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Suchtprävention

Prof. Dr. Annemarie Jost

veröffentlicht am 11.01.2018

Etymologie: lat. praevenire = zuvorkommen, verhüten

Suchtprävention umfasst gezielte Maßnahmen, die versuchen die Entstehungsbedingungen von Abhängigkeiten oder Konsumstörungen und ihre Verbreitung zu beeinflussen sowie gesundheitsfördernde Veränderungen von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu bewirken.

Überblick

  1. 1 Begriff
  2. 2 Vorgehensweisen
  3. 3 Leitkonzepte
  4. 4 Quellenangaben
  5. 5 Informationen im Internet

1 Begriff

Im Gegensatz zur Gesundheitsförderung bezieht sich Prävention stärker auf spezifische Störungen und versucht durch gezielte Maßnahmen die Entstehungsbedingungen von Krankheiten oder Behinderungen und ihre Verbreitung zu beeinflussen. Der Suchtbegriff wird eher unscharf im Sinne von Abhängigkeit oder Konsumstörung verwendet und umfasst stoffgebundene, z.B. Drogenabhängigkeit, und stoffungebundene, z.B. Onlinespielsucht, Süchte. Suchtprävention beabsichtigt die gesundheitsförderliche Veränderung von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen und zielt hierbei konkret auf

  • „Die Vermeidung und/oder Hinauszögerung des Einstiegs in den Konsum legaler und illegaler Drogen
  • Die Früherkennung und Frühintervention bei riskantem Konsumverhalten
  • Die Verringerung von Missbrauch und Sucht“ (BZgA 2017).

2 Vorgehensweisen

Während sich Gesundheitsförderung besonders deutlich auf die Verbesserung von Lebenskompetenzen, verbesserte Rahmenbedingungen in der Lebenswelt und auf die Unterstützung von Gemeinschaftsaktionen bezieht, zielt der Begriff „Prävention“ auf die Vermeidung und Verringerung definierter Gesundheitsschädigungen und -risiken ab. Allerdings ist die Abgrenzung insbesondere bei der Suchtprävention nicht eindeutig. Man unterscheidet bei der Prävention zwei unterschiedliche Ansätze:

Verhaltensprävention ist personenorientiert: Sie setzt bei der Beeinflussung von Einstellungen, Kompetenzen und Verhaltensweisen einzelner Menschen bzw. Gruppen an. Hierbei sollten die Zielgruppen in ihren Lebenswelten angesprochen werden: Das bedeutet, Kinder und Jugendliche in Kindertagesstätten, Schulen, Familien und Freizeitangeboten zu erreichen. Suchtprävention am Arbeitsplatz, aber auch gezielte Suchtprävention in Senioreneinrichtungen – insbesondere angesichts der erheblichen Gefahr der Medikamentenabhängigkeit im höheren Lebensalter – wären weitere Beispiele.

Demgegenüber ist Verhältnisprävention systemorientiert: Sie setzt bei der Beeinflussung sozialer, kultureller, rechtlicher und ökonomischer Bedingungen des (problematischen) Substanzkonsums bzw. der problematischen Mediennutzung an. Hierbei unterscheidet man Strategien der Nachfragereduktion von Strategien der Angebotsreduktion: Beispielsweise wird sich eine erhebliche Verteuerung von Suchtmitteln durch zusätzliche Steuern auf die Nachfrage auswirken, während sich Verbote und Einschränkungen bei den Verkaufs- bzw. Verbreitungsmöglichkeiten auf das Angebot auswirken. Bei der Verhältnisprävention spielen für Kinder und Jugendliche der Jugendschutz und seine Überwachung eine wichtige Rolle (Jost 2013).

Die einzelnen regionalen Maßnahmen der Suchtprävention sind eingebettet in nationale und internationale Aktionspläne.

Bei der Prävention unterscheidet man je nach der Zielgruppe zwischen

  • universeller,
  • selektiver und
  • indizierter Prävention.

Bei der universellen Prävention ist die Zielgruppe die Allgemeinbevölkerung, während sich die selektive Prävention an Risikogruppen, z.B. Kinder aus suchtbelasteten Familien, und die indizierte Prävention an Einzelpersonen richtet, bei denen man schon Risikomerkmale festgestellt hat, z.B. Jugendliche, die nach massivem Alkohol- oder Drogenkonsum ins Krankenhaus eingewiesen wurden.

3 Leitkonzepte

In der Suchtprävention spielen – speziell in Bezug auf die Verhaltensprävention bei der Zielgruppe der Jugendlichen – unterschiedliche Leitkonzepte eine Rolle: Während in den 1960er und 1970er Jahren vorrangig das Konzept der abschreckenden Informationen verfolgt wurde, fokussierte man in der Folge eher die Stärkung von Handlungskompetenzen und Selbstwirksamkeitserwartungen. Mit dem Konzept der Risikoalternativen, z.B. in Form von Erlebnispädagogik, setzte man jetzt auf die Förderung alternativer Erlebnisformen und auf die Lebenskompetenzförderung. Zusätzlich etablierte sich das Konzept der pädagogischen Risikobegleitung und der drogenbezogenen Bildung; dieses Konzept zielt darauf ab, die Jugendlichen in die Lage zu versetzen, konkrete Risiken besser abzuschätzen. Hierbei weicht man auch im Umgang mit illegalen Drogen vom völligen Abstinenzgebot ab mit dem Ziel, ein realistisches Risikomanagement zu unterstützen. Bei Menschen mit riskanten und abhängigen Konsummustern greift darüber hinaus das Konzept der Schadensminimierung durch Früherkennung und Frühintervention (Jost 2013).

Um die Zielgruppen besser zu erreichen, sollte Risikoverhalten auch in seinem subjektiven Sinn beleuchtet werden; so kann Rauschtrinken oder Drogenkonsum als ritualisierte jugendkulturelle Praxis verstanden werden, in der sich Jugendliche eigene Erfahrungsräume schaffen: Sie testen ihre eigenen Grenzen und vollziehen die Ablösung vom Elternhaus. Hierbei geht es auch um Verantwortungsübernahme und die Position innerhalb der Peergroup (Litau 2011).

In den letzten Jahren wird zunehmend die Bedeutung von gendersensibler Suchtprävention auf struktureller Ebene, auf der Ebene der Mitarbeitenden und auf der Angebotsebene betont (Ernst 2017), weiterhin sind für Präventionskonzepte kultursensible Vorgehensweisen, genaue Zielgruppenanalysen und partizipative Weiterentwicklungen z.B. mit Hilfe von Fokusgruppen von großer Bedeutung.

4 Quellenangaben

BZgA, 2017. Suchtprävention [online]. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [Zugriff am: 04.12.2017]. Verfügbar unter: https://www.bzga.de/themenschwerpunkte/suchtpraevention/

Ernst, Marie-Louise, 2017. Gendersensible Suchtprävention. In: Doris Heinzen-Voß und Heino Stöver, Hrsg. Geschlecht und Sucht – Wie gendersensible Suchtarbeit gelingen kann. 2. Auflage; Pabst: Lengerich. ISBN 978-3-95853-237-3 [Rezension bei socialnet]

Jost, Annemarie, 2013. Gesundheit und Soziale Arbeit. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-022251-9 [Rezension bei socialnet]

Litau, John, 2011. Risikoidentitäten – Alkohol, Rausch und Identität im Jugendalter. Weinheim: Juventa. ISBN 978-3-7799-1933-9 [Rezension bei socialnet]

5 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Annemarie Jost
Professorin für Sozialpsychiatrie an der Fakultät 4 der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
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