Te Whariki
Prof. Dr. Susann Kunze
veröffentlicht am 19.11.2024
Te Whāriki ist das neuseeländische Curriculum der frühkindlichen Bildung. Es verfolgt einen bikulturellen Ansatz und umfasst Prinzipien, Lernziele und methodisch-didaktische Instrumente und Umsetzungsstrategien.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Historische Rahmenbedingungen
- 3 Entstehungsgeschichte
- 4 Theoretischer Hintergrund
- 5 Das Curriculum Te Whāriki
- 6 Weitere methodisch-didaktische Instrumente
- 7 Ausbildung
- 8 Zusätzliche Aspekte
- 9 Quellenangaben
- 10 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
Das neuseeländische Curriculum für frühkindliche Bildung, Te Whāriki („gewebte Matte“), basiert auf historischen und kulturellen Entwicklungen Neuseelands und verfolgt einen bikulturellen, ressourcenorientierten Ansatz. Die Entstehung von Te Whāriki resultierte aus Reformen in den 1980er-Jahren. Diese führten u.a. zu einer Professionalisierung der frühpädagogischen Fachkräfte und zur Entwicklung des Curriculums im Rahmen eines partizipativen Arbeitsprozesses.
Das Curriculum integriert verschiedene theoretische Ansätze, darunter das bioökologische Modell, soziokulturelle Theorien, die Kaupapa Māori Theorie und pazifische Ansätze, um ein ganzheitliches und kulturell sensibles Lernumfeld zu schaffen. Te Whāriki betont die Bedeutung von Wohlbefinden, Zugehörigkeit, Partizipation, Kommunikation und Exploration für die kindliche Entwicklung und fördert diese durch eine vertrauensvolle, inklusive und herausfordernde Lernumgebung.
Die Ausbildung der Fachkräfte umfasst ein einschlägiges Studium mit einem erfolgreichen Abschluss. Kontinuierliche berufliche Weiterbildungen im Anschluss tragen dazu bei, die professionelle Umsetzung des Curriculums zu gewährleisten.
2 Historische Rahmenbedingungen
Um ein tieferes Verständnis für die Entstehung und den Inhalt des neuseeländischen Curriculums für die frühkindliche Bildung zu gewinnen, ist ein kurzer Blick in die Geschichte Neuseelands hilfreich. Die Besiedlung der Insel durch die Māori geht vermutlich auf das 13. Jahrhundert zurück. Den Beginn der europäischen Einwanderung markierte die Entdeckung der Insel durch James Cook im Jahr 1789 (Lee et al. 2013, S. 2).
Im Jahr 1840 unterzeichneten Großbritannien und die Māori ein gemeinsames historisches Abkommen, das die Einführung von drei Amtssprachen und die Vision einer bikulturellen Gesellschaft festlegte. Sechzehn Jahre später erlangte Neuseeland den Status einer selbstverwalteten Demokratie und führte weltweit als erste Nation im Jahr 1896 das Frauenwahlrecht ein. Während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren gelang es Neuseeland, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung durch eine umfassende Sozialpolitik im Sinne eines Wohlfahrtsstaates abzufedern (Lee et al. 2013, S. 2–3).
Infolgedessen zeichnet sich Neuseeland heute durch eine Wertetradition aus, die eine bikulturelle Gesellschaft, eine ausgeprägte demokratische Tradition und eine effektive Sozialpolitik betont.
3 Entstehungsgeschichte
Vor der Einführung von Te Whāriki glich die frühpädagogische Landschaft in Neuseeland einem unkoordinierten Flickenteppich.
3.1 Reformen
In den 1980er-Jahren wurden entscheidende Reformen eingeleitet, die das Bild der Frühpädagogik grundlegend veränderten. Die Ursprünge lassen sich im Engagement der neuseeländischen Frauenbewegung ab Ende der 1970er-Jahre verorten. Diese Bewegung setzte sich mit Nachdruck für die Schaffung eines integrierten Betreuungs- und Bildungssystems ein. Ihr Ziel war es, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen in der Arbeitswelt zu fördern und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Frühpädagogik für Kinder zu gewährleisten (Smith 2004, S. 72).
Die Reformen selbst waren vielfältig und umfassend. Im Jahr 1986 wurde die politisch-administrative Verantwortung für frühpädagogische Einrichtungen dem Department of Education (dem Ministerium für Bildung) übertragen. Dies markierte einen bedeutenden Schritt in Richtung einer koordinierten Verwaltung. Neuseeland war weltweit das erste Land, das die administrative Zuständigkeit für sämtliche Einrichtungen im frühpädagogischen Sektor dem Bildungssystem zuordnete (Moss 2000, S. 36).
Daneben begann die Professionalisierung der frühpädagogischen Fachkräfte (Lee et al. 2013, S. 7–11). Im Jahr 1987 wurde eine integrierte Intensivausbildung mit Diplomabschluss für frühpädagogische Fachkräfte eingeführt, wodurch die Qualifikation des Betreuungspersonals verbessert wurde. Schließlich wurden im Jahr 1990 eine vereinheitlichte Finanzierungsstruktur und geregelte Rahmenbedingungen eingeführt (Smith 2004, S. 72–73).
