Qualitätsmanagement im sozialen Bereich
Anforderungen, Chancen und Fallstricke
Dr. Gabriele Körner
veröffentlicht am 21.01.2022
Inhalt
- 1 Einleitung
- 2 Was ist Qualitätsmanagement?
- 3 QM in verschiedenen Arbeitsfeldern
- 4 QM in der Praxis – wichtige Aspekte bei der Umsetzung
- 5 Quellenangaben
1 Einleitung
Das Qualitätsmanagement hat in sozialen Arbeitsfeldern ein schlechtes Image. Sein möglicher Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Angebote und der Arbeitsprozesse und die Chancen, die ein gut implementiertes Qualitätsmanagementsystem mit sich bringt, werden oft noch nicht erkannt.
Häufig werden mit dem Qualitätsmanagement nur ausufernde Dokumentationspflichten, lästige Kontrollen, kleinteilige Vorgaben und zeitliche Mehrbelastung verbunden. Viele Mitarbeiter*innen in sozialen Einrichtungen sind daher skeptisch, wenn die Rede davon ist, dass ein gut funktionierendes QM ihre Arbeit fachlich angemessener, effektiver und nicht zuletzt einfacher machen kann.
Innerhalb der Sozialen Arbeit, insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe, gab es ab Ende der 1990er Jahre, begleitend zur Einführung von gesetzlich verpflichtenden Qualitätsentwicklungsvereinbarungen für stationäre und teilstationäre Dienste, eine breite Debatte darüber, mit welchen Auswirkungen zu rechnen ist, welche Absichten die Kostenträger damit verfolgen und inwieweit sich das Soziale überhaupt standardisieren lässt (siehe dazu Herrmann/Müller 2019 – befürwortende und ablehnend-skeptische Standpunkte werden dort ausführlich dargestellt). Das damals zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gab umfangreiche Materialien zum Thema Qualitätssicherung (QS-Broschürenreihe) heraus, die die praktische Umsetzung unterstützen sollten.
Was Veröffentlichungen angeht, ist es ruhiger um das Thema geworden. Zudem hat eine Versachlichung der Debatte stattgefunden. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Einführung von QM die Professionalisierung sozialer Angebote fördert (Mohr 2017, S. 142).
Inzwischen ist Qualitätsmanagement im gesamten sozialen Bereich, zwar in unterschiedlicher Ausprägung, Standard. Aber es gibt noch viele Missverständnisse, was die Umsetzung angeht. In diesem Artikel soll für einen pragmatischen Umgang mit dem Thema Qualitätsmanagement geworben werden. Neue Entwicklungen werden dabei berücksichtigt.
Dazu wird zunächst dargestellt, was die Kernelemente eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems sind und welche verschiedenen Ansätze es hier gibt. Danach wird ein differenzierter Blick auf die Anforderungen in verschiedenen Arbeitsfeldern geworfen.
Im zweiten Teil des Artikels wird es um ausgewählte Aspekte des QM gehen, und es werden Empfehlungen für deren praktische Ausgestaltung gegeben. Da nicht ein einzelnes Arbeitsfeld im Detail betrachtet wird, handelt es sich dabei um Anregungen, die übergreifend von Relevanz sind.
2 Was ist Qualitätsmanagement?
2.1 Qualität und Management von Qualität – Begrifflichkeiten
Bevor ich ausführe, wie Qualität gemanagt, also systematisch und bewusst gesteuert werden kann, möchte ich zunächst darauf eingehen, was unter Qualität überhaupt zu verstehen ist.
„Qualität ist […] das Ausmaß, in dem eine Sache oder Dienstleistung so beschaffen ist, dass die Anforderungen und Erwartungen an sie erfüllt sind.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 29)
Im Begriff „Qualität“ steckt zunächst keine Wertung, wie gut oder schlecht, sondern Qualität steht für die wertfreie Beschreibung der Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung.
Erst durch einen Vergleich der Merkmale einer Dienstleistung mit den Erwartungen von Kunden wird eine Bewertung möglich. Die Frage ist also, inwiefern eine Dienstleistung in der Lage ist, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kund*innen zu erfüllen.
In der Literatur wird meist unterschieden zwischen verschiedenen Dimensionen der Qualität:
- Strukturqualität: Rahmenbedingungen, wie Räume, Personal, Regelungen
- Prozessqualität: Art und Weise der Leistungserbringung, das heißt, der Abläufe und Vorgehensweisen
- Ergebnisqualität: Resultate und Wirkung der Leistungserbringung
Diese Sichtweise lenkt den Blick auf die gesamte Leistungserbringung und nicht nur auf das Ergebnis, in der Annahme, dass auch die beiden erstgenannten Dimensionen der Qualität eine Rolle spielen bei der Erzielung guter Ergebnisse.
Qualitätsmanagement kann folgendermaßen definiert werden: „Durch organisierte Prozesse werden die Merkmale eines Produkts bzw. einer Dienstleistung so gesteuert, dass sie den Anforderungen und Erwartungen der Kunden und interessierten Parteien an das Produkt bzw. die Dienstleistung optimal erfüllen.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 30)
2.2 Merkmale eines QM-Systems – verschiedene QM-Systeme
Es gibt verschiedene Ansätze und Systeme für das Qualitätsmanagement. Die Kernelemente sind in allen Systemen aber ähnlich. Sie wurden in den vergangenen Jahren stetig weiter entwickelt und angepasst. Ein Blick auf diese modernisierten Ansätze ist eine Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis dafür, um was es im Qualitätsmanagement im Wesentlichen geht. Daher hier eine ausführlichere Darstellung der Grundsätze.
Am bekanntesten sind sicher die DIN EN ISO Norm 9001 und das EFQM-Modell (European Foundation of Quality Management). Es sind umfassende und anspruchsvolle Modelle, die universell und branchenunabhängig einsetzbar sind. Beide gehen zurück auf den Total Quality Management- Ansatz. Qualität wird hier nicht nur als Qualität von Produkten und Dienstleistungen betrachtet, sondern umfasst alle Bereiche eines Unternehmens.
Was sind nun die wesentlichen Merkmale eines solchen umfassenden und ganzheitlichen QM-Systems?
„Das Wesen des Qualitätsmanagements ist […] das Bemühen um die kontinuierliche Verbesserung einer Organisation und ihrer Leistungen.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 30) Im Zentrum stehen die Kundenbeziehung und die Kundenzufriedenheit. Dies ist übrigens eine wichtige Gemeinsamkeit mit den Merkmalen, die ein agiles Unternehmen ausmacht. Auch hier ist die Orientierung an den Kundenbedürfnissen ein wichtiges Prinzip.
Die Orientierung am PDCA (Plan-Do-Check-Act) – Zyklus oder Deming-Kreis gehört zu den wesentlichen, auch heute noch relevanten Kennzeichen des QM.
plan (planen): Vorgehen planen, Ziele festlegen
do (ausführen): konsequente Umsetzung der Planung
check (überprüfen): analysieren, Zielerreichung bewerten
act (weiterentwickeln): Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen
Gedacht ist der Kreis als unendlicher Prozess; manchmal wird er auch als Spirale dargestellt, um die Verbesserung und Weiterentwicklung anschaulich zu machen.
Deming, ein amerikanischer Physiker, entwickelte das Modell in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts. In Japan stießen seine Ideen in der Nachkriegszeit auf großes Interesse. Später wurde dieser QM-Ansatz in Europa aufgegriffen.
Es geht also nicht um ein einmaliges Implementieren fest umrissener Prozesse, sondern um deren kontinuierliche Weiterentwicklung.
Qualitätsmanagementsysteme sind in der Regel prozessorientiert. Der „prozessorientierte Ansatz des QM beschreibt insbesondere die Übergänge und die für ein gutes Gelingen notwendigen Kommunikationsstrukturen und Formen.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 25)
Hier möchte ich nun kurz die Prinzipien der beiden bekanntesten QM-Ansätze vorstellen:
2.2.1 Die DIN EN ISO 9001:2015 (letzte Revision)
Diese DIN Norm definiert die Mindestanforderungen an ein QM System. Ergänzend werden in der DIN EN ISO 9000 die grundlegenden Begriffe erläutert. In der DIN EN ISO 9004 werden Möglichkeiten zur Gestaltung und Weiterentwicklung aufgezeigt.
