte empirische Forschungsmethode neben der quantitativen und der qualitativen Forschung an (Mirkovic und Damjanov 2024).
2 Morenos eigene Soziodrama-Praxis
Jacob Levy Moreno ist vor allem als Entwickler des Psychodramas bekannt. Dieser Begriff wird meist synonym für das Protagonistenspiel verwendet, das für die Beratung und die Therapie genutzt wird. Kaum bekannt ist, dass Moreno vor allem in den 1940er- und 1950er-Jahren auch Soziodramen geleitet hat.
Moreno griff für seine eigene Praxis auf seine Erfahrungen mit den Kinderspielen in den Wiener Parks (1907–1913) und seine Theater-Experimente in Wien (1923/1924) zurück (Moreno 1924)
Von seiner soziodramatischen Praxis in den USA gibt es vergleichsweise wenige Aufzeichnungen. Dennoch präzisieren seine Publikationen aus dem Jahr 1943 seine Konzeption. In der Praxis bearbeitete er immer große gesellschaftliche Konflikte oder Konflikte zwischen Gruppen, beispielsweise zum Eichmann-Prozess, zu Kennedys Ermordung oder zu den Unruhen in Harlem Anfang der 1940-Jahre (Moreno 1961; Moreno 2000; Moreno 1943, S. 434 Anm. 1).
3 Das Konzept des Soziodramas nach Moreno
Moreno hat das Konzept des Soziodramas zu Beginn der 1940er-Jahre in den USA gleichzeitig mit der Soziometrie entwickelt. Die Grundlage bildeten seine soziometrischen Untersuchungen in einem Heim für schwer erziehbare Mädchen und im Sing-Sing-Gefängnis. Die Ergebnisse hat Moreno in seinem Grundlagenwerk „Who shall survive?“ unter maßgeblicher Mitarbeit von Helen Jennings, einer Soziologin, veröffentlicht (Moreno 1996) Eine weitere Grundlage war seine eigene Soziodrama-Praxis, z.B. zu den Rassenunruhen zu Beginn der 1940er-Jahre in Harlem.
Den Ausgangspunkt bildeten seine Erfahrungen, dass Konflikte von Individuen oftmals nur eingeschränkt gelöst werden können, wenn man den Fokus auf das Individuum begrenzt. Er erweiterte deshalb seine Perspektive und verwies auf die Perspektive der Gruppe für den Einzelnen und die lebensweltlichen Faktoren. Für Moreno ist die Art und Weise, wie die Konflikte ausgetragen werden, sowohl von individuellen als auch von kollektiven Faktoren der jeweiligen Kultur bestimmt, welche die Konfliktparteien prägen. Eine lang anhaltende Lösung lasse sich nur erarbeiten, wenn auch die unbewussten kollektiven Faktoren eines individuellen Konflikts bearbeitet würden.
Kollektive Faktoren bestimmen in ihrer Summe sowohl formelle als auch informelle unbewusste Strukturen und Narrative der jeweiligen Kulturen. Sie betreffen nicht nur Individuen, sondern ganze Gruppen und die Beziehungen zwischen Gruppen. Moreno bezeichnete dies als die „soziale Wahrheit“. Um diese zu untersuchen und zu verstehen, sei ein grundlegend anderes Konzept eines Dramas als ein Protagonistenspiel mit anderen Rollen nötig.
„Das Soziodrama ist ein Instrument, mit dem die soziale Wahrheit, die Wahrheit über die soziale Struktur und die Konflikte ermittelt […] werden“ (Moreno 1947, S. 220)
Die Offenlegung der kulturellen Faktoren und ihrer Narrative, die einen Konflikt mitbestimmen, sei notwendig, um langfristig tragende Lösungen für die Beziehungen in Gruppen und zwischen Gruppen zu erarbeiten. Im soziodramatischen Spiel sei es möglich, durch soziale Rollen die konfliktträchtigen Narrative der prägenden Kultur körperlich, emotional und rational dann zu erfahren und zu erschließen. In seiner soziodramatischen Inszenierung zum Eichmann-Prozess 1963 ging es Moreno z.B. um die Offenlegung der „guilt of silence“, die die Spieler:innen auf der Bühne erfahren würden (Moreno 1961, S. 112).
