Zukunftskonferenz
Dr. Matthias zur Bonsen
veröffentlicht am 16.06.2021
Eine Zukunftskonferenz ist eine Methode, um in Großgruppen und unter Einbezug von relevanten Stakeholdern gemeinsam getragene Zukunftsstrategien zu entwickeln und Energie für deren Umsetzung zu erzeugen.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Warum eine große Gruppe?
- 3 Idealtypischer Ablauf der Zukunftskonferenz
- 4 Ergebnisse der Zukunftskonferenz
- 5 Wie geht es nach der Zukunftskonferenz weiter?
- 6 Vorbereitung einer Zukunftskonferenz
- 7 Rollen in einer Zukunftskonferenz
- 8 Grenzen der Methode Zukunftskonferenz
- 9 Quellenangaben
- 10 Literaturhinweise
- 11 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
„Zukunftskonferenz“ ist die Bezeichnung für eine von Marvin Weisbord und Sandra Janoff in den 1980ern entwickelte Methode, die es auch großen und von divergierenden Interessen geprägten Gruppen ermöglicht, gemeinsame Ziele und einen Geist der Zusammenarbeit zu entwickeln (Weisbord und Janoff 2008). Sie ist eine optimale Planungsstrategie für unklare „Probleme ohne Grenzen“ – für vertrackte Dilemmata, die sich in den Bereichen von Wirtschaft, Umwelt, Beschäftigung, Technologie, Bildung, Gesundheitswesen und Stadtentwicklung heute immer häufiger ergeben. Typischerweise kommen Gruppen von 30 bis 64 Personen für 18 Stunden zusammen, um für ihr Thema eine gemeinsam gewünschte Zukunft zu entwerfen und Maßnahmen zu planen.
2 Warum eine große Gruppe?
Zwei Gründe sprechen dafür, die Zukunft in einer großen Gruppe zu planen:
- Wenn viele bei der Erarbeitung von Zielen und Maßnahmen dabei waren, dann packen hinterher auch viele mit an. Wenn das zudem in einer Weise geschieht, die die Beteiligten mobilisiert und zusammenwachsen lässt, dann entsteht ein Energieschub, der es erlaubt, Abteilungs- und sonstige Grenzen überschreitende Themen kraftvoll voranzubringen.
- Viele TeilnehmerInnen sind gleichbedeutend mit vielen unterschiedlichen Perspektiven, insbesondere wenn verschiedene Interessengruppen vertreten sind. Es kommen mehr Ideen und mehr Wissen über die Realität aus verschiedenen Blickwinkeln zusammen. Das Verständnis für die Sichtweise anderer Interessengruppen steigt, Vorurteile werden abgebaut. Das befruchtet alle und beeinflusst maßgeblich das Ergebnis der Konferenz. Daher heißt das wichtigste Prinzip der Zukunftskonferenz: Das ganze offene System in einen Raum holen.
In einem Krankenhaus zum Beispiel umfasst dieses offene System nicht nur die eigenen Mitarbeitenden (ÄrztInnen, Pflegekräfte, Verwaltung etc.), sondern auch PatientInnen, Selbsthilfegruppen chronisch Kranker, einweisende ÄrztInnen, VertreterInnen von Rettungsdiensten und Krankenkassen und weitere mehr. Jeder kann andere, wertvolle Wahrnehmungen mit einbringen. Oft sind es gerade die Externen oder MitarbeiterInnen der „Basis“, die mit pointierten und kraftvollen Aussagen Information beisteuern, die buchstäblich unter die Haut geht. Es liegt eine große Chance darin, viele Menschen an der Planung ihrer gemeinsamen Zukunft zu beteiligen.
