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Tod

Prof. Dr. Tim Krüger

veröffentlicht am 15.10.2025

Englisch: death

Mit dem Tod wird gemeinhin der Zustand eines Lebewesens bezeichnet, in dem es nicht mehr lebendig ist. Die Bestimmung des Todes eines Menschen und der Umgang mit dem Tod hängen allerdings stark von kulturell-gesellschaftlichen Annahmen und Deutungsmustern wie religiösen, wissenschaftlichen oder metaphysischen Standpunkten ab.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Der Umgang mit dem Tod – Rituale, Verdrängung und „Verwilderung“
  3. 3 Todesverständnis und Todesinterpretationen
  4. 4 Mediale und ästhetische Darstellungen des Todes
  5. 5 Der Tod als eigener Forschungsgegenstand
    1. 5.1 Todesursachen
    2. 5.2 Kriterien zur Bestimmung des Todes
    3. 5.3 Der „Soziale Tod“
  6. 6 Ethische Fragen
  7. 7 Sterbehilfe
  8. 8 Bedeutung für soziale Berufe
  9. 9 Tod als Gegenstand von Fort- und Weiterbildungen
  10. 10 Quellenangaben
  11. 11 Informationen im Internet

1 Zusammenfassung

Der Umgang mit dem Tod ist gesellschaftlich-kulturell spezifisch. In Deutschland spielt das Motiv „nach Auschwitz“ eine stärkere Rolle als in anderen Gesellschaften.

Das Todesverständnis ist dem Menschen eigen, aber nicht angeboren, und wird im Laufe des Lebens erlernt. Mediale und ästhetische Darstellungen des Todes begleiten die Menschheit von Anbeginn und sind auch gegenwärtig relevant.

Als Forschungsgegenstand spielt der Tod eine gewichtige Rolle in natur- sowie sozialwissenschaftlichen Zugängen, die den Blick auf den Tod, z.B. in der Formulierung von Todeskriterien und Todesursachen, gegenwärtig maßgeblich mitbestimmen. Der Tod wirft darüber hinaus ethische Fragen auf, die gesellschaftlich-kulturell zu klären sind.

In professionellen Kontexten wie in Bereichen der Sozialen Arbeit, in der Pflege oder der frühkindlichen Bildung, spielt der Tod, bzw. weiter gedacht, Verluste, eine häufig übersehene Rolle. Dennoch sind sie diesen Handlungsfeldern eigen und müssen professionell verstanden werden.

2 Der Umgang mit dem Tod – Rituale, Verdrängung und „Verwilderung“

Seit Auschwitz, so Adorno in der „Negativen Dialektik“ (1966, S. 362), heißt, den Tod zu fürchten, Schlimmeres als den Tod zu fürchten. Die Erfahrungen des Nationalsozialismus bestimmen gegenwärtige Debatten um Sterben, Tod und Trauer in Deutschland mit, bspw. wenn es um Sterbehilfe oder die Versorgung Sterbender geht.

„Die Unfähigkeit zu trauern“, 1967 von den Psychoanalytikern Alexander und Margarete Mitscherlich vorgelegt, beschreibt einen spezifischen Umgang mit Sterben und Tod in Deutschland nach den Erfahrungen von Massenvernichtung und Diktatur (Mitscherlich und Mitscherlich 1967). Im Umgang mit dem Tod lassen sich demnach sowohl individuelle wie auch kollektive Momente beobachten. Das Individuum ist eingebunden in kollektive Vorstellungsweisen, z.B. in Bezug auf Trauer oder Rituale, aber als soziales Lebewesen auch konkret angewiesen auf Versorgung. Gleichzeitig ist ein Verlust immer etwas Individuelles, insbesondere in Gesellschaften, die private Beziehungen und Individualität als zentrale Merkmale hervorheben.

In der Kultur- und Sozialgeschichte der Menschheit wurden verschiedenste Überwindungs- und Erklärungsversuche gefunden. Die wirkmächtigsten hiervon sind sicher die Religionen. Insbesondere monotheistische Religionen wie das Christentum beziehen das menschliche Leben auf die Hoffnung auf ein Jenseits. In jüngerer Zeit setzen sich anstelle religiöser Zugänge wissenschaftliche – z.B. aus der (Neuro-)Biologie hervorgehende – Erklärungsmuster durch. Dennoch spielen im Umgang mit dem Tod noch immer spirituelle Deutungsmuster eine zentrale Rolle für viele Menschen.