Zudem gerieten die vor der Einschulung angewandten Einschätzungsverfahren zunehmend in die Kritik (Remsperger-Kehm 2019). Dies führte dazu, dass Anfang der 1990er-Jahre vermehrt ein Curriculum für die frühkindliche Bildung gefordert wurde.
3.2 Entwicklung eines neuen Curriculums
In der Folge begann die Arbeit an der Entwicklung des neuen Curriculums für frühkindliche Bildung, die von den Wissenschaftlerinnen Helen May und Margaret Carr sowie den Vertreter:innen des Te Kohanga Reo National Trust, Tilly Reedy und Tamati Reedy, geleitet wurde. In die Entwicklung des Curriculums wurden Praktiker:innen, Lehrpersonal und Würdenträger:innen einbezogen (Lee et al. 2013; May 2012). Insgesamt waren 15 Expert:innen am Werk (Smith 2004). Ziel war es, den defizitorientierten, psychologischen Blick auf das Kind durch eine soziokulturelle Perspektive zu ersetzen und pädagogische Ansätze der Pākehā (Nachfahren der europäischen Siedler:innen), Māori (indigene Bevölkerung Neuseelands) und Pazifika (Bevölkerungsgruppe auf Neuseeland, deren Vorfahren von den pazifischen Inseln stammen) gleichermaßen zu berücksichtigen (Lee et al. 2013; May 2012).
Es wurden Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gebildet. Die beiden Hauptgruppen beschäftigten sich mit den alters- und entwicklungsbezogenen Besonderheiten der Säuglinge/​Kleinkinder bzw. der Vorschulkinder. Daneben gab es vier verschiedene Expert:innengruppen (Smith 2004, S. 80). Diese befassten sich mit
- kultur- und sprachbezogenen Themenfeldern (Māori Immersion Group, Pazifika),
- der Betreuung im Familienhaushalt des Kindes (home-based service; Familientagespflege) und
- Kindern mit besonderen Bedürfnissen (Smith 2004; Lee et al. 2013; May 2012).
Der Prozess war gekennzeichnet durch die Einbeziehung von mehr als 20 Praxiseinrichtungen (Smith 2004) und einen ausgeprägten Austausch durch Arbeitspapiere, Workshops und Konferenzen (Lee et al. 2013).
„Wichtige [inhaltliche] Schwerpunkte waren: Bewahrung der Vielfalt, Elternpartizipation, interkulturelle Verständigung, Spiel und Ökologie, ein offenes Curriculum, das sich nicht über Altersstufen, Phasen oder Kompetenzen definiert, Bekenntnis zu einer bi-kulturellen Gesellschaft und Einbeziehung von Sprache, Kultur und Werten der Maori und Pakeha. Das Curriculum betont die Wichtigkeit einer sicheren und vertrauenswürdigen Umwelt, von sinnvollen und interessanten Problemstellungen, Vermeidung von Konkurrenz und Versagensrisiken, Gelegenheit zur gemeinsamen Lösungsfindung und mögliche Hilfestellung durch die Pädagogen. Die Entwicklung von Te Whāriki machte es möglich, dass ein Konsens über ‚gute Praxis‘ gefunden wurde“ (Smith 2004, S. 80).
Der erste Rahmenlehrplan wurde zwischen den Jahren 1991 und 1993 erarbeitet. Die Schaffung eines breiten Konsenses und die Sicherstellung eines hohen pädagogischen Niveaus waren für den gesamten Prozess von zentraler Bedeutung (Lee et al. 2013). Dieser wurde partizipativ und ohne politische Einflussnahme durchgeführt (Smith 2004).
3.3 Veröffentlichung
Im Jahr 1996 wurde Te Whāriki vom neuseeländischen Department of Education veröffentlicht. Mit diesem Curriculum gelang den Verantwortlichen ein Paradigmenwechsel von einer psychologischen zu einer soziokulturellen Perspektive (Carr 2004).
Veränderungen in Gesellschaft und Politik sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Curriculum und seiner praktischen Umsetzung führten zu einer Aktualisierung im Jahr 2017 (Ministry of Education New Zealand 2017a).
4 Theoretischer Hintergrund
Das neuseeländische Curriculum basiert auf verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen zum kindlichen Lernen und theoretisch hergeleiteten maorischen Perspektiven (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 60–62):
- das bioökologische Modell nach Urie Bronfenbrenner
- soziokulturelle Theorien
- Kaupapa Māori Theorie
- pazifische Ansätze
- kritische Theorien
- aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
Diese sechs unterschiedlichen theoretischen Perspektiven, auf welchen der Te Whāriki beruht, vermitteln die besondere Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt für das kindliche Lernen. Hierbei werden direkte und indirekte Auswirkungen, kulturelle Einflüsse, soziale Interaktionen, Sprache und die jeweilige kulturelle Identität berücksichtigt. Auch werden gesellschaftliche sowie strukturelle Ungleichheiten kritisch analysiert und Wege gesucht, diese reflektiert zu überwinden, um Chancengerechtigkeit herzustellen.