3 Idealtypischer Ablauf der Zukunftskonferenz
Eine Zukunftskonferenz dauert etwa 18 Stunden, die auf drei Tage verteilt werden. Oft beginnt man am ersten Nachmittag um 14 oder 15 Uhr und arbeitet dann ca. fünf Stunden bis in den Abend hinein. Der zweite Tag steht vollständig zur Verfügung und der dritte Tag wird bis ca. 14 Uhr genutzt. Die TeilnehmerInnen kommen in unterschiedlichen Kleingruppen (sieben oder acht Personen) zusammen, mal gemischt und mal homogen in ihrer Herkunfts-/​Stakeholder-Gruppe. Sie arbeiten nacheinander an sechs Aufgaben und präsentieren und diskutieren ihre Ergebnisse im Plenum. Sie lernen voneinander mit dem Kopf und mit dem Herz, sie entwerfen Visionen, vereinbaren Ziele, planen Maßnahmen und verabreden sich zu deren Umsetzung.
Der Ablauf ist so gestaltet, dass systematisch ein gutes Dialogklima aufgebaut und das emotionale Zusammenwachsen der Teilnehmenden gefördert wird:
- Rückblick in die Vergangenheit
- Analyse von Umfeldentwicklungen (zur Organisation oder zum Thema X)
- Betrachtung der aktuellen Realität der Organisation oder des Themas
- Entwicklung von Visionen
- Herausarbeiten der gemeinsamen Ziele aller Beteiligten
- Planung konkreter Maßnahmen.
Die sechs Phasen (siehe Abbildung 1) bauen schrittweise aufeinander auf und führen trichterförmig vom Generellen zum Spezifischen. Jede dieser Phasen dauert etwa drei Stunden, nur die letzte, in der es um die Umsetzung geht, ist mit vier bis sechs Stunden länger.

3.1 Mit einem Rückblick beginnen
Zu Beginn sitzen 30 bis 64 Personen in gemischten Gruppen in einem großen Raum. Die erste Aufgabe besteht in einem Rückblick in die Vergangenheit. Dabei geht es nicht nur um die Vergangenheit der Organisation oder des Konferenzthemas, sondern auch um die persönliche Vergangenheit der Teilnehmenden und um die Vergangenheit der Welt, in der wir leben. Methodisch kommen hier an den Wänden hängende „Zeitlinien“ (ca. 1 m x 5 m große Papierstreifen) zum Einsatz, auf welche die Teilnehmenden Höhepunkte, Meilensteine und wichtige Entwicklungen eintragen. Dadurch sind sofort das Interesse und die Energie der Teilnehmenden freigesetzt. Jeder ist neugierig, was die anderen schreiben. Auf den drei langen Papierstreifen entfaltet sich die Historie als lebendiges Mosaik in vielen Stichworten. Anschließend werden die gesammelten Informationen in zwei bis drei Gruppen interpretiert und dann dem Plenum die Geschichte der Organisation (resp. des Themas), der beteiligten Menschen und der Gesellschaft präsentiert. Im Plenum wird reflektiert, was die Vergangenheit für die Zukunft bedeutet.
Der Rückblick in die Vergangenheit baut Gemeinschaftsgefühle auf. Die Mitwirkenden stellen fest, dass sie gemeinsam Erfolge, aber auch Misserfolge durchlebt haben und machen sich jetzt bewusst, dass sie schon lange in einem Boot sitzen. Sie machen sich klar, dass auch schon die Vergangenheit viele Veränderungen gebracht hat, die bewältigt wurden und ziehen daraus Motivation für die Zukunft. Sie überlegen, was das Beste an der Vergangenheit war, das sie in die Zukunft mitnehmen und was sie in jedem Fall zurücklassen wollen. Mit dieser weitesten Betrachtung der Konferenzthematik, die sowohl die beteiligten Menschen wie die Welt einschließt, wird die Basis für eine „Verengung des Trichters“ hin zu spezifischeren Themen geschaffen. Dieser erste Schritt schafft die emotionale Basis für einen konstruktiven Austausch, wenn in den nachfolgenden Phasen die Themen schwieriger werden.
