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Die Aufgaben des Aufsichtsrats bei Nonprofit-Organisationen

Dipl.-Kfm. Christian Koch

veröffentlicht am 16.08.2022

socialnet Materialien. Reihe 3: Nonprofit-Management in der Praxis (Christian Koch)

Inhalt

  1. 1 Rahmenbedingungen der Aufsichtsratstätigkeit
  2. 2 Besonderheiten bei Nonprofit-Organisationen
  3. 3 Funktionen des Aufsichtsrats
  4. 4 Aufgaben und Arbeitsaufwand

Sowohl wachsende Organisationsgrößen als auch steigende Erwartungen der Anspruchsgruppen stellen hohe Anforderungen an die Coporate Governance von Nonprofit-Organisationen (Nonprofit Governance). In dem Zusammenhang erfährt die Arbeit eines unabhängigen Aufsichtsorgans besondere Aufmerksamkeit.

1 Rahmenbedingungen der Aufsichtsratstätigkeit

In gemeinnützigen Organisationen sind in den letzten zehn bis zwanzig Jahren zahlreiche Aufsichtsorgane entstanden, teils durch Neugründungen von GmbHs und Stiftungen, teils durch Umstrukturierung von Vereinen. Einerseits werden in der Praxis unterschiedliche Namen für das Aufsichtsorgan verwendet und andererseits ist nicht jeder so genannte Aufsichtsrat ein echtes Kontrollorgan. In der folgenden Darstellung bezeichnet Aufsichtsrat ein Organ, das als Kernaufgabe die Aufsicht über die Geschäftsführung hat. Ein solches Aufsichtsorgan kann z.B. in einem Verein, einer Stiftung – hier oft als Stiftungsrat – oder in einer GmbH tätig sein.

In den meisten Fällen handelt es ehrenamtlich bzw. bekommt eine – ggf. als Sitzungsgeld pauschalierte – Aufwandsentschädigung, seltener wird es neben- oder gar hauptamtlich tätig. Die Verpflichtung zur sorgfältigen und umfassenden Aufgabenwahrnehmung besteht jedoch unabhängig von einem Entgelt für diese Tätigkeit. Eine – oft in ihrer Bedeutung überschätzte – Haftungsprivilegierung nach § 31a BGB gilt nur für einen Aufsichtsrat im Verein und nur, wenn dieser keine über die Ehrenamtspauschale hinausgehende Vergütung erhält. In diesen Fällen haftet er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Für die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern finden sich Regelungen im Aktienrecht, die analog auch bei anderen Rechtsformen angewendet werden. Nach § 93 Abs. 1 AktG hat zunächst der Vorstand der Aktiengesellschaft „die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ anzuwenden. Nach § 93 Abs. 2 AktG hat er im Streitfall als Beschuldigter nachzuweisen, dass er sorgfältig gehandelt hat (Umkehr der Beweislast). § 116 AktG wendet diese Regelungen analog auf den Aufsichtsrat an. Nach § 52 GmbHG sind die genannten Regelungen auch auf den Aufsichtsrat der GmbH anzuwenden. Mangels anderer Regelungen ist davon auszugehen, dass die Regelungen analog auch bei anderen Rechtsformen, wie dem Verein und der GmbH, zur Anwendung gelangen, insbesondere wenn diese einen wesentlichen Geschäftsbetrieb unterhalten.

Der angemessene Umfang der Organtätigkeit hängt von vielen Faktoren ab.

