Rezensionen als Ort der Fachdiskussion für das Sozialwesen
Prof. Dr. Harro Kähler, Dipl.-Kfm. Christian Koch
veröffentlicht am 11.11.2013
Die Lektüre und – natürlich seltener – das Verfassen von Rezensionen gehören zur Routine der Arbeit von VertreterInnen von Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit. So vertraut und gewöhnlich Nutzung und Verfertigung von Rezensionen sind, so sehr verwundert, dass es kaum eigenständige Untersuchungen und Veröffentlichungen zu dieser Textsorte gibt, geschweige denn eine nennenswerte Anerkennung im Wissenschafts- und Literaturbetrieb. Hier Abhilfe zu schaffen ist das Anliegen der Autoren eines kleinen Buchs (Nannig/Kümper 2012, vgl. die Rezension dazu: Kähler 2012), das NutzerInnen und AutorInnen von Rezensionen Hilfestellung bieten will, indem es über das Wesen und die Funktion von Rezensionen informiert, wichtige Hinweise auf das Verfassen von sowie auf das Umgehen mit Rezensionen zusammenstellt und Beispiele sowie Fundorte von Rezensionen dokumentiert. Dabei geht es im Buch – und auch in diesem Aufsatz - in erster Linie um Rezensionen von Fachbüchern aus dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich.
In diesem Aufsatz sollen einige Gedanken dieses Einführungswerks aufgegriffen, vertieft und erweitert werden, bezogen auf folgende Schwerpunkte
- RezensentInnen
- NutzerInnen von Rezensionen
- AutorInnen von rezensierten Büchern
- Verlage
- Beteiligte wissenschaftliche Disziplinen und Themenbereiche
- Träger von Rezensionsangeboten und Finanzierungsquellen
- Besonderheiten von Onlinerezensionen
- Fazit
Erfahrungsgrundlage der folgenden Überlegungen ist eine Bilanz von 10.000 Rezensionen, die bis zum 12. Dezember 2012 im Internetportal von socialnet.de (vgl. socialnet 2012a) veröffentlicht worden sind. Einige Aspekte sind spezifisch für die Arbeitsweise von socialnet, die meisten dürften für viele Rezensionsangebote zutreffen.
RezensentInnen
Für die Rezensionstätigkeit bieten sich den RezensentInnen eine Vielzahl von Anreizen, so dass trotz hoher Arbeitsbelastung immer wieder ExpertInnen für die in der Regel unbezahlte Arbeit gewonnen werden können.
- Wer kennt das nicht: Gute Vorsätze verlieren sich im Ansturm alltäglicher Anforderungen. Wann kommt man heutzutage schon dazu, ein Fachbuch zu lesen? Mit der Anmeldung der Rezension verhindert oder zumindest erschwert man ein beständiges Aufschieben der Lektüre. Und man wird auch durch den Redakteur des Dienstes sanft, aber unnachgiebig an die eingegangene Verpflichtung erinnert.
- Wer ein Buch rezensiert, hält sich selbst dazu an, ein bewusst ausgewähltes Fachbuch wirklich gründlich durchzuarbeiten. Die qualifizierte Fachlektüre dürfte im Alltag oft zu kurz kommen. Durch die Selbstverpflichtung zur Rezension findet das Buch eine höhere Aufmerksamkeit als sonst und die Lektüre trägt zur eigenen fachlichen Weiterbildung bei.
- Dagegen wirkt es fast banal, dass RezensentInnen das Buch vom Verlag kostenlos überlassen bekommen.
- Wer schreibt, der bleibt. Wer liest, auch! RezensentInnen werden im Netz gefunden. Ihr Name, auch Titel sowie berufliche Stellung oder Tätigkeitsfeld, stehen unter der Rezension und damit auf einer Seite mit thematisch passenden Begriffen aus der in der Regel zum Berufsfeld passenden Rezension. Damit stellt die Rezension einen Bestandteil der Selbstvermarktung dar, der insbesondere für Selbständige zur KundInnenakquise, aber auch für HochschullehrerInnen oder allgemein ArbeitnehmerInnen für die Förderung der Karriere sinnvoll ist. Über ein Kontaktformular sind die RezensentInnen unmittelbar per E-Mail erreichbar. Sie können die Auffindbarkeit weiter verbessern, indem sie die Rezension mit ihrer Homepage verlinken lassen. Umgekehrt macht es Sinn, wenn sie von ihrer Homepage direkt mit ihren Rezensionen verlinken, so dass diese vermehrt gelesen werden.
