Projektmanagement im Nonprofit-Bereich
Gertrude Henn
veröffentlicht am 02.04.2004
Zusammenfassung
Eine praxisorientierte Einführung in sechs Schritten. Zu diesem Beitrag gibt es außerdem eine Checkliste 21 Schritte zum Projekterfolg.
Durch den Einsatz von Projektmanagement können komplexe und neuartige Aufgaben zielorientiert und effizient gelöst werden. Diese Erfahrung machen zunehmend auch Nonprofit-Organisationen.
Deren Handeln ist in der Regel geprägt von einer hohen fachlichen Leistungsfähigkeit für Klienten. Die Bedeutung von Managementfähigkeiten wie Planen, Organisieren, Entscheiden oder etwa Kontrollieren wurde dagegen lange unterschätzt oder abgewehrt.
Inzwischen sind Nonprofit-Organisationen aber unter einen erheblichen Veränderungsdruck geraten. Öffentliche Fördermittel gehen zurück, gleichzeitig fordern Kostenträger in stärkerem Maß Rechenschaft darüber, wie die gewährten Gelder eingesetzt werden. Dies geschieht z.B. in Form von Leistungsverträgen und der Erfüllung bestimmter Qualitätsnormen. Damit eng verknüpft ist ein sich verschärfender Wettbewerb auf dem Markt der sozialen Dienstleistungen. Veränderte Lebensbedingungen und Problemstellungen der Adressaten sozialer Arbeit erfordern zusätzlich darauf abgestimmte und gegebenenfalls neu zu entwickelnde Angebote.
Projektmanagement kann soziale Organisationen bei der Weiterentwicklung von Angebot und Qualität, aber auch beim Aufbau von inneren Strukturen und Abläufen unterstützen. Der Unterschied zur freien Wirtschaft ist gering, dies betrifft die Wahl der Methoden genauso wie auftauchende Schwierigkeiten und Vorbehalte.
Projektmanagement verlagert einen Teil von „Macht“ und Entscheidungskompetenz auf die Ebene der Projektleitung und greift damit in traditionelle Hierarchien ein. Es käme einem Wunder gleich, würde dies ohne jeglichen Widerstand gelingen. Auf Mitarbeiterseite gibt es Vorbehalte gegen die vermeintliche „Kontrolle“ und den zunächst uneinsichtigen, scheinbar höheren Arbeitsaufwand. Als Projektleitung oder externe Projektberatung fährt man gut, wenn man diese Widerstände und Vorbehalte aufgreift und bei der Einführung berücksichtigt.
Ein ideales Konzept für die Einführung und Anwendung von Projektmanagement im Nonprofit-Bereich gibt es nicht. Es muss vielmehr angepasst werden an die Aufgabenstellung und Komplexität des Projektes, an die unterschiedlichen Strukturen und Abläufe der Organisation und an die Vorerfahrungen und Qualifikationen der Mitarbeiter. Die Einführung selbst sollte als Prozess gestaltet werden.
Wie man dabei als Projektleitung im Nonprofit-Bereich vorgehen kann, wird in sechs Schritten beschrieben:
- eine Ausgangsbasis und die erforderliche Arbeitssicherheit für die Projektleitung schaffen
- eine sinnvolle Projektorganisation festlegen
- die Mitarbeiter für Projektarbeit qualifizieren
- Methoden und Instrumente für Planung, Steuerung und Auswertung auswählen und anpassen
- das Projektteam beteiligen, unterstützen und die Teamentwicklung fördern
- das Projekt dokumentieren.
1. Eine Ausgangsbasis und die erforderliche Arbeitssicherheit für die Projektleitung schaffen
Zunächst muss geklärt werden, welche Aufgaben und Leistungen die Projektleitung erbringt. Dazu gehört auch ein - zumindest grobes - Raster von Indikatoren, mit denen sich die Zielerreichung überprüfen lässt und eine Beschreibung der nötigen Rahmenbedingungen. Um die erforderliche Arbeitssicherheit für die Projektleitung herzustellen müssen diese Punkte schriftlich fixiert und genehmigt werden, z.B. in Form eines Lastenhefts.
2. Eine sinnvolle Projektorganisation festlegen
Eine sinnvolle Projektorganisation kann nur festgelegt werden, wenn die Ausgangssituation genau betrachtet wurde.
