socialnet Logo

Hin und her und hin – zum Verhältnis der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialstaatlichen Leistungen

Sebastian Lehr

veröffentlicht am 28.07.2023


https://doi.org/10.60049/uqod9743

Der Aufsatz beleuchtet aus der Perspektive der Beratungspraxis von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern heraus den Grundsatz der Nachrangigkeit von Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und zeigt Ausnahmen sowie Rückausnahmen von dieser Nachrangigkeit auf.

Inhalt

  1. 1 Einleitung
  2. 2 Grundsatz des Nachranges
  3. 3 Drei Ausnahmen
  4. 4 Drei Rückausnahmen
  5. 5 Besonderheit der Kostentragung
  6. 6 Zusammenfassung
  7. 7 Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Der Aufsatz beschäftigt sich mit dem grundsätzlichen Verhältnis der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialstaatlichen Leistungen und beleuchtet Ausnahmen innerhalb dieses Verhältnisses. Dies erfolgt mit Fokus auf die Beratungspraxis der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die bei ihrer Tätigkeit vor der Herausforderung stehen, ihre Klientinnen und Klienten bestmöglich hinsichtlich etwaiger Leistungsansprüche zu beraten.

Hierzu wird zunächst der Grundsatz der Nachrangigkeit der Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe dargestellt. Dieser besagt, dass Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber anderen – gerade auch sozialstaatlichen – Verpflichtungen und Leistungen nachgehen. Kommen Angesicht der Notlage der Betroffenen verschiedene sozialstaatliche Leistungen in Betracht, so sind grundsätzlich zunächst diese anderen sozialstaatlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen. Nachfolgend werden sodann Ausnahmen und Rückausnahmen von diesem vorstehenden Grundsatz der Nachrangigkeit dargestellt und (auch) die Frage der Kostentragung für die Leistungen beleuchtet.

Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.

1 Einleitung

In der Praxis der Sozialen Arbeit stehen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter immer wieder vor der Frage, welche sozialstaatliche Leistung für den Bedarf der Klientin bzw. des Klienten im Einzelfall in Betracht kommt; denkbar sind vielfach verschiedene Leistungen, sodass die Bestimmung, welche konkrete Leistung tatsächlich gewährt werden kann, von zentraler Bedeutung ist. Die Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe sind ebenso wie z.B. Leistungen der Sozialhilfe oder Leistungen der Eingliederungshilfe eingebunden in das sozialstaatliche Leistungssystem i.S.d. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; sie sind kein unabhängiger Staat im Staate. Kommen nun in der Praxis der Kinder – und Jugendhilfe nach fachlicher sozialpädagogischer Beurteilung Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in Betracht, so stellt sich vielfach die Frage, ob nicht etwa oder ob nicht auch andere sozialsstaatliche Leistungen in Betracht kommen können – oder sogar müssen; je nach der konkreten Notlage einer Klientin oder eines Klienten sind solchermaßen vielfach verschiedene Sozialleistungen denkbar und die Versuchung liegt nahe, die fachliche beste Leistung für die Klientin oder den Klienten vorzuschlagen und zu begleiten. Die rechtlichen Bestimmungen schließen es freilich aus, ersten Impulsen und spontanen, oft auch aus der Eilbedürftigkeit und Dinglichkeit der Situation geborenen Impulsen nachzugeben. Vielmehr bietet das Recht verlässliche Vorgaben, um die jeweils rechtlich richtige Sozialleistung in Anspruch nehmen zu können.

2 Grundsatz des Nachranges

Ausgangspunkt zu Bestimmung des Verhältnisses der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialstaatlichen Leistungen ist § 10 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), die Vorschrift lautet:

„Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.“

Nach allgemeiner Meinung legt § 10 Abs. 1 SGB VIII trotz des nicht eindeutigen Wortlauts ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis fest (BVerwGE 137, 85). Mittels dieser Bestimmung ist der sog. Nachrang der Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe normiert. Der Grundsatz vom Nachrang der Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe besagt, dass Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber anderen – gerade auch sozialstaatlichen – Verpflichtungen und Leistungen nachgehen. Kommen also Angesicht der Notlage der Klienten oder des Klienten verschiedene sozialstaatliche Leistungen in Betracht, so sind die zunächst diese anderen sozialstaatlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen; die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe stehen am Ende etwaiger Leistungen. Hätte es damit sein Bewenden, so wäre das Verhältnis der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialsstaatliche Leistungen ohne Weiteres geklärt und unschwer zu berücksichtigen.

Allerdings ist das Recht vielfach so vielschichtig, wie es auch die konkreten Lebenslagen sein können. Und so ist auch der Grundsatz vom Nachrang Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe kein erratischer Block, sondern durch drei Ausnahmen (II.) und drei Rückausnahmen (III.) und eine Besonderheit für die Kostentragung (IV.) gekennzeichnet.