3.2 Den Blick nach außen richten
In der zweiten Phase geht es um die Untersuchung des Umfeldes der Organisation oder des Themas, das im Fokus der Zukunftskonferenz steht. Entwicklungen und Ereignisse aufseiten der KlientInnen, der Gesetzgebung, der Auftraggeber/​Kostenträger, der Partner, der Lieferanten, der Technologie, des Arbeitsmarktes etc. werden in die Betrachtung einbezogen, wenn es sich beispielsweise um eine Organisation handelt. Im Plenum entsteht ein großes „Mindmap“, eine bildhafte „Landkarte“ der Kräfte, die die Zukunft der Organisation bzw. des Themas beeinflussen – komplex und für viele verwirrend, eben so wie die Realität. Hier erkennen viele zum ersten Mal die gesamten Zusammenhänge. Auch in dieser Phase wird nicht nur Information übertragen, es entsteht auch ein Gefühlszustand, nämlich eine oft stille Nachdenklichkeit über den umfassenden Wandel und das Bewusstsein für notwendige Änderungen. Die Trends werden schließlich von den TeilnehmerInnen mit Punkten gewichtet. Danach werden die wichtigsten Trends von Kleingruppen eingehend auf ihre Konsequenzen hin analysiert. Was haben wir bis heute getan und was müssen wir künftig tun, um für diese externen Entwicklungen gerüstet zu sein? Bei der Bearbeitung dieser Fragen kehrt sich die Nachdenklichkeit um in anpackende Energie. In dieser Phase arbeiten homogene Gruppen zusammen, um zu verdeutlichen, was die einzelnen beteiligten Stakeholder zu den künftig maßgeblichen Entwicklungen denken.
3.3 Verantwortung übernehmen
In der dritten Phase der Zukunftskonferenz steht das Innenleben der Organisation oder des Konferenzthemas auf dem Programm. „Worauf sind wir stolz und was bedauern wir an der heutigen Situation – insbesondere an unserem eigenen Beitrag dazu?“ heißt die Frage für die (auch in dieser Phase homogenen) Gruppen. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, etwa auf die Geschäftsleitung oder den Gesetzgeber oder die unkooperative andere Abteilung, sondern auf sich selbst. Nach bisherigem Muster sammeln die Gruppen Wahrnehmungen, interpretieren diese und präsentieren ihre Ergebnisse im Plenum. Die Frage nach Stolz und Bedauern macht gemeinsame Werte bewusst. Sie führt häufig zu einem umfangreichen Austausch an Informationen und Aha-Erlebnissen. Man nimmt wahr, wie andere wahrnehmen, und entwickelt Verständnis. Es wird deutlich, was die Mitwirkenden in die Zukunft mitnehmen und was sie zurücklassen wollen. Die Teilnehmerschaft beginnt sich als Ganzes für offensichtlich gewordene Schwächen verantwortlich zu fühlen.
3.4 Die Zukunft entwerfen und inszenieren
In der anschließenden vierten Phase der Zukunftskonferenz geht es um die Entwicklung einer gemeinsamen Vision. Diese soll keine reine Kopfarbeit werden, sondern den ganzen Menschen mit seiner Fantasie, seinen Intuitionen, seinen Werten und Gefühlen aktivieren. Daher werden nicht nur einfach „Statements“ formuliert, denn das wäre reine Kopfarbeit. Vielmehr wird mit kreativen Mitteln die gewünschte Zukunft des Themas oder der Organisation anschaulich und lebendig dargestellt. Die nun gemischten Gruppen erhalten alles, was man zum Gestalten benötigt: Farbige Stifte, buntes Papier, alte Zeitschriften, Klebstoff, Scheren und mehr. Und sie erhalten die Aufgabe, sich von der heutigen Realität nicht einengen zu lassen und ein fantasievolles und innovatives Bild der Zukunft in fünf bis fünfzehn Jahren zu entwerfen. Dabei geht es nicht um konkrete Lösungen und Strategien, sondern um einen idealistischen, gewünschten und zugleich ins Umfeld passenden Entwurf für das ganze System.
Schon die Vorbereitung macht den TeilnehmerInnen viel Spaß, und die Präsentation der Visionen ist immer ein Erlebnis. Die Zukunft entsteht in Collagen, Sketchen, Modellen, Zeitungsartikeln, TV-Dokumentationen, Reden, Briefen, Firmenzeitungen und Versen. Mit großer Begeisterung werden diese dargestellt. Der Raum ist voll Energie, die Zukunft wird lebendig und ihre magnetische Anziehungskraft wird für alle spürbar. Es entsteht Lust auf Zukunft. Und es entsteht der Wille, diese Zukunft zu erschaffen – und zwar mit dieser Gruppe. Das ist die Funktion dieses unkonventionellen Vorgehens.
