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Unternehmensethik

Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch

veröffentlicht am 03.04.2025

Englisch: corporate ethics; business ethics

Unternehmensethik ist die Theorie zur Erklärung moralisch gerechtfertigten („guten“) Handelns im Unternehmen. Diese Lehre befasst sich mit den moralischen Prinzipien und Werten, die das Verhalten von Individuen und Organisationen im geschäftlichen Kontext leiten bzw. leiten sollen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Einführung und Begriffsabgrenzung
  3. 3 Besondere Herausforderungen für NPOs in der Praxis
  4. 4 Maßnahmen zur Implementierung ethischer Prinzipien in NPO
  5. 5 Standards zur Corporate Governance und Compliance in der Sozialwirtschaft
    1. 5.1 Corporate Governance und Compliance in NPO allgemein
    2. 5.2 Corporate Governance und Compliance in Krankenhäusern
  6. 6 Ausblick
  7. 7 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Unternehmensethik spielt eine zentrale Rolle in Nonprofit-Organisationen (NPO). Diese Organisationen, die sich primär sozialen, kulturellen, ökologischen oder wissenschaftlichen Zwecken widmen, stehen vor der Herausforderung, ihre Missionen und Werte in Einklang mit ethischen Grundsätzen zu bringen.

Während Unternehmen häufig durch Gewinnmaximierung angetrieben werden, liegt der Fokus bei einer NPO auf der Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens, bei Organisationen im sozialen Sektor bei einer qualitativ möglichst hochwertigen sozialen Dienstleistung für die entsprechende Zielgruppe (Patientinnen und Patienten, Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, Kinder, Jugendliche bzw. gehandicapte Menschen).

Die unterschiedlichen Zielsetzungen für gewerbliche und gemeinnützige Unternehmen bzw. Organisationen haben erhebliche Implikationen für die Ausgestaltung und Umsetzung der Unternehmensethik.

Besondere Ausgangsbedingungen gelten in Nonprofit-Organisationen. Zuletzt wurden Standards zur Corporate Governance und Compliance in der Sozialwirtschaft veröffentlicht. Diese werden in einem eigenen Abschnitt dargestellt. Zudem werden die Themen der Corporate Governance und Compliance in Krankenhäusern erörtert. Krankenhäuser stehen dabei exemplarisch für Nonprofit-Organisationen, auch wenn nicht alle Krankenhäuser gemeinnützig sind. Neben den speziellen Aspekten der Gesundheitspflege sind die Grundsätze der Corporate Governance und Compliance auch auf andere Hilfebereiche übertragbar.

2 Einführung und Begriffsabgrenzung

Unter der Unternehmensethik versteht man die Lehre zur Erklärung moralisch gerechtfertigter („guter“) Entscheidungen im Unternehmen.

Gablers Wirtschaftslexikon definiert den Begriff der „Ethik“ wie folgt:

Ethik ist die Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse. Gegenstand der Ethik ist die Moral. Die griechische Ethik war empirisch und normativ zugleich. Heute wird eine empirische, deskriptive Ethik unterschieden von der normativen Ethik, die ein Sollen formuliert; dieses Sollen erhebt Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit. Eine dritte Richtung ist Metaethik, die keine inhaltlichen Aussagen trifft, sondern die Begriffe ethischer Argumentation analysiert“ (Suchanek und Lin-Hi 2021).

Unternehmensethik bezieht sich auf die moralischen Prinzipien und Werte, die das Verhalten von Individuen und Organisationen im geschäftlichen Kontext leiten. In NPOs umfasst dies Aspekte wie Transparenz, Verantwortlichkeit, Integrität und Fairness. Diese Prinzipien sind nicht nur moralische Imperative, sondern auch entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Glaubwürdigkeit der Nonprofit-Organisationen.

3 Besondere Herausforderungen für NPOs in der Praxis

Für die praktische Umsetzung einer guten Unternehmensethik im Nonprofit-Bereich sind vier besondere Herausforderungen zu nennen.