Moreno geht damit nach eigener Aussage über die Analyse und den Lösungsweg zur Veränderung der Gesellschaft von Marx hinaus. Dessen Analyse greift für Moreno zu kurz. Er teilt zwar dessen Ansicht, dass die Ursache vieler Gruppenkonflikte in den ungleichen ökonomischen Machtverhältnissen liegt. Wirklich humane gesellschaftliche Beziehungen werden nach Moreno erst dann erreicht, wenn auch die informellen Strukturen und Narrative bearbeitet werden.
Jedes Soziodrama ist für Moreno eingebettet in ein gesamtgesellschaftliches Ziel: „Ein wirkliches therapeutisches Verfahren darf nichts weniger zum Objekt haben als die gesamte Menschheit“ (Moreno 1996, S. 3). Daran zeigt sich, dass das Soziodrama nicht nur eine Methode, sondern auch ein Programm ist.
Es gibt auch weitere szenische Verfahren, die vergleichbare Ziele verfolgen, allerdings ohne Bezüge zum Soziodrama oder Morenos Philosophie. Als Beispiel sei das Theater der Unterdrückten von Augusto Boal genannt, das vergleichbare gesellschaftspolitische Ziele verfolgt (Boal 1989).
4 Axiodrama als Sonderform des Soziodramas
Eine Sonderform des Soziodramas ist das Axiodrama. Nach Moreno beinhaltet grundsätzlich jede psycho- und soziodramatische Szene eine werteorientierte Dimension. Im Axiodrama wird sie ausdrücklich zum Thema der Gruppe gemacht.
„Das Axiodrama […] ist die Synthese des Psychodramas mit der Wissenschaft der Werte (Axiologie): es dramatisiert die ethischen Strebungen der privaten und kollektiven Psyche, z.B. Gerechtigkeit, Wahrheit, Schönheit, Gnade, Mitleid, Vollkommenheit, Ewigkeit und Frieden“ (Moreno 1941, S. 204).
Außer in wenigen Formen des Bibliodramas (Wittinger 2024) gibt es aber darüber hinaus bisher keine soziodramatische Konzeption.
5 Merkmale des Soziodramas
In einem Soziodrama spielen i.d.R. alle Mitglieder einer Gruppe mit. In einem Soziodrama wird immer mit sozialen Rollen gespielt, z.B. als Sohn, als Tochter, als Vater, als Polizist:in in seiner/​ihrer sozialen Funktion. Sie repräsentieren eine bestimmte Kultur und die ihr innewohnenden Konflikte und Narrative. Deshalb präzisiert er sogleich den Begriff und bezeichnet diese Rollen als kollektive Rollen. Den Hintergrund bildet Morenos Rollentheorie. Er geht davon aus, dass die sozialen Rollen den Kern der Handlungen eines Menschen ausmachen, die wiederum eine individuelle Färbung erhalten.
„Die Rollen einer Person können wie eine Zwiebel auseinandergenommen werden. Zuerst schält man einen Teil ab und dann einen anderen, bis alle privaten Rollen entfernt sind. Aber im Gegensatz zur Zwiebel finden wir einen Kern […] von Rollen. Von diesem Kern aus erscheinen die privaten Rollen wie ein Anstrich, der den kollektiven Rollen individuelle Färbung gibt“ (Moreno 1943, S. 435 f.).
Das Soziodrama wird durch weitere Merkmale gekennzeichnet, die in der Summe ein Soziodrama von anderen Rollenspielformen (z.B. Planspiel) unterscheidet:
- Im Sinne eines Merkmals ist das Soziodrama methodisch entweder ein Instrument zur Erforschung sozialer oder gesellschaftlicher Konflikte in einer Gruppe oder zwischen Gruppen unter Beteiligung ihrer Mitglieder (Aktionsforschung) oder ein pädagogisches Instrument, um ein soziales und/oder gesellschaftspolitisches Thema erarbeiten.
- Inhaltlich werden keine individuellen, sondern soziale oder gesellschaftliche Konflikte und soziale Themen innerhalb von oder zwischen Gruppen auf die Bühne gebracht und bearbeitet.