  • Je größer der Betrieb ist, umso umfassender werden die Kenntnisse und Aktivitäten sein, die von einer Aufsicht zu erwarten sind. Bei großen Konzernen verfügt der Aufsichtsratsvorsitzende daher über ein Büro und zumindest ein eigenes Sekretariat, ggf. eine Assistenzstelle.
  • Je komplexer der Betrieb ist, umso vielfältigere Kontroll- und Planungsaktivitäten sind vom Aufsichtsrat zu erwarten. Die Komplexität steigt insbesondere, wenn die Organisation an mehreren, ggf. weit auseinander liegenden Standorten, in mehreren Geschäftsfeldern oder in mehreren (Bundes-)Ländern tätig ist oder wenn eine Verbundstruktur, z.B. mit Tochtergesellschaften, zu überwachen ist.
  • Bei einer wirtschaftlichen Schieflage oder in einer Krise werden deutlich mehr Aktivitäten vom Aufsichtsrat erwartet, als wenn sich die Organisation in einem ruhigen Fahrwasser befindet.
  • Personelle Wechsel führen in der Regel ebenfalls zu einem höheren angemessenen Zeitaufwand. Dabei kann es sich um ein einzelnes neues Aufsichtsratsmitglied handeln, dass sich mit der Organisation noch vertraut machen muss, um einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, der sich in die Funktion einarbeiten muss oder um einen komplett neuen Aufsichtsrat, der z.B. Ressortverteilung und Arbeitsweise neu vereinbaren und sich in seine Rolle einfinden muss. Auch ein Wechsel in der Geschäftsführung kann dazu führen, dass für das gegenseitige Kennenlernen und die Entwicklung einer gemeinsamen Routine der Aufsichtsrat mit einem höheren Zeitaufwand rechnen muss.

Für den Vorsitz des Aufsichtsrats ist mindestens der doppelte, eher der drei- bis vierfache Arbeitsaufwand im Vergleich zum einfachen Aufsichtsratsmitglied zu erwarten. Der Unterschied kann geringer ausfallen, wenn einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern Ressorts zugewiesen werden, innerhalb derer eine eigenverantwortliche Informationsbeschaffung und Entscheidungsvorbereitung stattfindet.

Ausgangspunkt für die jeweiligen Aufgaben und Arbeitsabläufe sollte immer die Satzung der Organisation sein. Sinnvollerweise wird diese in den meisten Fällen eine Geschäftsordnung vorsehen, die als weitere Arbeitsgrundlage zwingend zu beachten ist. Die Satzung und die Geschäftsordnung können ggf. auf weitere Dokumente verweisen. Bei einer Verbandszugehörigkeit kann z.B. auf verbindliche Richtlinien oder Empfehlungen der Bundesebene verwiesen werden. Weitere Grundlagen liefern Gesetze (HGB und AktG mit Regelungen zum Aufsichtsrat, BGB mit Regelungen zum Auftragsrecht) und die Rechtsprechung.

2 Besonderheiten bei Nonprofit-Organisationen

Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines Aufsichtsrats einer Nonprofit-Organisation stimmen weitgehend mit denen eines steuerpflichtigen Unternehmens überein. Drei Aspekte sollten jedoch besondere Beachtung finden:

  1. Noch sind Aufsichtsräte in Nonprofit-Organisationen überwiegend unentgeltlich tätig. Bei der Nachfolgeplanung kommen daher nur Personen in Frage, die eine ideelle Bindung zu dem Anliegen der Organisation haben oder entwickeln. Die Bindung von externen ExpertInnen an die Organisation kann daher ein längerfristiger Prozess sein und sollte besonders vorausschauend geplant werden.
  2. Nonprofit-Organisationen sind oft den Interessen sehr vielfältiger Anspruchsgruppen ausgesetzt. Der Aufsichtsrat wird teilweise genutzt, um bestimmte Anspruchsgruppen (z.B. Zielgruppen der Angebote, Angehörige, Kirche etc.) direkt in die Unternehmenssteuerung und -aufsicht einzubinden. Auf jeden Fall muss der Aufsichtsrat über ausreichende Kenntnisse und Einfühlungsvermögen gegenüber diesen Anspruchsgruppen verfügen, damit die Organisation ihrem ideellen Auftrag gerecht werden kann.
  3. Da Nonprofit-Organisationen primär sachzielorientiert sind und ihr Zweck nicht in einer angemessenen Verzinsung von Einlagen der EigentümerInnen besteht, muss der Aufsichtsrat die ideelle Zielsetzung nicht nur abstrakt verstanden, sondern zutiefst verinnerlicht haben. Dies muss sich konkret in einer sachzielorientierten Steuerung niederschlagen. So sollten Zielvereinbarungen mit einer Geschäftsführung nicht nur ökonomische Ziele, z.B. angemessene Eigenkapitalentwicklung, sondern vor allem auch inhaltliche Ziele, z.B. Qualitätsziele oder Angebotsentwicklung, enthalten. Insbesondere wenn ExpertInnen aus der gewerblichen Wirtschaft in den Aufsichtsrat aufgenommen werden, ist es oft notwendig, diese Sachzielorientierung eindrücklich zu vermitteln.

