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Quersubventionierung

Kritische Anmerkungen zur Finanzierung von Nonprofit-Organisationen

Dipl.-Kfm. Christian Koch

veröffentlicht am 19.07.2011

Zusammenfassung

Bei praktisch jeder Nonprofit-Organisation findet ein Transfer von Mitteln zwischen verschiedenen Angeboten und Bereichen statt. Ob dieser Mitteltransfer = Quersubventionierung zulässig und zweckmäßig ist, wird oft nicht ausreichend hinterfragt.

Begriff der Quersubventionierung

Fast jede Nonprofit-Organisation kennt dieses Phänomen: Einige Angebote laufen gut und erwirtschaften Überschüsse; bei anderen zahlt man drauf.1 Oft liegen einem die defizitären Aktivitäten besonders am Herzen. Und so werden sie trotz der Verluste nicht aufgegeben, sondern mit den Gewinnen anderer Kostenstellen finanziert.

Beispiele für Quersubventionierung finden sich in Organisationen aller Größenordnungen und Tätigkeitsfelder. Ein großes Sozialunternehmen verwendet die Überschüsse seiner stationären Einrichtungen, um die Defizite einer Beratungsstelle zu tragen, die ihm Kontakte zu neuen potentiellen Kunden liefert und deren Kofinanzierung von der öffentlichen Hand besonders begrüßt wird. Und ein kleines Kulturzentrum finanziert die „anspruchsvollen Problemfilme“ mit den „Rennern“ in seinem Programm.

Quersubventionierung aufdecken

Quersubventionierung bedeutet, dass Überschüsse einer Kostenstelle zur Deckung der Fehlbeträge einer anderen Kostenstelle verwendet werden. Das erste Problem im Umgang mit Quersubventionierung stellt folglich die exakte Darstellung der Mittelströme in der Kostenstellenrechnung dar. Wird keine Kostenrechnung betrieben oder das Kostenstellenergebnis durch nicht sachgerechte Kostenzuordnung bzw. Gemeinkostenumlagen verfälscht, können Quersubventionierungen nicht korrekt erkannt und bewertet werden. Besonders kritisch sind – inzwischen zum Glück nur noch selten anzutreffende – Verwaltungskostenumlagen „nach Belastbarkeit der Kostenstelle“, so dass am Ende alle Kostenstellen auf Null stehen.

Die Quersubventionierung kann statt auf Ebene von Kostenstellen, also Leistungsbereichen, auch auf der Ebene von Kostenträgern, also einzelnen Leistungen, ermittelt werden. Dann finanzieren „wirtschaftlich gute“ Produkte „wirtschaftlich schlechte“ Produkte mit. Im Folgenden können die Aussagen analog auf Kostenträger bezogen werden.

Eine Quersubventionierung kann auf zwei Stufen ermittelt werden:

  1. vor Umlagen im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung oder
  2. nach Umlagen im Rahmen der Vollkostenrechnung.

Bei der Deckungsbeitrags- oder Teilkostenrechnung werden den Erlösen nur die direkt zurechenbaren Kosten gegenübergestellt. Ist eine Kostenstelle schon auf dieser Stufe defizitär, trägt sie nicht zur Finanzierung der allgemeinen Kosten, z.B. Zentralverwaltung, bei. Man spricht auch von negativem Deckungsbeitrag. In Höhe dieses Fehlbetrages finanziert sie nicht einmal die direkt von ihr „vor Ort“ verursachten Kosten. Am Beispiel des Filmklubs würden die Eintrittsgelder nicht einmal die Kosten für Filmmiete und Fracht decken, geschweige denn zu den Druckkosten eines Jahresprogramms beitragen. Eine solche Kostenstelle wird eindeutig von anderen Kostenstellen mitfinanziert.

Selbst wenn alle Kostenstellen einen positiven Deckungsbeitrag liefern, also die unmittelbar verursachten Kosten decken, kann die Organisation Verlust machen. Die Deckungsbeiträge müssen in der Summe zur Finanzierung der zentralen Kosten oder Gemeinkosten ausreichen. Dies sind häufig Gebäudekosten, Verwaltung, Küche, Handwerker oder Fahrdienst. Bei der Vollkostenrechnung werden diese zentralen Kosten nach plausiblen Schlüsseln, z.B. nach Umsatz oder Mitarbeitern, auf die einzelnen Kostenstellen verteilt. Die Darstellung der Verteilung erfolgt häufig in einer Tabelle, die als Betriebsabrechnungsbogen (BAB) bezeichnet wird. Weist eine Kostenstelle zwar einen positiven Deckungsbeitrag aus, ist aber nach der Umlage der zentralen Kosten defizitär, dann liefert sie keinen ausreichenden Beitrag für die gemeinsam zu tragenden Gemeinkosten. Dieses Ergebnis hängt nicht nur von der Wirtschaftsweise in der Kostenstelle, sondern auch von dem gewählten Verteilungsschlüssel der Gemeinkosten ab. Wird z.B. nach hauptamtlichen Stellen verteilt, werden Kostenstellen mit nur ehrenamtlichem Engagement nicht belastet. Auch unangemessen hohe Gemeinkosten können bei der Kostenverteilung zu Defiziten einzelner Kostenstellen führen.