Insbesondere an Ritualen wie Begräbnissen und Feiertagen lässt sich die Bedeutung des Todes für eine Kultur ablesen. So lassen sich Begräbnisse bis etwa 40.000 Jahre vor unserer Zeit nachweisen (Croucher 2012). Auch heute noch herrscht in Deutschland Bestattungspflicht. Zentrale Feiertage in verschiedenen Kulturen drehen sich um den Tod, wie beispielsweise das Osterfest im Christentum.

Für das 19. und 20. Jahrhundert wurde eine „Todesverdrängung“ (Nassehi und Weber 1989), bzw. eine „Verwilderung“ des Todes (Ariès 2009) analysiert. Gemeint ist die abnehmende Thematisierung des alltäglichen Sterbens in der Öffentlichkeit. Ob diese These angesichts massenmedialer Berichterstattung über Kriege, die Covid-19-Pandemie und andere Ereignisse wie Klimawandelfolgen und die damit verbundenen Todeszahlen haltbar ist, ist strittig.

Dennoch bleibt der alltägliche Tod aufgrund von Krankheit, Alter, Pflegebedürftigkeit etc. sowohl in den Unterhaltungs- als auch in den Informationsmedien unterbeleuchtet. Die meisten Menschen in westlichen Gesellschaften kommen erst spät in ihrer Biografie mit einem sterbenden oder bereits toten Menschen in Berührung, während man durch klassische und/oder soziale Medien schon früh an krisenhafte, auch gewaltsame Formen des Sterbens gewöhnt wird.

3 Todesverständnis und Todesinterpretationen

Obwohl sich auch bei nicht-menschlichen Lebewesen Phänomene wie Todesangst beobachten lassen, ist nur der Mensch allein in der Lage, sich reflexiv mit dem Tod zu beschäftigen und somit auch sein Leben im (z.T. sehr unbewussten, diffusen) Wissen um das Ende zu gestalten. Ein signifikantes Beispiel hierfür ist der Suizid, der ausschließlich bei menschlichen Lebewesen vorkommt.

Die auch heute noch maßgeblichen Todesinterpretationen lassen sich bis in die griechische und römische Antike zurückverfolgen. So gibt es seit dieser Zeit sowohl die Vorstellung der Notwendigkeit des Todes zur Schaffung neuen Lebens (Heraklit) als auch den Versuch, mit dem Tod zurechtzukommen, z.B. in Epikurs berühmtem Ausspruch:

„Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr“ (Epikur).

In diese Zeit fällt auch die Vorstellung davon, dass der Tod die Trennung von Seele und Leib darstellt (Platon). Unterschiedliche Kulturen und Gesellschaften finden wirkmächtige Metaphern für den Tod wie die des „großen (traumlosen) Schlafes“ oder der „Reise“.

Für die meisten Kulturen – auch außerhalb des Einflusskreises europäischer Philosophie – ist der Tod nichts Endgültiges, sondern vielmehr ein Übergangszustand bzw. ein anderer Zustand als der des irdischen Lebens.

Nach Hegel bedeutet der Tod das Aufgehen der Individualität in der Gemeinschaft. Kierkegaard beschreibt aus einer frühen existenzphilosophischen Perspektive die Herausforderung einer absoluten Gewissheit, nämlich der, dass man sterben wird und einer absoluten Ungewissheit, nämlich der, wann dieser Zustand eintreten wird. Für Simmel ist der Tod dem Leben dauerhaft innewohnend und nicht in einem spezifischen Moment des Sterbens von außen an das Leben herantretend (Hügli 1998, S. 1227–1242).

Dadurch, dass der Mensch eine Kultur schafft, die sich dem einzelnen Individuum nicht von Geburt an erschließt und die auch mit dem Tod des Individuums nicht endet, müssen Kulturgüter, Fähigkeiten, Erkenntnisse etc. über die Schwelle des Todes des Einzelnen hinweg tradiert werden. Diese Praxis ist Erziehung (Sünkel 2013; Winkler 2006). Der Tod spielt also sowohl im professionalisierten wie auch im privaten erzieherischen Handeln eine Rolle.

