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Analyseschema für Beschwerdeschreiben

Gisela Meese

veröffentlicht am 26.04.2018

Ein Beschwerdeschreiben analysieren

Immer mehr Beschwerden werden schriftlich mitgeteilt. Denken Sie nur an die E-Mail-Kommunikation! Der Verfasser eines professionellen Antwortschreibens muss viele Herausforderungen meistern. Eine davon ist zu erkennen, worum es dem Patienten oder Kunden eigentlich geht. Ein verärgerter Mensch will sich mit seinem Schreiben „Luft machen“. Zum Hauptanlass des Ärgernisses kommen häufig weitere Erlebnisse oder Beobachtungen hinzu, die ihn ebenfalls verstimmt haben. Den Patienten oder Kunden kümmert es wenig, ob sein Schreiben gut strukturiert und nachvollziehbar ist. Deshalb ist es meist nicht einfach zu erkennen, was der hauptsächliche Anlass der Kränkung oder des Ärgers gewesen ist. Es ist nicht empfehlenswert, im Antwortschreiben auf sämtliche Kritikpunkte gleichermaßen einzugehen. Das führt eher zu einer Aufwertung von „Nebenschauplätzen“ (= eher nebensächliche Beschwerdeanlässe) durch das Antwortschreiben. Hier gilt der „Mut zur Lücke“. Wichtiger ist es, den Hauptanlass der Beschwerde zu identifizieren und darauf zu reagieren. Dabei hilft Ihnen das Analyseschema© (s. untenstehend zum Download). Damit erfassen Sie mit eigenen Stichworten wesentliche Aspekte des Beschwerdeschreibens. Auf diese Weise lösen Sie sich vom ursprünglichen Text der Beschwerde und haben eine gute Grundlage, um ein professionelles Antwortschreiben zu formulieren.

Das „Analyseschema“

Sie machen sich zunächst Stichworte zu folgenden fünf Punkten:

1. Kritikpunkt/e des Patienten oder Kunden

Notieren Sie sich mit eigenen Worten alle Kritikpunkte. Finden Sie heraus, was der wichtigste (emotionalste) Kritikpunkt ist. Häufig wird der Hauptanlass der Beschwerde im Beschwerdebrief mehrfach erwähnt. Mit dem Antwortschreiben gehen Sie darauf ganz besonders ein. Sie notieren sich ebenfalls die Beschwerdeanlässe, die aus Sicht des Patienten oder Kunden weniger wichtig sind.

2. Lob/Anerkennung

Achten Sie ganz besonders auf lobende und anerkennende Worte des Patienten oder Kunden und notieren Sie diese.

3. Negative Gefühle des Patienten oder Kunden

„Beschwerden“ sind immer emotional! Neben dem Ärger oder der Enttäuschung schwingen möglicherweise weitere Emotionen mit, die der Schreibende jedoch nicht ausdrücklich benennt. Sie sollten auch auf die nicht genannten negativen Gefühle achten. Es ist wichtig, dass Sie mit Ihrem Antwortschreiben der negativen Erfahrung des Patienten oder Kunden etwas Positives entgegensetzen. Deshalb identifizieren Sie mit dem nächsten Punkt alles, was der Patient oder Kunde positiv erlebt haben könnte.

4. Positive Gefühle des Patienten oder Kunden

Beispielsweise ist das, was Patienten oder Kunden lobend erwähnen, mit positiven Gefühlen verbunden. Dies greifen Sie im Antwortschreiben auf („besonders gefreut hat uns, dass …“ oder „Ihr Lob leiten wir gerne an unser Pflegeteam weiter“). Damit verstärken Sie die positiven Eindrücke des Patienten – und relativieren das, was als negativ erlebt wurde.

Wenn Sie im Beschwerdeschreiben nichts Positives entdecken können, wissen Sie vielleicht aus anderen Quellen, was für den Patienten oder Kunden erfreulich gewesen ist. Auch darauf können Sie sich beziehen: „Wir freuen uns, dass die Geburt trotz der anfänglichen Komplikation gut verlaufen ist und Sie ein gesundes Baby in Ihre Arme schließen konnten“, oder „Umso mehr freut uns, dass die Behandlung Ihre Schmerzen lindern konnte“. Bei einem Patienten, der verunsichert war, betonen Sie: „Ganz sicher haben wir uns für Sie jederzeit verantwortlich gefühlt.“

5. Persönlichkeit

Das Erscheinungsbild des Schreibens, der Schreibstil und die Ausdrucksweise verraten Ihnen vieles über den Patienten, auch wenn Sie ihn nicht persönlich kennengelernt haben. Sie erkennen leicht, ob es sich um eine Person mit höherer Schulbildung handelt oder um jemanden, der sehr emotional oder eher sachlich reagiert etc. Bei der Art, wie Sie den Patienten oder Kunden emotional ansprechen, und mit Ihrer Ausdrucksweise berücksichtigen Sie dies.

Quelle: Gisela Meese: Schriftliche Patientenbeschwerden professionell beantworten – Erfolgreich kommunizieren und überzeugen! W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart. 1. Auflage 2018, ISBN 978-3-17-033211-9

Verfasst von
Gisela Meese
M.A., Organisationsentwicklerin (IHK), Systemischer Business Coach (ECA-zert.)
Offizielle Kooperationspartnerin des Bundesverbands Beschwerdemanagement für Gesundheitseinrichtungen (BBfG) e.V.
Langjährige Verantwortung bei UNICEF Deutschland für Aufbau und Pflege der Spenderkontakte sowie für das professionelle Beschwerdemanagement
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Es gibt 3 Materialien von Gisela Meese.

Zitiervorschlag
Meese, Gisela, 2018. Analyseschema für Beschwerdeschreiben [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 26.04.2018 [Zugriff am: 19.02.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/28137.php

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