3.5 Gemeinsame Ziele herausarbeiten
Die Visionen der Gruppen driften oft kaum auseinander, vielmehr erweisen sie sich als erstaunlich kohärent. Der Grad der Überlappung ist groß. Nun muss herauskristallisiert werden, in welchen Zielen sich alle Anwesenden einig sind. Die Gruppen erarbeiten das Gemeinsame zuerst für sich, dann kommen jeweils zwei Gruppen zusammen und schließlich sitzt das Plenum vor einer großen Wand und sichtet die gemeinsamen Ziele. Diese fünfte Phase ist kritisch und findet daher am frühen Morgen des dritten Tages der Konferenz statt, wenn alle – einschließlich der ModeratorInnen – noch hellwach sind. Dort, wo Ziele strittig sind, und das auch nach Beseitigung von Missverständnissen, die sich aus der Formulierung ergeben, noch bleiben, werden diese Ziele aussortiert. Mit 30 bis 64 Personen lassen sich solche Streitpunkte nicht ausdiskutieren. Doch das ist auch nicht nötig. Die Gemeinsamkeiten sind in aller Regel sehr groß. Es bleibt ein Fundus gemeinsamer Ziele, der große Möglichkeiten für gemeinsames Handeln bietet. Die Teilnehmenden erleben nun, wo alle gemeinsam stehen. Und das hat Einfluss auf die nachfolgende Planung. Es ist viel leichter, sich für Ziele einzusetzen, von denen man weiß, dass jede/r im Raum sie ebenfalls trägt.
Die strittigen Ziele verschwinden im Übrigen nicht in der Versenkung. Sie werden auf einer Wand mit der Überschrift „Ungelöste Differenzen“ gesammelt und dokumentiert. Falsche Harmonie soll nicht vorgespiegelt werden.
3.6 Maßnahmen planen
Es geht in der sechsten und letzten Phase um die Erarbeitung der Maßnahmen. Die gemeinsame Basis dafür ist geschaffen und der Wille ist da. Er wird überdeutlich, wenn die ModeratorInnen nach Freiwilligen fragen, die für ein von ihnen gewähltes Ziel mit einer Freiwilligengruppe die Maßnahmen erarbeiten wollen. In der Regel gehen sofort zehn bis 15 Hände hoch – denn die TeilnehmerInnen wollen handeln. Um die Energieträger, die die Gruppen initiieren, scharen sich Freiwillige, die dann etwa zwei Stunden zusammen den Weg in die Zukunft skizzieren.
Die Ergebnisse werden am Ende von den Gruppen im Plenum präsentiert – das steigert die Verpflichtung. Die Gruppen planen Termine, wann sie sich wieder treffen. Und nachdem die Gruppen sich neben ihrem Flipchart haben fotografieren lassen, gehen die Teilnehmenden mit der Gewissheit nach Hause, nicht nur eine gemeinsame Vision entworfen und gemeinsame Ziele vereinbart, sondern auch konkrete Schritte eingeleitet zu haben. Die Skepsis zu Beginn der Konferenz hat sich in Optimismus verwandelt.
4 Ergebnisse der Zukunftskonferenz
Auf der greifbaren Ebene erzeugen Zukunftskonferenzen konkrete Ziele und Maßnahmen und oftmals innovative Durchbrüche. Noch wichtiger sind jedoch meist die immateriellen Wirkungen, beispielsweise die erfahrungsgemäß starke Motivation der TeilnehmerInnen, die geplanten Maßnahmen auch umzusetzen. Es entsteht ein Energieschub und vor allem entsteht Wir-Gefühl – das Gefühl, eine große Gemeinschaft zu sein, die gemeinsame Ziele hat und verwirklichen will. Der hierarchiefreie, respektvolle, offene Umgang miteinander, der die Zukunftskonferenz prägte, färbt auf die Organisation ab. Zukunftskonferenzen prägen immer auch ein Stück die Kultur.
