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Träger der Jugendhilfe

Prof. Dr. jur. Dr. phil. Reinhard Joachim Wabnitz

veröffentlicht am 29.07.2024

Synonyme: Jugendhilfeträger; Träger der Kinder- und Jugendhilfe

Geltungsbereich: Deutschland

Rechtlicher Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Rechtsfragen können aufgrund geänderter Rechtslage schnell veralten. Sie ersetzen keine individuelle Beratung.

Die Träger der Jugendhilfe in Deutschland lassen sich in öffentliche und freie Träger einteilen. Sie sind nach den §§ 3 und 4 SGB VIII sowie §§ 73 ff. SGB VIII für die Bereitstellung und Durchführung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zuständig.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Aufgaben der Jugendhilfe
  3. 3 Träger der Jugendhilfe
  4. 4 Träger der freien Jugendhilfe
  5. 5 Träger der öffentlichen Jugendhilfe
  6. 6 Sachliche Zuständigkeit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und ihrer Jugendämter und Landesjugendämter
  7. 7 Jugendamt/​Jugendhilfeausschuss
  8. 8 Landesjugendamt/​Landesjugendhilfeausschuss
  9. 9 Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe
  10. 10 Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe
    1. 10.1 Arten der Finanzierung
    2. 10.2 Subventionsfinanzierung (§ 74 SGB VIII)
    3. 10.3 Entgeltfinanzierung (§§ 77, 78a bis 78g SGB VIII)
    4. 10.4 Diskussion und Fortentwicklung
  11. 11 Gesamtverantwortung, Gewährleistungsverpflichtung, Qualitätsentwicklung
  12. 12 Jugendhilfeplanung
  13. 13 Zusammenarbeit
  14. 14 Diskussion und Entwicklungsperspektiven
  15. 15 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Die vielfältigen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) werden in sehr differenzierter Weise durch Träger der freien und der öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe wahrgenommen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die Gesamtverantwortung für die Erfüllung aller Aufgaben nach dem SGB VIII. Zugleich werden jedoch die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe überwiegend von Trägern der freien Jugendhilfe erbracht. Die wesentlichen Prinzipien für die Zusammenarbeit zwischen den Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe sind in den §§ 3 und 4 SGB VIII normiert und in den §§ 73 ff. SGB VIII weiter konkretisiert.

2 Aufgaben der Jugendhilfe

Aufgaben der Jugendhilfe sind gemäß § 2 Abs. 1 SGB VIII zum einen „Leistungen“ und zum anderen „andere Aufgaben“ zugunsten junger Menschen und ihrer Familien (Näheres bei Wabnitz in GK-SGB VIII, Erläuterungen zu § 2; Wabnitz 2021, Kap. 3.1). Der Gesetzgeber hat es den Rechtsanwender:innen einfach gemacht: er hat in § 2 Abs. 2 und 3 SGB VIII alle Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe präzise aufgelistet und zugleich in Klammerzusätzen die jeweils relevanten Paragrafen (§§ 11 bis 41a SGB VIII bzw. §§ 42 bis 60 SGB VIII) benannt.

Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII sind Sozialleistungen, insbesondere Dienstleistungen, bei denen persönliche und erzieherische Hilfen der Sozialpädagogik und Sozialarbeit im Vordergrund stehen. Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind im Wesentlichen hoheitliche Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie administrative öffentliche Aufgaben.

3 Träger der Jugendhilfe

Die zentralen rechtlichen Regelungen über die Träger der Jugendhilfe sind in den §§ 3 und 4 SGB VIII enthalten:

„§ 3 Freie und öffentliche Jugendhilfe

(1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen.

(2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.

§ 4 Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe

(1) Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten.

(2) Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen.

(3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern stärken.“

Gemäß § 3 Abs. 1 SGB VIII ist die deutsche Jugendhilfe auch in der Praxis gekennzeichnet durch eine kaum übersehbare Vielfalt von öffentlichen und insbesondere freien Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und durch eine große Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen. Die Regelungen der §§ 3 und 4 SGB VIII werden in den §§ 69 ff. SGB VIII weiter konkretisiert.

Träger der freien Jugendhilfe sind aus juristischer Sicht solche nach dem Zivilrecht, etwa als eingetragener Verein nach dem BGB (e.V.), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Stiftung u.a. Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind überwiegend juristische Personen des öffentlichen Rechts, zumeist in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts (insbesondere Gebietskörperschaften).

4 Träger der freien Jugendhilfe

Freie (Kinder- und) Jugendhilfe nach den §§ 3 und 4 SGB VIII umfasst alle nicht öffentlichen Träger und Organisationen, die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII wahrnehmen. Freie Träger der Jugendhilfe sind z.B.