Die Anforderungen sind so allgemein formuliert, dass sie auf alle Organisationen anwendbar sind. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder. Zum Verständnis dieser Fachsprache ist eine gewisse Expertise nötig. Es bedarf einiger Übersetzungsleistungen, wenn die Übertragung auf die eigene Organisation gelingen soll. Eine stärkere Anpassung an die Erfordernisse von Dienstleistungsunternehmen ist in dieser Revision erfolgt. Neu ist auch, dass die Organisation Risiken und Chancen bewerten muss und eine stärkere Kontextorientierung verlangt wird.
Die Norm fußt auf sieben Qualitätsmanagement-Grundsätzen:
- „Kundenorientierung: Im Mittelpunkt jeder unternehmerischen Aktivität stehen die Kunden. Sie entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Deshalb ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und dafür zu sorgen, dass ihre Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern möglichst übertroffen werden.
- Führung: Führungskräfte auf allen Ebenen sollen das Unternehmen an den Anforderungen des Marktes ausrichten. Dazu müssen sie ein internes Umfeld schaffen und erhalten, in dem sich die Mitarbeiter voll dafür einsetzen, die Unternehmensziele zu erreichen.
- Beziehungsmanagement: Ein Unternehmen und seine interessierten Parteien (z.B. Lieferanten) sind voneinander abhängig. Eine vertrauensvolle und offene Beziehung ist daher wichtig und bildet die Basis für einen nachhaltigen Erfolg.
- Einbeziehung von Personen: Auf allen Ebenen bestimmen die Mitarbeiter das Wesen eines Unternehmens. Nur wenn diese anerkannt, befähigt und gefördert werden, sind sie auch motiviert, ihre Fähigkeiten im Dienste des Unternehmens einzusetzen.
- Verbesserung:Nur wer sich hinterfragt und die Gesamtleistung des Unternehmens fortlaufend verbessert, wird langfristig Erfolge realisieren.
- Prozessorientierter Ansatz: Um das gewünschte Ergebnis effizienter zu erzielen, sollten alle Tätigkeiten und die dazugehörigen Ressourcen in klaren Wechselbeziehungen zueinander stehen.
- Faktengestützte Entscheidungsfindung: Die genaue Analyse von Daten und Informationen bildet die Grundlage, um die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung und möglichen Folgen zu verstehen und wirksame Maßnahmen umzusetzen.“
(TÜV Süd Management Service GmbH, München 2021, S. 10)
In den zehn Kapiteln der Norm sind die jeweiligen Anforderungen gemäß der Grundsätze detailliert formuliert. Die einzelnen Kapitel können jeweils den Phasen des Deming- Zirkels zugeordnet werden. Der prozessorientierte Ansatz beinhaltet, dass Anforderungen definiert sind, Abläufe beschrieben und Ziele festgelegt sind. Die Erreichung der Ziele kann gemessen werden. Verantwortlichkeiten sind geklärt und Befugnisse sind festgelegt. Die erforderlichen Ressourcen werden bereitgestellt. Es wird übrigens keine speziell beauftragte Person für das QM mehr gefordert. Die Führung hat eine herausragende Rolle und die Gesamtverantwortung für Kommunikation und Überwachung des QM.
2.2.2 Das EFQM-Modell (Revision von 2019)
Die EFQM wurde 1988 gegründet mit dem Ziel, die europäische Wirtschaft im globalen Wettbewerb zu stärken und zu nachhaltiger Exzellenz zu führen und die „Entwicklung einer Kultur der Verbesserung und Innovation“ (European Foundation of Quality Management 2019, S. 2) zu fördern. „Das EFQM Modell ist ein weltweit anerkannter Handlungsrahmen, der Organisationen dabei unterstützt, Veränderung zu steuern und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern.“ (a.a.O., S. 5) In der neuesten grundlegenden Revision wurde der Versuch unternommen, aktuelle Themen und Megatrends zu integrieren. Stichworte wie „mehr Diversität“, eine „kreative, innovative, auch disruptivem Denken gegenüber offene Grundeinstellung in der gesamten Organisation“ und ein Führungsstil, der weniger „hierarchisch“ ist, sind hier Beispiele (a.a.O., S. 6–7).
Was muss eine exzellente und vorbildliche Organisation tun, um nachhaltigen Nutzen zu schaffen für die verschiedenen Interessengruppen? Die EFQM orientiert sich an den 17 Zielen der UN für nachhaltige Entwicklung. In der neuesten Fassung wird betont, dass die Organisation Teil eines „Ecosystems“ (= Umfeld, Systeme außerhalb der Organisation) ist. Die vielfältigen Wechselwirkungen und Einflüsse gilt es zu verstehen.
Ein Grundsatz ist auch hier der Vorrang des Kunden und seiner Bedürfnisse. Betont wird weiter die „Notwendigkeit eines langfristigen, auf die Interessengruppen gerichteten Blickwinkels“ und der „Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dem, was die Organisation tut, wie sie es tut und was sie infolge dieser Handlungen erreicht.“ (a.a.O., S. 7)
Für die drei Kernbereiche Ausrichtung, Realisierung und Ergebnisse werden jeweils differenzierte Kriterien beschrieben. Im Kern ähneln diese der DIN-Norm zum QM.
Bei der EFQM wird man als Organisation Mitglied und baut ein internes Bewertungssystem auf. Hierzu gibt es ein kriteriengestütztes Diagnosetool (Radar). Der Erwerb verschiedener Exzellenzsiegel ist zwar möglich, aber nicht zwingend.
Die EFQM bietet keine detaillierte Betriebsanleitung, sondern einen Handlungsrahmen und eine Philosophie, die die Organisation für sich ausfüllen kann. Auch das EFQM-Modell ist so allgemein formuliert, dass jede Organisation es nutzen kann. Die Grundhaltung dürfte aber durchaus anschlussfähig sein für Organisationen im sozialen Bereich.
Die meisten QM-Systeme sind von diesen beiden Modellen abgeleitet, beziehungsweise orientieren sich daran.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände beruft sich in ihrem Grundsatzpapier „Qualitätsziele der Wohlfahrtsverbände zur Erreichung ihrer spezifischen Dienstleistungsqualität“ (Berlin, 2014) auf diese beiden Systeme als Grundlage und formuliert darauf aufbauend übergeordnete Qualitätsziele, die entsprechend für die freie Wohlfahrtspflege konkretisiert und operationalisiert sind. Entsprechend sind Anforderungen definiert und Prüfkriterien formuliert.
Die Arbeiterwohlfahrt, ein Mitgliedsverband, hat auf der Grundlage der DIN EN ISO spezifische Normen und Standards für einzelne Arbeitsfelder und für den Bereich Führung und Organisation entwickelt. Die AWO Normen sind in weiten Teilen „Interpretation der ISO-Anforderungen.“ (AWO Bundesverband e.V. 2016, S. 4)
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat ebenfalls auf Grundlage der DIN EN ISO sein Qualitätssystem PQ-Sys für einzelne Bereiche entwickelt und bietet für Einrichtungen auch die Möglichkeit der Erlangung eines entsprechenden Qualitätssiegels an.
Der Internationale Bund ist Mitglied der EFQM und hat sein QM-System danach ausgerichtet.
Es gibt aber auch verschiedene arbeitsfeldspezifische QM-Modelle. In ihnen wird oft nicht die ganze Organisation in den Blick genommen. Ihre Einführung ist niedrigschwelliger, nicht zuletzt auch, weil sie konkrete fachliche Anregungen enthalten.
3 QM in verschiedenen Arbeitsfeldern
3.1 Die Anforderungen der Auftraggeber
Qualitätsmanagement ist heute in allen Arbeitsfeldern gefordert. Die jeweiligen Anforderungen an das Qualitätsmanagement fallen allerdings recht unterschiedlich aus. Das hat Folgen für die Ausgestaltung und den Freiheitsgrad bei der Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems in der Einrichtung. Die Vorgaben und die Qualitätsanforderungen, die in der Sozialgesetzgebung niedergelegt sind, unterscheiden sich oft in ihrer Regelungstiefe. Da der Marktzugang aber nur gegeben ist, wenn die Einrichtung nachweislich den Anforderungen entsprechen kann, sind die jeweiligen Vorgaben umzusetzen. Die Einführung eines QM-Systems wurde daher oft als Zwang von außen empfunden und erfolgte weniger aus dem Eigeninteresse der Institution.