5 Wie geht es nach der Zukunftskonferenz weiter?
Nach der Zukunftskonferenz arbeiten die entstandenen Gruppen weiter. In Organisationen besteht der erste Schritt oft darin, ein Konzept zu erstellen, das dann mit der Geschäftsleitung oder einem Lenkungsgremium abgestimmt wird. Diese oder dieses sorgt für gegebenenfalls erforderliche Ressourcen. Dann ist es oft wichtig (insbesondere nach Zukunftskonferenzen, an denen verschiedene Organisationen oder Gruppen beteiligt waren), sicherzustellen, dass die Umsetzungsgruppen über die Arbeit der jeweils anderen Gruppen informiert sind.
Nach einem Dreivierteljahr kommen alle TeilnehmerInnen der Zukunftskonferenz nochmals für einen Nachmittag zusammen (manchmal passiert das auch mehrfach über Jahre hinweg). Dann präsentieren die Gruppen: was sie tun wollten, was sie tatsächlich getan haben und was sie weiter vorhaben. Die Energie und das Gemeinschaftsgefühl werden erneuert, weitere Pläne und Ideen geboren und manchmal werden auch Personen einbezogen, die am Anfang noch nicht dabei waren.
6 Vorbereitung einer Zukunftskonferenz
Eine Zukunftskonferenz wird mit einer Planungsgruppe vorbereitet, die sich in der Regel zwei Mal trifft. Sie sollte bereits einen Querschnitt der späteren TeilnehmerInnen darstellen, soweit bereits vorab zu erkennen ist, wer teilnehmen soll. Das erzeugt Vertrauen bei den unterschiedlichen Stakeholdern und macht es leichter, TeilnehmerInnen aus diesen zu gewinnen.
Die Planungsgruppe präzisiert die Zielsetzung für die Zukunftskonferenz und gibt Ihr einen Titel oder Motto, welche den Zweck und Geist der Konferenz gut wiedergeben sollen. Die Planungsgruppe überlegt des Weiteren, welche Stakeholder es braucht, wie viele von welcher Gruppe und wer genau eingeladen werden sollte. Neben einer Reihe von Details zum Inhalt und Ablauf der Zukunftskonferenz überlegt sie kommunikative Maßnahmen (vor und nach der Zukunftskonferenz) und wie es nach der Zukunftskonferenz weitergehen soll (siehe 5.).
7 Rollen in einer Zukunftskonferenz
Eine Zukunftskonferenz wird typischerweise von zwei ModeratorInnen begleitet. Während diese sich bei der Anmoderation zu einzelnen Schritten und Aufgaben abwechseln, werden in den Phasen der Konferenz, wo das ganze Plenum miteinander spricht, beide gebraucht. Denn so ist eher eines der beiden Mikrofone in der Nähe der Person, die gerade sprechen will. Wenn ansonsten einer der ModeratorInnen gerade aktiver ist, ist der/die andere in einer wahrnehmenden Rolle und beobachtet, was im Raum vor sich geht.
Die ModeratorInnen sollten für die Begleitung von Zukunftskonferenzen ausgebildet sein. Ausbildungsmöglichkeiten sind unter https://futuresearch.net zu finden.
Wenn nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Verlauf einer Zukunftskonferenz protokolliert werden soll, wird dafür eine zusätzliche Person benötigt. Diese ist nur für das Protokoll zuständig und erstellt ein narratives und/oder ein visuelles Protokoll. Ein solches Protokoll ist erforderlich, wenn nach der Zukunftskonferenz ein größerer interessierter Kreis über diese informiert werden soll.
8 Grenzen der Methode Zukunftskonferenz
Viele Organisationen und Unternehmen haben Zukunftskonferenzen durchgeführt, um gleich mit einer großen Gruppe weitere Entwicklungsschritte zu planen und Energie dafür zu mobilisieren. Zukunftskonferenzen dienen jedoch nicht dazu, für Unternehmen und Organisationen ganz neue Strategien zu entwerfen, die ein hohes Maß an Risiko beinhalten. Solche strategischen Neuorientierungen gehen in der Regel von der Geschäftsleitung aus. Zukunftskonferenzen sind dort für Organisationen sehr gut geeignet, wo die große Richtung in die Zukunft feststeht und wo man viele dafür gewinnen möchte, diese Richtung mit attraktiven Zielen und zugehörigen Maßnahmen auszufüllen. Ein Beispiel wäre ein Krankenhaus, bei dem klar ist, dass es seine Grundaufgabe in seiner Region weiterhin verfolgen soll.