  • Verbände, Gruppen und Initiativen der Jugend
  • Träger der außerschulischen Jugendbildung
  • Sportvereine und -verbände
  • Träger der Kulturarbeit
  • Träger der Jugendsozialarbeit
  • Träger und Einrichtungen der Familienförderung, -bildung, -beratung und -erholung
  • Träger von Tageseinrichtungen für Kinder
  • Elterninitiativen
  • Verbände der freien Wohlfahrtspflege
  • Kirchen und andere Religionsgemeinschaften
  • Gewerkschaften
  • Bildungseinrichtungen
  • Bürgerinitiativen, Trägervereine etc.
  • Träger von Heimen und anderen Diensten oder Einrichtungen der Erziehungshilfe
  • Träger im Bereich der Jugendgerichtshilfe
  • Vereine zur Führung von Vereinsvormundschaften
  • privatgewerbliche Träger.

In Deutschland gibt es Tausende von Trägern der freien Jugendhilfe. Sie existieren zum Teil schon länger als die Bundesrepublik Deutschland, die Länder und die derzeit bestehenden kommunalen Gebietskörperschaften. Traditionell überwiegen gemeinnützige, verbandlich, kirchlich oder gewerkschaftlich organisierte Organisationen und Institutionen, die zudem vielfach auch auf überörtlicher, Landes- oder Bundesebene zusammengeschlossen sind. Darüber hinaus gibt es zahllose lokale Initiativen und Gruppen sowie privatgewerbliche freie Träger. Freie Träger erbringen den deutlich überwiegenden Teil der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Wabnitz 2015, S. 219;auch Münder et al. 2022, § 69 Rz. 8 ff.; Deutscher Bundestag 2013, S. 284 ff.).

Die freie Kinder- und Jugendhilfe entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang sie tätig wird. Sie bedarf insoweit keiner staatlichen „Konzession“ oder Erlaubnis. Begehren freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe jedoch öffentliche Förderung, müssen sie die dafür bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen (§§ 74 ff. SGB VIII) akzeptieren.

5 Träger der öffentlichen Jugendhilfe

Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII die örtlichen und die überörtlichen Träger, die durch Landesrecht bestimmt werden:

Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind

  • zumeist die (Land-)Kreise und kreisfreien Städte sowie
  • ggf. auch kreisangehörige Gemeinden.

Alle örtlichen Träger sind nach § 69 Abs. 3 SGB VIII dazu verpflichtet, für die Wahrnehmung aller örtlichen Aufgaben nach dem SGB VIII ein Jugendamt zu errichten.

Überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind (Wabnitz in GK-SGB VIII, § 69, Rz. 7):

  • in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen sog. „höhere Kommunalverbände“,
  • in allen übrigen Ländern das jeweilige Land selbst.

Alle überörtlichen Träger sind nach § 69 Abs. 3 SGB VIII dazu verpflichtet, ein Landesjugendamt zu errichten.

6 Sachliche Zuständigkeit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und ihrer Jugendämter und Landesjugendämter

Die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit – der Frage also, welcher Träger der öffentlichen Jugendhilfe und welche Behörde (Jugendamt oder Landesjugendamt) von der Sache her der/die „richtige“ ist (dazu Wabnitz in GK-SGB VIII, Erläuterungen zu § 85;Wabnitz 2021, Kap. 12. 2), erfolgt in zwei Schritten:

  1. Zunächst ist gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII zu prüfen, ob es sich mit Blick auf die im Einzelfall relevante Thematik um die „Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben nach diesem Buch“ (also: dem SGB VIII) handelt. Dabei empfiehlt sich häufig ein Blick zunächst auf die Aufgabenkataloge in § 2 Abs. 2 und 3 SGB VIII und sodann auf die einzelnen §§ 11 bis 41a SGB VIII bzw. §§ 42 bis 60 SGB VIII. Handelt es sich um keine Leistung oder andere Aufgabe nach dem SGB VIII, besteht auch keine sachliche Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, und die Angelegenheit ist in der Regel an einen anderen Träger bzw. eine andere Behörde außerhalb der Jugendhilfe abzugeben.
  2. Handelt es sich um eine Aufgabe nach dem SGB VIII, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dafür der örtliche oder der überörtliche Träger der Jugendhilfe sachlich zuständig ist. Der örtliche Träger ist gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII (grundsätzlich) sachlich zuständig, soweit nicht („ausnahmsweise“) der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Letzteres ist (lediglich) dann der Fall, wenn es sich um eine (zumeist: überörtliche) Aufgabe nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB VIII handelt. Danach ist der überörtliche Träger sachlich zuständig für

„1. die Beratung der örtlichen Träger und die Entwicklung von Empfehlungen zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch,