- Es ist inzwischen üblich, auch die Rezensionstätigkeit in das eigene Publikationsverzeichnis und den Lebenslauf aufzunehmen. Sie stellen eine überschaubare, aber für potentielle ArbeitgeberInnen direkt zugängliche Informationsquelle dar.
- Institutionen können die Rezensionen indirekt als Marketinginstrument nutzen, indem sie ihre MitarbeiterInnen anregen, zum Qualifikationsprofil der Institution passende Bücher zu rezensieren und die Rezension mit ihrem Arbeitgeber / ihrer Arbeitgeberin zu verlinken.
An den 10.000 ausgewerteten socialnet Rezensionen waren 771 Rezensentinnen und 853 Rezensenten beteiligt. 1.468 haben deutsche, 57 österreichische und 99 schweizerische Adressen – der Rest der insgesamt 1.624 RezensentInnen stammt aus anderen Ländern. Bei knapp der Hälfte der RezensentInnen lassen sich Angaben zur institutionellen Zugehörigkeit auswerten: Besonders stark vertreten sind staatliche Hochschulen und Universitäten sowie kirchliche Hochschulen, seltener private Hochschulen. Ebenfalls bedeutsam sind Selbständige mit eigenen Firmen, Forschungsstellen und Institute sowie Institutionen der Praxis (Kliniken, Beratungsstellen, Praxen, Firmen). Immerhin etwa 1.315 RezensentInnen geben akademische Titel an, davon 721 ProfessorInnen, darüber hinaus 285 Dr. oder PH (ohne ProfessorInnentitel), der Rest verteilt sich auf DoktorandInnen, Diplom-, Master-, BA-, RA- u. a. Titel und Bezeichnungen.
Aus den angegebenen Informationen lässt sich ableiten, dass die RezensentInnen überdurchschnittlich häufig – aber nicht ausschließlich – aus dem Hochschulbereich kommen. Geschlechtsunterschiede scheinen keine bedeutsame Rolle zu spielen. Erfreulich ist die Tatsache, dass zwar deutsche RezensentInnen überwiegen, aber signifikant große Anteile aus der überwiegend deutschsprachigen Schweiz und aus Österreich stammen. Innerhalb Deutschlands gibt es keine Hinweise auf schiefe Verteilungen nach Region, Hochschulart, Träger o. ä. Hier deutet sich an, dass die Plattform vorhandene Partikularismen der Landschaft des Sozialwesens erfolgreich zu überwinden scheint.
NutzerInnen von Rezensionen
Die Richtlinien für den socialnet Rezensionsdienst (vgl. socialnet 2012b) zielen darauf ab, dass immer der Nutzen der Rezensionen für die LeserInnenschaft im Vordergrund der Rezensionstätigkeit bleibt.
- In erster Linie soll eine Rezension die Kaufentscheidung unterstützen. Lebens- und Lesezeit sind begrenzt. Daher sparen gezielt zur vertieften Lektüre ausgewählte Publikationen Zeit und Geld. Insofern sind auch kritische Rezensionen, die zur Kaufvermeidung führen können - aber nicht müssen! - ebenso wertvoll wie lobende Hervorhebungen einzelner Werke.
- Die Lektüre der einzelnen Rezensionen selbst dient der Fortbildung und gelegentlich auch der gehobenen Unterhaltung.
- Während die einzelne Rezension oft vertiefende Informationen zu der eng umrissenen Thematik des Einzeltitels liefert, bietet ein regelmäßiges Überfliegen der Neuerscheinungen eines Arbeitsfeldes einen erstaunlich differenzierten und zuverlässigen Einblick in aktuelle fachliche und sozialpolitische Trends.
- Gelegentlich werden NutzerInnen des Dienstes die Besprechungen auch zur Suche nach ExpertInnen nutzen und gezielt AutorInnen oder RezensentInnen, letztere besonders einfach über das Kontaktformular am Ende der meisten Rezensionen, ansprechen, um sie als BeraterInnen, ReferentInnen, AutorInnen oder ggf. sogar als MitarbeiterInnen zu gewinnen.
Monatlich wurden die socialnet Rezensionen im Jahr 2012 ca. 140.000 mal im Rahmen von rund 60.000 Besuchen (Visits) aufgerufen. Rund ein Drittel der Seitenaufrufe kommt über Anfragen von Suchmaschinen zustande.