Es geht also darum, welchen Zuschnitt das QM-System haben muss, um zum einen den Anforderungen, die im jeweiligen Arbeitsfeld bestehen, gerecht zu werden und zum anderen für die Organisation hilfreich zu sein bei der Bewältigung ihrer Aufgaben und bei ihrer Weiterentwicklung. An dieser Stelle möchte ich daher einen Überblick darüber geben, in welchen Arbeitsfeldern, welche Anforderungen bestehen.
Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB 8, § 78b festgelegt, dass der Jugendhilfeträger mit dem Erbringer der Leistung eine Vereinbarung abschließen muss, in der „Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwicklungsvereinbarung)“ beschrieben sind. In den konkreten Leistungsvereinbarungen kann dies sehr unterschiedlich gestaltet sein, weil hier ein großer Spielraum gelassen wird. Diese Vorgabe gilt für den Teilbereich der Hilfen zur Erziehung,
Für das gesamte Spektrum der Angebote, für die die Rahmenbedingungen im SGB 8 geregelt sind, wie zum Beispiel Kindertagesstätten, Einrichtungen der offenen Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit wird im Gesetz formuliert, dass es geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität geben muss. Weiter wird darauf hingewiesen, dass diese zu überprüfen und weiterzuentwickeln sind (§ 79a). An den fachlichen Empfehlungen der zuständigen Behörden soll sich orientiert werden. Detaillierter wird nur ausgeführt, dass eine Gefährdungseinschätzung nach § 8a (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) erfolgen muss und welchen Anforderungen diese zu genügen hat. Außerdem sind für erlaubnispflichtige Einrichtungen (Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche ganztägig, einen Teil des Tages oder über Nacht betreut werden, wie Kindertagesstätten oder Einrichtungen der Erziehungshilfe) Beteiligungsverfahren und Beschwerdemöglichkeiten nachzuweisen.
Für den Bereich Kindertagesbetreuung werden als Instrumente zur Sicherstellung von Qualität die Entwicklung von Konzeptionen sowie der Einsatz von Evaluationsverfahren genannt.
Für erlaubnispflichtige Einrichtungen wird die Betriebserlaubnis nur erteilt, wenn den Anforderungen entsprochen wird.
Herrmann/Müller schreiben: „Eine Verpflichtung, universelle QM-Modelle anzuwenden, ist hier nicht verankert.“ (2019, S. 26) Die gestellten Anforderungen beziehen sich ausschließlich auf die Prozesse, die direkt mit der Leistungserbringung für die Kund*innen in Verbindung stehen. Für die sogenannten Unterstützungsprozesse, wie zum Beispiel das Finanzmanagement oder den Personalbereich werden keine Vorgaben gemacht.
Zertifizierungspflichten bestehen keine und es gibt auch keine Prüfdienste, die die Einhaltung von Vorgaben regelmäßig in Vor-Ort-Audits überprüfen. Vielmehr liegt der Fokus darauf, dass „Qualität […] entlang von Kriterien gestaltet werden muss, die in Fachkreisen ausgehandelt werden“ (a.a.O., S. 26) unter Beteiligung der freien Träger und ihrer Verbände. Das Thema Qualität ist „mit einer klaren Entwicklungsorientierung verbunden“ (a.a.O., S. 26). Die Qualitätsentwicklung wird als partnerschaftlicher Prozess betrachtet, in dessen Zentrum das Wohl von jungen Menschen und deren Familien steht (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, QS 28, 2000).
Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn es sich um soziale Dienstleistungen handelt, deren gesetzliche Grundlage das Arbeitsförderungsgesetz SGB 3 (bzw. das SGB 2) ist. Hierunter fallen zum Beispiel Programme für junge Arbeitslose oder Arbeitssuchende, für behinderte Menschen und Langzeitarbeitslose.
Im SGB 3 in den Paragraphen 176 ff. ist vorgesehen, dass Träger, die Angebote machen, eine Zulassung durch eine fachkundige Stelle gemäß der „Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung“ (AZAV) benötigen. Es besteht die Pflicht zur Erlangung eines entsprechenden Zertifikats. In der AZAV aus dem Jahr 2012 ist neben anderen Vorgaben in § 2 auch detailliert beschrieben, welchen Anforderungen „ein System zur Sicherung der Qualität“ genügen muss. Dabei werden nicht nur die unmittelbar teilnehmerbezogenen Prozesse berücksichtigt, sondern die gesamte Unternehmensorganisation und -führung.
Auch das SGB 9 mit dem Bundesteilhabegesetz, in dem die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt ist, schreibt in § 37 fest, dass ein Qualitätsmanagement mit systematischen und zielgerichteten Verfahren vorhanden sein muss, das auf kontinuierliche Verbesserung der Leistungen ausgerichtet ist. Für medizinische Rehabilitationseinrichtungen ist zudem eine Zertifizierung notwendig.
Im Gesetz wird darauf verwiesen, dass gemeinsame Empfehlungen zur Umsetzung und zur Überprüfung entwickelt werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation, in der die Vertreter aller Akteure in diesem Bereich vertreten sind, veröffentlichte 2018 die letzte Fassung der Empfehlungen. Darin ist detailliert beschrieben, was in diesem Bereich unter Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu verstehen ist. Qualität wird dort definiert als „eine wirksame und bedarfsgerechte, am bio-psycho-sozialen Modell der WHO (ICF) orientierte, fachlich qualifizierte, auf die Erreichung der Teilhabeziele ausgerichtete und wirtschaftliche Leistungserbringung“. (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2018, S. 8) Diese Empfehlungen bilden auch die Grundlage dafür, nach welchen Kriterien anhand der entsprechenden Dokumentation, eine Überprüfung der Qualität der Angebote vor Ort erfolgt.
Die Heimgesetze der einzelnen Bundesländer, die sich sowohl auf Einrichtungen für Behinderte als auch für Alte beziehen, enthalten ebenfalls Regelungen zum Thema Qualitätsmanagement. Die Träger der Eingliederungshilfe schließen auf Landesebene Rahmenverträge ab, in denen Regelungen zum Thema Qualität und ihrer Überprüfung enthalten sind.
Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde mit der Frage nach der Wirksamkeit der Leistungen (§ 128) ein wichtiges neues Qualitätsthema eingeführt. Wie kann die Nachweisführung erfolgen? Welche Indikatoren sind angemessen? Wie muss eine individuelle Teilhabeplanung gestaltet sein? Den Diskurs um die Wirksamkeit gibt es auch in anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit (vertiefende Ausführungen dazu unter unter 4.4.1).
Insgesamt kann festgehalten werden, dass es in diesem Bereich umfassende Regelungen und Dokumentationsverpflichtungen gibt, wobei auch hier der Fokus auf der unmittelbaren Leistungserbringung liegt. Es wird aber auch die räumlich-sachliche Ausstattung, die personelle Besetzung und die Qualifikation der Mitarbeitenden berücksichtigt. Zudem wird das Vorhandensein eines QM-Systems verlangt.
Auch für die stationäre Altenpflege wird im SGB 11, in dem die Regelungen zur sozialen Pflegeversicherung enthalten sind, von den Einrichtungen ein Qualitätsmanagementsystem gefordert (§ 113). Verpflichtungen zur Dokumentation bestehen ebenfalls. Zusätzlich gelten die Heimgesetze des jeweiligen Bundeslandes. Eine Betriebserlaubnis wird nur erteilt, wenn die darin enthaltenen Anforderungen erfüllt werden.
3.2 Die Kundenorientierung und der doppelte Kunde
In allen Qualitätsmanagementsystemen werden die Anforderungen und Wünsche von Kund*innen in den Mittelpunkt gestellt. Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten deutlich wurde, ist der Kundenbegriff des Qualitätsmanagements im sozialen Bereich zu differenzieren. Der „Erfolg einer sozialwirtschaftlichen Organisation [ist] davon abhängig, wie gut sie die Erwartungen der jeweiligen Anspruchsgruppen berücksichtigen, die die Rahmenbedingungen schaffen und zur Legitimierung des Angebots führen (Staat, Kostenträger, Kommune)“ (Herrmann/Müller, 2019, S. 32).