Die Frage, ab wann Kinder ein sog. „Todeskonzept“ entwickeln, ist eine zentrale Frage auch für pädagogische und soziale Kontexte. Hierbei geht es vor allem darum, ob und ab wann Kinder in der Lage sind, bestimmte Bedingungen des Todes zu verstehen. Hierzu gehören die Irreversibilität, die Universalität, die Non-Funktionalität sowie die Kausalität des Todes (Reuter 2020, S. 160). Das Verstehen des Todes ist also auch Menschen nicht angeboren, sondern wird im Laufe der Biografie erlernt.

In Bezug auf das Verständnis vom Tod lassen sich somit zwei Kernaussagen treffen:

  1. Nur der Mensch ist in der Lage, sich reflexiv mit dem Tod zu beschäftigen, also sein Leben im Wissen um den Tod zu gestalten.
  2. Das Wissen um die Sterblichkeit ist dem Menschen nicht angeboren, sondern wird im Verlauf der Biografie erlernt und wirft dauerhaft Sinnfragen auf.

4 Mediale und ästhetische Darstellungen des Todes

Ästhetische Darstellungen der Letzten Dinge begleiten den Menschen fast seit Anbeginn der Gattung, von tief religiösen wie dem christlichen Mittelalter bis zu gegenwärtigen popkulturellen Zusammenhängen (Hart Nibbrig 1989). Weder die Darstellung des Leidens Christi noch der Arztroman bzw. die Nachmittagsserie im Fernsehen kommen ohne eine Darstellung des Todes aus. Ästhetisch-mediale Darstellungen beeinflussen die Alltagsvorstellungen vom Tod signifikant.

Das christliche Mittelalter kannte noch das sog. „Memento Mori“, das an die Notwendigkeit des Bedenkens der Sterblichkeit erinnern sollte. Dies gerade in Zeiten, in denen die Lebenserwartung deutlich unter derjenigen von heute lag und das irdische Leben als Durchgangsstadium in das wirkliche, ewige Leben interpretiert wurde. Ästhetisch-mediale Darstellungen können so auch eine didaktische Komponente enthalten, indem sie den Menschen eine spezifische Form des „richtigen“ Umgangs mit dem Tod vermitteln sollen.

Dabei sollen und können Kunstwerke wie Musikstücke, Gemälde, Romane etc. die Auseinandersetzung mit dem Tod anregen und inspirieren. Im besten Falle sind sie in der Lage, den Bezug zum gegenwärtigen Umgang mit dem Tod herzustellen, sodass eine reflexive Auseinandersetzung für den Betrachter möglich wird. Der Tod ist, neben der Liebe, die zentrale Inspirationsquelle für ästhetisch-künstlerische Werke.

Kunstwerke illustrieren einerseits das gängige Todesverständnis einer Epoche, wie die Totentänze im Mittelalter. Oder sie ästhetisieren Paradigmenwechsel und gesellschaftliche Umbrüche, wie bspw. der Roman „Der Tod Iwan Iljitschs“ von Lew Tolstoi (erschienen 1886), in dem der Wandel von einem religiös-alltagspragmatischen zu einem medizinisch-technischen Umgang mit dem Tod beschrieben wird.

Typisch für die gegenwärtige Zeit ist eine Darstellung von Sterben und Tod in Literatur, Film und Fernsehen, aber auch bildender Kunst, zu Unterhaltungszwecken, die Gorer bereits 1955 „The Pornography of Death“ genannt hat (Gorer 1955). Macho und Marek (2007) sprechen von einer „neuen Sichtbarkeit des Todes“.

5 Der Tod als eigener Forschungsgegenstand

Schon in frühen Ansätzen der Sozialforschung an der Wende zum 20. Jahrhundert, z.B. bei Freud (1917) und Durkheim (1897), zeigt sich eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Tod. Freud interpretiert, ähnlich wie Simmel, den Tod als ein dem Leben innewohnendes Phänomen, das durch den sog. Todestrieb zum Ausdruck komme. Alles Handeln und Verhalten des Menschen sei so durch ein implizites Wissen um und Streben zum Tod bestimmt. Durkheims zentrale Schrift „Der Selbstmord“ (frz. Orig. „Le Suicide“) gilt als Meilenstein der Etablierung der Soziologie.

