Wohn- und Teilhabegesetz
Frank Dickmann
veröffentlicht am 09.07.2024
Das WTG ist im Land Nordrhein-Westfalen der Nachfolger des früheren Heimgesetzes. Es typisiert die Angebote für ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung, und stellt für jede Angebotsform einen rechtlichen Rahmen auf, betreffend u.a. Melde- und Dokumentationspflichten, bauliche und personelle Ausstattung, die Überwachung durch die WTG-Behörden (früher „Heimaufsicht“) und die Mitwirkung und Mitbestimmung der Bewohner:innen.
Überblick
- 1 Inkrafttreten und Änderungschronologie (Stand 30.05.2024)
- 2 Geltungsbereich
- 3 Entstehung und Vorläufer
- 4 Die einzelnen Angebotstypen im Besonderen Teil des WTG
- 5 Pflichten der Leistungsanbieter (Betreiber)
- 6 Überwachung durch die WTG-Behörde
- 7 Das Leistungsannahmeverbot und Spenden
- 8 Verwaltungsvollzug, Beratungs- und Meldestrukturen
- 9 Literaturhinweise
1 Inkrafttreten und Änderungschronologie (Stand 30.05.2024)
In Kraft getreten am 16. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 625); geändert durch Gesetz vom 21. März 2017 (GV. NRW. S. 375), in Kraft getreten am 6. April 2017; Gesetz vom 11. April 2019 (GV. NRW. S. 210), in Kraft getreten am 24. April 2019; Artikel 7 des Gesetzes vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. S. 650), in Kraft getreten am 31. Januar 2023 (siehe Hinweis); Artikel 89 des Gesetzes vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122), in Kraft getreten am 19. Februar 2022; Artikel 1 des Gesetzes vom 13. April 2022 (GV. NRW. S. 714), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. August 2021 (Nummer 28) und am 1. Januar 2023.
2 Geltungsbereich
Das WTG gilt nach § 2 Abs. 1 WTG für Betreuungsleistungen sowie die Überlassung von Wohnraum, wenn diese Angebote entgeltlich sind und im Zusammenhang mit den durch Alter, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung ausgelösten Unterstützungsbedarfen und darauf bezogenen Leistungen stehen. Dieser Anwendungsbereich ist im Wesentlichen deckungsgleich mit dem früheren Heimgesetz (HeimG) des Bundes.
Seit dem 01.01.2023 ist der Geltungsbereich des WTG gem. § 2 Abs. 1a WTG erweitert auf Angebote zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, also auf Werkstätten der Eingliederungshilfe im Sinne des § 219 Abs. 1 SGB IX.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird nach § 2 Abs. 2 WTG und in Teil 2 des WTG (Besonderer Teil, §§ 18–41b WTG) in 6 Kapiteln typisiert und angebotsspezifisch normativ reguliert. Im Einzelnen sind dies:
- Kapitel 1: Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot (§§ 18–23 WTG, früher und umgangssprachlich „Heime“)
- Kapitel 2: Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen (§§ 24–30 WTG)
- Kapitel 3: Servicewohnen (§§ 31–32 WTG)
- Kapitel 4: Ambulante Dienste (§§ 33–35 WTG)
- Kapitel 5: Gasteinrichtungen (§§ 36–41 WTG)
- Kapitel 6 (neu seit dem 01.01.2023): Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben in Werkstätten für behinderte Menschen (§§ 41a-41b WTG)
Neben dieser Positiv-Typisierung enthält § 2 Abs. 3 WTG einen Negativ-Katalog von Angeboten, für die das WTG ausdrücklich nicht gilt. So gilt es beispielsweise nicht für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und auch nicht für Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen.
Der räumliche Geltungsbereich des Landesgesetzes ist auf Nordrhein-Westfalen beschränkt. Liegt eine Einrichtung in einem anderen Bundesland, muss das dortige Heimgesetz herangezogen werden. Bei länderübergreifenden Trägern kommt es für die Anwendung des WTG oder des Heimrechts eines anderen Bundeslandes auf die Lage der einzelnen Einrichtung an, nicht auf den Sitz des Trägers.