- Die Szenen sind fiktiv. Die Inhalte werden zwar der Realität entnommen, die Szenen selbst aber nicht. Die unausgesprochene These dabei ist, dass die gespielte Szene Analogien zu Realität der Spielenden aufweist.
- Das Soziodrama hat einen stark experimentellen Charakter.
- Ein Soziodrama wird gegenwärtig nur noch in Brasilien öffentlich aufgeführt.
6 Praxis und Ziele des Soziodramas
In der Zeit nach Moreno wurde das Soziodrama konzeptionell und methodisch weiterentwickelt. Bis zur Jahrtausendwende lag der Schwerpunkt soziodramatischer Arbeit auf der Improvisation auf der Basis von Rollen in Verbindung mit einem Ort z.B. einem Hafen, einem Schiff oder einem Zirkus. Dieser Form liegt die Annahme Morenos zugrunde, dass eine Gruppe in ihren Handlungen analog die Themen, die Strukturen und die Konflikte einer Gesellschaft widerspiegelt. Wenn das Material aus Zeitungsartikeln entnommen wurde, werden diese Szenen gegenwärtig als „Lebendige Zeitung“ bezeichnet, während Moreno selbst den Begriff „Dramatisierte Zeitung“ verwendete, um seine Inszenierungen von Formen, die von Konzeptionen aus Russland beeinflusst waren, abzugrenzen (Moreno 1943, S. 440).
6.1 Methodik
In der Zeit nach Moreno entwickelten Soziodramatiker:innen für ihre Praxis weitere Ausarbeitungen und Formen von Arrangements und Techniken. Dafür griffen sie auch auf andere Verfahren zurück, z.B. das Theater der Unterdrückten nach Augusto Boal (Boal 1989) und gruppenbezogene Aktionsmethoden (Nève-Hanquet und Crespel 2020). Hinzu kam die grundlegende Einsicht, dass die Vorgehensweisen an die institutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen der jeweiligen Gruppe angepasst werden müssen (Wiener 1997, S. 111 f.).
6.1.1 Phasen eines Soziodramas
Eine soziodramatische Arbeit erfolgt in den drei Phasen Erwärmung, Aktionsphase und Reflexion.
- In dem Erwärmungsprozess wird die Gruppe sowohl auf das Thema oder den Konflikt eingestimmt als auch eine Gruppenkohäsion hergestellt. Durch spezifische Fragestellungen werden die sozialen Situationen, Themen und Konflikte, die eine Gruppe im Soziodrama bearbeiten möchte, konkretisiert.
- Die Aktionsphase ist meistens die szenische Arbeit. Hierfür werden zum einen von Moreno verwendete Formen angewandt. Seit der Jahrtausendwende wurden zum anderen eigene Arrangements entwickelt oder auch anderen szenischen Verfahren entnommen und umgewandelt (Nève-Hanquet und Crespel 2020; Buckel, Reineck und Anderl 2021).
- In der Reflexionsphase erfolgt der eigentliche Erkenntnisgewinn. Er erfolgt zumeist in zwei Schritten: dem Rollenfeedback, das wiederum als Grundlage für eine konkrete Weiterarbeit am Thema bzw. Konflikt dient.
6.1.2 Arrangements und Techniken eines Soziodramas
Insbesondere in der Erwärmungsphase werden meistens soziometrische Aufstellungen verwendet, weil so schon zu Beginn der Arbeit die informellen Strukturen, die mit den Narrativen verbunden sind, deutlich werden. Vorgestellt werden hier nur die grundlegenden Arrangements und Techniken, die unabhängig von den verschiedenen Soziodrama-Konzeptionen verwendet werden. Für die Breite der Arrangements und Techniken wird auf die Fachliteratur verwiesen (Nève-Hanquet und Crespel, 2020; Buckel, Reineck und Anderl 2021).
In der Aktionsphase werden fiktive Szenen gespielt.