4.1 Das bioökologische Modell
Das bioökologische Modell von Urie Bronfenbrenner untersucht die Wechselwirkungen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt. Es unterteilt die Lebenszusammenhänge in verschiedene Ebenen (Bronfenbrenner 1993):
- Das Mikrosystem, z.B. Familie, Schule oder Peergroup, bildet die direkte Umgebung, in welcher ein Individuum lebt, lernt und interagiert. Es hat unmittelbare, direkte Auswirkungen auf das Verhalten und die Entwicklung des Individuums.
- Das Mesosystem, als nächsthöhere Ebene, bezieht sich auf die Interaktionen und Beziehungen zwischen den verschiedenen Komponenten unterschiedlicher Mikrosysteme, z.B. Familie und Kindertagesstätte. Diese Beziehungen können das Kind, sein Lernen und seine soziale Entwicklung beeinflussen.
- Das darüberliegende Exosystem umfasst die sozialen Strukturen und Institutionen, welche das Individuum nicht direkt beeinflussen, jedoch indirekte Auswirkungen auf das Leben des Individuums haben. Dazu gehören für das Kind z.B. die Rahmenbedingungen am elterlichen Arbeitsplatz.
- Das Makrosystem umfasst die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen, welche das Verhalten und die Entwicklung des Individuums beeinflussen. Dazu gehören kulturelle Werte, Normen, Gesetze und historische Ereignisse.
- Das Chronosystem bezieht sich auf Veränderungen des Individuums und seiner Umwelt im Laufe der Zeit. Es umfasst individuelle Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen (Lohaus und Vierhaus 2013, S. 37), wie z.B. technologische Entwicklungen, Umweltkrisen oder Fortschritte in der Medizin.
Die Interaktion zwischen den verschiedenen Ebenen beeinflusst die individuelle Entwicklung.
4.2 Soziokulturelle Theorien
Die soziokulturellen Theorien betonen die Bedeutung der sozialen Interaktion, der kulturellen Umgebung und des gemeinsamen Lernens für die kognitive Entwicklung und ermöglichen in der Folge, die Vielfalt von Kindheiten zu erkennen und zu verstehen (König 2020, S. 21–22).
Lev Semenovich Vygotsky betont die Zone der nächsten Entwicklung, einen Bereich, in welchem das Individuum in der Lage ist, neue Fähigkeiten mit Unterstützung kompetenter Begleiter:innen zu erlernen (Keiler 2015, S. 258–259). Hierfür sind die soziale Interaktion und die gemeinsam gerichtete Aufmerksamkeit bedeutsam.
Erwachsene und ältere Kinder spielen eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Wissen und kulturellen Normen. Hierbei kommt dem gemeinsamen Dialog eine wichtige Rolle zu (Textor 2000, S. 73–74). Sprache ist für Vygotsky Kommunikationsmittel und ein Denkwerkzeug, welches die kognitive Entwicklung fördert. Durch Sprache werden Gedanken ausgedrückt und organisiert. Die Nutzung von Sprache beeinflusst das Denken und Verstehen (Keiler 2015, S. 228–231, S. 241; Textor 2000, S. 70–71).
All dies ist nach Vygotsky in einen kulturellen Kontext eingebunden. So beeinflusst die Kultur mit ihren Normen, Werten, Traditionen und Praktiken die Wahrnehmung, das Denken und Handeln von Menschen. In der Folge ist es bedeutsam, die kulturelle Umgebung des Kindes zu berücksichtigen (Keiler 2015, S. 63–65, S. 173–176).
Zuletzt betont er zudem das Spiel und die Nachahmung im kindlichen Lernprozess. Durch beides können Kinder neue Fähigkeiten erlernen und ihr Verständnis von der Welt vertiefen. Hierbei bildet das Rollenspiel ein wichtiges pädagogisches Instrument (Textor 2000, S. 73).
4.3 Kaupapa Māori Theorie
Die Kaupapa Māori Theorie betont die Bedeutung der kulturellen Zugehörigkeit, der traditionellen Praktiken, des alten maorischen Wissens und der Identität der Māori (Ormond 2019, S. 195) für die Entwicklung und das Wohlbefinden der Māori und bildet nach maorischem Verständnis zugleich das universelle, basale philosophische Fundament und die transformative Praxis, welche sich gemeinsam in konkreten Verhaltensweisen widerspiegeln (Rameka 2021; Williams et al. 2023).
Die Kaupapa Māori Theorie …
- … durchdringt als maorisches Wissenssystem die akademische Forschung in unterschiedlichen Disziplinen von der Pädagogik, über die Philosophie bis hin zu Human Resources (Ormond 2019, S. 195–196).
