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Trauerberatung

Heidi Müller, Susanne Kiepke-Ziemes

veröffentlicht am 14.03.2024

Englisch: grief counseling; bereavement counseling

Unter Trauerberatung wird das gemeinsame Verhandeln von Herausforderungen und Problemen infolge eines oder mehrerer Verlustfälle durch einen kommunikativen Austausch verstanden. Ziel der Trauerberatung ist es, den selbstverantwortlichen Umgang mit dem Verlust oder den Verlustfällen sowie die Anpassung an die neue Lebenssituation zu stärken.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Trauerberatung – eine Definition
  3. 3 Bestandteile der Trauerberatung
  4. 4 Voraussetzungen für die Ausübung von Trauerberatung
  5. 5 Abgrenzung der Trauerberatung
  6. 6 Quellenangaben
  7. 7 Informationen im Internet

1 Zusammenfassung

Verlusterfahrungen sind Teil des menschlichen Lebens. Erleiden Menschen einen Verlust, trauern sie. Trauer wird häufig mit dem Tod eines Mitmenschen assoziiert. Es sind jedoch auch andere Verlustobjekte wie der Verlust von Heimat und der Verlust von Gliedmaßen denkbar. Die Mehrheit der Betroffenen entwickelt keine Probleme infolge einer Verlusterfahrung. Ihnen reicht die Unterstützung durch das soziale Umfeld. Andere wünschen sich zusätzliche Unterstützung bei der Anpassung an die neue Lebenssituation. Sie wenden sich häufig an sogenannte Trauerberater:innen oder Trauerbegleiter:innen. Nur ein geringer Teil der Betroffenen benötigt psychotherapeutische Unterstützung. Die Versorgung Trauernder stellt sich sowohl in Bezug auf die Anzahl der trauerspezifischen Angebote als auch deren Qualität als sehr heterogen dar.

2 Trauerberatung – eine Definition

Es gibt zahlreiche Definitionen des Begriffs Beratung. Keine der Definitionen kann dabei Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. In Anlehnung an die Definition des Begriffs Beratung von Thiersch (2014), Haselmann (2012) sowie Velten und Scholten (2018) wird mit dem Begriff Trauerberatung das gemeinsame Verhandeln von Herausforderungen und Problemen infolge eines oder mehrerer Verlustfälle durch einen kommunikativen Austausch bezeichnet. Ziel der Trauerberatung ist es, den selbstverantwortlichen Umgang mit dem Verlust oder den Verlustfällen sowie die Anpassung an die neue Lebenssituation zu stärken. Trauerberatende und betroffene Personen nehmen dabei in gegenseitiger Übereinstimmung spezifische Rollen ein: Ratsuchende und Beratende. Dabei wendet sich die ratsuchende Person freiwillig und proaktiv an die beratende Person. Bei der Trauerberatung handelt es sich um psychosoziale Beratung bzw. Prozessberatung (Kiepke-Ziemes und Wasner 2022).

3 Bestandteile der Trauerberatung

Der Beziehungsaufbau und vor allem die Ziel- bzw. Auftragsklärung stellen zu Beginn zentrale Bestandteile der Trauerberatung dar. Während des Beratungsprozesses kommen zahlreiche Methoden bzw. Techniken zur Anwendung wie Ressourcenaktivierung, Psychoedukation, Konfrontationsverfahren und Reframing. Die eingesetzten Methoden richten sich nach dem Ziel bzw. dem Auftrag. Viele Beratungsansätze wie die Systemische Beratung basieren auf der Grundlage konsequenter auftragsorientierter Haltung. Am Ende des Beratungsprozesses findet eine Überprüfung der Zielerreichung statt und es wird eine gemeinsame Abmachung getroffen. Die Zielerreichung kann anhand von trauerspezifischen Fragebögen wie dem Würzburger Trauerinventar WüTi (Wittkowski 2013) vorgenommen werden. Die theoretische Grundlage der Trauerberatung ist unterschiedlich und richtet sich auch nach dem beraterischen Ansatz. So findet beispielsweise die systemische Trauerberatung auf der Grundlage konstruktivistischer und systemtheoretischer Annahmen statt.

4 Voraussetzungen für die Ausübung von Trauerberatung

Der Begriff Trauerberatung ist nicht geschützt. Er stellt keine Berufsbezeichnung dar, sondern spezifiziert den Tätigkeitsbereich einer Person.

Zahlreiche Professionen sind professionell beratend tätig, darunter etwa Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Theologie und Psychologie. Diese Fachkräfte haben ihre beraterischen Fähigkeiten im Rahmen ihres Studiums etwa an Universitäten und Fachhochschulen erworben. Dies trifft vielfach auf Trauerberatende zu (Müller et al. 2023). Denkbar ist auch, dass diese Kompetenzen durch zertifizierte Fortbildungen z.B. bei Dachverbänden wie der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) und der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) erlangt werden. Über ihre beraterischen Fähigkeiten hinaus verfügen die Fachkräfte der unterschiedlichen Professionen idealerweise über aktuelle, wissenschaftlich basierte Trauerkenntnisse.