- Eines der herausragenden Arrangements ist die „Lebendige Zeitung“. Dieser Begriff geht auf ein Theaterkonzept zurück, dessen Wurzeln in der russischen Revolution vermutet werden. Moreno entwickelte ein eigenes Konzept der „Lebenden Zeitung“. Später bezeichnete er die Form zwar als „Dramatisierte Zeitung“, weil kein Zeitungsbericht nachgespielt wurde, sondern ein Zeitungsbericht „nur“ das Material für die soziodramatische Inszenierung lieferte. Durchgesetzt hat sich dennoch der Begriff „Lebendige Zeitung“. (Moreno hat die „Dramatisierte Zeitung“ schon 1923/24 in seinem Stegreiftheater in der Maysedergasse in Wien verwendet, allerdings nicht als Soziodrama.)
- Weitere Formen sind z.B. szenische Bilder oder Skulpturen als Ergebnis von Gruppenarbeiten.
- Ein drittes häufig verwendetes Arrangement sind Gruppenarbeiten, in denen sich die Mitglieder in kollektiven Rollen über ein Thema austauschen.
Wichtige Techniken sind
- Rolleninterview: die Leitung befragt die Spieler:innen zu ihren jeweiligen Rollen so, dass sie sich zum einen den Mitspieler:innen vorstellen und noch tiefer in ihre Rolle für die anschließende Improvisation finden.
- Der kollektive Rollentausch: Zwei Gruppen, die in Konflikt miteinander stehen, tauschen ihre Rollen jeweils als ganze Gruppe, um ein vertieftes Verständnis für die Konfliktdynamik zu entwickeln.
- Freeze und zur Seite sprechen: die Leitung unterbricht kurz die Handlung und fragt die Spieler:innen nacheinander zu ihrer inneren Befindlichkeit und Perspektiven. In der Wirkung gibt diese Technik den Spieler:innen einen neuen Impuls.
6.2 Ziele
Das grundlegende Ziel aller soziodramatischen Inszenierungen ist nach Moreno, unter Beteiligung der Betroffenen humane Lösungen von Konflikten zu finden.
„Die Bedeutung, die das soziodramatische Verfahren als Forschungsmethode hat, ist nur der halbe Beitrag, den es beisteuern kann. Die andere Hälfte ist, dass es heilen und [Probleme] lösen kann, dass es Einstellungen verändern und untersuchen kann“ (Moreno 1946, S. 363).
Mit Kellermann kann man das Soziodrama als eine Form von Sozio-Therapie verstehen (Kellermann 2005, S. 176).
Wird das Soziodrama als Forschungsinstrument verwendet, sind die spezifischen Ziele
- ein verbessertes Verständnis der Konfliktursachen
- ein verbessertes Verständnis der eigenen Beteiligung an den jeweiligen Konflikten
- ein tieferes Verstehen der Konfliktdynamik.
Wenn das Soziodrama eher themenbezogen ist, also eher pädagogische Ziele verfolgt, ist das wesentliche Ziel sowohl ein rationales mit einem emotionalen Verständnis des Themas. Eine der wichtigsten Erweiterungen ist, dass nicht nur Konflikte in und zwischen Gruppen thematisiert werden, sondern auch Themen, die das unbewusste Potenzial von Gruppen handelnd erkunden. Hierfür wurde das Konzept der Collective Intelligence aufgenommen und mit gruppenorientierten Aktionsmethoden verbunden (Nève-Hanquet und Crespel 2020; 2026).
7 Soziodrama in der Realität
Für Moreno war das Soziodrama nicht nur eine experimentelle Methode auf der Bühne. Auch in der Realität kann sich ein Soziodrama vollziehen. Prototypisch hierfür sah Moreno das Handeln Mahatma Ghandis an (Moreno 1948). Ghandi spielte wie auf der Bühne in vergleichbarer Weise eine kollektive Rolle in einem öffentlichen Soziodrama. Er repräsentierte die durchschnittliche indische Bevölkerung, indem er deren Lebenswirklichkeit (Armut und die Unterdrückung und Abhängigkeit durch das British Empire, das das Monopol auf die Tuchindustrie hielt) körperlich darstellte – beispielsweise durch das Spinnen eigener Kleidung oder das Barfußgehen.
In vergleichbarer Weise lassen sich auch zeitgenössische gesellschaftliche Bewegungen und Prozesse als Soziodramen verstehen, bei denen Beteiligte kollektive Rollen übernehmen und gesellschaftliche Strukturen sichtbar machen.