- … betont die Stärkung der maorischen Identität, den Respekt vor ihren Werten, Traditionen und Praktiken sowie die Vielfalt der maorischen Kulturen (Williams et al. 2023, S. 275–276; Rameka 2021, S. 4).
- … legt großen Wert auf die Gemeinschaft und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern.
- … betont die Bedeutung von Wertschätzung, Solidarität, Zusammenarbeit sowie gegenseitiger Unterstützung und Verantwortung in der Gemeinschaft (Smith 2021, S. 136–137).
- … zielt darauf ab, Māori dazu zu befähigen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen sowie ihre eigenen Probleme zu lösen, indem sie auf ihre Stärken und Ressourcen zurückgreifen.
- … ermutigt zur kritischen Reflexion über koloniale Strukturen und zum Widerstand gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit.
- … strebt danach, die historischen und strukturellen Ursachen von Ungleichheit und Unterdrückung anzuerkennen und zu überwinden.
- … fordert die gleichberechtigte Integration maorischer Werte und Praktiken in alle Aspekte der neuseeländischen Bildung (Rameka 2021, S. 4).
- … betont die Bedeutung der kulturellen Kompetenz und Sensibilität und fordert eine kulturelle, angemessene und respektvolle Praxis.
4.4 Pazifische Ansätze
Die pazifischen Ansätze betonen die Bedeutung von Kultur, Gemeinschaft und Familienbindung für das Wohlbefinden und die Entwicklung (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 62).
Der familienzentrierte Ansatz zeigt sich darin, dass Familie als zentraler Bestandteil des sozialen und kulturellen Lebens betrachtet wird. Sie ist der entscheidende Unterstützungsfaktor für die individuelle Entwicklung sowie das Wohlbefinden und muss in der Folge in Bildungsprozesse eingebunden werden.
Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt werden ebenfalls betont, um Individuen und Familien zu stärken sowie kulturelle Traditionen und Praktiken zu bewahren und zu festigen (Ministry for Pacific People 2021, S. 15–16).
Gesundheit und Wohlbefinden werden holistisch betrachtet. Es werden körperliche, geistige, emotionale und spirituelle Aspekte gleichermaßen berücksichtigt (New Zealand Government und Ministry of Health 2023, S. 2–3).
Zudem soll die Identität und Selbstbestimmung pazifischer Menschen gestärkt werden, indem Möglichkeiten für kulturelle Teilhabe, Bildung und persönliche Entwicklung geschaffen werden (Ministry for Pacific People 2022, S. 10–12).
4.5 Kritische Theorien
Kritische Theorien im Bildungskontext (und in der Sozialen Arbeit) betonen die Analyse gesellschaftlicher Strukturen, Machtverhältnisse und Ungleichheiten (Staub-Bernasconi 2021, S. 371–372). Sie …
- … untersuchen die Ursachen sozialer Probleme und setzen sich für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ein (Rivest und Moreau 2015, S. 1857–1858).
- … hinterfragen bestehende Machtverhältnisse in der Gesellschaft, kritisieren die Unterdrückung bestimmter Gruppen und betonen die Notwendigkeit, die Stimmen und Interessen marginalisierter Gruppen zu stärken und ihre Rechte zu verteidigen (Kechaja 2019, S. 77–78; Staub-Bernasconi 2021, S. 367).
- … zielen im Sinne eines machtkritischen Empowerments darauf ab, ein Bewusstsein für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu schaffen (Urban-Stahl 2018, S. 82), und im Sinne eines individuellen und strukturellen Empowerments, Menschen dazu zu ermächtigen (Sagebiel 2021, S. 204), sich gegen Unterdrückung zur Wehr zu setzen.
- … fördern Partizipation und Mobilisierung von Individuen und Gemeinschaften zur Veränderung sozialer Strukturen sowie Teilhabe aller Gesellschaftsmitglieder an demokratischen Prozessen und Entscheidungen.
- … berücksichtigen in der Folge auch die Vielschichtigkeit sozialer Identitäten und die intersektionalen Wechselwirkungen verschiedener Formen von Diskriminierung, um soziale Probleme umfassend zu analysieren, Lösungsstrategien zu entwickeln und eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu fördern (Bergold-Caldwell et al. 2024, S. 7–8).
4.6 Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
Zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche im Te Whāriki zusätzlich mit berücksichtigt werden, gehören unter anderem entwicklungspsychologische und neurobiologische Erkenntnisse (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 62), kindheitssoziologische Erkenntnisse und der Kinderrechteansatz (Smith 2004, S. 77).
5 Das Curriculum Te Whāriki
Das Curriculum steht der interessierten Öffentlichkeit zweisprachig im Internet frei zur Verfügung (Englisch, Māori). Es setzt sich aus vier curricularen Prinzipien, fünf Hauptzielen und daraus abgeleiteten Lerndimensionen zusammen (Ministry of Education New Zealand 2017a).