Es besteht also ein gravierender Unterschied zu Unternehmen der Erwerbswirtschaft. Diese können sich weitgehend an den Bedürfnissen ihrer unmittelbaren Kund*innen oder Käufer*innen orientieren. Die sozialen Angebote dagegen werden in der Regel nicht, oder nur in einem geringen Umfang, vom „Endkunden“ bezahlt, sondern in der Regel aus Steuer- oder Versicherungsgeldern finanziert. Die leistungserbringenden Organisationen sind daher gut beraten, wenn sie an erster Stelle die Anforderungen ihrer Geldgeber berücksichtigen. Eine Einflussnahme auf die Änderung von Regelungen und Rahmenbedingungen ist zwar möglich, aber meist ein langwieriges und mühsames Unterfangen. So gibt es zum Beispiel verschiedene Beteiligungsverfahren und Gremien, in denen die Verbände der freien Wohlfahrtspflege ihre Sichtweisen einbringen können.
Die gezielte Leistungserbringung für den unmittelbaren Kunden ist zudem erschwert, weil der Kunde/die Kund*in aktiv an der Herstellung der Dienstleistung beteiligt (Koproduktion) ist. Die Kontrolle über die Dienstleistung liegt also nur teilweise bei der Organisation, die diese erbringt. Diese Konstellation kann zu widersprüchlichen Anforderungen führen und macht die Erbringung der Dienstleistung nicht immer einfach. Besonders eklatant kann dieser Widerspruch bei sozialen Dienstleistungen sein, bei denen die Teilnahme nicht auf freiwilliger Basis erfolgt. Hierzu gibt es einen umfassenden Fachdiskurs in der Sozialen Arbeit, auf den ich an dieser Stelle allerdings nicht eingehen will (zusammenfassend Herrmann/Müller 2019).
4 QM in der Praxis – wichtige Aspekte bei der Umsetzung
4.1 Auswahl eines Systems
Zunächst ist die Frage zu klären, nach welchem QM-System die Organisation sich ausrichten will. Wie bereits dargestellt, gibt es dazu in keinem Bereich explizite Vorgaben. Es gibt lediglich Angaben zur Regelungstiefe und den Schwerpunkten, die im QM zu berücksichtigen sind. Die Mindestanforderungen der Auftraggeber, die in Gesetzen, Verordnungen und Verträgen zur Leistungserbringung geregelt sind, sind zu erfüllen.
In einigen Bereichen wird die Qualität regelmäßig durch Prüfdienste oder Zertifizierungsgesellschaften extern überprüft. Die Organisation ist gut beraten, hier die geforderten Nachweise erbringen zu können (siehe dazu auch die Ausführungen unter Punkt 4.4.2).
Vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe gibt es Freiheit bei der Ausgestaltung des QM. Hier ist die Grundfrage, ob ein ganzheitliches System, das alle Bereiche der Führung und Organisation, und nicht nur die spezifische Dienstleistung einbezieht, installiert werden soll. Die Organisation kann überlegen, was für sie leistbar und sinnvoll ist. Ein kleiner örtlicher Träger einer Kindertagesstätte, dessen Abläufe überschaubar sind und Prozeduren, wie Abrechnung oder Personalverwaltung zufriedenstellend ablaufen und eingespielt sind, wird hier wenig Handlungsbedarf sehen. Empfehlung wäre aber auch hier, Stück für Stück entlang einer Prioritätenliste Prozesse zu beschreiben. Beschreibungen und Standards geben Handlungssicherheit und sichern Kontinuität z.B. bei Personalwechsel. Eine geordnete und standardisierte Dokumentation von Vorgängen gewährleistet die Nachvollziehbarkeit in allen Bereichen. Eine Kultur der Mündlichkeit ist hier zwar verführerisch, hat aber Grenzen.
Ein umfassendes, gut aufgebautes QM-System ist ein Instrument der Organisationsentwicklung. „Ein QM-System ist ein strategisches Instrument, um ein Unternehmen erfolgreich zu lenken und zu leiten.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 30) Prozesse und Ziele sind beschrieben, Wechselwirkungen und Schnittstellen erkannt und Verantwortlichkeiten festgelegt. Dieses systematische Vorgehen hilft wesentlich dabei, die Qualität der Dienstleistung zu sichern.
Der Fokus sollte immer auf der Alltagstauglichkeit und der Akzeptanz des Systems liegen. Das gelingt in der Regel in Bereichen, in denen die Organisation über Gestaltungsfreiheit verfügt. besser, als dort, wo Vorgaben den Spielraum stark einengen.
Eine geringe Komplexität der Organisation vereinfacht den Aufbau des Systems. Trotz allem erfordert der Aufbau eines QM-Systems zunächst einmal Zeit und Energie. Nach der Einführung stellen sich aber Arbeitserleichterungen ein, weil das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss. Im Idealfall gilt es lediglich, noch Verbesserungen vorzunehmen. Gute Praxis wird wiederholbar. Die Hoffnung auf Zeitersparnis und größere Effektivität sollte aber nicht die Hauptmotivation zur Einführung sein.
4.2 Die Rolle der Leitung im QM
Aus dem bisher Gesagten wird bereits deutlich, wie wichtig die Rolle der Leitung ist. Sie trifft die grundsätzlichen Entscheidungen und hat die oberste Verantwortung für das QM. Dies gilt nicht nur, aber besonders bei umfassenden Systemen wie der DIN ISO oder dem EFQM-Modell. Das gesamte Führungshandeln erfolgt auf der Grundlage des QM-Systems. Strategische Ausrichtung, die Formulierung von Zielen, die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und die Überwachung sind originär Leitungsaufgaben. Die Leitung muss auch festlegen, wer welche Verantwortlichkeiten und Kompetenzen hat. Eine umfassende Beteiligung und Einbeziehung von betroffenen Mitarbeiter*innen beim Aufbau und der Weiterentwicklung des QM-Systems hat sich dabei als sinnvoll erwiesen. Das QM kann aber nur funktionieren, wenn die Leitung sich mit dem eingeführten System identifiziert und es in der Praxis „lebt“. Eine differenzierte und positive Kommunikation in einer Sprache, die in der Organisation verstanden wird, ist sehr wichtig. Auch hierfür hat die Leitung Sorge zu tragen.
Es wird nicht mehr zwingend verlangt, ist aber zu empfehlen, dass es eine Person gibt, die als QM-Beauftragte*r fungiert. Diese Person hat den Überblick über das System und kennt sich aus mit den Anforderungen. Sie vermittelt dieses Wissen in der Organisation; berichtet der Leitung über Ergebnisse (z.B. von Befragungen, Erreichung von Zielen) und Handlungsbedarfe, schlägt Initiativen vor, bietet Beratung zu QM-Themen an, moderiert Gruppen, kurz und gut, hat den Überblick, was auf diesem Gebiet geschieht und hält das System am Laufen. Die Begleitung von externen Zertifizierungen gehört in der Regel ebenfalls zum Aufgabengebiet. Die Verantwortung bleibt aber immer bei der Leitung. Wenn beispielsweise Ergebnisse nicht den Anforderungen entsprechen, ist die Leitung für die Verbesserungen verantwortlich.
Die Einhaltung der Vorgaben des QMS ist nicht die Angelegenheit von QM-Beauftragten, sondern von allen, die jeweils in der Verantwortung stehen.
4.3 Prozessbeschreibungen, Standards, Handbücher
Um gute Prozessbeschreibungen, Handbücher und QM-relevante Dokumente zu erstellen, bedarf es einer Beteiligung der Fachleute in der Organisation. In der Regel werden dazu Arbeitsgruppen (QM-Zirkel, Prozessteams o.ä.) gebildet, die mit der Erstellung betraut werden.
Als Prozess beschrieben werden Abläufe, die immer wieder vorkommen. Wie soll z.B. die Entwicklungsbeobachtung in der Kita gemacht werden? Wie ist der Einarbeitungsprozess des Personals geregelt? Was ist bei der An- oder Abmietung von Räumen zu beachten? Welche Prozesse eine Organisation beschreiben will, hängt eng damit zusammen, was zum einen erforderlich ist, aber auch was als hilfreich für die Weiterentwicklung der Organisation gesehen wird. Eine gründliche Reflexion, ob es Regelungsbedarf für eine Handlung gibt, ist immer angezeigt.