Fragen, die in diesem Zusammenhang geklärt werden müssen, sind beispielsweise:
- Ist das Projekt bei einem oder mehreren Trägern angesiedelt?
- Ist es auf mehrere Standorte verteilt?
- Wie verändern sich dadurch die Arbeitsstrukturen und der Koordinierungsaufwand? (kann man z.B. immer das komplette Team zusammenholen oder empfiehlt es sich, zusätzlich Untergruppen zu installieren?)
- Wer ist Entscheidungsträger und wer muss in die Steuerung eingebunden werden?
- Kann überhaupt ein einheitliches Steuerungssystem errichtet werden oder ist ein anderes Modell denkbar?
So wurde z.B. bei einem kirchlichen Wohlfahrtsverband ein gestuftes Steuerungssystem eingerichtet: Eine Steuerungsgruppe für die Projektentwicklung wählte Arbeitsstrukturen, Methoden und Instrumente und die Dokumentation aus und stimmte diese mit einem übergeordneten Gremium (bestehend aus den beteiligten Trägervertretern) ab.
Gerade wenn ein neues System eingeführt wird ist es wichtig, für die neue Methode zu „werben“, gut zu informieren und die vorgesehene Verfahrensweise abzustimmen. Im Gegenzug bedeutet dies jedoch, Änderungen zuzulassen und Abschied zu nehmen von dem, was alles machbar wäre, hin zu dem, was unbedingt gemacht werden muss.
Die abgestimmte Projektaufbauorganisation soll schriftlich vorliegen und Besetzung, Aufgaben, Zusammenkünfte, Berichterstattung und Informationswesen der verschiedenen Projektinstanzen enthalten.
3. Die Mitarbeiter für Projektarbeit qualifizieren
Die Mitarbeiter sind zwar Fachkräfte in ihrem Arbeitsgebiet, aber oft Neulinge in der Projektarbeit. Damit sie den neuen Anforderungen gerecht werden können, müssen sie methodisch unterstützt und qualifiziert werden.
Empfehlenswert ist eine Basisqualifizierung in Projektmanagement, durch die Mitarbeiter befähigt werden
- eine komplexe Aufgabenstellung zu strukturieren
- die einzelnen Projektschritte im Zeitablauf zu planen
- die dazugehörigen Instrumente und Methoden einzusetzen
- und in der sie die wesentlichen Aspekte von Führung, Teamarbeit und Kommunikation im Projekt kennen lernen
Durch die Vermittlung von Arbeitstechniken und Methoden, wie Präsentation und Moderation oder Kreativitäts- und Problemlösetechniken kann eine Basisqualifizierung sinnvoll ergänzt werden. Für die Projektarbeit im sozialen Bereich sind außerdem Kenntnisse in Qualitätsmanagement, Öffentlichkeitsarbeit oder dem Aufbau von strategischen Netzwerken bedeutsam.
4. Methoden und Instrumente für Planung, Steuerung und Auswertung auswählen und auf den Bedarf anpassen
Bei der Einführung von Projektmanagement ist es besser schrittweise vorzugehen und wenige Instrumente zu benutzen, die von den Mitarbeitern angenommen werden.
Die Auswahl der Instrumente ist abhängig von den Daten die benötigt werden.
Folgende Fragestellungen können dazu als Anregung dienen:
- welche Leistungen und Aufgaben müssen die Projektmitarbeiterinnen erfüllen?
- welche konkreten Angebote macht das Projekt, z.B. Bildungsveranstaltung, offener Treff, Gesprächskreis, Beratung?
- wie häufig sollen die Angebote stattfinden?
- welche Methoden werden angewandt, z.B. Referat mit anschl. Diskussion, soziale Gruppenarbeit, themenzentrierte Interaktion, Einzelfallhilfe?
- welche Zielgruppen sollen angesprochen werden?
- was soll für die, bzw. mit den Zielgruppen erreicht werden?
- wann sollen die einzelnen Angebote realisiert werden?
Zu überlegen ist auch
- mit wem sind Kooperationen und Vernetzungen erforderlich, z.B. Jugendamt, Beratungsstelle für Suchtkranke?
- in welcher Form findet Kooperation und Vernetzung statt, z.B. Weitervermittlung von Klienten, gemeinsames Angebot, Arbeitsgemeinschaft?
- welche Öffentlichkeitsarbeit ist notwendig?