Kostenstellen mit geringem Deckungsbeitrag, die zugleich wesentlichen Anteil an den Gemeinkosten haben, werden also auch quersubventioniert, indem die anderen Kostenstellen die Gemeinkosten für diese mitfinanzieren. Wird auf diese Kostenstelle verzichtet, fällt auch der Deckungsbeitrag weg. Ob eine Schließung zu einem besseren Ergebnis führt, hängt davon ab, ob durch die Schließung mehr Gemeinkosten eingespart werden können, als der Deckungsbeitrag dieser Kostenstelle vorher finanziert hat.

Quersubventionierung analysieren

Als erstes sollte sich die Nonprofit-Organisation kritisch fragen, ob tatsächlich „echte“ Überschüsse zur Verfügung stehen oder diese unzutreffend ausgewiesen werden. Eine grundsätzlich korrekte Kostenrechnung wird vorausgesetzt. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass die Kostenrechnung auch dann nur eine Annäherung an die komplexe betriebswirtschaftliche Realität liefern kann. Nicht erfasste Aspekte und eine unterschiedliche Bewertung durch verschiedene Organisationsteilnehmer sind regelmäßig zu beobachten. Hier sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – weitere kritische Fragen zu beantworten:

  1. Wurden alle Aufwendungen korrekt abgegrenzt?
    Wurden z.B. Urlaubsrückstellungen gebildet oder sind noch Rechnungen zu erwarten? Prüfen Sie an Hand der Finanzierungsbedingungen und Ihrer Planungsrechnung, ob der Überschuss plausibel ist.
  2. Werden Überschüsse in zuwendungsfinanzierten Bereichen ausgewiesen?
    Häufig werden Zuschüsse als Fehlbetragsfinanzierung gewährt. Im Fall von Überschüssen entstehen dann Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Zuwendungsgeber.
  3. Werden Gebäude über die wirtschaftliche Nutzungsdauer von in der Regel 25 Jahren abgeschrieben?
    Da Sozialleistungsträger häufig nur eine Abschreibung über 40 bis 50 Jahre in die Entgelte einkalkulieren, wird bei vielen Verbänden über diesen unrealistischen Zeitraum abgeschrieben. Die meisten Sozialimmobilien müssen nach rund 25 Jahren neu gebaut oder generalsaniert werden. Folglich stehen nur 25 Jahre zur Verfügung, um die Abschreibung zu verdienen und damit die Reinvestition zu finanzieren. Ggf. sollten Sie für Ihre Einrichtung in einer Nebenrechnung mit 25 Jahren Nutzungsdauer weiter rechnen. Viele Überschüsse sind dann „verschwunden“.
  4. Beruht der Überschuss auf nicht verwendeten Instandhaltungsmitteln?
    Betreiber von stationären Einrichtungen erwirtschaften mit den Leistungsentgelten jedes Jahr einen Anteil für Instandhaltung. Instandhaltungsaufwendungen fallen nicht jedes Jahr in gleicher Höhe an. Nicht verwendete Mittel sollten einer Rücklage zugeführt werden, da sie in späteren Jahren benötigt werden. Sie stehen wirtschaftlich – und ggf. auch rechtlich – nicht zur freien Verwendung zur Verfügung, sind aber aus bilanzrechtlichen Gründen als Rücklage auszuweisen.
  5. Kommt der Überschuss unter Qualitätseinbußen oder „Selbstausbeutung“ zu Stande?
    Häufig wird bei Nonprofit-Organisationen z.B. an der Verwaltung gespart. Kleine Organisationen erscheinen oft wirtschaftlich, weil sie wesentliche Instrumente der Qualitätssicherung noch nicht betreiben, z.B. keine schriftlichen Regelungen einsetzen oder für kritische Abläufe das Vier-Augen-Prinzip anwenden. Falls das Ergebnis nur zu Stande kommt, weil in erheblichem Umfang ehrenamtliche Arbeit eingesetzt wird und hauptamtliche MitarbeiterInnen deutlich über die bezahlte Arbeitszeit hinaus arbeiten, sollte kritisch hinterfragt werden, ob dieses Leistungsniveau dauerhaft zu halten ist. Sofern Maßnahmen der Qualitätssicherung nachzuholen sind und der Personalbestand an den Arbeitsanfall angepasst werden sollte, müssen die Überschüsse hierfür zur Verfügung stehen, um mittelfristig einen einwandfreien Betrieb gewährleisten zu können.
  6. Kalkulieren Sie eine Eigenkapitalverzinsung ein?
    Wenn Sie nicht jedes Jahr einen Verzinsung Ihres Eigenkapitals mindestens in Höhe der Inflationsrate „beiseite legen“, wird Ihr Eigenkapital durch die Inflation entwertet und Ihre Organisation verliert an Substanz. Langfristig wird die Organisation ihren Aufgaben mangels Kapitalausstattung nicht mehr nachkommen können. Weitsichtige Träger von Einrichtungen kalkulieren mit 4-6 % Eigenkapitalverzinsung, ehe sie von „verfügbaren“ bzw. „echten“ Überschüssen ausgehen.
  7. Resultieren die Überschüsse aus Spenden mit Zweckbindung?
    Dann müssen diese Spendenmittel zweifelsfrei entsprechenden, nicht anderweitig finanzierten Ausgaben zugeordnet werden oder sind bis zur zweckentsprechenden Verwendung als Verbindlichkeiten auszuweisen.