3 Funktionen des Aufsichtsrats

Auch wenn sich die konkreten Funktionen nur der jeweiligen Satzung entnehmen lassen, gibt es doch typische Funktionen eines „echten“ Aufsichtsrats. Im konkreten Fall kann bei einzelnen Funktionen die Verteilung der Verantwortung zwischen Aufsichtsorgan und Geschäftsführungsorgan sehr unterschiedlich ausfallen.

Die Strategieentwicklung ist bei einem „starken“ Aufsichtsorgan die „vornehmste“ Aufgabe. Insbesondere wenn die GesellschafterInnen oder die Mitgliederversammlung („Eigentümer“) über den Aufsichtsrat auf die konkrete Geschäftspolitik wesentlichen Einfluss nehmen wollen, geschieht dies ganz wesentlich über die Mitwirkung bei der Strategieentwicklung und schließlich die Beschlussfassung über alle strategischen Entscheidungen, möglichst als ein jährlich aktualisiertes Strategiepapier mit Unternehmens- und Umfeldanalyse, strategischen Grundsatzentscheidungen sowie mehrjähriger Entwicklungsperspektive. Aber auch wenn der „Eigentümer“ keine spezifischen Vorstellungen von der Entwicklung der Organisation hat, muss sich der Aufsichtsrat zumindest soweit mit der strategischen Planung auseinandersetzen, dass er sie beurteilen kann. In den meisten Fällen werden ihm strategische Entscheidungen vorbehalten bleiben oder er Empfehlungen an den „Eigentümer“ aussprechen müssen, wenn dieser selbst strategische Entscheidungen trifft. Die intensive Befassung mit strategischen Fragen beruht sowohl auf der Kontrollpflicht wie auf dem Beratungsauftrag des Aufsichtsrats: Fast alle Krisen beginnen als strategische Krisen. Die rechtzeitige Anpassung an Umfeldentwicklungen wird verschlafen oder Defizite der Organisation nicht konsequent aufgearbeitet. Hier trifft den Aufsichtsrat eine erhebliche Mitverantwortung, diese meist langfristigen Fehlentwicklungen aufgrund seiner Distanz zum Tagesgeschäft deutlich zu erkennen und ihnen wirkungsvoll entgegenzuwirken.