Man unterscheidet in der Regel drei große Bereiche für die Prozesse beschrieben werden können: Kernprozesse (= Prozesse, die sich auf die Dienstleistung für die unmittelbaren Kund*innen beziehen), Führungsprozesse (z.B. Erstellung der Strategie) und sogenannte Unterstützungsprozesse (z.B. Personalmanagement, Verwaltung und Finanzen).
In Prozessen wird der zeitliche Ablauf des Vorgehens beschrieben, mit den jeweils verantwortlichen Personen und es werden Prozessziele festgelegt (das ist oft nicht ganz einfach im sozialen Bereich – siehe dazu unten). Bei vielen Prozessen ist es auch sinnvoll, zugehörige Dokumente und Vorlagen zu entwickeln, die zu benutzen sind. Die Prozessbeschreibung enthält dann einen Überblick, welche Dokumente zur Umsetzung dazugehören und welche Schnittstellen zu anderen Prozessen zu berücksichtigen sind. Dabei muss meist nicht alles neu „erfunden“ werden, sondern die aktuell etablierten Verfahrensweisen werden zusammengefasst, auf Schwachstellen geprüft, eventuell angepasst und auf eine systematische Weise beschrieben.
In größeren Organisationen wird in der Regel eine Person als „Prozesseigner*in“ benannt, die die fachliche Verantwortung für den Prozess und dessen Gestaltung und Beschreibung hat. Welche Kompetenzen sie im Einzelnen erhält, legt die Leitung fest. Alle Prozesse, Dokumente und Abläufe, die die Arbeit in der Organisation verbindlich regeln, müssen „freigegeben“, also in Kraft gesetzt werden. Wer das jeweils darf, ist sorgfältig zu überlegen und eindeutig festzulegen. Dürfen die jeweiligen Prozesseigner*innen, die die Expertise haben entscheiden, oder behält sich die Leitung der Organisation alle Entscheidungen vor? Hier muss jede Organisation einen passenden Weg für sich finden.
Je länger Entscheidungswege sind, desto langsamer wird das System. Wenn Organisationen agiler werden wollen, um sich schneller anpassen zu können, sind dezentrale Entscheidungen vorzuziehen. Dies entspricht dem Prinzip der Subsidiarität im agilen Arbeiten. Die Motivation von Mitarbeiter*innen wird zudem gesteigert, wenn ihre Fachexpertise einen relevanten Stellenwert hat.
Es sollte in regelmäßigen Abständen (z.B. einmal im Jahr) überprüft werden, ob die Prozessbeschreibungen und Dokumente noch den Anforderungen entsprechen. Verbesserungsvorschläge von den Anwender*innen werden berücksichtigt, und wenn notwendig erfolgt eine Revision. Passiert dies nicht, besteht die Gefahr, dass dysfunktionale Vorgaben einfach unterlaufen werden.
4.3.1 Das Dokumentenmanagement – ein unterschätztes Thema
Früher gab es tatsächlich noch richtige Handbücher aus Papier. Die aktuelle DIN EN ISO-Norm fordert nicht mehr explizit ein Handbuch. Heute ist eine Organisation gut beraten, alle Dokumente, die als Vorgaben im Rahmen des QM relevant sind, digital an einem Ort zur Verfügung zu stellen. Es gibt dazu auch spezifische Softwarelösungen.
Wichtig ist, dass sichergestellt ist, dass alle auf die aktuell gültige Version eines Dokuments zugreifen, und zwar ausschließlich auf diese. Außerdem muss das Gewünschte leicht auffindbar sein. Dazu sind gute technische Lösungen erforderlich und eine klare Festlegung, wer das System auf dem aktuellen Stand hält. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass alle, die betroffen sind, auch Bescheid wissen müssen, wenn es eine Neuerung in ihrem Bereich gibt. Dazu ist eine abgestimmte Kommunikation einzuführen, die die Adressat*innen sicher erreicht. Das hört sich trivial an, ist es aber nicht. Vor allem für größere Organisationen ist dies eine Herausforderung. In welchem Tempo in einer Organisation Neuerungen implementiert werden können, ist daher sorgfältig zu überlegen.
Je umfangreicher die erstellte Sammlung von Dokumenten, Vorgaben, etc. ist, desto schwieriger ist das. Es lohnt daher, sich zu überlegen, welche Dokumente und Beschreibungen tatsächlich notwendig sind (weniger ist da manchmal mehr). Eng damit zusammenhängend ist auch die Frage, wie viele Freiheitsgrade vor Ort noch bleiben. Überregulierung, wo keine Notwendigkeit besteht, führt zu Demotivation und Widerstand von Mitarbeitenden, die vielleicht eine gute Idee haben, wie sie mit ihrer Zielgruppe arbeiten können, die aber nicht vorgesehen ist. Fehlende Beteiligung bei der Erstellung von Vorgaben verstärkt dieses Gefühl. Vor allem in großen Organisationen besteht diese Gefahr.
Zum Dokumentenmanagement gehört auch die Dokumentenkennzeichnung. In der Regel sind mindestens der Dokumentenname, der/die Autor*in mit Funktion, Geltungsbereich (mit Grad der Verbindlichkeit) und das Erstelldatum vermerkt.
Aufzeichnungen, wie Protokolle, Berichte etc. sind ebenfalls in dieser Art zur kennzeichnen. Die teilnehmerbezogene Dokumentation, die in vielen Arbeitsbereichen erforderlich ist, erfolgt heute zunehmend digital und nicht mehr in Papierakten, oft in speziellen Systemen, teilweise sogar mit Schnittstelle zum Auftraggeber (z.B. Agentur für Arbeit). Hier ist das Thema Kennzeichnung technisch gelöst.
Zum Dokumentenmanagement gehören auch Löschkonzepte, die wiederum eng verknüpft sind mit den Erfordernissen des Datenschutzes. Datenschutzkonforme Aktenvernichtung und Löschung vor allem der Aufzeichnungen, die personenbezogenen Daten enthalten, ist zu gewährleisten. Aber auch Aufbewahrungsfristen im Personal und Verwaltungsbereich sind zu berücksichtigen.
4.4 Überprüfung von Qualität
4.4.1 Evaluation, Kennzahlen und Prozessziele
Wie bereits erläutert, ist ein wichtiges Element im QM das Festlegen von Zielen und die Analyse und Messung, ob diese Ziele auch erreicht worden sind. In einem umfassenden QM-System werden für alle Prozesse Ziele formuliert, deren Erreichung einer Überprüfung unterzogen wird, also nicht nur für die unmittelbare Dienstleistung, sondern auch für die organisatorisch notwendigen Abläufe.
Dieses Vorgehen ist die Grundlage für eine faktenbasierte Entscheidungsfindung. Aussagefähige Daten sollen der Leitung der Organisation bei der Steuerung und Planung helfen. In der Regel befasst sich die Leitung mindestens einmal jährlich im sogenannten Managementreview systematisch mit diesen gesammelten Daten und beschließt, wenn notwendig, Verbesserungen. Teilweise werden Ergebnisse in Form von Berichten an die Auftraggeber übermittelt oder für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt. Letzteres trifft vor allem auf sogenannte kundenbezogene Ergebnisse zu.
Gerade im sozialen Bereich ist dies ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Kann das Ergebnis und der Erfolg sozialer Arbeit überhaupt vernünftig gemessen werden? Zugegeben, einfach ist das nicht. Sich nicht mit diesem Thema zu befassen, kann sich heute aber keine Organisation mehr leisten. Es ist auch legitim, dass Auftraggeber verlangen, dass Rechenschaft darüber abgelegt wird, ob mit den eingesetzten Geldern, tatsächlich das erreicht wird, was in detaillierten Konzeptionen versprochen wird. Von der Politik und den (meist öffentlichen) Geldgebern wird dies auch zunehmend eingefordert. Auch die Organisation selbst ist im eigenen Interesse gut beraten, zu überprüfen, ob sie ihren Auftrag und die, zumindest in Teilen, selbst gesetzten Ziele tatsächlich erfüllt.