Nach diesen kritischen Fragen verflüchtigen sich so manche vermeintlichen Überschüsse. Sofern der Träger nicht ausdrücklich anderes beschlossen hat, ist die Geschäftsführung zur Substanzerhaltung verpflichtet und sollte einen Überschuss nach den obigen Kriterien bewerten. Wird unter Berücksichtigung der oben genannten Fragen kein Überschuss mehr ausgewiesen, besteht auch kein Spielraum zur Quersubventionierung. Der Betrieb der defizitären Kostenstellen geht in jedem Fall auf die Substanz und führt Richtung Insolvenz.

Stehen ehrlich bewertete Überschüsse zur Verfügung, sind diese den Defiziten gegenüberzustellen. Dabei sind zwei weitere Fragen kritisch zu prüfen:

  1. Wie steht es um die Fristenkongruenz bzw. Zukunftsperspektive?
    Stellen Sie sich vor, die Defizite einer Kindertagesstätte mit langfristigem Mietvertrag und unbefristetem Personal wird aus einer Erbschaft finanziert. Während weitere Erbschaftserlöse kaum prognostizierbar sind, laufen die Kosten und damit das Defizit sicher weiter. Sofern Sie langfristige Verpflichtungen eingehen, die mit einem Defizit verbunden sind, sollten Sie auch langfristig sichere Überschüsse zur Finanzierung zur Verfügung haben. Erbschaften, Großspenden und Überschüsse bei jährlich neu verhandelten Entgelten, vor allem in Geschäftsfeldern mit zunehmendem Konkurrenzdruck, stellen eine sehr unsichere Finanzierung dar. In der Praxis hat dies schon so mancher Organisation das Genick gebrochen, wenn ihr „Geldbringer“ plötzlich eingebrochen ist und die Defizite anderer Kostenstellen weiterlaufen. Dabei kann der ehemalige „Geldbringer“ durchaus noch kostendeckend sein. Trotzdem wird er dann durch die Defizite anderer Kostenstellen mit in die Insolvenz gezogen.
  2. Pflegen Sie Ihre „Milchkuh“?
    In der Portfolioanalyse werden Geschäftsfelder, in die nicht weiter investiert werden muss und aus denen Überschüsse abgezogen werden können, anschaulich als „Milchkuh“ bezeichnet. Aber Kühe kann man nicht nur melken, sondern man muss sie auch füttern und pflegen. Entziehen Sie den Einrichtungen zu viele Mittel, dann „schlachten“ Sie die Kuh, anstatt sie zu melken. Stammen die Überschüsse aus lukrativen Geschäftsfeldern, müssen Sie damit rechnen, dass auch andere dort Angebote entwickeln. In allen Bereichen ändern sich auf Dauer die Ansprüche der Zuwendungsgeber, Sozialleistungsträger und der Leistungsempfänger. Daher sind Anpassungen des Angebots notwendig. Diese Produktpflege sollten Sie sich rechtzeitig etwas kosten lassen, anstatt den maximalen Betrag aus der „Milchkuh“ herauszuziehen. Ein systematisches Abschöpfen aller Überschüsse kann sich demotivierend auf die dort beschäftigten MitarbeiterInnen auswirken und damit den Überschuss mittelfristig gefährden.
  3. Investieren Sie auch in „Sterne“?
    Bei der Portfolioanalyse wird auch die Frage gestellt, welche Einrichtungen und Angebote künftig Überschüsse bringen werden. Ggf. können Sie nicht alle Überschüsse nach freier Wahl investieren, sondern müssen zumindest mit einem Teil der Überschüsse auch gezielt solche als „Sterne“ bezeichneten, wirtschaftlich aussichtsreiche Aktivitäten zu künftigen „Milchkühen“ entwickeln. Sonst trocknet der Mittelstrom irgendwann aus und es findet sich kurzfristig keine neue Quelle.