Sachlich ist das WTG vor allem ein Sonder-Ordnungsrecht, das ordnungsrechtliche Anforderungen an die einzelnen Angebotstypen stellt und Befugnisse der Aufsichtsbehörden bis hin zur Schließung eines Angebots regelt. Im ordnungsrechtlichen Kontext steht auch der Ordnungswidrigkeitenkatalog in § 42 WTG (sowie in der WTG DVO). Daneben enthält das WTG auch Beratungsgesichtspunkte (die Aufsichtsbehörde überwacht nicht nur, sondern berät auch), regelt die Mitbestimmung der Bewohner:innen (im Sprachgebrauch des Gesetzes: „Nutzerinnen und Nutzer“), sorgt für Angebotstransparenz und verbietet wie schon das HeimG die Annahme von Leistungen durch Betreiber und deren Beschäftigte.
Von der Verordnungsermächtigung des Landes-Gesetzgebers in § 45 WTG wurde mit Erlass der WTG DVO (Wohn- und Teilhabegesetz-Durchführungsverordnung vom 23. Oktober 2014 (GV. NRW 686) Gebrauch gemacht.
Das WTG regelt nicht das zivilrechtliche Vertragsrecht in Einrichtungen (vgl. unter 3.).
3 Entstehung und Vorläufer
Mit der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für das öffentliche Heimrecht vom Bund auf die Bundesländer infolge einer Grundgesetzänderung im Jahre 2006 (Föderalismusreform I) verlor das HeimG des Bundes seine Bedeutung. Heute spielen das HeimG und die dazugehörigen Verordnungen allenfalls dann noch eine Rolle, wenn es um Fragen des Bestandschutzes geht, § 47 Abs. 7, 8 WTG (vgl. auch Artikel Heimgesetz) sowie für personelle Anforderungen § 48 WTG.
Nordrhein-Westfalen nutzte als eines der ersten Bundesländer die neu gewonnene Gesetzgebungskompetenz und erließ das (erste) WTG, das am 10.12.2008 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz bewährte sich in der Praxis nicht, sodass 2014 mit dem hier besprochenen Gesetz ein völlig neues WTG erlassen wurde. Wesentlicher Konstruktionsfehler des WTG von 2008 war, dass man bei der Definition des Anwendungsbereichs mit dem abstrakten Begriff der „strukturellen Abhängigkeit“ erhebliche Abgrenzungsprobleme geschaffen hatte. Das WTG von 2014 vermeidet diesen Begriff und typisiert stattdessen die einzelnen Angebote in den oben genannten sechs Kapiteln. Das WTG von 2014 war Teil des GEPA (Gesetz zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen). Mit dem GEPA wurden das Heimrecht (WTG) und das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zum SGB XI und das Investitionskostenrecht (diese beiden Materien zusammen im APG) gemeinsam gesetzgeberisch behandelt. Seit 2014 haben das WTG und das APG aber wieder ihr eigenständiges „Gesetzesleben“ genommen; Novellen der beiden Gesetze sind nicht mehr wie im GEPA verklammert.
Für das zivilrechtliche Vertragsrecht in Einrichtungen („Heimverträge“) ist die Gesetzgebungskompetenz 2006 beim Bund geblieben. Früher war das Vertragsrecht im HeimG des Bundes geregelt. Seit dem 01.10.2009 finden sich die Regelungen dazu im „Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz“ (WBVG) des Bundes.
4 Die einzelnen Angebotstypen im Besonderen Teil des WTG
4.1 Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot
Dies sind nach der Definition des § 18 WTG Einrichtungen, die den Zweck haben, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen, Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen und die eine umfassende Gesamtversorgung zwingend gewährleisten, die darüber hinaus in ihrem Bestand vom Wechsel der Nutzerinnen und Nutzer unabhängig sind und die entgeltlich betrieben werden. Grundlegende Anforderungen (etwa zu fachlichen Konzeptionen) werden in § 19 WTG definiert. Die umgangssprachlichen „Heime“ fallen in aller Regel in diese Kategorie.
Mindestanforderungen zur baulichen bzw. wohnlichen Situation werden in § 20 WTG sowie in den §§ 6 ff. WTG DVO geregelt. So findet sich beispielsweise in § 20 Abs. 3 WTG die Einzelzimmerquote von 100% für Neubauten und 80% für Bestandsbauten.
Personelle Anforderungen finden sich in § 21 WTG, so u.a. die Fachkraftquote in § 21 Abs. 4 WTG, die freilich über die Personalbemessung nach § 113c SGB XI für Pflegeeinrichtungen an Bedeutung verloren hat.