  1. Interessenkonflikte: NPO müssen häufig eine Balance zwischen verschiedenen Stakeholder-Interessen finden, einschließlich derjenigen von Spenderinnen und Spendern, Begünstigten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Gesellschaft insgesamt. Diese unterschiedlichen Erwartungen können zu Interessenkonflikten führen, die ethisch sensibel gehandhabt werden müssen.
  2. Ressourcenknappheit: Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel stehen NPOs vor der Herausforderung, ihre Ressourcen effizient und fair im Sinne der Ethik zu nutzen. Dies erfordert transparente und faire Entscheidungsprozesse, um sicherzustellen, dass die Mittel wirtschaftlich und gleichzeitig optimal im Sinne des gesellschaftlichen Nutzens eingesetzt werden.
  3. Transparenz und Rechenschaftspflicht: NPO sind besonders stark auf das Vertrauen der Öffentlichkeit angewiesen. Sie nehmen Geld- und Sachspenden und Vermächtnisse entgegen, bitten um ehrenamtliches Engagement, arbeiten mit öffentlichen Zuschüssen und Kirchensteuermitteln. Im Gegenzug zu dieser philanthropischen Finanzierung erwarten die Geldgeber bzw. die Ehrenamtlichen, die ihre Arbeitszeit und -kraft einsetzen, einen Einblick in die Mittelverwendung. Die mit philanthropischen Mitteln finanzierten Aktivitäten sind nachvollziehbar zu gestalten, über die erreichten Ergebnisse ist transparent zu berichten. Insgesamt muss die NPO regelmäßig Rechenschaft über ihre Arbeit und die eingesetzten Mittel ablegen. Dies beinhaltet auch die ethische Berichterstattung über Erfolge und Misserfolge. Außerdem muss offengelegt werden, welche Vergütung das Management bezieht und wer von Aufträgen (z.B. an Subunternehmer und Lieferanten) profitiert. Dies kann durch eine Liste der zehn größten Einnahme- und Ausgabepositionen geschehen. Zudem sind gesellschaftsrechtliche Beziehungen (Tochtergesellschaften und Kooperationspartner) und die Anerkennung der Körperschaft als gemeinnützig offenzulegen. Wenn Spenden eine nicht unerhebliche Rolle bei der Finanzierung spielen, kann ein Spendensiegel (z.B. das DZI-Spendensiegel) genutzt werden, das die ordnungsgemäße Werbung um Spenden sowie angemessene Werbe- und Verwaltungskosten überprüft und bescheinigt (Vogelbusch 2012).
  4. Ethische Führung: Die Führungskräfte von NPO spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung und Förderung ethischer Standards. Sie müssen als Vorbilder fungieren und eine Kultur der Integrität und Verantwortlichkeit fördern.

4 Maßnahmen zur Implementierung ethischer Prinzipien in NPO

Für die Umsetzung unternehmensethischer Prinzipien in Nonprofit-Organisationen sind folgende Maßnahmen anzuführen.

  1. Ethische Leitlinien und Kodizes: Viele NPOs entwickeln spezifische ethische Leitlinien und Kodizes, die das Verhalten und die Entscheidungsprozesse innerhalb der Organisation regeln. Diese Dokumente sollten klare Standards setzen und regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.
  2. Schulungen und Sensibilisierung: Um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Freiwilligen die ethischen Standards verstehen und umsetzen können, sind regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen notwendig. Dies fördert ein gemeinsames Verständnis und eine kohärente Umsetzung ethischer Prinzipien.
  3. Transparenzmechanismen: Durch die Implementierung von Mechanismen zur Förderung der Transparenz, wie regelmäßige Berichte zu den wirtschaftlichen Verhältnisse und zu Mitteleinnahmen und zur Mittelverwendung, Spendensiegel, weitere Audits (z.B. zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 HGrG [Haushaltsgrundsätzegesetz]) und öffentliche Kommunikation, können NPOs das Vertrauen der Spenderinnen und Spender sowie der weiteren Stakeholder stärken. Diese Maßnahmen sollten klar und zugänglich kommuniziert werden.
  4. Beschwerdemechanismen: Die Einrichtung von Beschwerdemechanismen ermöglicht es den Stakeholdern, ethische Bedenken und Missstände zu melden. Diese Mechanismen sollten leicht zugänglich und unabhängig sein, um sicherzustellen, dass alle Anliegen fair und vertraulich behandelt werden. In Deutschland ist im Jahre 2023 die Pflicht eine Beschwerdestelle (Ombudsstelle, sog. Whistleblower) zu schaffen gesetzlich eingeführt worden (Hinweisgeberschutzgesetz BGBl. 2023 I Nr. 140).