Quersubventionierung steuerlich betrachtet

Gehen wir von echten Überschüssen aus und betrachten die Restriktionen bei ihrer Verwendung. Nicht alles, was wünschenswert ist oder zweckmäßig erscheint, ist auch gemeinnützigkeitsrechtlich zulässig.

Überschüsse müssen grundsätzlich zeitnah und unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Die Ausnahmen von der zeitnahen Mittelverwendung („Rücklagen“) interessieren hier nicht, da eine sofortige Verwendung beabsichtigt ist.

Zu unterscheiden ist, ob die Überschüsse im steuerbegünstigten Bereich (ideeller Bereich, Vermögensverwaltung, Zweckbetrieb) oder im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angefallen sind. Hier sind vier Fälle von Mittelströmen denkbar:

  1. Überschüsse im steuerbegünstigten Bereich werden dort wieder eingesetzt.
    Dies ist steuerlich überwiegend unproblematisch. Auf Ausnahmen wird nachfolgend eingegangen.
  2. Überschüsse im steuerpflichtigen Bereich werden dort wieder eingesetzt.
    Eine Quersubventionierung – innerhalb der gleichen Körperschaft – ist unproblematisch.
  3. Überschüsse aus dem steuerpflichtigen Bereich werden im begünstigten Bereich eingesetzt.
    Diese Überschüsse unterliegen der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer, d.h. der Staat profitiert von diesem Mittelfluss.2 Diese Quersubventionierung ist also zulässig, aber ab einem bestimmten Umfang mit steuerlichen Einbußen verbunden.
  4. Überschüsse aus dem steuerbegünstigten Bereich fließen in den steuerpflichtigen Bereich.
    Dieser Mittelfluss gefährdet die Steuerbegünstigung der Organisation. Nur unter engsten vorgegebenen Bedingungen dürfen kurzzeitige Verluste gedeckt werden. In dieser kritischen Situation ist steuerliche Beratung dringend zu empfehlen.

Galt lange Zeit die unter 1. aufgeführte Quersubventionierung zwischen beliebigen steuerbegünstigten Bereichen als steuerlich unbedenklich, zeichnet sich hier eine verschärfte Auffassung zumindest einzelner Finanzbehörden und -gerichte ab. Nach deren Auffassung dürfen Zweckbetriebe nach § 66 AO, also „Einrichtungen der Wohlfahrtspflege“, in der Regel keine dauerhaften Gewinne erwirtschaften und damit andere Bereiche finanzieren. Die Gewinnentnahme aus diesen Einrichtungen wird als Indiz angesehen, dass die Einrichtungen gerade nicht ohne Erwerbsabsicht als Einrichtungen der Wohlfahrtspflege betrieben werden und primär dem Wohl der begünstigten Zielgruppe gelten.

Steuerlich unbedenklich sind als nur

  1. die Verwendung von Überschüssen aus Zweckbetrieben nach § 66 AO, z.B. ambulanter Pflegedienst, für diese Zielsetzung in Folgejahren, abgebildet z.B. durch Bildung und spätere Auflösung einer Rücklage für diese Einrichtung
  2. die steuerrechtlich freie Verwendung von Überschüssen aus dem ideellen Bereich, der Vermögensverwaltung und Zweckbetrieben nach §§ 67 und wohl auch 68 AO, z.B. Altenpflegeheim, Kindergarten oder WfbM, für beliebige steuerbegünstigte Zwecke.

Ein Sonderfall ist noch die Subventionierung über die Grenzen einer Körperschaft hinaus, z.B. des Vereins an seine Tochter-GmbH oder umgekehrt. Sofern die Mittelzuwendung an eine steuerbegünstigte Körperschaft wiederum für einen steuerbegünstigten Zweck erfolgt, ist diese nach der Abgabenordnung möglich3, wenn nicht der überwiegende Teil des eigenen Vermögens übertragen wird4.