Wichtiges Anliegen des Gesetzgebers war die Mitwirkung und Mitbestimmung der Nutzer:innen. Er hat im Gesetz (§ 22 WTG) und in der Verordnung (§§ 10 ff. WTG DVO) zahlreiche Regelungen dazu getroffen. Die Mitwirkung und Mitbestimmung erfolgt primär über Beiräte. Kann aus der Bewohnerschaft kein Beirat gebildet werden, wird ein Vertretungsgremium aus Angehörigen oder Vertreter:innen gebildet. Kommt auch dieses Gremium nicht zustande, bestellt die WTG-Behörde (mindestens) eine Vertrauensperson. Details zur Wahl, zu den Aufgaben und zur Amtsführung des Beirats finden sich in der WTG DVO. Der Beirat (oder das Vertretungsgremium) vertritt nach § 22 Abs. 2 WTG die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer. Der Mitwirkung unterliegen Fragen der Unterkunft, Betreuung und der Aufenthaltsbedingungen. Der Mitbestimmung unterliegen die Grundsätze der Verpflegungsplanung, die Freizeitgestaltung und die Hausordnung in der Einrichtung. Der Beirat ist auf Verlangen in geeigneter Weise über Beschwerdeverfahren zu unterrichten. Der Beirat kann aus seiner Mitte eine Frauenbeauftragte bestellen. Die Frauenbeauftragte ist Ansprechpartnerin und berät die Nutzerinnen insbesondere bei psychischer und körperlicher Gewalterfahrung oder sexueller Belästigung.
Die behördliche Überwachung dieses Angebotstyps erfolgt nach § 23 WTG durch Regelprüfungen und anlassbezogene Prüfungen. Die Prüfungen finden unangemeldet statt. Der Turnus für die Regelprüfung ist im Grundsatz einmal jährlich. Der Turnus kann unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 2 WTG gestreckt werden.
4.2 Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen
Das Gesetz unterscheidet zwischen selbstverantworteten und anbieterverantworteten Wohngemeinschaften (§§ 24 f. WTG). Die WTG-Behörde prüft, unter welche dieser beiden Untergruppen die Wohngemeinschaft fällt (Statusprüfung nach § 30 Abs. 1 WTG).
Selbstverantwortete Wohngemeinschaften fallen nicht unter das WTG (§ 25 Abs. 1 Satz 2 WTG). Eine Besonderheit gilt nur, wenn ambulante Dienste in der Wohngemeinschaft tätig werden. Dann fällt der ambulante Dienst unter bestimmte Regelungen des WTG (vgl. bei ambulanten Diensten), nicht aber die Wohngemeinschaft.
Für anbieterverantwortete Wohngemeinschaften gelten die Anforderungen nach §§ 26 ff. WTG und §§ 25 ff. WTG DVO. Es gilt eine Maximalgröße von 12 Nutzer:innen (ist die Wohngemeinschaft größer, wird sie als Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot behandelt, § 26 Abs. 6 WTG). Außerdem darf ein Anbieter in einem Gebäude nicht mehr als 24 Nutzerplätze in Wohngemeinschaften anbieten. Bei mehr als 24 Plätzen droht dieselbe Konsequenz wie bei der übergroßen Wohngemeinschaft.
In baulicher/​wohnlicher Hinsicht gilt auch in anbieterverantworteten Wohngemeinschaften eine 100%ige Einzelzimmerquote (§ 27 Abs. 1 WTG).
§ 28 WTG schreibt personelle Anforderungen in der anbieterverantworteten Wohngemeinschaft vor, u.a. muss es eine verantwortliche Fachkraft geben und die WTG-Behörde kann bestimmte personelle Präsenzen anordnen.
Mitwirkung und Mitbestimmung der Nutzer:innen erfolgen in den anbieterverantworteten Wohngemeinschaften über die Nutzer:innenversammlung gem. § 29 WTG und §§ 28 ff. WTG DVO.
Die behördliche Überwachung der anbieterverantworteten Wohngemeinschaft erfolgt gemäß § 30 WTG durch Regel- und Anlassprüfungen. Es gilt derselbe Turnus wie bei den Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot. In den Wohngemeinschaften muss die Prüfung nicht unangekündigt sein.