Das maorische Wort Te Whāriki bedeutet frei übersetzt „gewebte Matte“. Die curricularen Prinzipien und Hauptziele werden nach dieser Metapher zu einer Matte verwebt. Die gewebte Matte zeugt von kulturellen Vorstellungen und Traditionen der Māori:
„Dahinter verbirgt sich die Tradition, dass jedes Kind nach der Geburt in eine nur für dieses Kind geflochtene Matte aus Flachs gewickelt wird. Die Matte beschützt das Kind, während es aufwächst, und lässt es wachsen. Die Matte ist engmaschig geknüpft, um das Kind zu schützen“ (Lezim 2018, S. 4).
Sie impliziert zudem, dass jede frühpädagogische Institution eine ihr eigene Konzeption gestalten soll, welche die Spezifika der Einrichtung (Identität, Philosophie, pädagogische Ansätze), der Kinder und ihrer Familien sowie des Sozialraums berücksichtigt und die allgemeinen Grundsätze des Te Whāriki integriert (Smith 2004, S. 79–80).
Die Prinzipien und Hauptziele werden im Curriculum inhaltlich beschrieben. Zusätzlich wird dargelegt, welche konkreten Lernziele einzeln verfolgt werden und welche Umgebung hierfür geschaffen werden sollte. Bei den Hauptzielen werden zusätzlich noch für drei unterschiedliche Altersstufen Hinweise für die pädagogische Fachkraft gegeben, welche die Lernziele und pädagogischen Mittel jeweils spezifiziert. Zudem erhalten pädagogische Fachkräfte Hilfen zur Reflexion und Leitungskräfte Hilfen für die Gestaltung der eigenen Leitungsfunktion (Ministry of Education New Zealand 2017a).
5.1 Bild vom Kind
Im Te Whāriki wird das Kind als kompetent, aktiv und sozial eingestuft. Kinder gelten als eigenständig und eigentätig Lernende, welche aktiv ihre Umgebung erforschen und durch soziale Interaktion lernen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 12). Es wird die Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit des Kindes in seinem Lernprozess betont. Die individuellen Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes werden anerkannt und in seinen Bildungsprozessen berücksichtigt. Darüber hinaus werden die kulturelle Vielfalt, die Sprache und die Identität der Kinder respektiert und einbezogen, um eine inklusive und unterstützende Lernumgebung zu schaffen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 12–13, S. 18–19).
5.2 Curriculare Prinzipien
Die vier Dimensionen des Te Whāriki lauten:
- Empowerment (Whakamana): Das Kind wird durch einen förderlichen Lehrplan und eine wertschätzende pädagogische Haltung darin bestärkt, sein Potenzial zu entfalten, zu lernen und zu wachsen sowie dazu befähigt, auch andere bei ihrem Wachstum und ihren Lernprozessen zu unterstützen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 18).
- Ganzheitliche Entwicklung (holistic development, Kotahitanga): Es verweist auf die Ganzheitlichkeit des kindlichen Lernens und der kindlichen Entwicklung unter Einbindung der kognitiven, emotionalen, sozialen, körperlichen, kulturellen und spirituellen Dimension (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 19).
- Familie und Gemeinschaft (family and community, Whānau Tangata): Es zeigt auf, dass das Wohlbefinden des Kindes, als zentrale Voraussetzung für die Entfaltung seines Potenzials, mit dem Wohlbefinden und der Kultur seiner Familienmitglieder und seines sozialen Umfeldes zusammenhängen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 20).
- Beziehungen (relationships, Ngā Hononga): Die grundsätzliche soziale Dimension des Lernens wird betont. Kindliches Lernen findet in reziproken und feinfühligen Beziehungen zu anderen Menschen, Orten und Gegenständen statt (Ministry of Education New Zealand 2017b).
5.3 Hauptziele
Das Curriculum benennt fünf Hauptziele: Wohlbefinden, Zugehörigkeit, Partizipation, Kommunikation und Exploration.
5.3.1 Wohlbefinden
Wohlbefinden (wellbeing oder Mana Atua) wird durch den Schutz vor Schaden sowie die Förderung der kindlichen Gesundheit und des emotionalen Wohlergehens hergestellt. Gesundheit umfasst gesunde Ernährung, körperliche Bewegung sowie die Entwicklung von Selbstwertgefühl und Identität. Das maorische Verständnis von Mana Atua ergänzt dieses Hauptziel um das Verständnis der eigenen Einzigartigkeit und der spirituellen Verbundenheit. Darüber hinaus gehören nach den Pazifika die Beziehungen der Kinder und ihrer (erweiterten) Familien dazu (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 26).
Die kindliche Lernumgebung soll dabei von respektvollen und reziproken Beziehungen geprägt sein, welche die kindlichen Grundbedürfnisse berücksichtigen und dem Kind Kontinuität und Sicherheit bieten (Ministry of Education New Zealand 1996, S. 46). In der Folge lernen die Kinder, zunehmend auf ihre eigene Gesundheit und die anderer zu achten, ihre Emotionen zu regulieren, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu äußern und sich selbst sowie andere vor Schaden zu bewahren (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 27).