Innerhalb der steuerbegünstigten Sphäre – und davon getrennt innerhalb der steuerpflichtigen Sphäre – sind also Quersubventionierungen in der Regel unkritisch.

Quersubventionierung wirtschaftlich und politisch bewerten

Stehen nunmehr echte Überschüsse mit ausreichendem zeitlichem Horizont zur Verfügung und sind keine steuerlichen Bedenken anzumelden, stellt sich die Frage nach der Zweckmäßigkeit ihrer Verwendung. Diese Frage ist sowohl wirtschaftlich wie politisch zu betrachten.

Ehe die Finanzierung eines defizitären Angebotes in Frage gestellt wird, sind Synergieeffekte und Ausstiegsbarrieren zu betrachten. So könnte z.B. eine defizitäre ambulante Einrichtung Kontakte zu künftigen Bewohnern der stationären Einrichtungen herstellen und damit deren Belegung sichern. Oder eine defizitäre Beratungsstelle wird auf Wunsch der Kommune betrieben, die sich an anderer Stelle erkenntlich zeigt. Hier sind ggf. mehrere Kostenstellen zusammen zu betrachten, ehe sich die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit erkennen lässt. Auch kann ein vorschneller Ausstieg mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sein, wie z.B. Rückzahlung von Investitionszuschüssen oder Abfindungszahlungen an langjährige MitarbeiterInnen.

Die politische Bewertung kann schließlich nur jede Organisation für sich treffen. Hier sind z.B. Mitgliederversammlung, Stiftungsrat oder Vorstand gefragt: Wie können die Überschüsse so eingesetzt werden, dass die (ideellen) Ziele der Organisation bestmöglich erreicht werden? Oder ist das einzige Argument: „Dieses Angebot hatten wir schon immer?“

Kriterien für die ideelle Bewertung könnten z.B. sein:

  • Nähe zu den im Leitbild formulierten Organisationszielen
  • Wenn wir es nicht machen, macht es keiner!
  • Wenn wir es nicht machen, machen es zwar andere, aber es verschlechtert sich die Qualität, z.B. des Versorgungsangebots und der Lebenssituation der Zielgruppe, deutlich!
  • fachliche Ausstrahlung, z.B. durch Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren, die sich künftig durchsetzen
  • politische Ausstrahlung, z.B. durch Aufzeigen von Notlagen und Durchsetzung einer künftig staatlichen Unterstützung der Zielgruppe
  • besondere öffentliche Wirkung, die zu einer positiven Einstellung gegenüber der Zielgruppe der Organisationstätigkeit oder gegenüber der Organisation selbst führt.

Die Quersubventionierung ideell besonders wertvoller Aktivitäten ist die „vornehmste“ Aufgabe jeder Nonprofit-Organisation. Hier kann sie nicht nur wesentlich zur Zielerreichung beitragen, indem sie Angebote bereithält, die nicht (vollständig) markt- oder staatsfinanziert sind, sondern diese Aktivitäten tragen oft wesentlich zu ihrem öffentlichen Ansehen bei. Und sichern damit wiederum den Zufluss von Spendenmitteln und ehrenamtlichem Engagement.

1 Eine frühere Fassung des Beitrags erschien in der Loseblattsammlung Arbeitshandbuch Finanzen für den sozialen Bereich, Verlag Dashöfer, www.dashoefer.de. Für die steuerrechtlichen Hinweise danke ich Herrn Rechtsanwalt Steuerberater Thomas von Holt. Stand der Ausführungen Juli 2011.

2 Nach § 64 Abs. 3 AO fällt keine Körperschafts- und Gewerbesteuer an, wenn die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus allen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (ohne Zweckbetriebe) zusammengenommen 35.000 Euro im Jahr nicht übersteigt (Stand 2010).

3 § 58 Ziff. 2 AO

4 Von der Beschränkung ausgenommen sind nur Förderkörperschaften nach § 58 Ziff. 1 AO, deren Zweck in der Mittelbeschaffung für andere steuerbegünstigte Körperschaften besteht.

Verfasst von
Dipl.-Kfm. Christian Koch
Geschäftsführer der socialnet GmbH und selbständiger Unternehmensberater für Nonprofit-Organisationen
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Zitiervorschlag
Koch, Christian, 2011. Quersubventionierung [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 19.07.2011 [Zugriff am: 31.03.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/126.php

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