Als interdisziplinäres Forschungsgebiet zum Tod hat sich mittlerweile, insbesondere in angelsächsischen Gesellschaften, aber zunehmend auch in Europa und Deutschland, die Thanatologie etabliert. Diese befasst sich mit umfangreichen Fragestellungen im Kontext von Sterben, Tod und Trauer wie bspw. der Beforschung von:

  • Einstellungen zum Tod
  • Darstellungen des Todes, z.B. in Medien
  • Verlust und Trauer
  • Versorgung Sterbender und ihrer Angehörigen

Eine zentrale Institution für die Thanatologie ist die Fachgesellschaft „ADEC“ (Association for Death Education and Counseling), die jährliche Fachtagungen in den USA ausrichtet, sowie das Publikationsorgan „Death Studies“, das etwa zehnmal jährlich erscheint.

5.1 Todesursachen

Im Zuge einer zunehmend naturwissenschaftlich-medizinischen Betrachtung des Todes hat sich eine spezifische Art des Umgangs mit dem Tod etabliert. Mittlerweile ist es üblich, Todesursachen exakt zu benennen und quantitativ darzustellen (Destatis 2025a).

Derzeit sterben in westlichen Gesellschaften die meisten Menschen an Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sowie an Krebs. Bei etwa 900.000 bis eine Million Menschen, die in Deutschland jährlich sterben, entfallen auf diese beiden Ursachen mehr als die Hälfte aller Todesfälle.

Insbesondere schwierig ist die Erfassung von Todesfällen durch Suizid. Das Statistische Bundesamt beziffert die Zahl auf in etwa 10.000 Fälle pro Jahr. Dennoch bleibt zu fragen, ob nicht bestimmte andere Arten zu Tode zu kommen (z.B. durch Unfälle), auch in (nicht eindeutig formulierter) suizidaler Absicht geschehen.

5.2 Kriterien zur Bestimmung des Todes

In Bezug auf die Bestimmung des Todeszeitpunkts spielt die moderne Wissenschaft eine zentrale Rolle. Während frühere Gesellschaften den Tod beispielsweise an ausbleibender Atmung feststellten, hat sich derzeit die Diagnose „Hirntod“ zur Feststellung des Todes etabliert. Der Hirntod wird somit als Synonym für den Tod des Menschen an sich interpretiert (Martin 2025).

Der Hirntod wird beschrieben als irreversible Bewusstlosigkeit bei gleichzeitigem Ausfall aller Hirnfunktionen. Es handelt sich hierbei also um ein medizinisches Kriterium zur Todesfeststellung. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass auch diese mittlerweile etablierte Grenzziehung zwischen Leben und Tod kulturbedingt ist und ethische Fragen aufwirft (Schlich 2001, S. 9; s.u.).

5.3 Der „Soziale Tod“

Ausgehend von den soziologischen Arbeiten Comtes und vor allem Sudnows hielt der Begriff „sozialer Tod“ (Fuchs-Heinritz 2020) als Konzept für die Beschreibung von Vereinsamungstendenzen moderner Gesellschaften, Einzug in professionelle und alltagssprachliche Kontexte. Mit ihm ist zunächst das Heraussterben eines Individuums aus einer Gemeinschaft noch vor dem physisch-biologischen Tod beschrieben worden. Die Aberkennung sozialer Rollen in Gesellschaften komme demnach einem „sozialen Tod“ gleich. Dies kann, insbesondere historisch, aber z.T. auch gegenwärtig, durch Bestrafung und Exklusion erfolgen.

Allerdings lassen sich in Gesellschaften, die stark auf die Einbindung des Individuums in bestimmte Systeme wie die Lohnarbeit setzen, beispielsweise auch das Ende des Erwerbslebens und der damit verbundene Rollenverlust als „sozialer Tod“ diskutieren. Das Absprechen gesellschaftlicher Rollen, bzw. deren Entzug zur Bestrafung, wird als Tod eines auf soziale Kontakte angewiesenen Individuums für alle Gesellschaften beschrieben.

6 Ethische Fragen

Im Zusammenhang mit Sterblichkeit und Tod entstehen verschiedene ethische Probleme. In Bezug auf die Bestimmung des Todeszeitpunkts (s.o.) stellt sich beispielsweise die Frage, ab wann und ob überhaupt dringend benötigte Organe entnommen werden dürfen.