  1. die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Trägern und den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe, insbesondere bei der Planung und Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und Hilfen für junge Volljährige,
  2. die Anregung und Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den örtlichen Bedarf übersteigen; dazu gehören insbesondere Einrichtungen, die eine Schul- oder Berufsausbildung anbieten, sowie Jugendbildungsstätten,
  3. die Planung, Anregung, Förderung und Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe,
  4. die Beratung der örtlichen Träger bei der Gewährung von Hilfe nach den §§ 32 bis 35a, insbesondere bei der Auswahl einer Einrichtung oder der Vermittlung einer Pflegeperson in schwierigen Einzelfällen,
  5. die Wahrnehmung der Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen (§§ 45 bis 48a),
  6. die Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung,
  7. die Fortbildung von Mitarbeitern in der Jugendhilfe,
  8. die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Absatz 3), soweit es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt,
  9. die Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54).“

Damit folgt die sachliche Zuständigkeit

7 Jugendamt/​Jugendhilfeausschuss

Das Jugendamt ist die „zentrale Institution“ für die örtliche Kinder- und Jugendhilfe (umfassend Wabnitz in GK-SGB VIII, § 69, Rz. 40 ff.). Gemäß § 69 Abs. 3 SGB VIII „errichtet“ jeder örtliche Träger für die Wahrnehmung „der Aufgaben“ nach dem SGB VIII ein Jugendamt. Daraus ist abzuleiten, dass alle örtlichen Aufgaben der Jugendhilfe in einer einheitlichen Behörde Jugendamt wahrgenommen werden müssen (Wiesner und Wapler 2022, § 69 Rz. 21 ff.).

Hinter diesem für das deutsche Kinder- und Jugendhilferecht zentralen und nachhaltig bewährten Organisationsprinzip der „Einheit der Jugendhilfe“ steht die zutreffende Überlegung, dass es für die jungen Menschen und deren Familien zumeist am besten ist, wenn alle Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe „in einer Hand liegen“.

Gemäß § 70 Abs. 1 SGB VIII werden die Aufgaben des Jugendamts „durch den Jugendhilfeausschuss und die Verwaltung des Jugendamts wahrgenommen“. Das Jugendamt besteht also aus zwei Teilen: dem Jugendhilfeausschuss und der Verwaltung des Jugendamts (Wabnitz 2021, Kap. 12.3.2 und 3). Diese „Zweigliedrigkeit“ der Behörde Jugendamt beinhaltet eine funktionale Aufgabenverteilung zwischen Jugendhilfeausschuss und Verwaltung des Jugendamts, ist einzigartig in der deutschen Verwaltung ist und hat sich nachhaltig bewährt hat (Deutscher Bundestag 2013, S. 293 f., 390 f.).

Im Jugendhilfeausschuss sind nicht nur Mitglieder und Beauftragte der kommunalen Vertretungskörperschaft (je nach Landesrecht: Stadtrat, Kreistag oder Stadtverordnetenversammlung), sondern auch solche von Trägern der freien Jugendhilfe mit Sitz und Stimme (und zwar zu 2 Fünfteln) vertreten (§ 71 Abs. 1 SGB VIII).

Die Aufgabenverteilung zwischen dem Jugendhilfeausschuss und der Verwaltung des Jugendamts ist so geregelt, dass sich der Jugendhilfeausschuss mit den „großen“ Fragen der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe befasst, und zwar gemäß § 71 Abs. 3 SGB VIII insbesondere mit:

  1. Grundsatzangelegenheiten,
  2. der Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII
  3. und der Förderung der freien Jugendhilfe;

während die Geschäfte der „laufenden Verwaltung“ gemäß § 70 Abs. 2 SGB VIII vom Leiter oder von der Leiterin der Verwaltung der Gebietskörperschaft (also der oder dem Oberbürgermeister:in oder der Landrätin bzw. dem Landrat) oder in der Praxis zumeist von der Leiterin bzw. vom Leiter der Verwaltung des Jugendamts geführt werden.

Auch wenn die Verwaltung des Jugendamts bei der Erledigung der „Geschäfte der laufenden Verwaltung“ gemäß § 70 Abs. 2 SGB VIII im Rahmen der Satzung und Beschlüsse der Vertretungskörperschaft und des Jugendhilfeausschusses tätig wird, sind die „laufenden Geschäfte“ dennoch dasjenige, was Kinder- und Jugendhilfe im Verhältnis zu jungen Menschen, Personensorgeberechtigten und Trägern der freien Jugendhilfe im Wesentlichen ausmacht: die konkrete Wahrnehmung der meisten der vielgestaltigen Aufgaben nach dem SGB VIII durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Jugendamts. Dies sind im Wesentlichen sozialpädagogische Fachkräfte und Verwaltungsfachkräfte.