AutorInnen von rezensierten Büchern
Außer bei den wenigen, sehr kritischen bis ablehnenden Rezensionen [1] sind einige Vorteile für AutorInnen offensichtlich.
- Zuallererst profitieren AutorInnen zusammen mit den Verlagen von den absatzfördernden Effekten.
- Wissenschaftliche Publikationen dienen oft weniger dem Gelderwerb, als dem Aufbau von Reputation. Daher sind insbesondere öffentlich und langfristig zugängliche Onlinerezensionen, zumindest wenn sie zu einem positiven Ergebnis führen, ein wichtiger Bestandteil des "Eigenmarketings".
- In manchen Fällen wird jedoch das qualifizierte Feedback als wesentlicher Vorteil angesehen. Abgesehen von einem in der Praxis leider immer seltener anzutreffenden, qualifizierten Lektorat haben AutorInnen oft wenig Gelegenheit, die Rezeption ihrer Werke zu verfolgen. Da bietet eine differenzierte Fachbuchbesprechung eine wertvolle Rückmeldung, die in der Praxis oft sogar konkrete Empfehlungen und Wünsche an Folgeauflagen umfasst.
- Da zumindest die socialnet Rezensionen sich in der Regel mit zentralen Thesen der AutorInnen auseinandersetzen, fördern sie auch die Verbreitung fachlicher Positionen der AutorInnen und ihre virtuelle Präsenz.
- AutorInnen können auf Wunsch auch eine Verlinkung mit Ihrer Homepage anregen und selbstverständlich umgekehrt mit den Rezensionen ihrer Werke verlinken, um die "Sichtbarkeit im Netz" zu verbessern.
socialnet bietet AutorInnen Möglichkeiten an, sich aktiv am Rezensionsprozess zu beteiligen (vgl. socialnet 2009). Das gilt auch für den Fall, dass besprochene AutorInnen mit Rezensionen unzufrieden sind und darauf reagieren möchten. Diese und andere Formen von Interaktivität sollen in Zukunft weiter ausgebaut werden.
Verlage
Bei Verlagen ist das Interesse an reichweitenstarken Rezensionen besonders offensichtlich.
- Da Bücher zunehmend online gekauft werden, steigt die Bedeutung von Onlinerezensionen gerade in den letzten Jahren deutlich. Das Regal beim Fachbuchhändler wird zunehmend durch die qualifizierte Onlinepräsentation ersetzt. Dabei nehmen Fachbuchbesprechungen eine Schlüsselstellung ein. Die socialnet Rezensionen verlinken direkt mit einem renommierten Onlineshop. Sie bieten aber auch vollständige bibliographische Daten zur Bestellung über jede andere Bezugsquelle. Sie werden auch bei institutionellen Beschaffungsprozessen, z. B. durch Bibliothekare, genutzt.
- Neben der unmittelbaren Absatzförderung bieten die Rezensionen den Verlagen weitere Möglichkeiten zur Stärkung ihrer Onlinepräsenz oder mittelbaren Verkaufsunterstützung. Die Rezensionen verlinken mit den Verlagsseiten, wodurch diese fachspezifisch interessierte BesucherInnen vermittelt bekommen und ggf. bei Suchmaschinen besser bewertet werden. Umgekehrt können die Verlage zu den Rezensionen verlinken, insbesondere von ihrem Verlagsprogramm oder direkt aus einem verlagseigenen Onlineshop, Rezensionen zitieren oder nach Abschluss einer Vereinbarung mit der Herausgeberin / dem Herausgeber auch vollständig übernehmen.
- Darüber hinaus bieten die Rezensionsseiten ein interessantes Werbeumfeld, in dem gezielt Publikum aus abgegrenzten Fachgebieten angesprochen werden kann.
- Für das Lektorat und die Programmplanung bieten die Rezensionen ein wertvolles Feedback. Auch können thematisch einschlägige Rezensionen dazu anregen, geeignet erscheinende RezensentInnen als potentielle AutorInnen anzusprechen.
- Schließlich bieten die Rezensionen eine besondere Perspektive für die Konkurrenzbeobachtung, da die Redaktion des Rezensionsdienstes zusammen mit den RezensentInnen aus der Menge der Neuerscheinungen bereits besondere Relevanz versprechende Titel aussucht und deren fachliche Rezeption in die Konkurrenzbewertung einfließen kann.