Ebenfalls ethische Fragen werfen medizinische und zunehmend auch technische Errungenschaften auf. Beide haben seit jeher das Ziel, dem Tod etwas Zeit abzutrotzen, durch verbesserte Behandlungen, bessere Technik etc. Die Lebenserwartung des Menschen dehnt sich signifikant aus, bis hin zuletzt um die 80 Jahre für derzeit Neugeborene (Destatis 2025b). Damit verbunden ist eine Vielzahl moralischer und ethisch zu beantwortender Fragestellungen. So z.B.:

  • Wie lange soll ein Leben künstlich erhalten werden?
  • Welches technische Equipment darf in einen biologisch-organischen Körper verbaut werden? (Enhancement)

Unsterblichkeitsvorstellungen, die früher religiös formuliert wurden (i.S. eines Lebens im Jenseits) sind konkret biologisch-medizinischen Fragestellungen gewichen, die nach der Machbarkeit der Umkehrung des Alterungsprozesses forschen (z.B. durch Aubrey de Grey).

7 Sterbehilfe

Eine zentrale ethische Frage des Umgangs mit Sterben und Tod stellt das Problem der Sterbehilfe dar. Verschiedene Bundestagsdebatten haben bisher, trotz Aufforderung durch das Bundesverfassungsgericht, zu keiner eindeutigen Rechtsprechung geführt.

Grundsätzlich unterscheidet man vier Formen der Sterbehilfe:

  1. Passiv. Wird auch „Sterbenlassen“ genannt. Es werden keine künstlichen, das Leben verlängernden Maßnahmen unternommen.
  2. Indirekt. Die Vergabe bestimmter, z.B. schmerzlindernder Medikamente, führt als Nebenwirkung zu einem früheren Tod.
  3. Assistierter Suizid. Ein Arzt oder eine andere Person, stellt tödliche Medikamente bereit, die der Patient selbst zu sich nimmt.
  4. Aktiv. Ein Arzt oder jemand anderes, verabreicht tödliche Medikamente selbst (z.B. intravenös)

Die ersten beiden Formen – passiv und indirekt – sind, auch in Deutschland, gängige Praktiken. Der assistierte Suizid war, zumindest mit der Intention der „Gewerbsmäßigkeit“, bis 2020 in Deutschland verboten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat diese Rechtsprechung für nicht verfassungskonform erklärt und den Bundestag aufgefordert, eine neue Rechtsprechung zu finden, was bis heute nicht geschehen ist. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland als „Mord“, bzw. „Tötung auf Verlangen“ ein Straftatbestand und verboten.

Die Rechtsprechung und somit auch die ethischen Debatten sind spezifisch für Kulturkreise und Gesellschaften. Während in Deutschland häufig Argumente in Bezug auf die Tötungspraxis des Nationalsozialismus stark gemacht werden, verfahren andere Länder pragmatischer mit Fragen der Sterbehilfe.

8 Bedeutung für soziale Berufe

Soziale Dienstleistungen, insbesondere Berufsfelder der Sozialen Arbeit, sind häufig mit dem Tod konfrontiert. Damit ist nicht nur gemeint, dass sich Professionelle sozialer Berufe, wie der Pflege, Medizin oder Sozialer Arbeit, in die konkrete Sorge um Sterbende und ihre Angehörige einbringen, so z.B. im Krankenhaus oder Hospizen. Vielmehr spielen Verluste durch Tod – aber auch anderweitige Verluste – eine signifikante Rolle in allen Handlungsfeldern der öffentlichen Erziehung.

Adressat:innen Sozialer Arbeit sind, bspw. durch ihren Lebensstil (Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit etc.) sowie durch ihre Lebensumstände merklich früher vom Tod betroffen als andere Teile der Bevölkerung. Darüber hinaus zeigen sich in ihren Biografien häufig sich überschneidende Formen von Verlusten. Eine Verlustsystematik bietet sich häufig an. Diese umfasst:

  • Personale Verluste durch Tod, Scheidung, Trennung etc.
  • Materielle Verluste, z.B. der Arbeitsstelle, des Wohnraums, finanzieller Ressourcen
  • Körperlich-biologische Verluste, z.B. bei Demenz, anderen chronischen Erkrankungen, altersspezifischen Erscheinungen
  • Verlust sozialer Rollen und von Bewältigungsmustern (Krüger 2019, S. 201 ff.)