4.3 Servicewohnen
Das Servicewohnen (auch Betreutes Wohnen genannt) ist in § 31 WTG definiert als Wohnraumüberlassung in verpflichtender Verbindung mit nicht zu umfangreichen Serviceleistungen (Grundleistungen). Ordnungsrechtlich gilt nach § 32 WTG nur die Anzeigepflicht des Anbieters nach § 9 WTG i.V.m. § 35 WTG DVO und das Leistungsannahmeverbot des § 7 WTG. Ansonsten fällt das Servicewohnen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes.
4.4 Ambulante Dienste
Für alle ambulanten Dienste gilt die Anzeigepflicht des WTG (§ 34 WTG i.V.m. § 36 WTG DVO).
Ansonsten gilt der allgemeine Teil des WTG nur für diejenigen ambulanten Dienste, die in Wohngemeinschaften tätig sind. Achtung: das betrifft u.a. das Leistungsannahmeverbot des § 7 WTG (dazu unten mehr). Im Heimgesetz und in anderen Bundesländern bezog bzw. bezieht es sich nicht auf ambulante Dienste, in Nordrhein-Westfalen dagegen sehr wohl, aber nur im Kontext mit Wohngemeinschaften.
Ambulante Dienste unterliegen im Grundsatz nicht der behördlichen Überwachung durch die WTG-Behörde. Erbringen sie ihre Dienste aber in selbstverantworteten Wohngemeinschaften, ist die WTG-Behörde zu anlassbezogenen Prüfungen befugt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 WTG) und bei Leistungserbringung in anbieterverantworteten Wohngemeinschaften finden Regel- und Anlassprüfungen statt (vgl. oben bei Wohngemeinschaften).
4.5 Gasteinrichtungen
Gasteinrichtungen sind nach § 36 WTG entgeltlich betriebene Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen nur vorübergehend aufzunehmen und ihnen Betreuungsleistungen anzubieten. Gasteinrichtungen sind insbesondere Hospize, Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege sowie Kurzzeitpflegeeinrichtungen.
Für den Sub-Typ der Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen gelten nur bestimmte Vorschriften des Allgemeinen Teils (§ 37 Satz 2 WTG), Hospize und Kurzzeitpflegeeinrichtungen werden dagegen wie Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot behandelt, soweit sich aus den §§ 37–41 WTG oder §§ 38 ff. WTG DVO nichts andere ergibt (§ 37 Satz 2 WTG). Sonderregelungen sind beispielsweise das Einzelzimmergebot für Hospize (§ 38 Abs. 1 WTG), die Maximalgröße von 16 Plätzen für Hospize (als Soll-Bestimmung, § 39 Abs. 1 WTG DVO) oder die Wahrnehmung von Mitwirkung und Mitbestimmung über eine von der Behörde bestellte Vertrauensperson (§ 40 WTG).
Die Überwachung der Gasteinrichtungen erfolgt nach § 41 WTG durch Regel- und anlassbezogene Prüfungen. Die Prüfungen sind unangemeldet. Auch in Gasteinrichtungen gilt der Jahresturnus für Regelprüfungen, der bei Mangelfreiheit gestreckt werden kann.
4.6 Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben in Werkstätten für behinderte Menschen
Seit dem 01.01.2023 gilt in Nordrhein-Westfalen das WTG auch in Angeboten zur Teilhabe am Arbeitsleben in Werkstätten für behinderte Menschen (§§ 41a-41b WTG)
Die Qualitätsüberwachung erfolgt durch Regel- und Anlassprüfungen. Die Regelprüfungen folgen dem bekannten Jahresturnus, eine Streckung des Turnus ist möglich.
5 Pflichten der Leistungsanbieter (Betreiber)
Das Gesetz sieht zahlreiche Pflichten der Leistungsanbieter vor. Sie umfassen u.a.