3 Drei Ausnahmen

Der Grundsatz vom Nachrang der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe besagt, dass die Leistungen anderer Sozialleistungsträger vorgehen und die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nachgehen. Nun bestehen jedoch drei Ausnahmen, in denen die Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe doch nicht nachgehen, sondern gerade vorrangig sind,

Die erste Ausnahme ergibt sich nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Die Vorschrift lautet: „Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor.“

Folglich gilt für das Verhältnis zwischen den Leistungen der öffentlichen Kinder und Jugendhilfe und den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), dass die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe hier doch vorrangig sind. Sie sind also in diesem besonderen Verhältnis nicht, wie es der Grundsatz vom Nachgang besagt, nachrangig, sondern sie sind nun doch vorrangig. Kommen also in der konkreten Situation sowohl Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe als auch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Betracht, so sind die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.

Die zweite Ausnahme ergibt sich nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII (1. Alt.). Die Vorschrift lautet:„Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten […] Buch vor.“

Damit gilt für das Verhältnis zwischen den Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe und den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe (SGB IX) erneut die Ausnahmeregelung, dass hier die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht, wie es der Grundsatz vom Nachrang vermuten lässt, nachrangig, sondern doch vorrangig sind. Ist also in der Praxis fraglich, ob sich die Hilfe für eine Klientin oder einen Klienten nach dem SGB VIII oder nach dem SGB IX richtet, so ist die Frage mit dem Vorrang des SGB VIII zu beantworten. 

Die dritte Ausnahme ist nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII (2. Alt.) vorgesehen. Die Vorschrift lautet: „Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem […] Zwölften Buch vor.“

Somit gilt auch für das spezifische Verhältnis zwischen den Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII), dass nicht etwa der Grundsatz vom Nachrang ohne Weiteres gilt und solchermaßen die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nachrangig sind, sondern dass hier die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe doch vorgehen. Ist es also in einem konkreten Fall denkbar, dass sowohl Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe als auch Leistungen der Sozialhilfe Anwendung finden können, so sind die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe vorrangig in Anspruch zu nehmen.

Zusammengefasst also besteht der Grundsatz vom Nachrang der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht in reiner und absoluter Form, sondern er ist weiter gekennzeichnet durch drei Ausnahmen, in denen die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht nachrangig, sondern gerade doch vorrangig sind – im Verhältnis zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, im Verhältnis zu Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und im Verhältnis zur Sozialhilfe.

4 Drei Rückausnahmen

Zu diesen drei Ausnahmen, in denen die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe anderen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und der Sozialhilfe doch vorgehen, bestehen nun weiter drei korrespondierende Rückausnahmen – also Regelungen, in denen die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nun doch nicht ausnahmsweise vorrangig sind, sondern nun doch wieder nachrangig sind (und so dem Grundsatz vom Nachrang in seiner absoluten Fassung entsprechen).

Die erste Rückausnahme bezieht sich auf die erste Ausnahme und damit auf das Verhältnis zwischen SGB VIII und SGB II; nach der ersten Ausnahme sind die Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber Leistungen nach dem SGB II doch vorrangig.

Diese erste Rückausnahme ergibt sich aus § 10 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII. Die Vorschrift lautet:

„Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.“

Folglich gilt für bestimmte Leistungen nach dem SGB II, z.B. kommunale Eingliederungsleistungen, und für Leistungen nach § 6b Abs. 2 BKGG (Bundeskindergeldgesetz) i.V.m. § 28 Abs. 6 SGB II, z.B. die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Kindertagespflege, dass diese Leistungen vorrangig sind und dass hier die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe doch nachrangig bleiben.

Die zweite Rückausnahme bezieht sich auf die zweite Ausnahme; nach der zweiten Ausnahme sind die Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungen nach dem SGB IX doch vorrangig.

Diese zweite Rückausnahme ist in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII geregelt. Die Vorschrift lautet insoweit:

„Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen […] nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor.“

Somit sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX für junge Menschen, die körperlich oder geistig – nicht aber seelisch – behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, z.B. Assistenzdienste, im Verhältnis zu den Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe doch vorrangig; hier sind die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe also doch nachrangig.

Aufgrund der der unterbliebenen Regelung für Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) seelischen Behinderung gilt diese Rückausnahe für sie nicht – und es verbleibt bei der Ausnahme, d.h. bei der vorrangigen Verpflichtung der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 35a SGB VIII.

Im Übrigen können gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII nach Maßgabe des Landesrechts Leistungen der Frühförderung für Kinder – unabhängig von der Art der Behinderung – vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden. So sieht z.B. Art. 64 Abs. 2 AGSG (Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze) vor, dass Maßnahmen der Frühförderung für Kinder – unabhängig von der Art der Behinderung – von den Trägern der Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des SGB IX gewährt werden.

Die dritte Rückausnahme korrespondiert mit der dritten Ausnahme; nach der dritten Ausnahme sind die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe im Verhältnis zur Sozialhilfe nicht nachrangig, sondern sie gehen ihnen doch vor.