5 Standards zur Corporate Governance und Compliance in der Sozialwirtschaft

5.1 Corporate Governance und Compliance in NPO allgemein

Mit einem gewissen zeitlichen Verzug wurden die Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodex, die sich zunächst nur an die börsennotierten Aktiengesellschaften richteten, auf den Bereich der gemeinnützigen Organisationen als sogenannte „Nonprofit Governance“ übertragen. Die wesentlichen Kodizes und das Entstehungsjahr im Bereich der Freien Wohlfahrt zeigt folgende Auflistung (Auswahl; für eine Übersicht und weitere Erläuterungen Vogelbusch 2021).

  • Caritas: Arbeitshilfe 182 des Verbandes der Diözesen Deutschlands und der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (2004, 2014)
  • Diakonie Corporate Governance Kodex (2005, 2016, 2018)
  • Corporate Governance Kodex der Lebenshilfe (2008, 2012, 2016)
  • Unternehmenskodex der Arbeiterwohlfahrt – AWO (2010 inzwischen AWO-Governance-Kodex 2.0 von 2020)
  • Corporate Governance Kodex der Parität (2011)
  • Integritätsrichtlinie Deutsches Rotes Kreuz – DRK (2018)
  • Transparenz- und Compliance-Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege – BAGFW (2020, 2022)

Unterschiede im Management der gemeinnützigen Träger liegen in der besonderen Ausrichtung der Gemeinnützigen, die gerade nicht wie gewerbliche Unternehmen nach streng betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden, sondern deren satzungsmäßiger Hauptzweck stets die Erfüllung eines gemeinnützigen Zwecks sein muss.

So sind zum Beispiel auch gemeinnützige Pflegeheim- oder Krankenhausträger nicht primär auf Gewinnerzielung, sondern auf die pflegerische medizinische Versorgung der Bevölkerung ausgerichtet. Auch die Grundsätze der zeitnahen gemeinnützigen Mittelverwendung sind zu beachten.

Am 11. März 2021 haben nunmehr die Wohlfahrtsverbände gemeinsam mit der Bundesregierung neue Transparenz- und Compliance-Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) veröffentlicht. Damit reagieren die Verbände auf die politische Debatte infolge der Skandale der letzten Jahre (z.B. bei der AWO in Hessen oder der Treberhilfe in Berlin). Die neuen Standards erhöhen die Verbindlichkeit der bisherigen Empfehlungen zu einer guten und transparenten Geschäftsführung (Corporate Governance Kodizes etwa der Diakonie oder der Lebenshilfe). Die Selbstverpflichtung der gemeinnützigen Träger wird in der Regel verpflichtend, wenn Fördermittel aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe beantragt werden. Etwaige Verstöße haben konkrete Rechtsfolgen.

Die neuen Transparenz- und Compliance-Standards bauen auf den Regelungen der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ (ITZ) und den Kriterien für das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) auf.

Transparency International hat folgende neun Transparenzinformationen für die Öffentlichkeit vorgeschlagen:

  1. Name, Sitz, Anschrift und Gründungsjahr
  2. vollständige Satzung sowie Angaben zu den Organisationszielen
  3. Angaben zur Steuerbegünstigung
  4. Name und Funktion wesentlicher Entscheidungsträger
  5. Tätigkeitsbericht – Personalstruktur
  6. Angaben zur Mittelherkunft
  7. Angaben zur Mittelverwendung
  8. gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mit Dritten
  9. Namen von Personen, deren jährliche Zahlungen mehr als 10 % des Gesamtjahresbudgets ausmachen.

Neben den neuen Transparenz- und Compliance-Standards der BAGFW haben auch DRK und AWO auf die Skandale reagiert und verschärfte Regeln erlassen. So richtet sich die Compliance Richtlinie des DRK e.V. – die sogenannte Integritätsrichtlinie – an alle hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Organisatorisch hat der Bundesverband eine Compliance Beauftragte im DRK-Generalsekretariat und externe Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen als Ombudsfrau/​-mann eingesetzt. Ein deutlich verschärfter AWO-Governance-Kodex enthält nun klare Regeln zur Höhe eines angemessenen Geschäftsführergehalts und eine Arbeitshilfe zur Korruptionsprävention. Zudem haben die Institution, die Geschäftsführung und die Mitglieder des Aufsichtsgremiums eine Erklärung zur Einhaltung der Kodizes abzugeben.