- die Zuverlässigkeit des Leistungsanbieters (§ 4 Abs. 2 WTG, allgemeiner gewerberechtlicher Begriff)
- Aktualität von Standards (§ 4 Abs. 1 WTG)
- Sicherstellung von Barrierefreiheit (§ 4 Abs. 1 WTG)
- Verwendung eines Qualitätsmanagementsystems (§ 4 Abs. 3 WTG)
- Infektionsschutz und Hygieneanforderungen (§ 4 Abs. 4 WTG)
- Sicherstellung der persönlichen und fachlichen Eignung aller Beschäftigten (§ 4 Abs. 8 WTG, vgl. §§ 1–3 WTG DVO)
- Pflichten in Bezug auf den Einsatz der Beschäftigten (§ 4 Abs. 9–12 WTG)
- Verschiedene Anzeigepflichten (§ 9 WTG)
- Dokumentationspflichten (§ 10 WTG)
- Verpflichtung zur Gewaltprävention und Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen (§§ 8, 8a, 8b WTG)
- Qualitätssicherung (§ 13a WTG)
- Beschwerdesysteme (§ 6 Abs. 2 WTG)
- Nutzungspflicht in Bezug auf das digitale Portal PfAD.wtg (§ 5 WTG DVO
6 Überwachung durch die WTG-Behörde
Die WTG-Behörden prüfen die Wohn- und Betreuungsangebote gem. § 14 WTG daraufhin, ob sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes fallen und die Anforderungen nach diesem Gesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erfüllen. Es gibt Regel- und Anlassprüfungen (§§ 14 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WTG). § 14 WTG regelt detailliert die Befugnisse der WTG-Behörde.
Wird im Rahmen von Prüfungen festgestellt, dass die Anforderungen nach dem WTG oder der WTG DVO nicht erfüllt werden, regelt § 15 WTG die Handlungsmöglichkeiten der Behörde. Die Handlungsmöglichkeiten sind eskalierend aufgebaut.
- Zunächst soll die Behörde über die Möglichkeiten zur Abstellung dieser Mängel beraten.
- Nutzt die Beratung nicht, sollen Anordnungen erlassen werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung des Wohls der Nutzer und zur Durchsetzung der den Leistungsanbietern obliegenden Pflichten erforderlich sind.
- Eine besondere Form der Anordnung ist der Aufnahmestopp.
- Wenn Anordnungen zur Beseitigung der Mängel nicht ausreichen, ist der Betrieb des Wohn- und Betreuungsangebotes zu untersagen.
Anordnungen und Untersagungen sind Verwaltungsakte. Sie können vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angefochten werden. Ein verwaltungsinternes Widerspruchsverfahren gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Das WTG ordnet in § 15 Abs. 9 Satz 2 WTG an, dass Anfechtungsklagen keine aufschiebende Wirkung haben. Ggf. ist parallel zur Anfechtungsklage ein Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen.
Neben dem verwaltungsrechtlichen Instrumentarium halten sowohl das Gesetz (in § 42 WTG) als auch die Verordnung (§ 45 WTG DVO) zahlreiche Ordnungswidrigkeitentatbestände bereit.
7 Das Leistungsannahmeverbot und Spenden
Nach § 7 Abs. 1 WTG ist es den Leistungsanbietern und deren Beschäftigten untersagt, sich von oder zugunsten von gegenwärtigen oder zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Eine Ausnahme gilt für geringwertige Aufmerksamkeiten, wobei der Gesetzgeber die Geringfügigkeitsgrenze nicht definiert hat.
Schon das HeimG enthielt eine ähnliche Bestimmung, die insbesondere im Hinblick auf das immanente Verbot offener Testamente zugunsten der Betreiber oder ihrer Beschäftigten von der Rechtsprechung bis hin zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 1998, 2964) gehalten wurde. Das BVerfG nannte als Rechtfertigung für das Verbot drei Gründe:
- die Hilf- und Arglosigkeit der Bewohner:innen und das Risiko von finanzieller Ausnutzung,
- den Schutz des Heimfriedens,
- die Verhinderung einer privilegierenden bzw. benachteiligenden Behandlung einzelner Bewohner:innen.
Das WTG erstreckt das Annahmeverbot auf weitere Vertragstypen, die vom HeimG noch nicht erfasst waren (Ambulante Dienste, Service-Wohnen). Dies wird gerechtfertigt sein, wird sich aber nicht mehr zwanglos aus den drei Begründungslinien ableiten lassen, die dem Urteil des BVerfG zu entnehmen sind. So erscheint das Annahmeverbot für ambulante Dienste in Wohngemeinschaften plausibel; in der einzelnen Häuslichkeit sind ambulante Dienste in Nordrhein-Westfalen dagegen nicht beschränkt, weil sich die Versorgung dort komplett außerhalb des WTG vollzieht (anders etwa nach dem Heimgesetz in Hessen). Hier wäre eine Vereinheitlichung wünschenswert. Außerdem ist zu fragen, ob das Ordnungsrecht der Länder überhaupt der richtige systematische Platz für das Verbot ist, ob es nicht vielmehr eine Frage des BGB oder des WBVG ist.