Auch für die Verlage werden weiterführende Informationen für die aktive Mitgestaltung der socialnet Rezensionen bereitgestellt (vgl. socialnet 2011a).
Die Tatsache, dass 776 Verlage an den veröffentlichten 10.000 socialnet Rezensionen beteiligt sind (Tendenz: weiter steigend), wirft ein Licht auf die unglaubliche Differenzierung der Publikationslandschaft. Und es macht auf eine Funktion der socialnet Rezensionen aufmerksam, die von besonderer Wichtigkeit sein dürfte: da es für jede einzelne Expertin / jeden einzelnen Experten kaum möglich ist, die Vielfalt der jährlich erscheinenden Buchproduktion zu überblicken, liefert ein Rezensionsdienst, der mit Hilfe einer Redaktion sowie mit den aufmerksam den Buchmarkt beobachtenden Hunderten von RezensentInnen die besonders vielversprechenden Titel für Rezensionsprojekte auswählt, eine bedeutsame Hilfestellung für die NutzerInnen.
Beteiligte wissenschaftliche Disziplinen und Themenbereiche
Auch der Wissenschaft mag ein nunmehr beachtlicher, rund ein Jahrzehnt umfassender Fundus fachbezogener Rezensionen als interessante Quelle dienen. So lassen sich neue Begriffe, neue Themen, Verschiebungen von thematischen Schwerpunkten oder die Rezeptionsgeschichte einzelner Theorien an Hand von Rezensionen verfolgen. Besonders aufschlussreich sind dabei - teilweise sehr widersprüchliche - mehrfache Besprechungen des gleichen Titels, aber auch Rezensionen, zu denen kontroverse Stellungnahmen von RezensentInnen und AutorInnen angefügt wurden.
Rezensionen sind bei socialnet passenden Themenbereiche zugeordnet, meist einem, in seltenen Fällen mehreren. Die Verteilung der 10.000 Rezensionen nach Themenbereichen lässt die Schwerpunkte der Veröffentlichungen im Sozialbereich erkennen (zur ausführlicheren Vorstellung der Themenbereiche vgl. socialnet 2011b):
- Altenhilfe 8 %
- Behindertenhilfe 5 %
- Gesundheitswesen 15 %
- Jugendhilfe 25 %
- Sonstige Arbeitsfelder 8 %
- Methoden Grundlagen 12 %
- Sozialpolitik/-verwaltung 11 %
- Sozialmanagement 11 %
- andere 4 %
Ähnliches gilt für die ca. 4.800 Schlagwörter, mit denen die socialnet Rezensionen hinterlegt sind. Erkennbar wird das Potenzial für Forschungszwecke, das in einem wachsenden Fundus an Rezensionen steckt. Zumal mit jedem weiteren Jahr der Fundus in etwa gleichem Umfang wächst – jährlich werden zwischen 1.400 und 1.500 Rezensionen ergänzt.
TrägerInnen von Rezensionsangeboten und Finanzierungsquellen
Bei privatwirtschaftlich organisierten Rezensionsforen wird die Frage nach der Finanzierung weitgehend ausgespart, obwohl sie langfristig eine größere Rolle spielen dürfte. Denn was für die NutzerInnen – bis auf wenige Ausnahmen – kostenfrei ist, ist doch bei der Bereitstellung der Rezensionen mit Kosten verbunden. Wie diese Kosten dauerhaft und ohne Aufgabe der dringend notwendigen Unabhängigkeit getragen werden können, wird eines der interessantesten Themen für die Zukunft des Rezensionswesens im Internet sein. Grundsätzlich denkbar wäre z. B. eine Berücksichtigung online angebotener Inhalte durch die VG Wort oder eine vergleichbare Institution in Verbindung mit Ausschüttungen an die Portalbetreiber.
Bei Printrezensionen in Fachzeitschriften erfolgt die Finanzierung durch Abonnementgebühren und die ggf. verstärkte Werbetätigkeit der Verlage. Rezensionen treten dabei regelmäßig von der Bedeutung und Platzierung im Heft hinter die „eigentlichen“ Fachbeiträge zurück.