Immer zu klären ist, wie viele Kennzahlen erhoben werden sollen und welche essentiell für die Organisation sind. Auch hier gilt, weniger ist oft mehr. Ziele sind anspruchsvoll, aber zugleich realistisch zu formulieren. Größere Organisationen müssen überlegen, welche Ziele vielleicht für das Team vor Ort stimmig, aber für die Organisation als Ganzes irrelevant sind. Auf welcher Ebene soll also was evaluiert werden, und welche Ergebnisse können sinnvoll aggregiert werden. Die Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter*innen und Expert*innen ist unabdingbar.
Die Erreichung mancher Ziele ist quantitativ gut messbar, wie die Fortbildungsquote der Mitarbeiter*innen, die Besucheranzahl eines Jugendhauses oder die Anzahl der durchgeführten Entwicklungsgespräche mit Eltern von Kita-Kindern. Der Einwand, dass damit aber nicht wirklich die Qualität einer Dienstleistung gemessen wird, liegt nahe. Dennoch haben solche Ziele und ihre Überprüfung ebenfalls eine Berechtigung.
Ein Ziel, das für alle sozialen Dienstleistungen formuliert und relativ gut gemessen werden kann, ist die Zufriedenheit der Kund*innen. In der Regel werden hier regelmäßige Befragungen durchgeführt und das Ergebnis in einer Note zusammengefasst. Die Detailaussagen von solchen Befragungen können noch weitergehend analysiert werden, um spezifische Verbesserungsprozesse einzuleiten. Mit dieser Analyse kommt die Organisation auch der wichtigen QM-Anforderung „die Bedürfnisse der Kunden verstehen“ nach.
In den vergangenen Jahren gab es in der sozialen Arbeit eine breite Debatte um die Wirkungsevaluation, aber auch um Methoden der Evaluation und Selbstevaluation allgemein.
Kann eine soziale Dienstleistung, wie z.B. die sozialpädagogische Familienhilfe wirklich einlösen, was sie verspricht? Wie kann hier der Erfolg gemessen werden? Also wie kann eine „strukturierte Erfassung professionellen Handelns“ (Herrmann/Müller, 2019, S. 82) angemessen vorgenommen werden. In der Literatur werden Wirkungsziele und Handlungsziele unterschieden (a.a.O., S. 90 ff).
Handlungsziele, sind Ziele, die sich die Professionellen für ihr eigenes Handeln setzen (z.B. Elterngespräche führen). Wirkungsziele zielen auf Veränderungen ab, die die Adressat*innen der Dienstleistung betrifft (z.B. Jugendliche*r kann selbstständig eine Bewerbung schreiben). Indikatoren sind festzulegen, wann ein Ziel als erreicht gilt. Aber selbst wenn ein solches Ziel erreicht wird, bleibt die Frage, ob dies Dank der Intervention geschehen ist.
Vor allem die Formulierung und Überprüfung wirkungsorientierter Ziele, die zunehmend verlangt wird, ist herausfordernd. In wissenschaftlichen Studien, die als Längsschnittuntersuchung angelegt und eine ausreichend große Zahl von untersuchten Personen enthalten und Vergleichsgruppen einbeziehen, kann die Wirkung einer Intervention sicherlich untersucht werden. In einer Organisation ist der Aufwand, der für eine Evaluation betrieben werden kann, natürlich begrenzt. Komplexe empirische Untersuchungen können nicht durchgeführt werden.
Hier sinnvolle, handhabbare und überprüfbare Ziele für die eigene Arbeit zu formulieren, ist anspruchsvoll, aber wichtig. Der Blick ins Konzept, das meist viel verspricht, kann Anregungen geben. Ansprüche des Auftraggebers, wenn diese klar formuliert sind, wie z.B. bei Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsprojekten für Jugendliche, wie Vermittlung oder Prüfungserfolg, bieten ebenfalls eine Orientierung. Aber auch im letzten Beispiel, wird deutlich, ja, es kann etwas gemessen werden, aber was genau wurde gemessen? Die Güte der Intervention, oder die aktuelle Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes der Region. Noch anspruchsvoller ist es, den sogenannten „impact“, also die Wirkung eines Projekts auf die Gesellschaft, zu messen. Zur besseren Einordnung kann ein Vergleich über mehrere Jahre, aber auch ein Branchenvergleich, wenn die Daten zugänglich sind, vorgenommen werden. Die Begrenztheit der Aussagekraft muss aber anerkannt werden. Herrmann/Müller (2019) konstatieren, dass es „nahezu unmöglich ist, eindeutige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bei Interventionen Sozialer Arbeit nachzuweisen und Wirkungen im Einzelfall eindeutig zuzurechnen.“ (S. 106) Auch unter Berücksichtigung dieser Einwände, liefert die Evaluation, wenn sie auf fachlich hohem Niveau erfolgt, wichtige Hinweise zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen.
Im „Handbuch Wirkung“ (Phineo gem. AG, 2021) sind viele Anregungen zu finden, wie die Wirkung von Projekten analysiert werden kann. Umfangreiches Material zum Thema (z.B. alle QS-Broschüren des BMFSFJ) stellt auch das Institut für Evaluation „Univation“ auf seiner Internetseite (www.univation.org) zur Verfügung.
Dass dieses spannende Thema im Rahmen des QM oft noch nicht den notwendigen Stellenwert hat, ist zu bedauern. Folgendes Zitat fasst gut zusammen, worin der Wert von Evaluation liegt. „Zwar bemühen sich immer mehr Organisationen darum, die Resultate und Wirkungen ihrer Projekte zu analysieren und greifbar zu machen, gängige Praxis ist das aber noch nicht. Hinzu kommt, dass die wirkungsorientierte Projektsteuerung häufig als akademische Herausforderung verstanden oder aber einseitig im Sinne der Außendarstellung und Legitimation gedacht wird. Das jedoch greift zu kurz. Die wesentliche Bedeutung wirkungsorientierten Arbeitens liegt im Lernen und in der kontinuierlichen Verbesserung der eigenen Arbeit. Nur wer seine Arbeitsergebnisse, seine Stärken und Schwächen kennt, kann diese Erkenntnisse nutzen, um sich weiterzuentwickeln.“ (Phineo gem. AG, 2021, S. 7)
4.4.2 Audits, externe Prüfungen, Kundenfeedback
Im vorangegangenen Abschnitt stand die Überprüfung der Ergebnisqualität durch die Organisation selbst im Fokus. Struktur- und Prozessqualität, als weitere Dimensionen von Qualität werden aber ebenfalls überprüft, zum einen organisationsintern, aber auch von den Auftraggebern. Diese wollen in einigen Arbeitsfeldern mit eigenen Überprüfungen sicherstellen, dass die Mittel auftragsgemäß verwendet werden, z.B. der Personaleinsatz und die Bereitstellung von Räumen den Vorgaben entsprechen, aber auch Konzepte wie versprochen umgesetzt werden.
Interne AuditsDas klassische Instrument zur Überprüfung der Struktur- und Prozessqualität sind interne Audits. Zur Überwachung des QM-Systems und der eingeführten Handlungsabläufe führen größere Organisationen meist ein internes Auditsystem ein. Interne Auditor*innen werden geschult und berufen. Es können alle Bereiche der Organisation auditiert werden, auch Abläufe im Verwaltungs- und Organisationsbereich. Schwachstellen werden dadurch erkannt. Die Ergebnisse der Audits werden der Leitung berichtet und für die Einleitung von Verbesserungsmaßnahmen genutzt. Wenn es im Arbeitsfeld auch externe Prüfinstanzen gibt, werden sich die internen Audits auch an deren Prüfkriterien orientieren.
Audits und Überprüfungen werden von Mitarbeiter*innen häufig als lästig und unangenehm empfunden. Sie können aber auch als eine Gelegenheit betrachtet werden, bei der man zeigen kann, dass man gut und professionell arbeitet und wichtige Impulse für die Verbesserung der eigenen Arbeit erhält. Dies setzt voraus, dass im Audit eine vertrauensvolle Atmosphäre herrscht. Gefragt sind hier nicht nur die Auditor*innen, sondern insbesondere auch die Führungskräfte, die mit einer guten Fehlerkultur, in der Auditergebnisse als Anstoß für Verbesserungen und nicht für Sanktionen genutzt werden, die wichtigste Voraussetzung schaffen.