Die Lernziele des Te Whāriki sind erreicht, wenn die Beobachtungen des Kindes zu folgenden Schlussfolgerungen führen: Das Kind zeigt Körper- und Gesundheitsbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstfürsorge bei der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse, Respekt für Tapu (spirituell bedeutsame Personen, Objekte, Orte oder Handlungen, teilweise verbunden mit Tabus) und Unabhängigkeit. Es drückt seine Bedürfnisse offen aus, vertraut anderen und kann sich selbst regulieren. Es geht kompetent mit Veränderungen, Unsicherheiten und Verwirrungen um, kann Risiken einschätzen, sich selbst schützen, fühlt sich für das eigene Wohlbefinden sowie das anderer verantwortlich und respektiert Umwelt und Natur sowie Schutzregeln (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 27).
5.3.2 Zugehörigkeit
Zugehörigkeit (belonging, Mana Whenau) meint, dass das Kind Respekt gegenüber Vielfalt, der Individualität jedes Menschen, seiner Identität, Kultur und Sprache erfährt. Dazu gehört, dass eine offene, partizipative Willkommenskultur in der frühpädagogischen Einrichtung gelebt wird. Diese findet sich zum Beispiel in der Beteiligung der (erweiterten) Familie an der Erstellung des Lehrplans wieder. Zusätzlich zeigt sich Mana Whenau in der Zugehörigkeit zur Natur und Umwelt, zu den eigenen Vorfahren, Orten und Dingen sowie dem Respekt davor (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 31).
Der Lehrplan sollte in der Folge dem Kind zugänglich und nachvollziehbar sowie inklusiv ausgerichtet sein. Übergänge innerhalb und zwischen den Einrichtungen werden geplant und die kindlichen Kompetenzen und Ressourcen dabei einbezogen. Das Kind soll spüren, dass seine Einrichtung ein Teil seiner weiter umfassenden Lebenswelt ist und die Familie eingebunden wird (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 31).
In der Folge erfahren Kinder und ihre Familien eine Umgebung, in welcher die Verbindungen mit der weiteren Umwelt gestärkt und erweitert werden. Sie sollen erleben, dass sie einen Platz innerhalb der Gemeinschaft haben und sich in ihr mit ihren Routinen, Bräuchen und regelmäßigen Veranstaltungen wohl fühlen, diese verstehen und sich an diese anpassen. Ziel ist, dass sie respektvoll mit der Umwelt, den Regeln und den Rechten des Gegenübers umgehen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 32).
Folgende Beobachtungen gelten als Anhaltspunkte dafür, dass das Kind diese Lernerfahrungen macht (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 32): Die Kinder …
- … vermögen es, ihre Lernerfahrungen aus der Institution, dem familiären Umfeld sowie ihrer kulturellen Gemeinschaft ineinander zu verschränken.
- … verstehen sich als Weltbürger und zeichnen sich durch ihr lebhaftes Interesse an unbekannten Bereichen aus.
- … erleben sich zugehörig, sind vertraut mit den Charakteristika ihrer unmittelbaren Naturumgebung und deren spiritueller Relevanz.
- … beteiligen sich aktiv, versetzen sich in unterschiedliche Rollen und übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Handeln.
- … zeigen die Fähigkeit, ihre Umwelt zu pflegen, andere in ihrer Selbstfürsorge zu unterstützen und Routinen und Bräuche zu antizipieren.
- … wissen, welche Verhaltensweisen akzeptiert und geschätzt werden, und sind in ihrem Verhalten konsistent.
- … erkennen und begreifen die Notwendigkeit bestehender Regeln und von Fairness gegenüber anderen.
5.3.3 Partizipation
Partizipation (contribution, Mana Tangata) betont das Recht auf aktive Teilnahme an der Lerngemeinschaft und fokussiert gleichberechtigte Lern- und Teilhabemöglichkeiten. Ausgangspunkt sind Stärken und Ressourcen, mit welchen das Kind seinen einzigartigen Beitrag für die Gemeinschaft leisten, sich zugehörig fühlen sowie ein Verständnis für reziproke Beziehungen entwickeln kann und lernt, mit anderen zu teilen. Ergänzend zeigt sich Mana Tangata in einem sich entwickelnden kindlichen Verständnis der eigenen Person und Eingebundenheit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 36).
Die pädagogische Fachkraft soll eine Beziehung zu den Kindern aufbauen und sie beim Beziehungsaufbau und der Beziehungsgestaltung mit anderen Kindern unterstützen. Direkte Interaktionsgelegenheiten als Lernraum ermöglichen es, Empathie und Perspektivübernahme zu entwickeln und zu zeigen. Die direkte Beteiligung erfolgt auch im virtuellen Raum (Ministry of Education New Zealand 2017a).
