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Tür-und-Angel-Gespräch

Herbert Vogt

veröffentlicht am 13.01.2025

Weitere Schreibweise: Tür- und Angel-Gespräch

Das Tür-und-Angel-Gespräch bezeichnet in der Sozialpädagogik, insbesondere in Kindertageseinrichtungen und Schulen, einen eher kurzen, spontanen Gesprächskontakt zwischen Fachkräften und Eltern. Der Begriff betont den beiläufigen und zeitlich begrenzten Charakter dieser Interaktionen.

Der Begriff greift wortgeschichtlich eine umgangssprachliche Redewendung – bezogen auf den Zwischenraum zwischen Tür und Türaufhängung – auf, die sich im professionellen Kontext gleichsam naturwüchsig etabliert hat, also nicht theoretisch oder administrativ eingeführt wurde.

Das Tür-und-Angel-Gespräch findet meist beim Bringen und Abholen des Kindes in der Einrichtung statt. Vordergründig geht es im Wesentlichen um die wechselseitige Übermittlung von Informationen, um Fragen der Eltern und Auskünfte der Fachkräfte zum Verhalten und Wohlergehen des Kindes in der Einrichtung, etwa um Absprachen zu seiner Ernährung und Bekleidung. Das Gesprächsformat dient aber auch der kontinuierlichen Kontaktpflege zwischen den Fachkräften und den Eltern, zur Einladung der Eltern zu Angeboten und Eltern-bezogenen Veranstaltungen sowie zu deren Beteiligung im Einrichtungsalltag. Dabei ist der Ort der Begegnung nicht wortwörtlich zu nehmen: Sie kann zwar auch an der Gruppenraumtür oder im Eingangs- oder Garderobenbereich der Einrichtung oder im Gruppenraum stattfinden, aber je nach aktueller räumlicher, zeitlicher und sozialer Situation und ggf. aus Datenschutzgründen auch etwas abseits oder in einem geeigneten Raum.

Für beide Seiten, Fachkräfte und Eltern, hat das Tür-und-Angel-Gespräch trotz seiner scheinbar randständigen Position eine große Bedeutung im Betrieb der Einrichtung – kindbezogen und erwachsenenbezogen. Eltern haben, je jünger ihre Kinder sind, eine hohe Erwartung an die Fachkräfte, möglichst konkrete Auskünfte über den Alltag ihres Kindes, sein Lernverhalten, seine Gesundheit und Ernährung und seine sozialen Kontakte in der Kindergruppe zu erhalten. Fachkräften ist es wichtig, entsprechende Informationen aus der Familie und ihrem privaten Umfeld zu bekommen.

In Tür-und-Angel-Begegnungen werden auch die Beziehungen zwischen den Erwachsenen gestaltet. Eltern bekommen nur scheinbar einen kleinen Ausschnitt des Kinderalltags mit. Viele solcher kurzen Einblicke in den Betrieb fügen sich bald zu einem Gesamtbild zusammen. Eltern erleben die Fachkräfte, wie sie mit Kindern umgehen, erhalten einen Eindruck von deren Persönlichkeit. Eltern erleben auch, wie die Fachkräfte mit ihnen selbst umgehen, welches Interesse sie an ihnen als Person, in ihrer Elternrolle und an ihrer Familie haben. Auch die Fachkräfte gewinnen aus den kurzen Episoden zwischen Tür und Angel eine Außensicht seitens der Eltern auf ihre Person und ihr Handeln.

Die Vorteile und Chancen dieses regelmäßigen Kontakts im Sinne einer kompetenten Entwicklungsbegleitung des Kindes und der Beziehungsgestaltung zwischen Fachkräften und Eltern liegen auf der Hand. Gleichzeitig enthält dies auch die Schwierigkeit, dass ein längerer, intensiverer Gesprächsbedarf erkennbar werden kann. Dann ist es die Aufgabe der Fachkraft, alternative Zeiten und Formate für dessen Besprechung vorzuschlagen. Außerdem sind insbesondere in den Bring- und Abholzeiten ungestörte Gespräche, zumal mit mehreren Eltern gleichzeitig, kaum zu bewältigen. Das erfordert mitunter professionelle Abgrenzungen und Management des Gesprächsbedarfs.

Literaturhinweise

Klein, Lothar und Herbert Vogt, 2008. Eltern in der Kita: Schwierigkeiten meistern – Kommunikation entwickeln. Seelze: Klett/​Kallmeyer, ISBN 978-3-7800-5722-8 [Rezension bei socialnet]

Krause, Matthias Paul, 2009. Elterngespräche Schritt für Schritt. München: Reinhardt, ISBN 978-3-497-02105-5 [Rezension bei socialnet]

Sauermann, Daniela, 2019. Schwierige Elterngespräche in der Kita – und wie sie gelingen. Stuttgart: Klett Kita. ISBN 978-3-96046-078-7

Verfasst von
Herbert Vogt
Diplom-Pädagoge, freiberuflicher Fortbildner, Berater und Moderator. Veröffentlichung: Henneberg, R./Klein, L./Vogt, H. (2008): Freinetpädagogik in der Kita. Klett/Kallmeyer, Seelze
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