Die Kontrolle der Geschäftsführung stellt die Funktion dar, die meist als Erstes mit dem Begriff Aufsichtsrat in Verbindung gebracht wird. Während in Amerika das Board-System (auch One-Tier-Modell) vorherrscht, bei dem Geschäftsführung und Aufsicht in einem Gremium vereint sind, dominiert in Deutschland das Aufsichtsratsmodell (Two-Tier-Modell) mit einer klaren organisatorischen Trennung von Geschäftsführung und Aufsichtsfunktion. Die Geschäftsführung führt die laufenden Geschäfte (operative Steuerung) mehr oder weniger autonom und der Aufsichtsrat beschränkt sich idealerweise auf die Kontrolle der operativen Geschäftsführung. Während bei der Aktiengesellschaft die operative Selbstständigkeit der Geschäftsführung (Vorstand der Aktiengesellschaft) durch den Gesetzgeber vorgeschrieben wurde, kann bei allen anderen für Nonprofit-Organisationen in Frage kommenden Rechtsformen die Autonomie der Geschäftsführung, z.B. durch umfangreiche Zustimmungsvorbehalte oder Weisungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, eingeschränkt werden. Eine zu weit gehende Beschränkung der Autonomie sollte jedoch vermieden werden, da mit zunehmendem Eingreifen des Aufsichtsrats in das Tagesgeschäft die Trennung von Geschäftsführung und Kontrollfunktion unterlaufen wird. Wenn der Aufsichtsrat geschäftsführende Tätigkeiten wahrnimmt, werde diese Entscheidungen und Handlungen nicht mehr durch ein unabhängiges Gremium kontrolliert, denn schließlich kann sich der Aufsichtsrat nicht selbst kontrollieren. Auch kann die Geschäftsführung später die Verantwortung für die Ergebnisse der Organisation zurückweisen, indem er sie auf die Eingriffe des Aufsichtsrats zurückführt. Kritisch zu beurteilen sind z.B. Weisungen in Bezug auf die Besetzung der nächsten Leitungsebene unter der Geschäftsführung.

Um die Geschäftsführung kontrollieren zu können, muss zumindest ein Aufsichtsratsmitglied (Financial Expert) über vertiefte betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügen. Der Aufsichtsrat muss sich mit der operativen Planung befassen und ausreichend zeitnah wesentliche Abweichungen von der Planung erkennen. Die Kontrollfunktion wird durch den direkt vom Aufsichtsrat beauftragten Wirtschaftsprüfer gestärkt. Darüber hinaus muss der Aufsichtsrat in der Lage sein, die wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und fachliche Entwicklung in den wesentlichen Geschäftsfeldern beurteilen zu können.

Die Außenvertretung gegenüber der Geschäftsführung wird nicht in allen Fällen durch den Aufsichtsrat, sondern manchmal auch direkt durch den „Eigentümer“ wahrgenommen. Bei der GmbH liegt diese Funktion häufig bei der Gesellschafterversammlung. Beim Verein ist die Mitgliederversammlung aufgrund ihrer Größe dazu meist nicht in der Lage und bei der Stiftung fehlt in der Regel ein weiteres Gremium jenseits des Stiftungsrats. Die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats mündet daher meistens in der Verantwortung für die Besetzung der Geschäftsführung einschließlich der Abberufung, der Vertragsgestaltung und der Personalführung.

Die Beratung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat kann eine wichtige Ressource für die Organisation darstellen, wenn der Aufsichtsrat die Entwicklung der Organisation mit mehr Abstand – weniger betriebsblind – betrachtet, zusätzliches Know-how einbringt und mit seiner kompetenten und vielseitigen Besetzung neue Perspektiven aufzeigt. Bei der Beratung besteht wie bei der Kontrollfunktion die Gefahr, sich zu stark auf das Tagesgeschäft einzulassen. Die Beratung sollte sich auf – durchaus engagiert vorgebrachte – Vorschläge beschränken und keinen direktiven Charakter annehmen. Als Teil der Beratung kann auch die Vermittlung von Kontakten (Netzwerkarbeit, Lobbying) angesehen werden. Bei der Besetzung des Aufsichtsrats wird neben dem Mix an Kompetenzen oft dem Potenzial zur Vernetzung mit anderen Institutionen besondere Bedeutung beigemessen. Die Einbindung von Aufsichtsratsmitgliedern mit hohem Vernetzungspotenzial kann jedoch gleichzeitig zu vielfältigen Interessenkonflikten führen.