Auch wenn dies im Sozialwesen in Deutschland noch nicht angekommen ist, wird doch weltweit die wissenschaftliche Publikationsweise zunehmend von Open Access geprägt. Dabei zahlen nicht die RezipientInnen wissenschaftlicher Publikationen, sondern die Autorin / der Autor bzw. ihre / seine Institution übernehmen die Kosten einer Online-Veröffentlichung, die kurzfristig weltweit kostenlos zur Verfügung steht.
Übertragen auf einen Rezensionsdienst würde dies bedeuten, dass die Verlage – als primär an der Veröffentlichung interessierte Institutionen – die Rezensionen bezahlen und die LeserInnenschaft kostenlos darauf zugreift. Der zweite Aspekt, schnelle kostenlose weltweite Bereitstellung der Rezensionen, wird von socialnet schon uneingeschränkt erfüllt. Der erste Aspekt, Finanzierung der Rezensionen durch die Verlage, wird bei socialnet zumindest ansatzweise umgesetzt, indem Verlage als Sponsoren wenigstens einen Teil der Publikationskosten decken. Aus Gründen der Unabhängigkeit ist es für die HerausgeberInnen von Interesse, ergänzend weitere Finanzierungsquellen zu nutzen. Bisher nutzt socialnet auch
- Provisionen aus Buchverkäufen und
- Einnahmen aus Anzeigen.
Künftig denkbar und wünschenswert wären auch
- Spenden über einen gemeinnützigen Verein zur Förderung sozialer Fachinformationen,
- öffentliche Zuwendungen und
- Urheberrechtsabgaben,
sofern damit keine unverhältnismäßig hohen Verwaltungskosten verbunden sind.
Es besteht die Hoffnung, dass alle Quellen zunehmend dazu beitragen, dass die Rezensionsplattform aus eigener Kraft und unabhängig von Außeneinflüssen ihre Funktion auf Dauer erfüllen kann. Auf diese Weise könnte langfristig ein Forum etabliert werden, dass jenseits sonstiger Disparitäten in der Sozialwesenlandschaft fachlichen Informations- und Diskussionsaustausch ermöglicht.
Besonderheiten von Onlinerezensionen
Grundsätzlich lässt sich zwischen Rezensionen in Printmedien und im Internet eine Unterscheidung treffen – von anderen Medien wie Radio und Fernsehen soll hier nicht die Rede sein. Onlinerezensionen haben gegenüber den Printversionen zahlreiche Vorteile, u. a. dauerhafte und schnellere Verfügbarkeit, öffentliche jederzeitige Erreichbarkeit, geringe Kosten, schnelle Veröffentlichung, Erschließung durch Suchmaschinen und Möglichkeit der direkten Verlinkung. Ob und in welchem Umfang diese Vorteile im konkreten Fall vorliegen, hängt allerdings von der Qualität des Rezensionsdienstes ab. Andererseits attestieren Nannig und Kümper (2012) den im Internet verbreiteten Rezensionen erstaunlich wenig inhaltliche Unterschiede zu den geläufigeren Printvarianten. Aus unserer Sicht gibt es aber im Vergleich zu den gedruckten Rezensionen weitere gewichtige Unterschiede:
- Es gibt, im Gegensatz zu den Printmedien mit ihren Kapazitätsbeschränkungen, in den Internetrezensionen prinzipiell keine durch das Medium vorgegebene Beschränkungen des Umfangs. Deshalb gibt es bei socialnet ausgesprochen umfangreiche Rezensionen. Wenn Buch und Rezension einen größeren Umfang sinnvoll, weil für die NutzerInnen gewinnversprechend, erscheinen lassen, muss es keine Platzbeschränkung geben.
- Im Internet veröffentlichte Rezensionen werden in aller Regel direkt am Bildschirm gelesen und erst dann ausgedruckt, wenn sie den Lektüretest bestanden haben und noch in gedruckter Form anderweitig benötigt werden. Die Lektüre am Bildschirm macht es erforderlich, mit einer stärkeren Strukturierung des Textes zu arbeiten, als es bei Printversionen notwendig ist. Dies ist der Hintergrund, weshalb Rezensionen bei socialnet überdurchschnittlich viele Überschriften und andere Strukturhilfen wie Auflistungen und Aufzählungen aufweisen.
- Auf Rezensionen im Internet lassen sich schneller Reaktionen veröffentlichen. So gibt es bei socialnet viele Rezensionen, bei denen Kommentare der AutorInnen mit Antworten der RezensentInnen angefügt wurden. Manchmal gelingt es, von vornherein mehrere Rezensionen zu einem Titel zu realisieren, die dann unmittelbar verlinkt werden. Auch trotz Korrekturschleife nie ganz zu vermeidende Fehler lassen sich schneller korrigieren.