Die WTG-Behörde kann nach § 7 Abs. 4 WTG Ausnahmen von dem Annahmeverbot zulassen, wenn die Leistung noch nicht gewährt wurde und das Verbot zur Sicherung des Schutzes der Nutzer nicht erforderlich ist.
Und noch einmal anders werden Spenden an gemeinnützige Leistungsanbieter behandelt: Nach § 7 Abs. 3 WTG fallen solche Spenden nicht unter das Verbot des Absatzes 1. Die gemeinnützigen Leistungsanbieter müssen aber sicherstellen, dass den Spendern oder ihren Angehörigen weder bei der Aufnahme in ein Angebot noch während der Nutzung eines Angebotes eine günstigere oder weniger günstige Behandlung zukommt als jeder anderen Person in einer vergleichbaren Situation. Die gemeinnützigen Leistungsanbieter haben das Verfahren zur Spendenannahme der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen und die Einnahme sowie ihre Verwendung zu dokumentieren. Eine Rechtfertigung der Begünstigung gemeinnütziger Betreiber lässt sich nicht erkennen.
8 Verwaltungsvollzug, Beratungs- und Meldestrukturen
Das Gesetz enthält darüber hinaus Vorschriften zum Verwaltungsvollzug (§§ 43,44 WTG). Zuständig sind als untere Behörde die Kreise und kreisfreien Städte, als Mittelbehörde die Bezirksregierungen und als oberste Aufsicht das zuständige Ministerium, nach derzeitigem Ressortzuschnitt das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW). Der Vollzug des Gesetzes erfolgt als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, das bedeutet, dass es wenig Entscheidungsspielraum auf der unteren Ebene (Kreise und kreisfreie Städte) gibt, und entsprechend eine Zentralisierung auf der obersten.
Außerdem regelt das Gesetz die Beratung der Landesregierung durch ein vielfältig besetztes Gremium (§ 17 WTG).
2023 schließlich wurde auf Ministeriumsebene eine zentrale Monitoring- und Beschwerdestelle zur Gewaltprävention, Beobachtung und Beratung im Zusammenhang mit der Durchführung von freiheitsentziehenden Unterbringungen und freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen eingerichtet (§ 16 Abs. 1 WTG).
9 Literaturhinweise
Dickmann, Frank, 2019. Wohn- und Teilhabegesetz, Alten- und Pflegegesetz: WTG, APG. Kommentar. 3., überarbeitete Auflage. München: C.H.Beck. ISBN 978-3-406-74359-7 [Rezension bei socialnet]
Kreutz, Marcus, 2022. In: Otto Dahlem, Dieter Giese und Gerhard Igl, Hrsg. Das Heimrecht des Bundes und der Länder. Loseblattsammlung. Hürth: Luchterhand. Gesamt-Werkstand April 2024. ISBN 978-3-452-17850-3 [Rezension bei socialnet]
Froese, Sebastian und Gunnar Michelchen, 2019. Praxiskommentar Wohn- und Teilhabegesetz – NRW WTG 2019. Remagen: AOK-Verlag. ISBN 978-3-553-41840-9
Dickmann, Frank, Hrsg., 2014. Heimrecht: Kommentar. 11., völlig neu bearbeitete Auflage des Kommentars Kunz/Butz/Wiedemann zum Heimgesetz. München: C.H. Beck. ISBN 978-3-406-65369-8 [Rezension bei socialnet]
Kassen, Dirk, Peter Pitzer, Marc Zabel, Hans-Jörg Esmeier und Jürgen Fahnenstich 2011 Wohn- und Teilhabegesetz Nordrhein-Westfalen. München: C.H.Beck. ISBN 978-3-406-59580-6
Nur eingeschränkt verwertbar, das Werk kommentiert das nicht mehr in Kraft befindliche WTG 2008.
Verfasst von
Frank Dickmann
Rechtsanwalt
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