Die Lernziele sind erreicht, wenn die Beobachtungen des Kindes folgende Schlussfolgerungen erlauben: Das Kind zeigt prosoziales Verhalten, eine diversitäts- und weltoffene Haltung, Perspektivübernahme, Metakognition, Verantwortungsgefühl und Respekt für die Bedürfnisse anderer und das Wohlergehen der Gruppe sowie Verantwortungsübernahme für Gruppenentscheidungen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 37).
5.3.4 Kommunikation
Die Kommunikation (Mana Reo) wird von den Māori und Pākehā unterschiedlich interpretiert. Die maorische Sprache stärkt nach den Māori die kindliche Identität, das Zugehörigkeitsgefühl und das Wohlbefinden. Die Pākehā wiederum betonen die Entwicklung von Kommunikationskompetenzen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 41). Das Ziel der Kommunikation bildet die Förderung der kindlichen Kompetenzen in Sprache, Kultur sowie symbolischen, abstrakten und kreativen Denken. Ein ganzheitliches Verständnis von Sprache umfasst neben verbalen auch nonverbale Ausdrucksformen und damit neben dem reinen Gespräch auch Kunst, Tanz, Schauspiel, Mathematik, Bewegung und Musik (Ministry of Education New Zealand 1996, S. 72).
Die pädagogische Fachkraft soll respektvoll und reziprok mit den Kindern kommunizieren (Carr et al. 2000, S. 12). Die Förderung der maorischen Sprache kann durch das Achten auf die korrekte Aussprache, das Nacherzählen von Geschichten sowie die Einbeziehung von Symbolen und Kunsthandwerken der Māori erreicht werden. Die Verwendung traditioneller Erzählungen, Kunst, Legenden sowie von Sprichwörtern und metaphorischer Sprache unterstützt alle Kinder dabei, sich sowohl in vertrauten als auch weniger vertrauten Kontexten sicher zu bewegen. Humor spielt in all diesen Aspekten eine wichtige Rolle (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 41)
Die Kinder sollen lernen, sich verbal und nonverbal auszudrücken, Geschichten zu verstehen und zu erfinden, Symbole zu nutzen und mathematische Konzepte anzuwenden. Im Zuge dessen entwickeln sie ihre sprachlichen Fähigkeiten, das Verständnis für Symbole und Muster sowie künstlerische Ausdrucksformen innerhalb der Gemeinschaft (Ministry of Education New Zealand 2017b).
5.3.5 Exploration
Die Māori, Pazifika und Pākehā haben jeweils unterschiedliche Zugangswege zur Exploration (Mana Aotūroa). Bei den Māori steht das Selbstverständnis des entdeckenden Kindes im Vordergrund, verbunden mit der Fähigkeit, sich mit der Umwelt zu verbinden, achtsam mit dieser umzugehen und für diese zu sorgen. Die Pākehā betonen die Entwicklung von kritischem Denken, Problemlösungsfähigkeiten und die Entdeckung neuer Dinge. Die Pazifika sehen ebenfalls die selbstständige Erkundung der Umwelt als zentrales Merkmal dieses Ziels an, betonen zusätzlich aber die Fähigkeiten der Ältesten, Familien und Gemeinschaften als unterstützendes Moment (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 46).
Die Förderung des kindlichen Erkundungsdrangs unterstützt das Lernen (Lezim 2018, S. 5), indem Kinder ermutigt werden, ihre Welt zu erkunden und zu verstehen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 46). Dabei werden sie intellektuell und körperlich gefordert und gefördert (Carr et al. 2000, S. 11). Spiel, aktives Handeln, das Stellen von Fragen sowie die Entwicklung eigener Ideen und Hypothesen über die Welt sollten angeregt und die kindlichen Lernprozesse unterstützt werden. Pädagogische Fachkräfte sollen ein Verständnis entwickeln, wie Kinder und ihre Familien die Welt verstehen und die Umwelt respektieren. Kulturelle Sensibilität ist dabei entscheidend, damit die Kinder ihre eigenen Erkenntniswege entdecken können und respektvoll mit ihrer Umwelt umzugehen lernen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 46).
Kinder lernen durch diese Ansätze, ihre körperlichen Fähigkeiten auszubauen, Problemlösungsstrategien zu finden und Verantwortung für ihre Umwelt zu übernehmen. Sie entwickeln Neugier, Ausdauer, die Fähigkeit, Wissen zu verknüpfen und Muster zu erkennen, sowie ein Bewusstsein für Natur- und Umweltschutz (Ministry of Education New Zealand 2017b).
5.4 Lerndimensionen
Die Lerndimensionen orientieren sich an den fünf Hauptzielen (Knauf 2018, S. 425–426). Sie geben auch Hinweise für die Gestaltung der Lernumgebung und zeigen auf, wie entsprechende Verhaltensweisen sich zeigen und gefördert werden können.
- Wohlbefinden: Mut und Neugier stehen im Vordergrund. Die Kinder sollen ermutigt werden, sich aktiv zu beteiligen, indem sie eine vertrauenswürdige Umgebung vorfinden. Es geht darum, dass das Kind seinem Gegenüber vertrauen kann.