Die Repräsentation der Organisation in der Öffentlichkeit, gegenüber zentralen Anspruchsgruppen oder gegenüber PartnerInnen ist nicht zwingend, aber in Praxis häufig eine weitere Funktion des Aufsichtsrats, insbesondere seines Vorsitzes. Der/die Aufsichtsratsvorsitzende einer Kapitalgesellschaft ist in allen Geschäftsbriefen – so wie auch die Geschäftsführung – zu nennen. Bei den anderen Rechtsformen sollte analog vorgegangen werden. Ein entsprechend besetzter Aufsichtsrat kann die Reputation der Organisation stärken. Die wahrnehmbare Kompetenz des Gremiums kann nach innen und außen vertrauensbildend wirken.

Die „Kunst einer guten Aufsichtsratstätigkeit“ liegt in der Balance zwischen sorgfältiger, ausreichend zeitnaher Befassung mit dem laufenden Geschäft und Engagement für eine zukunftsfähige Strategie einerseits und der weitgehenden Zurückhaltung gegenüber einer Einflussnahme auf das operative Geschäft. Dabei können die Kontrolldichte sowie die gestaltenden Anteile bei der Strategieentwicklung sowohl durch die jeweiligen Satzungsregelungen als auch durch die individuellen Absprachen zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung individuell unterschiedlich gestaltet werden, solange das Modell der Trennung zwischen Geschäftsführung und unabhängiger Aufsicht nicht im Kern unterlaufen wird.

4 Aufgaben und Arbeitsaufwand

Noch mehr als bei den Funktionen gilt bei den Aufgaben, dass die konkreten Regelungen der Satzung und meist einer Geschäftsordnung zu beachten sind. Trotzdem lässt sich ein typischer Aufgabenkatalog benennen.

Der angemessene Aufwand stellt nur einen Richtwert für eine Organisationsgröße von ca. 250 MitarbeiterInnen und eine mittlere Komplexität der Organisation dar.

Die offensichtlichste Aufgabe stellt das Gremienmanagement dar. Bereits aus der Satzung ergeben sich einige „Spielregeln“ für die Arbeit des Aufsichtsrats. Wichtige Aspekte des Sitzungsmanagements stellen die form- und fristgerechte Einladung, die frühzeitige Versendung von Unterlagen zur Vorbereitung, die Vorbereitung durch den Vorsitz und alle Gremienmitglieder, die vorausschauende Wahl der Sitzungsthemen, die Absprachen mit der Geschäftsführung und weiteren Gästen, die ordnungsgemäße und zeitnahe Dokumentation (Protokolle) sowie die angemessene, ergebnisorientierte Leitung der Sitzungen dar. Der Aufsichtsrat bzw. sein Vorsitz sind ggf. für die Einladung zu weiteren Gremien (Mitgliederversammlung des Vereins) oder die Bildung von Ausschüssen bzw. die Zusammenarbeit mit Ausschüssen (Prüfungsausschuss, Wahlausschuss, etc.) zuständig. Der Aufsichtsrat sollte insgesamt auf die Einhaltung der Satzung und damit auch auf die satzungskonforme Arbeit anderer Gremien, insbesondere des Geschäftsführungsorgans, achten. Die regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz der eigenen Arbeit (Evaluation) gehört mittlerweile zum Standard einer guten Nonprofit Governance.

Ein angemessener Arbeitsumfang könnte bei vier Sitzungen im Jahr liegen. Die Vor- und Nachbereitung durch die einzelnen Mitglieder könnte je nachdem, ob spezifische Ressortverantwortlichkeiten bestehen, bei dem gleichen bis doppelten Zeitaufwand der Sitzungstätigkeit liegen. Durch Planung und umfassendere Vor-/Nachbereitung der Sitzungen kann der Vorsitz mit mindestens dem doppelten Aufwand eines einfachen Mitglieds rechnen.