Forschungen haben ergeben, dass nicht nur Adressat:innen selbst früher mit komplexen Verlusten konfrontiert sind. Vielmehr bringen die Lebenssituationen, in denen sich Adressat:innen Sozialer Arbeit befinden, häufig auch im Umfeld Verluste hervor (exemplarisch Wojtkowiak et al. 2019 für schwer drogenabhängige Menschen). Zeit zur Bearbeitung eines Verlustes bleibt somit häufig kaum, zum einen, weil in einem krisenhaften Alltag allgemein kaum Zeit bleibt, zum anderen, weil dieser krisenhafte Alltag den Menschen in schnellerer Abfolge mit signifikanten Verlusten konfrontiert als andere. Hier stellen sich Aufgaben für Professionelle der Sozialen Arbeit, z.B. in der Schaffung eines zeitlichen und örtlichen Raumes, um Verluste thematisieren zu können.

Professionelle der Sozialen Arbeit und angrenzender Handlungsfelder sollten sich somit bewusst sein, dass der Tod ihren Handlungsfeldern näher steht, als man gemeinhin annimmt. Fallverläufe sind häufig durch Verluste beeinflusst. Professionelle Interventionen kommen zudem meistens erst im Nachklang zu einem Verlust zustande, bzw. inszenieren selbst Verluste (z.B. durch Inobhutnahmen). Das Wissen um Verlustbewältigung, Trauer und grundlegende Kenntnisse von Ritualen, Sterbeprozessen ist somit auch für die sozialpädagogische Praxis unabdingbar.

In der praktischen Sozialen Arbeit kommen demnach häufig Handlungsweisen vor, die unter „Trost“ subsumiert werden können (Krüger 2021).

9 Tod als Gegenstand von Fort- und Weiterbildungen

Die in den 1960er-Jahren in den USA entstandene und seit dem stetig weiterentwickelte „Death Education“ untersucht, wie man Fragen zum Tod in Erziehungs- und Bildungskontexte, sowohl formale wie auch informelle, einbringen kann. Die Bedeutung von Bildungsinhalten, Fort- und Weiterbildungen in Bezug auf Fragen zu Sterben und Tod in sozialen Berufsfeldern nehmen zu (Krüger 2019).

Es wurde erkannt, dass bei Fachkräften aber auch bei Laien, ein Mangel an Wissen im Umgang mit dem Tod herrscht. In den USA haben sich hierfür spezifische Arbeitsbereiche herauskristallisiert, so z.B. ein eigenständiger Ansatz Sozialer Arbeit im Kontext von Sterben und Tod (Palliative Social Work).

In Deutschland sind das Wissen und Können in Bezug auf Sterben und Tod medizinisch geprägt, was sich bspw. im zunehmend diagnostisch-therapeutischen Umgang mit Trauer zeigt. Dennoch benötigen Fachkräfte der Sozialen Arbeit und angrenzender Handlungsfelder wie der Pflege Fachwissen um Sterben und Tod, das über medizinisch-diagnostisches Wissen hinausgeht. Hierzu gehören z.B. das Wissen um:

  • Gesprächsführung mit Sterbenden und ihren Angehörigen
  • Die Gestaltung von Abschieden und Übergängen
  • Trauer aus einer umfangreicheren Perspektive
  • Gestaltung eigener Bildungsinhalte für das jeweilige Handlungsfeld
  • Präventionsansätze, i.S.v. grundlegendem, aber spezifischem Wissen (primäre, sekundäre, tertiäre Prävention) über die Bedeutung von Sterben und Tod im Handlungsfeld
  • Verlustdimensionen in Fallverläufen und -interpretationen (Kasuistik)
  • Trost als Handlungsrahmung
  • Suizidalität

10 Quellenangaben

Adorno, Theodor W., 1966. Negative Dialektik. 6. Auflage. Frankfurt a. M.: Suhrkamp

Ariès, Philippe, 2009. Geschichte des Todes. 12. Auflage. München: dtv Verlagsgesellschaft. ISBN 978-3-423-04407-3

Croucher, Karina, 2012. Death and Dying in the Neolithic Near East. Oxford: Oxford University Press. ISBN 978-0-19-969395-5