In der Regel werden in Audits Nachweise in Form von Dokumentationen gesichtet. Was nicht dokumentiert ist, hat nicht stattgefunden, weil es keinen Nachweis gibt. Diese Logik herrscht in der Regel in Audits und Überprüfungen. Organisationen, die Gutes tun, aber keine Nachweise vorlegen können in Form einer Dokumentation, fallen durch bei solchen Prüfungen. Qualitätsmanagement wird daher leider häufig mit Dokumentation gleichgesetzt. Vor allem die Dokumentation, die sich auf die unmittelbare Dienstleistungserbringung bezieht, wird meist als zu umfangreich und zeitraubend empfunden. Das Problem ist aber nicht die Dokumentation an sich, sondern das geforderte Ausmaß. In manchen Arbeitsbereichen ist eine äußerst kleinteilige Nachweisführung erforderlich. Diese Dokumentationspflichten sind aber keine Forderung der Qualitätsmanagementmodelle, sondern von Auftraggebern und Gesetzen vorgegeben.
Dass Dokumentation auch sinnvoll sein kann, professionelles Handeln nachweisbar macht, Transparenz herstellt (z.B. bei Übergaben) und Sicherheit gibt, dass alles Wichtige berücksichtigt wurde, gerät dabei leider in Vergessenheit.
Konzeptionell verankerte Themen wie Förderplanung, Ziel- oder Wirkungsorientierung, aber auch das veränderte Menschenbild in der Behindertenarbeit (von der Fürsorge hin zur Assistenz bei der Teilhabe) müssen über die Dokumentation stimmig abgebildet werden. Die eigentliche Herausforderung liegt hier nicht in der Dokumentation, sondern in der geforderten Ausrichtung des professionellen Handelns. Die Dokumentation ist hier das Abbild veränderter professioneller Konzepte.
Jede Art von Dokumentation kostet Zeit. Dies muss bei der Personalbemessung berücksichtigt werden. Nutzerfreundliche (digitale) Systeme sind in der Lage, die Dokumentation zu erleichtern.
Sie sollte an nur einem Ort, auf den alle Berechtigten Zugriff haben, erfolgen. In der Regel benötigen die Mitarbeiter*innen auch eine gute Einführung und Schulung zum Dokumentationssystem.
Eine andere Frage ist, ob eine gute und vollständige Dokumentation tatsächlich ein Nachweis für eine gute Qualität der Arbeit sein kann. Wenn sie sachkundig und ehrlich erfolgt ist, wird nachgewiesen, dass die Dienstleistung so „geliefert“ wurde, wie das der Kunde erwarten kann, und wie es versprochen wurde (siehe auch Definition von Qualität). Nicht mehr und nicht weniger.
Es gibt eine Debatte zum Thema „anders auditieren“ (vgl. Sommerhoff, 2019), auch als Reaktion auf die Kritik an der rein auf die Dokumentation ausgerichteten Prüfungen. Soziale Interaktionen in Worte zu fassen, erfordert ein gewisses Maß an Formulierungskunst. Diese Kunst beherrschen nicht alle Mitarbeiter*innen. Alternative Methoden, die genannt werden, sind z.B. Interviews oder Formen von teilnehmender Beobachtung. Es lohnt sich sicher, dieses Thema weiterzuverfolgen.
Externe ÜberprüfungenWie im Abschnitt der doppelte Kunde ausgeführt, spielt der Auftraggeber eine wichtige Rolle bei sozialen Dienstleistungen. Die meisten Angebote im sozialen Bereich sind öffentlich finanziert und gefördert. Daraus ergibt sich ein Recht auf Prüfung und die Verpflichtung, dass die Mittel angemessen und wie vorgesehen verwendet werden.
Nicht in allen Arbeitsfeldern gibt es regelmäßige externe Vor- Ort-Prüfungen durch den Auftraggeber bzw. eine Aufsichtsbehörde. In der Jugendhilfe wird nur bei der Erteilung der Betriebserlaubnis eine Überprüfung von Strukturqualität, wie Räumen oder Personal vorgenommen. Qualifikationen sind nachzuweisen und Konzepte vorzulegen. Solche Meldepflichten gibt es in mehreren Arbeitsbereichen.
Für einige Arbeitsfelder gibt es aber auch Prüfdienste, die die Qualität laufender Angebote regelhaft und anlassbezogen vor Ort überprüfen. Öffentlich am bekanntesten ist sicherlich der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der die Altenheime prüft. Seine Prüfergebnisse veröffentlicht er sogar. Die Angemessenheit der Prüfkriterien und des Vorgehens ist schon lange in der Kritik. Das Prüfverfahren wurde daher in jüngster Vergangenheit umgestellt. Neu ist, dass die Einrichtungen selbst die Qualität anhand festgelegter Indikatoren erfassen und übermitteln und der MDK nicht mehr jährlich prüft.
Auch Arbeitsmarktdienstleistungen werden regelmäßig in Vor-Ort-Audits durch Prüfdienste der Arbeitsagentur extern überprüft. Zudem müssen die Anbieter über ein Zertifikat gemäß der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsmarktdienstleistungen (AZAV) verfügen. Zu dessen Erlangung muss regelmäßig in Audits durch eine fachkundige Stelle ein funktionierendes QM-System nachgewiesen werden. Organisationen, die eine Zertifizierung nach der DIN EN ISO 9001 anstreben, müssen sich ebenfalls externen Audits stellen, in denen nachzuweisen ist, dass die Anforderungen der Norm erfüllt werden. Heimaufsichten prüfen Angebote für Behinderte, sowohl anlassbezogen bei Beschwerden, aber auch in Form von Regelprüfungen. Diese Prüfungen können jederzeit und unangemeldet erfolgen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft regelmäßig bei den Sprachkursträgern vor Ort die Qualität der Durchführung seiner Integrationskurse.
Alle diese Prüfdienste stützen ihre Urteile auf die Prüfung der Dokumentation und der schriftlichen Nachweise, befragen aber auch die anwesenden Bewohner*innen und Teilnehmer*innen.
Festgestellte Mängel sind nachweislich abzustellen. Im Bereich der AMDL können Strafzahlungen festgelegt werden und bei gravierenden Mängeln droht sogar Entzug des Auftrags. Auch Sprachkursträgern kann die Zulassung entzogen werden, wenn festgestellte schwere Mängel nicht abgestellt werden.
Bei allen Überprüfungen, seien sie intern oder extern, handelt es sich um Stichproben. Aber schon die Möglichkeit einer Kontrolle wirkt. Schwerpunkt fast aller Prüfungen ist die unmittelbare Dienstleistungserbringung und die Überprüfung der Strukturqualität. Das QM als System wird, wenn überhaupt, nur am Rande geprüft (zu Ausnahmen siehe oben).
Träger, die Angebote vorhalten, die extern überprüft werden, konzentrieren sich darauf, entsprechende Nachweise vorhalten zu können. Sie stellen sozusagen das Pflichtprogramm des QM dar. Leider gerät dadurch leicht der eigentliche „Spirit“, den ein gut aufgebautes umfassendes QM-System hat, in den Hintergrund. Diese Verkürzung auf das Vorlegen von Dokumentationen ist sicherlich mit verantwortlich dafür, dass das Qualitätsmanagement im sozialen Bereich oft einen schlechten Ruf hat.
Trotz allem, Kontrollen sind notwendig und legitim, auch im Interesse der oft besonders schutzbedürftigen Adressat*innen der sozialen Dienstleistungen, auch wenn sie bei Trägern und deren Mitarbeiter*innen nie beliebt sein werden. So wurde öffentlich beklagt, dass während der Hochphase von Corona z.B. in Altenheimen Prüfungen ausgesetzt waren. Bei den Trägern von sozialen Dienstleistungen gibt es, wie überall anders auch, schwarze Schafe. Diese zu identifizieren ist im Interesse aller. Auf Selbstkontrolle alleine zu bauen ist nicht ausreichend.