8 Landesjugendamt/​Landesjugendhilfeausschuss

Auch das Landesjugendamt (auf überörtlicher Ebene) ist – wie das Jugendamt auf örtlicher Ebene – „zweigliedrig“ organisiert und besteht aus dem Landesjugendamt und der Verwaltung des Landesjugendamts (dazu Wabnitzin GK-SGB VIII, § 69, Rz. 52 ff.; Wiesner und Wapler 2022, § 71 Rz. 42). Die (interne) Aufgabenverteilung ist „spiegelbildlich“ zur Rechtssituation beim Jugendamt auf örtlicher Ebene in § 70 Abs. 3 SGB VIII wie folgt geregelt:

„Die Aufgaben des Landesjugendamts werden durch den Landesjugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Landesjugendamts […] wahrgenommen. Die Geschäfte der laufenden Verwaltung werden von dem Leiter der Verwaltung des Landesjugendamts im Rahmen […] geführt.“

Auf die Ausführungen zum Jugendamt kann deshalb in weiten Teilen Bezug genommen werden.

Auch wenn der Landesjugendhilfeausschuss im Wesentlichen auf denselben Grundideen wie der Jugendhilfeausschuss basiert, ist das Bundesrecht bei dessen näherer rechtlicher Ausgestaltung vergleichsweise zurückhaltend. Es regelt in § 71 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII lediglich, dass dem Landesjugendhilfeausschuss mit zwei Fünfteln des Anteils der Stimmen Frauen und Männer angehören, die auf Vorschlag der im Bereich des Landersjugendamts wirkenden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe zu berufen sind. Und gemäß § 71 Abs. 5 Satz 3 SGB VIII gilt § 71 Abs. 3 SGB VIII (über die Aufgaben des Jugendhilfeausschusses) „entsprechend“. Alles Weitere regelt gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII und Abs. 6 Satz 1 SGB VIII das Landesrecht in den Landesausführungsgesetzen zum SGB VIII.

Mit Blick auf die Verwaltung des Landesjugendamts gilt ebenfalls weitgehend das zur Verwaltung des Jugendamts Ausgeführte – unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die sich u.a. aufgrund des jeweiligen Landesrechts, aufgrund der besonderen, zumeist überörtlichen Aufgaben nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB VIII sowie aufgrund der Tatsache ergeben, dass die Landesjugendämter zumeist (mit Ausnahmen in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen) staatliche Behörden und nicht Behörden im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung sind.

9 Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe

§ 75 SGB VIII regelt die Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe als Bedingung für eine besonders intensive Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Diese Anerkennung ist zwar nicht Voraussetzung für eine Förderung, hat jedoch folgende „Privilegierungen“ zur Folge:

Die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach § 75 Abs. 1 SGB VIII sind:

  • Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe,
  • Verfolgen gemeinnütziger Ziele,
  • günstige Prognose mit Blick auf die Aufgabenerfüllung
  • Gewähr bieten für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit.

Ein Rechtsanspruch eines Trägers der freien Jugendhilfe auf Anerkennung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe besteht dann, wenn zusätzlich zu den übrigen sachlichen Voraussetzungen die Tätigkeit seit mindestens drei Jahren (§ 75 Abs. 2 SGB VIII) ausgeübt wird.

Gemäß § 75 Abs. 3 SGB VIII sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege bereits kraft Gesetzes anerkannte Träger der freien Jugendhilfe.

10 Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe

10.1 Arten der Finanzierung

Gemäß § 4 Abs. 3 SGB VIII soll die öffentliche Jugendhilfe die freie Jugendhilfe „nach Maßgabe dieses Buches“ fördern. Das insoweit einschlägige Finanzierungsrecht ist im Detail in den §§ 74, 77 SGB VIII sowie den §§ 78a bis 78g SGB VIII enthalten (dazu Wabnitz 2021, Kap. 13.2 bis 13.4, Bernzen et al.2018, S. 97 ff.; Münder et al.2022, Erläuterungen zu den §§ 74, 77, 78a bis 78g). Das SGB VIII kennt – unbeschadet der Förderung von Kindertageseinrichtungen nach Landesrecht (§ 74a SGB VIII) – zwei Arten der Finanzierung der Träger der freien Jugendhilfe durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe:

  1. die Subventions- (oder: Förderungs-)Finanzierung gemäß § 74 SGB VIII, insbesondere in den Leistungsbereichen der §§ 11 bis 14 SGB VIII, §§ 16 ff. SGB VIII, §§ 27, 28 bis 31 SGB VIII aufgrund von Zuwendungsbescheid (Verwaltungsakt), zunehmend auch Zuwendungsvertrag oder Leistungsvertrag;
  2. die Entgeltfinanzierung: gemäß § 77 SGB VIII insbesondere im Bereich der ambulanten Dienste und Einrichtungen nach §§ 17 ff. SGB VIII und §§ 27, 28 bis 31, 35a SGB VIII; sowie gemäß §§ 78a bis 78g SGB VIII bei teilstationären und stationären Einrichtungen und Leistungen nach §§ 13 Abs. 3, 19, 21 Satz 2 SGB VIII, §§ 27, 32 bis 35a, 39, 41 SGB VIII aufgrund von Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen.

Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen erfolgt gemäß § 74a Satz 1 SGB VIII (nur) aufgrund Landesrechts; und zwar unter ausdrücklicher oder konkludenter Anknüpfung an § 74 SGB VIII, teilweise auch an §§ 77, 78a ff. SGB VIII, oder unter weit(est)gehender Ablösung von den Regelungen des SGB VIII, z.B. in Form von Gutscheinen oder Kindpauschalen etc. (Deutscher Bundestag 2013, S. 270).

10.2 Subventionsfinanzierung (§ 74 SGB VIII)

Die für die Kinder- und Jugendhilfe nach wie vor bedeutendste Art der Finanzierung der Träger der freien Jugendhilfe durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist die sog. Subventions-(oder Förderungs-) Finanzierung nach § 74 SGB VIII aufgrund (zumeist) eines Verwaltungsaktes (Zuwendungsbescheides) oder auch eines Zuwendungs- oder Leistungsvertrages (im Einzelnen Kunkel et al.2022; Münder et al. 2022; Wiesner und Wapler 2022, jeweils Erläuterungen zu § 74; Wabnitz 2021, Kap. 13.2 bis 13.4, sowie Wabnitz in GK-SGB VIII, § 74, Rz. 83 ff.). Sie findet in grundsätzlich allen Aufgabenbereichen Anwendung, soweit nicht die Entgeltfinanzierung nach den §§ 77, 78a ff. SGB VIII vorgeschrieben oder gemäß § 74a Satz 1 SGB VIII allein Landesrecht maßgeblich ist.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Förderung der Träger der freien Jugendhilfe durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 74 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII) sind:

  1. Erfüllen fachlicher Voraussetzungen sowie Abschluss einer Vereinbarung nach § 79a Abs. 2 SGB VIII;
  2. Gewähr bieten für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Mittelverwendung;
  3. Verfolgen gemeinnütziger Ziele;
  4. Erbringen einer angemessenen Eigenleistung;
  5. Gewähr bieten für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit.

Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus.

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel zu entscheiden (§ 74 Abs. 3 SGB VIII); weitere Auswahl- und Förderkriterien sind in § 74 Abs. 2, 4, 5, 6 SGB VIII enthalten.

Strittig ist, ob bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 SGB VIII ein Rechtsanspruch von Trägern der freien Jugendhilfe (zumindest) auf Förderung (dem Grunde nach) besteht. Dies wird von Rechtsprechung und Literatur noch vielfach abgelehnt, vom Autor und von weiteren Autor:innen jedoch mit Blick auf die eng gefassten Tatbestandsmerkmale des § 74 Abs. 1 SGB VIII und die erkennbare Schutzwirkung mit Blick auf die Träger der freien Jugendhilfe sowie deren zentrale Stellung im Gesamtsystem des deutschen Kinder- und Jugendhilferechts seit langem bejaht (Wabnitz in GK-SGB VIII, § 74, Rz. 38–44, mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand im Detail; ebenso u.a.: Kunkel et al. 2022, § 74 Rz. 29; Wiesner und Wapler2022, § 74 Rdnr. 24; a.A. Münder et al. 2022, § 74 Rz. 16 ff.: Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung).

Seit einigen Jahren haben sowohl der VGH Baden-Württemberg und andere Verwaltungsgerichte (siehe Nachweise bei Wabnitz in GK-SGB VIII, § 74, Rz. 38–44) als auch das Bundesverwaltungsgericht (Amtliche Sammlung von dessen Entscheidungen, E 134, 206) einen Förderanspruch dem Grunde nach anerkannt. Gemäß § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entscheidet allerdings auch hier über die Art und Höhe der Förderung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen“.

Die Träger der freien Jugendhilfe haben hier also eine insgesamt eher „schwache“ rechtliche Position. Sie können sich gegenüber ablehnenden Förderentscheidungen zumeist nur im Falle von Ermessensfehlern, von willkürlichen oder „nicht Richtlinien konformen“ Ablehnungsentscheidungen oder bei Verstößen gegen präzise Vorgaben der Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII mit Aussicht auf Erfolg gegenüber den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe gerichtlich zur Wehr setzen.

10.3 Entgeltfinanzierung (§§ 77, 78a bis 78g SGB VIII)

Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden, nämlich: die Entgeltfinanzierung nach § 77 SGB VIII und die nach §§ 78a bis 78g SGB VIII (dazu Bernzen et al. 2018 sowie die Kommentierungen von Wabnitzin GK-SGB VIII und den genannten anderen Autorinnen und Autoren zu den genannten Vorschriften des SGB VIII).