- wie wird für die Angebote geworben?
- welche Qualitätsstandards sind zu beachten?
- wie lassen sich die oben genannten Punkte überprüfen und auswerten?
Instrumente, die als Basis für Koordination und Steuerung eingesetzt werden können sind:
- ein Lastenheft, das die Leistungen und Aufgaben der Mitarbeiter beschreibt
- eine Projektdefinition, als erster grober Überblick über das Projekt
- ein Projektstrukturplan
- eine Projektplanungsübersicht, die die Gliederung des Projektstrukturplans
aufgreift und ausführliche Angaben macht zu
- Zielen
- Zeitplanung
- Methode und Vorgehensweise
- Zuständigkeiten
- Materialien, Instrumenten, Hilfsmitteln
- Indikatoren für die Zielerreichung
- Rahmenbedingungen - ein Meilensteinplan
Die Daten können durch eine oder mehrere Zwischenauswertungen und eine Abschlussauswertung überprüft werden. Dazu lassen sich standardisierte Fragebögen einsetzen, die gleichzeitig den aktuellen Zielerreichungsgrad und weitere projektbezogene Angaben, wie Einschätzungen zur Übertragbarkeit der bis dato gemachten Erfahrungen in die alltägliche Arbeit abfragen können.
Für eine mehr qualitative als quantitative Evaluation müssen Ziele und die Indikatoren für die Zielerreichung präzise bestimmt werden. Das ist im sozialen Bereich mitunter schwierig, denn häufig sind nicht die Leistungen das Ziel, sondern die Wirkungen, die sie hervorrufen sollen:
So ist bei der Beratung eines Alkoholkranken nicht die Beratungsleistung selbst das Ziel, sondern langfristig eine Reduktion des Alkoholkonsums oder die Abstinenz, und auf einer weiteren Ebene vielleicht die Stärkung seines Selbstbewusstseins. Ein offen sichtbarer Indikator ist die regelmäßige Wahrnehmung des Beratungstermins. Weitere Ebenen sind indessen nur schwer messbar.
5. Das Projektteam beteiligen, unterstützen und die Teamentwicklung fördern
Ein motiviertes und gut funktionierendes Team entsteht nicht von selbst, beeinflusst aber wesentlich den Projekterfolg. Die Projektleitung muss daher das gemeinsame miteinander arbeiten und voneinander lernen aktiv unterstützen.
Durch regelmäßige Arbeitstreffen ist ein gleichmäßiger Informationsstand für alle Mitarbeiter sicher zu stellen. Erfolgte Aktivitäten werden hier ausgewertet und reflektiert, kommende Schritte vermittelt und zusammen abgestimmt. Für einen Erfahrungsaustausch muss ausreichend Raum gelassen werden. Ist das Team zu groß, oder auch auf mehrere Standorte verteilt, empfiehlt es sich, zusätzlich Untergruppen einzurichten, die sich in einem überschaubaren Gruppenrahmen gegenseitig unterstützen können.
Die Projektleitung sollte bei gemeldetem oder festgestelltem Bedarf zu Einzelberatungen zur Verfügung stehen.
6. Das Projekt dokumentieren
Eine ordentliche Projektdokumentation macht die Arbeit transparent und nachprüfbar. Ein zusätzlicher Gewinn ist die Reflexion über die eigene Arbeit und eine Erfahrungssicherung über die Projektlaufzeit hinaus. Diesen Nutzen gilt es Mitarbeitern und Trägern zu vermitteln. Ein einheitliches - auf Vorlagen basierendes - Dokumentationssystem kann den Aufwand beträchtlich reduzieren. Die Aufgaben für die Dokumentation können unter den Projektbeteiligten aufgeteilt werden. Die Projektleitung bleibt aber zentrale Sammelstelle für alle Dokumente. Ein Abschlussbericht, der nicht nur die Projektergebnisse, sondern auch den Prozessverlauf wiedergibt, rundet die Dokumentation ab.
Verfasst von
Gertrude Henn
Diplom-Sozialpädagogin, Entspannungs- & Stressmanagement-Trainerin
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Es gibt 2 Materialien von Gertrude Henn.
Zitiervorschlag
Henn, Gertrude, 2004.
Projektmanagement im Nonprofit-Bereich [online]. socialnet Materialien.
Bonn: socialnet, 02.04.2004 [Zugriff am: 24.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/17.php
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