Auf der anderen Seite – ohne Vertrauen können wir nicht leben und arbeiten. Hier das richtige Maß und sinnvolle Formen zu finden ist eine Kunst. An der Verbesserung von Überprüfungen ist daher, was ganz im Geiste des QM ist, beständig weiter zu arbeiten.
Feedback von Kund*innen und anderen InteressengruppenNeben internen Audits und externen Überprüfungen gibt es noch weitere Instrumente zur Überprüfung und Bewertung der Qualität. Zu nennen sind hier organisierte Befragungen der Kund*innen (Einholung von Feedback) und der Mitarbeiter*innen. Die Ergebnisse liefern der Organisation wichtige Hinweise dazu, wie ihr Angebot bei den Kunden*innen ankommt. Mitarbeiter*innen bewerten die Führung der Organisation, ihre Arbeitsbedingungen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten.
Weiter gibt das Beschwerdemanagement, das in einigen Arbeitsfeldern auch gesetzlich vorgeschrieben ist, der Organisation wichtige Rückmeldungen zur Qualität ihrer Dienstleistung. In den Erziehungshilfen wurden 2021 die Rechte der jungen Menschen weiter gestärkt und unabhängige Ombudsstellen als Anlaufstellen für Beschwerden eingerichtet.
Wie alle „Messergebnisse“ werden in Organisationen, die ein QM-System eingeführt haben, diese Hinweise zur Verbesserung der Qualität genutzt.
Offenheit für Anregungen und der ehrliche Wille zur Verbesserung zeichnen eine gute Beschwerde- und Feedbackkultur aus.
Verstärkt nutzen Kund*innen heute Bewertungsplattformen und Social Media Kanäle, um ihre Meinung über Angebote kundzutun und Bewertungen anonym abzugeben. Mitarbeiter*innen beurteilen ihren Arbeitgeber. In Google-Rezensionen werden Jugendhäuser und andere Einrichtungen bewertet. Organisationen sind gut beraten, wenn sie hier aufmerksam sind und in den Dialog gehen. Systematisch genutzt im Rahmen des QM wird diese Form des Feedbacks meist noch nicht.
4.4.3 Fazit
Das Wichtigste beim Qualitätsmanagements ist, dass der Sinn des Ganzen im Zentrum steht: für den Kunden/die Kund*in die bestmögliche Dienstleistung zu erbringen und das ehrliche Interesse der Organisation daran, die eigene Arbeit stetig weiter zu verbessern.
Der Rahmen für das, was leistbar ist, ist in der Regel festgelegt durch die finanzielle Förderung des Angebotes durch die Auftraggeber. Nur innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann sich die Organisation bewegen. Mit anderen Worten, wenn der Kunde nur das Geld für ein Fahrrad bezahlt, erhält er keinen Mercedes, kann aber erwarten, dass er ein gut funktionierendes Fahrrad geliefert bekommt in der versprochenen Ausführung und Güte. Wenn das Fahrrad aber nicht die Lösung für das Problem ist, um im Bild zu bleiben, sondern mehr Komfort gebraucht wird, ist das auf der politischen Ebene zu verhandeln und keine Frage des Qualitätsmanagements.
Ein Qualitätsmanagement, das zur Organisation und ihren Aufgaben passt, ist ein hilfreiches Instrument zur Verbesserung der Arbeit und dient der Professionalisierung. Wichtig sind Akzeptanz bei den Mitarbeiter*innen, die Integration in den Arbeitsalltag und eine stetige Weiterentwicklung. Voraussetzung hierfür ist die umfassende Beteiligung der Mitarbeiter*innen an der Ausgestaltung. Qualitätsmanagement ist eine dauerhafte Aufgabe und erfordert permanent Zeit und Aufmerksamkeit der Akteur*innen und „Qualitätsmanagement und dessen Stellenwert im Unternehmen ist abhängig von der Begeisterung und dem Willen der Leitung sich diesem Thema zu widmen.“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 2016, S. 109)
„Standards und Regeln werden […] zu Hilfsmitteln, um den Arbeitsalltag leichter zu gestalten. Im Sinne einer Best Practice muss ich mir nicht immer wieder aufs Neue Gedanken machen, wie ich mit einer bestimmten Situation verfahren soll.“ (a.a.O., S. 25) Einen Zaun zu bauen, ist meist mit weniger Aufwand verbunden, als immer wieder alle Hühner einzufangen. Eine Überregulierung ist allerdings zu vermeiden, um notwendige Flexibilität zu erhalten. Diese Spannung ist nicht wirklich auflösbar und daher immer zu reflektieren bei Entscheidungen. Ein guter Standard ist „eine gemeinsame Festlegung entscheidender Kriterien und Merkmale, die für die Qualität der Dienstleistung bedeutsam sind.“ (a.a.O., S. 37)
Die neuen Revisionen der DIN EN ISO Norm und auch des EFQM-Modells legen besonderen Wert auf den Umgang der Organisation mit ihren Mitarbeiter*innen (im Hinblick auf Entwicklung, Motivation, Förderung, Einbeziehung). Gerade im Sozialen Bereich haben diese eine Schlüsselrolle. Zudem werden derzeit qualifizierte Mitarbeiter*innen dringend gesucht. Die ernsthafte Befassung mit diesem Teilbereich des Qualitätsmanagements kann der Organisation wichtige Hinweise geben. Auch mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Nutzen für alle Interessengruppen werden wichtige Themen auf die Agenda gesetzt. Gerade zu den Angeboten im sozialen Bereich passt das gut. Die Kunst ist hier, Wege zur praktischen Umsetzung zu finden. Schöne Leitbilder und Richtlinien auf dem Papier nützen wenig, wenn sie nicht in der Praxis eingelöst werden. Transparenz, Dokumentation und Überprüfung sind daher wichtig. Der Skandal bei einem großen Wohlfahrtsverband in jüngster Vergangenheit zeigt dies.
Ein ideales Qualitätsmanagement macht die Arbeit einfacher, weniger fehleranfällig, professionell auf hohem Niveau und transparent und auch nicht unwichtig, Erfolge sind darstellbar und zeigen Kund*innen, Auftraggebern und der Öffentlichkeit den Wert der eigenen Arbeit.
5 Quellenangaben
AWO Bundesverband e.V.: „AWO-Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der ISO 9001:2015“, Berlin 2016
Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (Hrsg.): „Qualitätsziele der Wohlfahrtsverbände zur Erreichung ihrer spezifischen Dienstleistungsqualität“, Berlin 2014
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Hrsg.): „Qualitätssicherung nach § 37 Abs. 1 SGB IX – Gemeinsame Empfehlung“, Frankfurt 2018
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): „Leitfaden für Qualitätsbeauftragte – QS 28“, Berlin 2000
Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (Hrsg.): „Qualitätsmanagement in der sozialen Dienstleistung“, Beltz Juventa, Weinheim 2016
European Foundation of Quality Management: „ Das EFQM-Modell“, Brüssel 2019
Herrmann, Franz/Müller Bettina: „Qualitätsentwicklung in der Sozialen Arbeit“, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart 2019
Mohr, Simon: „Abschied vom Managerialismus. Das Verhältnis von Profession und Organisation in der Sozialen Arbeit“, Dissertation Uni Bielefeld 2017
Phineo gem. AG: „Kursbuch Wirkung“, 6. Überarbeitete Auflage, Berlin 2021
Sommerhoff, Bendedict: „Anders auditieren – vom nutzlosen Ritual zur funktionierenden Potenzialanalyse“, Blogbeitrag DGQ 7.2.2019 (www.blog.dgq.de)
Sommerhoff, Benedikt/​Wolter, Olaf: „Agiles Qualitätsmanagement“, Carl Hanser Verlag, München 2019
TÜV Süd Management Service GmbH: „Qualität auf einen Blick- Leitfaden zur ISO 9001:2015“, München 2021
Verfasst von
Dr. Gabriele Körner
Promovierte Erziehungswissenschaftlerin, Supervisorin und Coach.
Bis August 2021 Beauftragte für Qualitätsmanagement beim Internationalen Bund e.V./IB Südwest gGmbH.
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Zitiervorschlag
Körner, Gabriele, 2022.
Qualitätsmanagement im sozialen Bereich [online]. socialnet Materialien.
Bonn: socialnet, 21.01.2022 [Zugriff am: 13.10.2024].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/29397.php
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