- Zugehörigkeitsgefühl: Dieses wird gestärkt, indem Vertrauen und Verspieltheit ermöglicht werden. Eine Lernumgebung, in welcher an dem Kind Interesse gezeigt wird, ist hier entscheidend. Es geht darum, das Kind zu kennen.
- Partizipation: Das Verantwortungsgefühl des Kindes wird gefördert, indem es in einer kollaborativen Umgebung auch Verantwortung übernehmen und zeigen kann. Hierbei spielt es auch eine Rolle, dass das Kind eine faire und gerechte Umgebung wiederfindet.
- Kommunikation: Das kindliche Selbstvertrauen wird gestärkt, indem das Kind ermutigt wird, seine Sichtweisen und Gefühle offen mitzuteilen. Eine zuhörende Umgebung ist essenziell, sodass Kinder sich gehört fühlen.
- Exploration: Die Ausdauer des Kindes wird gefördert, indem es ihm ermöglicht wird, in einer herausfordernden Umgebung, bei Schwierigkeiten und Unsicherheiten beharrlich zu bleiben.
6 Weitere methodisch-didaktische Instrumente
6.1 Lehrplanerstellung
Te Whāriki bildet den Rahmen und die Basis für die konkrete Lehrplanerstellung der individuellen frühpädagogischen Einrichtung (Ministry of Education New Zealand 2017a; Remsperger-Kehm 2019). Bei der Konzeption des Lehrplans werden die „Charakteristika der Einrichtungen, Fachkräfte, Kinder und Familien“ (Remsperger-Kehm 2019) berücksichtigt und die Eltern sowie die erweiterte Familie in die Konzeption eingebunden (Carr 2004, S. 41).
Dabei gilt es, ein gemeinsames Verständnis zu kindlichen Entwicklungs- und Lernprozessen zu entwickeln, die Kenntnisse über die Kinder der Einrichtung durch einen Informationsaustausch zu erweitern, die Lernziele festzulegen sowie zu erfassen, wie diese erreicht werden können und welche Lernumgebung den Kindern dazu bereitgestellt werden muss (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 65).
6.2 Lerngeschichten
Lerngeschichten sind eine ganzheitliche Evaluationsmethode, bei welcher „das Gefüge aus Fertigkeiten, Wissen und Einstellungen“ betrachtet wird (Smith 2004, S. 83). Dabei sind sie weit mehr als reine Beobachtungs- und Dokumentationsinstrumente. Sie leiten das pädagogische Handeln in der Interaktion und Kommunikation mit dem Kind (Knauf 2018, S. 426).
7 Ausbildung
Die Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft (auch Kaiako genannt) beginnt mit einem sechssemestrigen Bachelor-Studium. Daran schließt sich eine bis zu zweijährige Anerkennungs- und Qualifizierungsphase an, in der die angehende pädagogische Fachkraft durch Supervision begleitet wird. Erst wenn sie am Ende die standardisierten staatlichen Anforderungen erfüllt, erhält sie die staatliche Anerkennung (Lezim 2018, S. 6). Diese intensive Ausbildungsphase dient der gründlichen Auseinandersetzung mit den Lern- und Entwicklungstheorien sowie den theoretischen Grundlagen des Curriculums (Smith 2004, S. 82).
Danach sind die Fachkräfte dazu angehalten, sich kontinuierlich beruflich weiterzubilden und ihre pädagogischen, kulturellen sowie inklusiven Fähigkeiten und Kompetenzen kontinuierlich zu erweitern. Die Leitung der frühpädagogischen Einrichtung hat die Aufgabe, sie dabei zu unterstützen (Ministry of Education New Zealand 2017a, S. 59). Dies sichert die Professionalität, unterstützt bei der Reflexion und Verbesserung der eigenen pädagogischen Arbeit und ermöglicht, die im Curriculum festgelegten Prinzipien und Ziele umzusetzen sowie Innovationen in den Einrichtungen einzuführen (Smith 2004, S. 82).
8 Zusätzliche Aspekte
Damit das Curriculum seinen Anforderungen gerecht werden kann, sind neben den bereits aufgeführten Aspekten auch ausreichende Ressourcen und finanzielle Mittel für einen angemessenen Personalschlüssel, eine angemessene Gruppengröße und eine angemessene Bezahlung der Fachkräfte erforderlich (Smith 2004, S. 82–83).
9 Quellenangaben
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10 Informationen im Internet
Verfasst von
Prof. Dr. Susann Kunze
IU Internationale Hochschule · Fernstudium, Erfurt
Professorin für Kindheitspädagogik
Studiengangsleiterin Kindheitspädagogik (B.A.) im Fernstudium
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Es gibt 4 Lexikonartikel von Susann Kunze.
Zitiervorschlag
Kunze, Susann,
2024.
Te Whariki [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 19.11.2024 [Zugriff am: 13.12.2024].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29388
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Te-Whariki
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