Vereinbarungen über die Höhe der Kosten (§ 77 SGB VIII)

Werden Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen, so sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII Vereinbarungen über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme zwischen der öffentlichen und freien Jugendhilfe „anzustreben“. Diese Finanzierungsart liegt gleichsam „zwischen“ der Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII und der Entgeltfinanzierung nach den §§ 78a ff. SGB VIII. Da Vereinbarungen über die Höhe der Kosten nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII allerdings lediglich „anzustreben“ sind (und nicht zwingend abgeschlossen werden müssen), hat diese Art der Finanzierung in der Praxis vergleichsweise geringe Bedeutung.

Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung (§§ 78a bis 78g SGB VIII)

Ähnlich wichtig wie die Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII ist die Entgeltfinanzierung aufgrund der am 1.1.1999 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 78a bis 78g SGB VIII für den Bereich der teilstationären und stationären Einrichtungen und Leistungen der Jugendhilfe, insbesondere im Bereich der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII, der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII und der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII. Die Entgeltfinanzierung nach den §§ 78a ff. SGB VIII sieht gemäß § 78b SGB VIII vor, dass der Träger der jeweiligen Einrichtung nur dann das Entgelt für die in der Einrichtung erbrachten Leistungen erhält, wenn er zuvor drei Vereinbarungen (Verträge) mit dem zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe abgeschlossen hat:

  1. eine Leistungsvereinbarung (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII),
  2. eine Entgeltvereinbarung (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII) sowie
  3. eine Qualitätsentwicklungsvereinbarung (§ 78b Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII)

Inhaltliche Vorgaben für Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII sind:

Mit Blick auf die Zuständigkeiten gilt Folgendes:

  • grundsätzlich sind für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII der jeweilige Träger der Einrichtung und der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 78e Abs. 1 SGB VIII) zuständig;
  • Rahmenverträge nach § 78f SGB VIII sind durch die kommunalen Spitzenverbände und die Verbände der freien Jugendhilfe auf Landesebene abzuschließen; sie haben allerdings lediglich empfehlenden Charakter und sind für die örtliche Ebene nicht unmittelbar verbindlich;
  • eine Konfliktregelung erfolgt ggf. durch paritätisch (und mit einer oder einem unparteiischen Vorsitzenden) besetzte Schiedsstellen in jedem Bundesland (§ 78g Abs. 1 SGB VIII); sowie ggf. über den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten (§ 78g Abs. 2 Sätze 2 bis 4 SGB VIII).

Der Träger der Einrichtung hat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach ganz überwiegender Auffassung einen Rechtsanspruch auf Abschluss von Verträgen nach § 78b SGB VIII (Kunkel et al. 2022, § 78b, Rz. 8; Münder et al. 2022, § 78b, Rz. 22, 28 ff.; Wabnitz in GK-SGB VIII, § 78b, Rz. 19 ff.; Wiesner und Wapler 2022, § 78b Rz. 24), jedoch nicht auf Belegung seiner Einrichtung.

10.4 Diskussion und Fortentwicklung

Die bestehenden Vorschriften des SGB VIII über die Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben sich in weiten Teilen bewährt. Allerdings besteht auch Reformbedarf:

  • Mit Blick auf die relativ schwache rechtliche Stellung der Träger der freien Jugendhilfe bei der Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII sollte in dessen Abs. 1 ein expliziter „Anspruch“ der Träger der freien Jugendhilfe gegenüber den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe normiert werden.
  • Der Verpflichtungsgrad in § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sollte verdichtet werden über die bisherige Regelung hinaus, wonach lediglich Vereinbarungen anzustreben sind.
  • Weitere Bereiche der Finanzierung nach § 77 SGB VIII sollten ähnlich ausgestaltet werden wie die nach den §§ 78a ff. SGB VIII – auch mit Einführung eines Schiedsstellenverfahrens entsprechend § 78g SGB VIII.

11 Gesamtverantwortung, Gewährleistungsverpflichtung, Qualitätsentwicklung

§ 79 SGB VIII ist die „Fundamentalnorm“ für die Ausführung des SGB VIII. Gemäß § 79 Abs. 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung aller Aufgaben nach dem SGB VIII. Dementsprechend sind die örtlichen und die überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe für grundsätzlich alle Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII gemäß § 85 SGB VIII sachlich zuständig.

Neben der Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 79 Abs. 1 SGB VIII gibt es die Gewährleistungsverpflichtung nach § 79 Abs. 2 SGB VIII. Nach dessen Satz 1 sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen zur Verfügung stehen, und dass eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a SGB VIII erfolgt.

Es ist seitens des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe im Einzelnen zu gewährleisten:

  • die rechtzeitige Bereitstellung der erforderlichen und geeigneten Dienste und Einrichtungen in pluraler Breite mit ausreichender Personal- und Finanzausstattung;
  • sowie eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a SGB VIII (Wabnitz 2021, Kap. 13.5; Wiesner und Wapler 2022, § 79 Rz. ff.).

Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln „einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden“, was deren besondere Bedeutung unterstreicht. Schließlich haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs. 3 SGB VIII für eine ausreichende (auch personelle) Ausstattung der Jugendämter und der Landesjugendämter zu sorgen.

Um die Aufgaben der Jugendhilfe auch in qualitativer Hinsicht wirkungsvoll zu erfüllen, haben gemäß § 79a SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung in umfassender Weise zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen.

12 Jugendhilfeplanung

§ 80 SGB VIII regelt – im Anschluss an § 79 Abs. 1 SGB VIII – die für die örtliche bzw. überörtliche Jugendhilfe außerordentlich wichtige Jugendhilfeplanung als das maßgebliche Planungs- und Steuerungsinstrument insbesondere für die gesamte örtliche Kinder- und Jugendhilfe. Zuständig für die Beschlussfassung über die Jugendhilfeplanung ist gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII der Jugendhilfeausschuss (Wabnitz in GK-SGB VIII, § 71, Rz. 49; Wiesner und Wapler 2022, § 80 Rz. 27). Üblich sind zudem Fachplanungen für Teilbereiche der Kinder- und Jugendhilfe, z.B. für den Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder. Gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen ihrer Planung frühzeitig zu beteiligen. Darauf haben sie einen Anspruch (statt aller: Münder et al. 2022, § 80, Rz. 19).

Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII umfasst idealtypisch die folgenden Planungsschritte (Wabnitz 2021, Kap. 13.6; Wiesner und Wapler 2022, § 80 Rz. 19 ff.):

  • Bestandsfeststellung
  • Zielformulierung
  • Bedarfsermittlung
  • Bedarfsdeckungsplanung (mit Prioritätensetzung)
  • Durchführungsplanung
  • Realisierung der geplanten Vorhaben
  • Erfolgskontrolle
  • Planfortschreibung.

13 Zusammenarbeit

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen und ihrer Familien auswirkt, im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse gemäß § 81 SGB VIII zusammenzuarbeiten, insbesondere mit den anderen Trägern von Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, den Gerichten und Justizbehörden, Schulen und Stellen der Schulverwaltung, Einrichtungen und Stellen des Gesundheitswesens, der Bundesagentur für Arbeit, den Polizei- und Ordnungsbehörden u.a.

Die gekennzeichnete strukturelle Zusammenarbeit verläuft nicht allerorts zufriedenstellend; dies liegt zum Teil auch daran, dass in anderen relevanten Gesetzen des Bundes- und Landesrechts teilweise noch keine mit § 81 SGB VIII korrespondierenden Rechtsvorschriften enthalten sind.

14 Diskussion und Entwicklungsperspektiven

Charakteristisch für das System der Träger der Jugendhilfe nach dem SGB VIII sind die folgenden fünf Strukturprinzipien (Wabnitz 2021, Kap. 1.3.3):

  1. partnerschaftliche Zusammenarbeit, § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, bei Achtung der Selbstständigkeit der Träger freien Jugendhilfe in Zielsetzung, Aufgabenwahrnehmung und Organisation, § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII; vgl. auch § 71 SGB VIII, §§ 74, 77, 78, 78a ff. SGB VIII, § 80 SGB VIII;
  2. Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, § 79 SGB VIII, die auch allein Adressaten von Leistungsverpflichtungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII und ggf. von Rechtsansprüchen sind;
  3. Leistungserbringung durch Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe, § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, bei grundsätzlichem Vorrang der Träger der freien Träger der Jugendhilfe, § 4 Abs. 2 SGB VIII (Subsidiaritätsprinzip);
  4. Förderung der Träger der freien Jugendhilfe durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, § 4 Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 74 ff. SGB VIII;
  5. besondere Situation im Bereich der „anderen Aufgaben“: Wahrnehmung derselben grundsätzlich nur durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 3 Abs. 3 SGB VIII, wobei allerdings anerkannte Träger der freien Jugendhilfe gemäß § 76 SGB VIII (bei Fortbestehen der Verantwortlichkeit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe) bei bestimmten Aufgaben beteiligt werden können.

Das dargestellte Gesamtsystem der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland (dazu Wabnitz 2015, 2022) stellt ein historisch gewachsenes, bewährtes, aber auch kompliziertes Verhältnis und Zusammenspiel von Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe dar. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem grundlegenden Urteil vom 18.07.1967 (Amtliche Sammlung von dessen Entscheidungen, Band 22, 180, 200, 202) in diesem Zusammenhang von einer „gemeinsamen Bemühung von Staat und freien Jugend- und Wohlfahrtsorganisationen“ sowie von der hier „üblichen und bewährten Zusammenarbeit“ zwischen den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe gesprochen.