Fazit
Sofern Rezensionsdienste im Internet mit entsprechender Qualität betrieben werden, bieten sie gegenüber gedruckten Rezensionen in Fachzeitschriften zahlreiche Vorteile, wie z. B. keine Begrenzung der Zahl und des Umfangs der Rezensionen, kostenloser weltweiter Zugang, schnelle Umsetzung neuer Veröffentlichungen, gute Vernetzung mit thematisch passenden Rezensionen, Verlagen sowie AutorInnen. Mit der Umsetzung dieser Kriterien erreicht ein solcher Rezensionsdienst, wie z. B. socialnet für das Sozialwesen, eine gänzlich neue Qualität. Vom Beiwerk wissenschaftlicher Zeitschriften wird er zum Seismographen von Themen und Positionen, zur Diskussionsplattform konträrer Fachpositionen und mittelfristig selbst zum Gegenstand der Forschung. Die Veröffentlichungen in einem qualifizierten Umfeld werden für die RezensentInnen zum Baustein ihres wissenschaftlichen Reputationsmanagements. Durch die Verbindung mit Open Access Publikationen werden sich noch weitere Perspektiven für Rezensionsdienste öffnen.
Leicht gekürzte Fassung des Beitrags gleichen Titels, aus: Johannes Pflegerl, Monika Vyslouzil, Gertraud Pantucek (Hg.): passgenau helfen. soziale arbeit als mitgestalterin gesellschaftlicher und sozialer prozesse. festschrift für peter pantucek. Wien/Berlin: LIT Verlag, 2013, S. 225-232.
Literatur
Hannig, Nicolai / Kümper, Hiram (2012): Rezensionen. Finden – verstehen – schreiben. Schwalbach/Ts., Wochenschau Verlag.
Kähler, Harro Dietrich (2012); Rezension zu: Nicolai Hannig / Hiram Kümper: Rezensionen. Finden – verstehen – schreiben. Schwalbach/Ts., Wochenschau Verlag. In: socialnet Rezensionen, https://www.socialnet.de/rezensionen/13172.php [6.6.2013].
socialnet (2009): Hinweise für AutorInnen der rezensierten Titel. https://www.socialnet.de/rezensionen/hilfe-autor.html am 6.6.2013.
socialnet (2011a): Hinweise zu den socialnet Rezensionen für Verlage. https://www.socialnet.de/rezensionen/hilfe-verlag.html am 6.6.2013.
socialnet (2011b): Rezensionen nach Themenbereichen. https://www.socialnet.de/rezensionen/themenbereich.html am 6.6.2013.
socialnet (2012a): socialnet Rezensionen. https://www.socialnet.de/rezensionen/ am 6.6.2013.
socialnet (2012b): Hinweise für RezensentInnen. Gibt es einen Leitfaden zum Schreiben einer Rezension?. https://www.socialnet.de/rezensionen/hilfe-rezensent.html#Leitfaden am 6.6.2013.
[1] Dass der Anteil kritisch ausfallender Rezension recht gering ausfällt, hängt mit dem Auswahlverfahren zusammen: aus den jährlich ca. 14.000 thematisch in Frage kommenden neu verschlagworteten Neuerscheinungen bei der Deutschen Nationalbibliothek wählt die Redaktion, unterstützt durch Vorschläge der aktiven RezensentInnen, ca. 10 % der besonders vielversprechenden Titel aus.
Verfasst von
Prof. Dr. Harro Kähler
Bis zur Emiritierung Fachhochschullehrer an den Hochschulen Hagen, Dortmund und Düsseldorf. Bis 2019 Redakteur der socialnet Rezensionen, Mitarbeiter in der Redaktion des socialnet Lexikons.
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Dipl.-Kfm. Christian Koch
Geschäftsführer der socialnet GmbH und selbständiger Unternehmensberater für Nonprofit-Organisationen
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Zitiervorschlag
Kähler, Harro und Christian Koch, 2013.
Rezensionen als Ort der Fachdiskussion für das Sozialwesen [online]. socialnet Materialien.
Bonn: socialnet, 11.11.2013 [Zugriff am: 04.12.2023].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/164.php
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