Der Bundesverband und die jeweiligen Landesverbände überwachen den Rücklauf dieser Erklärungen. Zudem ist vorgesehen, dass Zuschüsse nur ausgereicht werden, wenn die regionalen Untergliederungen die entsprechenden Selbstverpflichtungserklärungen unterzeichnet haben. Insoweit ist auch im gemeinnützigen Sektor eine deutliche Verschärfung und eine höhere Verbindlichkeit von Compliance- und Corporate Governance-Standards zu beobachten. Insbesondere die Überwachung und Sanktionierung der Einhaltung dieser Standards scheint im Lichte verschiedener Skandale aktuell in den Fokus zu rücken.

5.2 Corporate Governance und Compliance in Krankenhäusern

In der Gesundheitsbranche und insbesondere im Krankenhaussektor existieren besondere rechtliche Rahmenbedingungen und zudem besondere branchenspezifische Herausforderungen (zu diesem Thema Binger und Vogelbusch 2022, S. 1136 ff.).

So werden in der Fachliteratur zum Beispiel besondere Problemfelder der Gesundheitsbranche aufgelistet.

  • Beschaffungswesen/​Einkauf
  • Drittmitteleinwerbung
  • Entlassmanagement
  • Fortbildungsteilnahme/​Kongresseinladungen
  • Geschenke/​Zuwendungen
  • Kooperationsverträge (zum Beispiel zwischen Heilberufsangehörigen und der Gesundheitsindustrie)
  • Nebentätigkeiten im Amtsträgerbereich
  • Kooperationsverträge an den Sektorengrenzen
  • Koppelungsangebote
  • Preisnachlässe, Rabatte und Skonti
  • Spenden
  • Sponsoring
  • Unternehmensbeteiligungen und Gewinnausschüttungen (zum Beispiel Berufsausübungsgemeinschaften, Laborgemeinschaften oder bei Dentallaboren)
  • Verordnungssteuerung in der GKV

Gesetzlich sind in den §§ 135a ff. SGB V besondere Pflichten der Leistungserbringer zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen geregelt. Insbesondere müssen die Leistungen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden. Krankenhäuser sind ausdrücklich verpflichtet, sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern und einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln, wozu in Krankenhäusern auch die Verpflichtung zur Durchführung eines patientenorientierten Beschwerdemanagements gehört.

Der Gemeinsame Bundesausschuss legt zudem in einer Richtlinie geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Hygiene in der Versorgung fest und bestimmt insbesondere für die einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung der Krankenhäuser Indikatoren zur Beurteilung der Hygienequalität (§§ 136, 136a SGB V).

Darüber hinaus haben auch bestimmte strafrechtliche Regelungen im Krankenhaussektor eine besonders hohe Bedeutung, wie beispielsweise

Für die Ableitung von Empfehlungen hinsichtlich der Corporate Governance im Krankenhaus sind die verschiedenen Trägerstrukturen zu unterscheiden.

Es gibt damit eine Vielzahl von allgemeinen und spezifischen Vorschriften zu einzelnen Teilaspekten der Compliance, wie Qualitätssicherung und Korruptionsbekämpfung; eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung einer umfassenden Corporate-Governance Struktur oder eines Compliance-Managements gibt es jedoch bisher nicht. Eine freiwillige Errichtung kann jedoch sinnvoll sein, um eine effektive Umsetzung der gesetzlichen Pflichten sicherzustellen. Zudem wird ein effizientes Compliance-Management-System (CMS) in der aktuellen Rechtsprechung bei der Zumessung einer Sanktion gegen Unternehmen mindernd berücksichtigt. Damit ein CMS wirksam ist, müssen die konkreten Risiken und Einflüsse, die sich aus dem Krankenhaus heraus und aus dem Umfeld für Straftaten ergeben, untersucht und so weit als möglich eliminiert werden.

Im Ergebnis gibt es zahlreiche Faktoren, die Straftaten im Krankenhaus fördern können. Bereits externe Faktoren können hierzu ausreichen, zum Beispiel

  • die öffentliche Kommunikation zu wichtigen die Allgemeinheit betreffenden Themen
  • wirtschaftlicher Druck
  • die Normenvielfalt und Normenkomplexität
  • die extern vorgegebene mehrgliedrige Struktur sowie
  • einzelne Regeln, die rechtswidriges Verhalten begünstigen.