Destatis, 2025a. Todesursachen [online]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt [Zugriff am: 18.08.2025]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/​Gesellschaft-Umwelt/​Gesundheit/​Todesursachen/​_inhalt.html

Destatis, 2025b. Sterbefälle und Lebenserwartung [online]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt [Zugriff am: 18.08.2025]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/​Gesellschaft-Umwelt/​Bevoelkerung/​Sterbefaelle-Lebenserwartung/​_inhalt.html?templateQueryString=lebenserwartung

Durkheim, Emile, 1983 [1897]. Der Selbstmord. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. ISBN 978-3-518-28031-7

Freud, Sigmund, 2025 [1917]. Trauer und Melancholie. Stuttgart: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH. ISBN 978-3-15-014395-7

Fuchs-Heinritz, Werner, 2020. Sozialer Tod. In: Héctor Wittwer, Daniel Schäfer und Andreas Frewer, Hrsg. Handbuch Sterben und Tod: Geschichte – Theorie – Ethik. Berlin: J.B. Metzler, S. 155–158. ISBN 978-3-476-05761-7

Gorer, Geoffrey, 1955. The Pornography of Death [online]. Romolo Giovani Capuano [Zugriff am: 18.08.2025]. Verfügbar unter: https://www.romolocapuano.com/wp-content/​uploads/2013/08/Gorer.pdf

Hart Nibbrig, Christaan L., 1989. Ästhetik der letzten Dinge. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. ISBN 978-3-518-40187-3

Hügli, Anton, 1998. Tod. In: Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Hrsg. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 10 St–T. Lizenzausgabe für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. Basel: Schwabe. S. 1227–1242. ISBN 978-3-7965-4495-8

Krüger, Tim, 2019. Trauer und Trost: Verlustsensible Sozialpädagogik. Würzburg: Ergon Verlag. ISBN 978-3-95650-582-9

Krüger, Tim, 2021. Soziale Arbeit als tröstende Profession. Entwurf einer Handlungsrahmung. In: neue praxis. 6/21. S. 503–520. ISSN 0342-9857

Macho, Thomas und Kristin Marek, 2007. Die neue Sichtbarkeit des Todes. München: Wilhelm Fink. ISBN 978-3-7705-4414-1

Martin, Alfred R., 2025. Brain Death [online]. Encyclopedia of Death and Dying [Zugriff am: 18.08.2025]. Verfügbar unter: http://www.deathreference.com/Bl-Ce/​Brain-Death.html

Mitscherlich, Alexander und Margarete Mitscherlich, 1967. Die Unfähigkeit zu trauern: Grundlagen kollektiven Verhaltens. München: R. Piper & Co

Nassehi, Armin und Georg Weber, 1989. Tod, Modernität und Gesellschaft: Entwurf einer Theorie der Todesverdrängung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. ISBN 978-3-531-12035-5

Reuter, Stephanie, 2020. Entwicklung des Todeskonzepts bei Kindern. In: Héctor Wittwer, Daniel Schäfer und Andreas Frewer, Hrsg. Handbuch Sterben und Tod: Geschichte – Theorie – Ethik. Berlin: J.B. Metzler, S. 159–164. ISBN 978-3-476-05761-7

Schlich, Thomas, 2001. Tod, Geschichte, Kultur. In: Thomas Schlich und Claudia Wiesemann, Hrsg. Hirntod: Zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 9–42. ISBN 978-3-518-29125-2

Sünkel, Wolfgang, 2013. Erziehungsbegriff und Erziehungsverständnis: Allgemeine Theorie der Erziehung. Band 1. 2. Auflage. Weinheim: Beltz Juventa. ISBN 978-3-7799-1272-9 [Rezension bei socialnet]

Winkler, Michael, 2006. Kritik der Pädagogik: Der Sinn der Erziehung. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-017891-5 [Rezension bei socialnet]

Wojtkowiak, Johanna, Noemi C. Vanherf und Carmen M. Schuhmann, 2019. Grief in a biography of losses: Meaning-Making in hard drugs user’s grief narratives on drug related death. In: Death Studies. 43(2), S. 122–132. ISSN 0748-1187

11 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Tim Krüger
Technische Hochschule Rosenheim, Fakultät Sozialwissenschaften
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