Die Personalverantwortung für die Geschäftsführung umfasst – sofern sie beim Aufsichtsrat liegt – insbesondere mittelfristige Nachfolgeplanung, Personalauswahl, Vertragsverhandlung, -abschluss und -kontrolle, Zielvereinbarung ggf. in Verbindung mit variablen Vergütungsbestandteilen, Personalentwicklungsgespräche einschließlich Feedback und Zielerreichungskontrolle, ggf. Abmahnungen, Kündigung und Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Geschäftsführung.

Der zeitliche Aufwand kann sich im normalen Geschäft auf einen Tagesordnungspunkt des Aufsichtsrats im Jahr und ein bis zwei vorbereitende bzw. vertiefende Gespräche mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden beschränken. Bei personellen Wechseln und in Krisenzeiten richtet sich der Aufwand nach den Erfordernissen. Diese hängen wesentlich davon ab, in welchem Umfang externe Dienstleistungen (Personalagentur, Anwaltskanzlei) in Anspruch genommen werden.

Der Aufsichtsrat ist zur Informationsbeschaffung verpflichtet. Den größten Teil des Informationsbedarfs wird er über ein laufendes Berichtswesen decken, dessen Umfang er mit der Geschäftsführung abspricht. Bei einer an ideellen Zielen orientierten Nonprofit-Organisation bietet es sich an, dass z.B. auch Qualitätsindikatoren, Zufriedenheit der Zielgruppen und ggf. Wirkungskennzahlen regelmäßig und nicht nur fallweise kommuniziert werden. Selbstverständlich sind zeitnahe betriebswirtschaftliche Auswertungen unerlässlich. Dabei sollten auch Ergebnisabweichungen einzelner Geschäftsbereiche und Einrichtungen bzw. Angebote sowie die Liquiditätslage deutlich werden. Je nach Art des Trägers können weitere Auswertungen erforderlich sein, z.B. aus dem Baukostencontrolling. Weitere Managementinstrumente (neben Kostenrechnung und Qualitätsmanagement z.B. Risikomanagement & Corporate Compliance, Projektcontrolling, Balanced Scorecard) sollten je nach Größe und Komplexität der Organisation eingerichtet sein und der Aufsichtsrat sollte sich zumindest über die wesentlichen Ergebnisse und die Qualität der Instrumente einen Überblick verschaffen. Um sich über den Wahrheitsgehalt des Jahresabschlusses, die Risikosituation und die Qualität des Rechnungswesens ein Urteil bilden zu können, ist die Kommunikation mit dem/der WirtschaftsprüferIn durch Entgegennahme des vollständigen Prüfungsberichts und ein persönlicher Kontakt im Rahmen eines Abschlussgesprächs unerlässlich. Zur Vertiefung besonders wichtiger bzw. kritischer Themen können Gespräche mit internen und externen ExpertInnen und die Prüfung weitergehender Unterlagen erforderlich werden. Dies können z.B. bei einer größeren Baumaßnahme Gespräche mit den Bereichsleitungen Finanzen und aus dem entsprechenden Geschäftsbereich sowie dem/der ArchitektIn oder ProjektplanerIn und die Durchsicht entsprechende Konzepte und Investitionsrechnungen sein.

Bei dem angemessenen Aufwand ist zwischen dem laufenden Geschäft und besonderen Vorkommnissen zu unterscheiden. Für die laufende Information sollten monatliche oder quartalsweise Auswertungen für alle Aufsichtsratsmitglieder und eine Jahresplanung mit Schwerpunktthemen für vier Aufsichtsratssitzungen genügen. Die Schwerpunktthemen könnten z.B. Qualitäts- und Risikomanagement, Jahresabschluss & Aussprache mit dem/der WirtschaftsprüferIn, strategische Planung sowie Vorbereitung der jährlichen Mitgliederversammlung und Personalpolitik umfassen. Beim Vorsitz kann der laufende Informationsfluss durch monatliche statt nur quartalsweise und ggf. detailliertere Auswertungen vertieft werden. Zudem könnte monatlich eine Besprechung mit der Geschäftsführung sinnvoll sein, um gemeinsam herausfiltern zu können, welche Informationen für alle Aufsichtsratsmitglieder sinnvoll sind, die Gremiensitzungen gemeinsam vorzubereiten und das Auftreten des Aufsichtsrats nach außen abzusprechen. Auch Aspekte der Personalführung werden in diese Gespräche einfließen. Entsprechendes gilt für ressortverantwortliche Mitglieder des Aufsichtsrats in ihrem jeweiligen Ressort. Bei besonderen Vorkommnissen ist selbstverständlich eine sofortige Abstimmung zwischen Geschäftsführung und Vorsitz des Aufsichtsrats angemessen und sie können zu einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung führen.