Einige der aufgeführten Faktoren lassen sich beeinflussen, Gegenmaßnahmen können getroffen und damit das Risiko abgesenkt werden. Hierzu bedarf es aber spezifischer Regelungen, um den konkreten Risiken entgegenzutreten. Ein wichtiger Faktor bei der Errichtung eines wirksamen CMS ist daher zunächst eine ausreichende Analyse der bestehenden Risiken.

In einigen Bereichen gibt es schon seit vielen Jahren etablierte Standards, um zum Beispiel im ärztlichen Bereich entgegenzuwirken (Kodex „Medizinprodukte“ und verschiedenen Standards).

In den letzten Jahren wurde das Compliance Management System im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Gesetz zur Sanktionierung von unternehmensbezogenen Straftaten – Verbandssanktionsgesetzes (VerSanG) diskutiert.

Der Gesetzesentwurf sah Strafen für Unternehmen und Verbände vor, unabhängig vom Trägertyp und der Rechtsform.

  • Gem. § 15 Absatz 3 Nrn. 5 und 7 VerSanG-Entwurf konnte das Strafmaß bei Verbandsstraftaten verringert werden, wenn zum Zeitpunkt der Tat ein Compliance Management System (CMS) eingeführt bzw. beabsichtigt war.
  • Zur Stärkung von Compliance-Maßnahmen ist in § 17 VerSanG ausdrücklich eine Milderung der Verbandssanktion bei verbandsinternen Untersuchungen (internal investigations) vorgesehen, wobei die Voraussetzungen der Milderung an diverse Bedingungen geknüpft werden wie beispielsweise wesentliche Beiträge zur Aufklärung der Tat, eine klare Trennung zwischen den an der Untersuchung beteiligten Personen und den Verteidigern des Verbands, eine überaus enge und stete Kooperation mit den Verfolgungsbehörden und der Aushändigung der Ergebnisse/​Dokumente der internen Untersuchung, die selbst den Grundsatz des fairen Verfahrens zu beachten hat.
  • Nach § 16 VerSanG können diese sowohl durch den Verband selbst als auch durch von ihm beauftragte Dritte erfolgen.

Das Gesetzgebungsverfahren wird jedoch seit Juni 2021 nicht mehr verfolgt. Dennoch können sich aus den geplanten Regelungen interessante Anknüpfungspunkte für die Einrichtung eines CMS ergeben.

6 Ausblick

Die Umsetzung und Förderung von Unternehmensethik in Non-Profit-Organisationen sind von entscheidender Bedeutung, um ihre Missionen und Ziele auf nachhaltige und glaubwürdige Weise zu erreichen. Durch die Entwicklung klarer ethischer Leitlinien, regelmäßige Schulungen, transparente Mechanismen und effektive Beschwerdesysteme können NPOs sicherstellen, dass sie ihre Ressourcen verantwortungsvoll nutzen und das Vertrauen der Öffentlichkeit bewahren.

In einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt sind ethische Standards nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein strategischer Vorteil, der den langfristigen Erfolg und die Wirksamkeit von Non-Profit-Organisationen sicherstellt.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Themen Corporate Governance und Compliance in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen haben und eine Verschärfung der Regelungen, insbesondere auch in Bezug auf deren Überwachung und Sanktionierung zu beobachten ist. Beispielhaft sind hier die Transparenz- und Compliance-Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zu nennen.

Spätestens seit dem sogenannten Neubürger-Urteil des LG München (LG München I, Urteil v. 10.12.2013 - 5 HKO 1387/10) müssen auch Vorstände und die Geschäftsführung damit rechnen, persönlich in Haftung genommen zu werden, wenn keine ausreichenden Corporate Governance und Compliance-Standards etabliert und deren Einhaltung überwacht wird.

Damit erscheint die Errichtung, Überwachung und Weiterentwicklung derartiger Systeme grundsätzlich sinnvoll. Eine generelle Aussage zu Inhalt und Aufbau verbietet sich jedoch. Denn dies hängt letztlich stark von Größe und Rechtsform des Trägers sowie dessen Ausrichtung (privat, frei-gemeinnützig oder öffentlich) ab.

Die Themen der Corporate Governance und des Compliance-Managements wurden und werden weiter diskutiert und weiterentwickelt. Auch wenn bereits entsprechende Systeme bestehen, sollten diese daher in angemessenen Abständen auf ihre Wirksamkeit und Vollständigkeit überprüft werden.

7 Quellenangaben

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Verfasst von
Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch
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