Zukunftskonferenzen sind aber nicht nur für Organisationen, sondern vor allem auch für Themen geeignet, an denen mehrere Organisationen und Stakeholder beteiligt sind. Diese können dabei durchaus konträre Interessen haben. Man denke beispielsweise an eine Zukunftskonferenz zum Thema „Wassernutzung“ in einer Region, wo es ganz unterschiedliche Gruppen gibt, die an dem vielleicht knappen Wasser Interesse haben. In Zukunftskonferenzen finden die TeilnehmerInnen heraus, welche gemeinsamen Ziele sie bei aller Gegensätzlichkeit der Interessen haben. Und die Erfahrung zeigt, dass es fast immer viele gemeinsame Ziele gibt. Das heißt aber nicht, dass in Zukunftskonferenzen alle Unterschiede aus der Welt geschafft werden. Es wird immer auch ein paar vorgeschlagene Ziele geben, auf die sich die große Gruppe nicht einigen kann. Diese werden dann einfach beiseitegelassen, da es ja auch genug gibt, worauf sich alle einigen können. Eine Lösung solcher Konfliktthemen wäre in einer großen Gruppe nur schwer möglich und würde auch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Zukunftskonferenzen sind bewusst so gestaltet, dass schwere Konflikte kaum auftreten. Die einzelnen Schritte einer Zukunftskonferenz lassen die unterschiedlichen Gruppen, die die meiste Zeit in gemischten Kleingruppen zusammensitzen, immer weiter zusammenwachsen. Sie erfahren, dass sie mehr Gemeinsames als Trennendes haben. Unterschiedliche Sichtweisen werden natürlich in plenaren Phasen geäußert. Doch in der großen Gruppe findet sich dann fast immer jemand, der diese Gegensätze mit integrierenden Aussagen verbinden kann. In der Phase, in der sich die Gruppe gegen Ende auf gemeinsame Ziele einigt, ist bereits so viel Gemeinsamkeit entstanden, dass es der Gruppe leichtfällt, Punkte beiseitezulegen, wo sie keine Einigkeit erzielen kann.
Es ist die Stärke der Methode Zukunftskonferenz, dass sie in einer komplexen Welt voller unterschiedlicher Interessen Menschen unter dem Dach einer gemeinsamen Vision zu vereinen und ihre Kräfte für diese Gemeinsame zu mobilisieren vermag.
9 Quellenangaben
Weisbord, Marvin R. und Sandra Janoff, 2008. Future Search – Die Zukunftskonferenz: Wie Organisationen zu Zielsetzungen und gemeinsamem Handeln finden. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 978-3-608-94316-0
10 Literaturhinweise
Weisbord, Marvin R., Hrsg., 1995. Discovering Common Ground: How Future Search Conferences Bring People Together to Achieve Breakthrough Innovation, Empowerment, Shared Vision and Collaborative Action. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers. ISBN 978-1-881052-08-1
Weisbord, Marvin R. und Janoff, Sandra, 2010. Future Search: Getting the Whole System in the Room for Vision, Commitment and Action. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers. ISBN 978-1-60509-428-1
11 Informationen im Internet
Verfasst von
Dr. Matthias zur Bonsen
Gründer und Partner der Beratergruppe all•in•one•spirit.
Im deutschen Sprachraum ist er Pionier für Großgruppenmethoden sowie für wegweisende Methoden des partzipativen Arbeitens mit kleinen Gruppen wie Thinking Circle und Dynamic Facilitation.
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Matthias zur Bonsen.
Zitiervorschlag
zur Bonsen, Matthias,
2021.
Zukunftskonferenz [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 16.06.2021 [Zugriff am: 31.05.2023].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/4609
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Zukunftskonferenz
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