8 Theoretische Herausforderungen
Seit 2003 haben sich Soziodramatiker:innen international vernetzt. Dadurch wurde eine beeindruckende Breite der Praxis und der Erfahrungen mit dem Soziodrama öffentlich. Andererseits erläutert Kellermann, dass Morenos „Theorien nicht als ausreichende Basis für das Soziodrama betrachtet werden“ (Kellermann 2005, S. 175) können. Dies gilt in besonderem Maße für große gesellschaftliche Konflikte zwischen Gruppen, beispielsweise zu sozialer Ungleichheit, zum Umgang mit Minderheiten, zum Gefälle zwischen der urbanen Bevölkerung und der Landbevölkerung, zum Klimawandel oder nationalen Traumatisierungen.
Kellermanns Kritik an Morenos Theorien zeigt, dass diese „weder die Entwicklung sozialer Konflikte in konsequenter Weise erklären, noch klare Prinzipien zur Anleitung für den Praktizierenden bei dem Versuch der Lösung von Konflikten formulieren, die über die Empfehlung hinausgehen, Menschen zu trennen, die sich in soziometrischen Tests nicht gegenseitig auswählen“ (Kellermann 2005, S. 175). Deshalb sind ergänzende theoretische Ansätze und praktische Instrumente erforderlich.
Es bleibt eine zukünftige Aufgabe, das Soziodrama mithilfe von Erkenntnissen z.B. aus der Soziologie und der Gruppenpsychologie auf eine solidere Basis zu stellen. Dies gilt auch für Morenos religiös geprägte Vorstellungen, die aus der Sicht von nicht-religiösen Menschen durch sehr diffus verwendete Begriffe wie „Spiritualität“ oder „mystische Gottesvorstellung“ nicht schlüssiger werden (Martin 2011).
9 Quellenangaben
Boal, Augusto, 1989. Theater der Unterdrückten. Frankfurt: Suhrkamp Verlag. ISBN 978-3-518-11361-5
Buckel, Christoph, Uwe Reineck und Mirja Anderl, 2021. Praxishandbuch Soziodrama. Weinheim: Beltz Verlag. ISBN 978-3-407-36747-1 [Rezension bei socialnet]
Galgoczi, Krisztina, Diane Adderley, Ágnes Blaskó, Margarida Belchior, Jana Damjanov, Manuela Maciel, Judith Teszáry, Mariolina Werner und Monica Westberg, 2021. Sociodrama: The Art and Science of Social Change. Budapest: L’Harmattan. ISBN 978-2-343-25170-7
Kellermann, Peter Felix, 2005. Soziodrama. In: Thomas Wittinger, Hrsg. Handbuch Soziodrama – Die ganze Welt auf der Bühne. Wiesbaden: VS Verlag, S. 173–185. ISBN 978-3-8100-4091-6 [Rezension bei socialnet]
Martin, Ariane, 2011. Sehnsucht – der Anfang von allem: Dimensionen zeitgenössischer Spiritualität. 2. Auflage. Aachen: Shaker Media GmbH. ISBN 978-3-86858-623-7
Mirkovic, Vedrana und Jasmina Damjanov, 2024. Sociopsychodrama as a Qualitative Research Method. In: Eleftheria Tseliou, Carolin Demuth, Eugenie Georgaca und Brendan Gough, Hrsg. The Routledge International Handbook of Innovative Qualitative Psychological Research. London: Routledge. ISBN 978-0-367-65473-3
Moreno, Jacob Levy, 1943. The Concept of Sociodrama: A New Approach to the Problem of Inter-Cultural Relations. In: Sociometry [online]. 6(4), S. 434–449 [Zugriff am: 15.10.2025]. ISSN 0038-0431. doi:10.2307/2785223
Moreno, Jacob Levy, 1946. Psychodrama I. New York: Beacon House Inc.