Die interne und externe Kontaktpflege tritt als Ergänzung neben die eher formelle Informationsversorgung über Berichtswesen und Sitzungen. Kaum ein Mitglied eines Aufsichtsorgans wird seine Arbeit auf das Lesen von Berichten und vier Sitzungen im Jahr beschränken. Die Teilnahme an Veranstaltungen unterschiedlichster Art (Tag der Offenen Tür, Weihnachtsfeier, Eröffnung von Einrichtungen, Empfang bei BürgermeisterIn, …) bietet wichtige Gelegenheiten, sich informell ein Bild u.a. von den Erwartungen zentraler Anspruchsgruppen (z.B. Mitglieder), der Arbeit der Einrichtungen und Abteilungen, dem Arbeitsklima und der Außenwirkung zu machen.

Der Aufwand bleibt bei fünf bis zehn Veranstaltungen im Jahr für den Vorsitz überschaubar, kann jedoch im Einvernehmen der Beteiligten auch deutlich ausgeweitet werden. Der Vorsitz kann durch die Einbeziehung aller Aufsichtsratsmitglieder in repräsentative Auftritte entlastet werden.

Auch wenn dies eigentlich mit Gremienmanagement abgedeckt ist, soll zum Schluss noch einmal auf Entscheidungsfindung & Beschlusskontrolle als Kernaufgabe hingewiesen werden. Die wichtigste Funktion des Aufsichtsorgans ist es, über die personelle Besetzung der Geschäftsführung, strategische Ziele, in der Regel den Wirtschaftsplan und besondere Einzelfragen zeitnah und qualifiziert zu befinden. Anschließend hat der Aufsichtsrat sich laufend über die Umsetzung der Beschlüsse zu informieren, Verzögerungen oder Zielverfehlungen zu analysieren und angemessene Maßnahmen einzuleiten. Ein formal reibungslos funktionierender und hochkarätig besetzter Aufsichtsrat nützt der Organisation nichts, wenn er nicht den Mut zu manchmal unpopulären Entscheidungen und ihrer Umsetzung hat. Dies kann im unangenehmsten Fall die vorzeitige Trennung von der Geschäftsführung bedeuten.

Diese Kernaufgabe verursacht zumindest zeitlich keinen zusätzlichen Aufwand, sondern ist in den Gremiensitzungen bereits berücksichtigt. Emotional kann diese Aufgabe allerdings in Konflikt- und Krisenfällen den wesentlichen Belastungsfaktor für den Aufsichtsrat darstellen.

Der Reiz einer meist ehrenamtlichen Aufsichtsratstätigkeit bei Nonprofit-Organisationen liegt darin, eigene Kompetenzen gezielt zum Wohl eines gemeinwohlorientierten Anliegens einbringen zu können.

Verfasst von
Dipl.-Kfm. Christian Koch
Geschäftsführer der socialnet GmbH und selbständiger Unternehmensberater für Nonprofit-Organisationen
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Zitiervorschlag
Koch, Christian, 2022. Die Aufgaben des Aufsichtsrats bei Nonprofit-Organisationen [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 16.08.2022 [Zugriff am: 04.12.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/29544.php

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