Partnerschaftliche Zusammenarbeit ist dabei der wesentliche Maßstab und gleichsam das „Leitmotiv“ für das Verhältnis zwischen den Trägern der öffentlichen und der freien (Kinder- und) Jugendhilfe. Dies alles hat sich auch in den Jahrzehnten danach bewährt und ist im Kern unstrittig.

Die Kinder- und Jugendhilfe ist auch auf dieser Grundlage seit Jahrzehnten durch außerordentlich dynamische Ausweitungen von Aufgaben und finanziellen Aufwendungen gekennzeichnet. Im Jahre 2022 wurden in der Kinder- und Jugendhilfe deutschlandweit über 66 Mrd. € verausgabt (Statistisches Bundesamt 2022). Seit 1992 haben sich die indexierten Nettoausgaben der kommunalen Haushalte für die Kinder- und Jugendhilfe vermehrfacht und sind weitaus stärker gestiegen als die Ausgaben in allen anderen kommunalen Aufgabenbereichen (Deutscher Bundestag 2013, S. 268 f.). Zumindest in quantitativer Hinsicht war die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren eine Erfolgsgeschichte!

Die Sachverständigenkommission für den 14. Kinder- und Jugendbericht (Deutscher Bundestag 2013, S. 47) hat auch betont: die Kinder- und Jugendhilfe „ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“. Denn sie bietet heute Infrastrukturleistungen für komplette Altersjahrgänge an, bis hin zur „Vollversorgung“ (bei fast 100-prozentiger Inanspruchnahme) im Kindergartenbereich. Die Kinder- und Jugendhilfe hat eine Präsenz und auch politische Bedeutung erlangt, die sie nie zuvor hatte. Dies verdankt sie vor allem dem Engagement der vielfältigen Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Gleichwohl stehen die Träger der Jugendhilfe auch künftig vor großen Herausforderungen, unter denen der Mangel an Fachpersonal zunehmend eine zentrale Rolle spielt.

15 Quellenangaben

Bernzen, Cristian, Christian Grube und Rebekka Sitzler, Hrsg., 2018. Leistungs- und Entgeltvereinbarungen in der Sozialwirtschaft: Regulierungsinstrumente in der Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe. Baden-Baden: Nomos. ISBN 978-3-8487-4484-8

Deutscher Bundestag, 2013. 14. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. BT-Drucks. 17/12200 vom 30.01.2013. Berlin

Kunkel, Peter-Christian, Jan Kepert und Andreas Kurt Pattar, Hrsg., 2022. Kinder- und Jugendhilfe: Lehr- und Praxiskommentar (LPK-SGB VIII). 8. Auflage. Baden-Baden: Nomos. ISBN 978-3-8487-6358-0

Münder, Johannes, Thomas Meysen und Thomas Trenczek, 2022. Frankfurter Kommentar zum SGB. 9. Auflage. Baden-Baden: Nomos. ISBN 978-3-8487-7192-9 [Rezension bei socialnet]

Statistisches Bundesamt, 2022. Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe: Einnahmen und Ausgaben. Wiesbaden: Eigenverlag

Wabnitz, Reinhard Joachim, 2015. 25 Jahre SGB VIII: Die Geschichte des Achten Buches Sozialgesetzbuch von 1990 bis 2015. Berlin: Eigenverlag der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ). ISBN 978-3-943847-07-9

Wabnitz, Reinhard Joachim, 2021. Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit. 7. Auflage. München. Ernst Reinhardt. ISBN 978-3-8252-5782-8

Wabnitz, Reinhard Joachim, 2022. Das SGB VIII in kontinuierlicher Weiterentwicklung: die Geschichte des Achten Buches Sozialgesetzbuch von 2015–2021. Berlin, Eigenverlag der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), ISBN 978-3-943847-15-4

Wabnitz, Reinhard Joachim, Hrsg., Stand 2024. Kinder- und Jugendhilferecht: Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII (GK-SGB VIII). Loseblattwerk mit Aktualisierungen. Köln: Luchterhand. ISBN 978-3-472-03165-9 [Rezension zu einer früheren Ausgabe bei socialnet]

Wiesner, Reinhard und Friederike Wapler, Hrsg. 2022. SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 6. Auflage. München: C.H. Beck. ISBN 978-3-406-75040-3

Verfasst von
Prof. Dr. jur. Dr. phil. Reinhard Joachim Wabnitz
Assessor jur., Magister rer. publ., Ministerialdirektor a. D.
Er war Professor für Kinder- und Jugendhilferecht und Familienrecht an der Hochschule RheinMain, Wiesbaden. Zuvor war er u.a. Leiter der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Vorsitzender der Sachverständigenkommission für den 14. Kinder- und Jugendbericht sowie Schiedsstellenvorsitzender. Er ist Autor von ca. 500 wissenschaftlichen Abhandlungen und Fachveröffentlichungen, darunter 51 Buchpublikationen, sowie Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen und Fachbereichen für Soziale Arbeit.
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