Die dritte Rückausnahme ist ebenfalls in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII bestimmt. Die Vorschrift lautet insoweit: „Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches […] den Leistungen nach diesem Buch vor.“

Daher sind die Leistungen der Jugendhilfe in diesem spezifischen Kontext gegenüber diesen Leistungen nach dem SGB XII doch nicht vorrangig, sondern nachrangig, z.B. soweit die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für Schülerinnen und Schüler (als Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt) benötigt wird.

Zusammengefasst bestehen also drei Rückausnahmen – für bestimmte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuche, für bestimmte Leistungen der Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen und für bestimmte Leistungen der Sozialhilfe –, in denen die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe doch wiederum nachrangig sind und somit dem Grundsatz vom Nachrang in seiner Ausgangsbestimmung entsprechen. 

Graphisch veranschaulicht stellt sich das Verhältnis zwischen dem Grundsatz vom Nachgang der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, seinen drei Ausnahmen und seinen drei Rückausnahmen somit wie folgt dar (Knödler 2023):

NAchrang
Abbildung 1: Nachrang der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Quelle: Knödler 2023, S. 32)

Anzumerken ist, dass § 10 Abs. 4 SGB VIII ab dem 01.01.2028 folgende neue Fassung erhalten wird:

„Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten Buch vor. Leistungen nach diesem Buch für junge Menschen mit seelischer Behinderung oder einer drohenden seelischen Behinderung werden auch für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder mit einer drohenden körperlichen oder geistigen Behinderung vorrangig vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt. Das Nähere über

  1. den leistungsberechtigten Personenkreis,
  2. Art und Umfang der Leistung,
  3. die Kostenbeteiligung und
  4. das Verfahren bestimmt ein Bundesgesetz auf Grundlage einer prospektiven Gesetzesevaluation.“

Künftig werden daher Leistungen der Eingliederungshilfe zugunsten junger Menschen – und zwar unabhängig von der Art ihrer Behinderung – durch die öffentliche Kinder- und Jungendhilfe erbracht (sog. inklusive Lösung bzw. sog. große Lösung). Die derzeit noch geltende Trennung der Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe – zwischen der öffentlichen Jugendhilfe als solcher und der Eingliederungshilfe als solcher – nach der Art der Behinderung wird damit entfallen.

5 Besonderheit der Kostentragung

Geht es um das Verhältnis der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialstaatlichen Leistungen, so ist schließlich die besondere Regelung der Kostenbeteiligung gemäß § 10 Abs. 2 SGB VIII zu berücksichtigen. Danach sind unterhaltspflichtige Personen nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b SGB VIII an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach dem SGB VIII zu beteiligen. Und soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach dem SGB VIII gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

6 Zusammenfassung

Wie eingangs dargestellt, stehen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in ihrer täglichen Praxis vor der Aufgabe der möglichst rechtssicheren Beurteilung, welche sozialstaatliche Leistung für den Bedarf der jeweiligen Klientin bzw. des jeweiligen Klienten im Einzelfall in Betracht kommt. Diese Bestimmung richtet sich nach § 10 Abs. 1, 3 und 4 SGB VIII: Grundsätzlich sind die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe gegenüber anderen sozialstaatlichen Leistungen nachrangig, die anderen Leistungen gehen vor. Ausnahmsweise verhält es sich aber in drei Bereichen – im Verhältnis zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, im Verhältnis zu Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und im Verhältnis zur Sozialhilfe – anders; hier sind die Leistungen der öffentlichen Kinder und Jugendhilfe doch vorrangig. Und schließlich gibt es für diese drei Ausnahmen die korrespondierenden Rückausnahmen, d.h. für einzelne und bestimmte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und der Sozialhilfe – sind doch wiederum diese Leistungsträger zuständig und die Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe bleiben nachrangig.

7 Literaturverzeichnis

Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – vom 11.09.2012, BGBl. I S. 2022, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.10.2021, BGBl. I S. 4607.

Bundeskindergeldgesetz vom 28.01.2009, BGBl. I S. 142, 3177, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2021, BGBl. I S. 4906.

Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 08.12.2006, GVBl. S. 942, BayRS 86-7-A/G, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2021, GVBl. S. 671.

Knödler, Christoph: Grundlagen – SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Textausgabe mit praxisorientierter Einführung, 2. Auflage Regensburg 2023, S. 32.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3234, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.09.2021, BGBl. I S. 4530.

Zweite Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – vom 13.05.2011, BGBl. I S. 850, 2094, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.11.2021, BGBl. I S. 4906.

Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3022, 3023, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, BGBl. I S. 5162.

Verfasst von
Sebastian Lehr
Rechtsanwalt
Lehrbeauftragter OTH Amberg- Weiden
Lehrbeauftragter OTH Regensburg

Mailformular

Es gibt 2 Materialien von Sebastian Lehr.

Zitiervorschlag
Lehr, Sebastian, 2023. Hin und her und hin – zum Verhältnis der Leistungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu anderen sozialstaatlichen Leistungen [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 28.07.2023 [Zugriff am: 27.04.2025]. https://doi.org/10.60049/uqod9743

Urheberrecht
Dieser Beitrag ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, helfen wir Ihnen gerne weiter. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Materialien für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.