Moreno, Jacob Levy, 1948. The Sociodrama of Mohandas Gandhi. In: Sociatry. 1(4), S. 357–358
Moreno, Jacob Levy, 1961. Psychodrama and Sociodrama of Judaism and the Eichmann Trial. In: Jacob Levy Moreno, Hrsg. The First Psychodramatic Family. New York: Beacon House Inc., S. 108–119
Moreno, Jacob Levy, 1970 [1924]. Das Stegreiftheater. 2. Auflage. Potsdam: Kiepenheuer
Moreno, Jacob Levy, 1971 [1941]. The Words of the Father. 2. Auflage. New York: Beacon House Inc.
Moreno, Jacob Levy, 1981 [1947]. Soziometrie und Marxismus. In: Jacob Levy Moreno, Hrsg. Soziometrie als experimentelle Methode. Paderborn: Junfermann Verlag, S. 221–223. ISBN 978-3-87387-181-6
Moreno, Jacob Levy, 1991. Globale Psychotherapie und Aussichten einer therapeutischen Weltordnung. In: Jahrbuch für Psychodrama, psychosoziale Praxis und Gesellschaftspolitik. S. 11–48. ISSN 0942-0223
Moreno, Jacob Levy, 1996. Die Grundlagen der Soziometrie. 3. Auflage. Opladen: Leske + Budrich. ISBN 978-3-8100-1488-7
Moreno, Zerka Toeman, 2000. Foreword. In: Patricia Sternberg und Antonina Garcia, Hrsg. Sociodrama. Westport: Praeger, S. XIV. ISBN 978-0-275-93053-0
Nève-Hanquet, Chantal und Agathe Crespel, 2020. Facilitating Collective Intelligence – A Handbook for Trainers, Coaches, Consultants and Leaders. London: Routledge. ISBN 978-0-367-20967-4
Nève-Hanquet, Chantal und Agathe Crespel, 2026 [im Erscheinen]. Die Relevanz der kollektiven Intelligenz für das Soziodrama. In: Thomas Wittinger und Robert Zammit, Hrsg. Soziodrama – Grundlagen Band 1. Heidelberg: Springer Verlag
Wiener, Ron, 1997. Creative Training. London: Jessica Kingsley. ISBN 978-1-85302-422-1
Wittinger, Thomas, 2014. Soziodrama. In: Falko von Ameln und Josef Kramer, Hrsg. Psychodrama: Praxis. Heidelberg: Springer Verlag, S. 75–90. ISBN 978-3-642-44937-6
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Wittinger, Thomas und Robert Zammit, 2026 [im Erscheinen]. Soziodrama – Grundlagen Band 1. Heidelberg: Springer Verlag
Wittinger, Thomas und Robert Zammit, 2026 [im Erscheinen]. Soziodrama – Praxis Band 2. Heidelberg: Springer Verlag
Yerli, Turbali, 2026 [im Erscheinen]. Der Kollektive Schatten: Die Bedeutung der Psychologie C. G. Jungs für das Soziodrama. In: Thomas Wittinger und Robert Zammit, Hrsg. Soziodrama – Grundlagen Band 1. Heidelberg: Springer Verlag
10 Literaturhinweise
Buckel, Christoph und Katja Kolmorgen, 2024. Soziodrama. In: Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. 23(1), S. 3–7. ISSN 1619-5507
Buckel, Christoph, Uwe Reineck und Mirja Anderl, 2021. Praxishandbuch Soziodrama. Weinheim: Beltz Verlag. ISBN 978-3-407-36747-1 [Rezension bei socialnet]
Damjanov, Jana und Monica Westberg, 2023. Discovering the Languages of Peace: Handbook of Sociopsychodrama. Zadar: University of Zadar. ISBN 978-3-407-36747-1 [Rezension bei socialnet]
Monti Holland, Valerie, 2024. The freedom of sociodrama: An overview and homage. In: Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. 23(4), S. 9–25. ISSN 1619-5507
Wittinger, Thomas, 2005. Handbuch Soziodrama. Wiesbaden: VS Verlag. ISBN 978-3-8100-4091-6 [Rezension bei socialnet]
Wittinger, Thomas und Robert Zammit, 2026 [im Erscheinen]. Soziodrama – Grundlagen Band 1. Heidelberg: Springer Verlag
Wittinger, Thomas und Robert Zammit, 2026 [im Erscheinen]. Soziodrama – Praxis Band 2. Heidelberg: Springer Verlag
Verfasst von
Thomas Wittinger
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