5 Abgrenzung der Trauerberatung

Erleiden Menschen einen Verlust, sind in der Regel Familienangehörige und Freund:innen zentrale Ansprechpersonen. Sie unterstützen Betroffene etwa auf emotionaler Ebene sowie praktisch mit Ideen und Tipps. Diese Form der Beratung lässt sich als Alltagsberatung bezeichnen (Velten und Scholten 2018). Sie kann jedoch an Grenzen stoßen, etwa weil Betroffene Angehörige und Freund:innen nicht belasten möchten (Jakoby 2014), sodass sich Menschen an professionelle Berater:innen wenden. Die Abgrenzung der Trauerberatung zur Psychotherapie ist durch den Anlass (z.B. klinisch auffälliger Trauerverlauf), die Institutionalisierung (z.B. klar definierte Anzahl an Therapiesitzungen) und die Zugangswege (z.B. Psychotherapie muss bei den Krankenkassen beantragt werden) gekennzeichnet (Velten und Scholten 2018). Die in der Trauerberatung und der Psychotherapie eingesetzten Methoden bzw. Techniken sind ähnlich. Trauerberatung ist im Vergleich zur Psychotherapie das niedrigschwelligere Angebot, das keinem festen Zeitplan und Heilauftrag unterliegt sowie stärker unterstützenden Charakter aufweist. Eine Abgrenzung zur Trauerbegleitung kann aktuell nicht vorgenommen werden, da keine hinreichende Definition dieses Begriffs existiert.

6 Quellenangaben

Haselmann, Sigrid, 2012. Beratung. In: Jan V. Wirth und Heiko Kleve. Lexikon systemischen Arbeitens. Heidelberg: Carl Auer, S. 52–57. ISBN 978-3-89670-827-4 [Rezension bei socialnet]

Jakoby, Nina, 2014. Talking about grief: conversational partners sought by bereaved people. In: Bereavement Care [online]. 33(1), S. 13–18 [Zugriff am: 10.03.2024]. ISSN 1944-8279. doi:10.1080/02682621.2014.902611

Kiepke-Ziemes, Susanne und Maria Wasner, 2022. Soziale Arbeit in der Palliativversorgung. In: Z Palliativmed [online]. 23(5), S. 259–270 [Zugriff am: 10.03.2024]. ISSN 1615-293X. doi:10.1055/a-1675-0731

Müller, Heidi, Christian Zwingmann, Bernd Hanewald, Holger Hauch, Ulf Sibelius und Daniel Berthold, 2023. Als die Diagnose kam … Wo steht die deutsche Trauerversorgung im Jahr 2020/2021? In: Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes [online]. 182–183, S. 63–70 [Zugriff am: 10.03.2. ISSN 2212-0289. doi:10.1016/j.zefq.2023.09.001

Thiersch, Hans, 2014. Sozialarbeit/​Sozialpädagogik und Beratung. In: Frank Nestmann, Frank Engel und Ursel Sickendiek, Hrsg. Das Handbuch der Beratung, Band 1. Thüringen: DVTG, S. 115–124. ISBN 978-3-87159-048-1 [Rezension bei socialnet]

Velten, Julia und Saskia Scholten, 2018. Kognitiv-behaviorale Beratung. In: Jürgen Margraf und Silvia Schneider, Hrsg. Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1, Grundlagen, Diagnostik, Verfahren und Rahmenbedingungen psychologischer Therapie. 4. Auflage. Bochum: Springer-Verlag, S. 641–651. ISBN 978-3-662-54910-0

Wittkowski, Joachim, 2013. WüTi. Würzburger Trauerinventar. Mehrdimensionale Erfassung des Verlusterlebens. Göttingen: Hogrefe

7 Informationen im Internet

Verfasst von
Heidi Müller
Die Diplom-Politologin arbeitet als Wissenschaftlerin im Bereich der Trauerforschung. Sie ist Vorsitzende des Bereavement Network Europe (BNE), Lehrende der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und unter anderem Herausgeberin des Newsletters „Trauerforschung im Fokus“. Gerade schließt sie am Universitätsklinikum Gießen ihre Dissertation ab.
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Susanne Kiepke-Ziemes
Die Diplom-Sozialpädagogin (FH) arbeitet im Projekt: „Würdige Sterbebegleitung“ beim Caritasverband Viersen e.V. als Referentin zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Sie ist Trainerin für Palliative Care und Palliative Praxis (DGP). Mitautorin der Curricula Palliative Care und Soziale Arbeit (DGP), Systemische Beratung für Schwerkranke und ihre Zugehörigen sowie GVP mit Aachener System. Sie ist freiberuflich Lehrende für Systemische Beratung, Therapie und Supervision (DGSF), Lehrbeauftragte an der Hochschule Rhein-Main.
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Heidi Müller.
Es gibt 2 Lexikonartikel von Susanne Kiepke-Ziemes.

Zitiervorschlag
Müller, Heidi und Susanne Kiepke-Ziemes, 2024. Trauerberatung [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 14.03.2024 [Zugriff am: 09.12.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29806

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