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Staatliche Heimaufsicht und Qualität in der stationären Pflege

Klaus Schmitz, Dr. Eckart Schnabel

veröffentlicht am 02.05.2006

Der folgende Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins (NDV), Ausgabe 4/2006, Seite 170-178. Wir danken dem Deutschen Verein für die Erlaubnis der Veröffentlichung.

Das socialnet Branchenbuch bietet eine Übersicht über alle Einrichtungen der Heimaufsicht

Zusammenfassung

Empirische Untersuchungen aus dem Jahr 2003 weisen auf tiefgreifende Probleme der Heimaufsicht hin.

Im Rahmen der Qualitätssicherungsdiskussion in stationären Pflegeeinrichtungen ist die Rolle der Heimaufsicht bislang weitgehend unerforscht, obwohl sie als bedeutender Akteur der externen Qualitätssicherung einzustufen ist. In einer flächendeckenden Befragung von Heimaufsichtsbehörden aus dem Frühjahr 2003 treten tiefgreifende Probleme der Heimaufsicht bei der Bewältigung ihres umfassenden und erweiterten gesetzlichen Prüfauftrags zutage. Diese betreffen vor allem teilweise unzureichende personelle Ressourcen, zu geringe Prüffrequenzen in den Heimen sowie die Unsicherheit bei der Bewertung von Qualitätsgesichtspunkten in den Heimen. Weitere Untersuchungen hierzu sind dringend angeraten.

1. Einleitung: Die Rolle der Heimaufsicht in der Qualitätssicherungsdebatte

Auch zehn Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung hat die Debatte um die Qualität in der Pflege nichts an Aktualität eingebüßt. Vielmehr zeigen die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Qualitätskriterien, Pflege- und Versorgungsstandards sowie geeignete Verfahren der Personalbemessung, dass dieses Thema nach wie vor zentraler Gegenstand (fach)öffentlicher Aufmerksamkeit ist.[1] Auch wenn durch die Qualitätsentwicklungsinitiativen die Phase mangelnder Orientierung und fehlender wissenschaftlicher Fundierung mittlerweile zumindest partiell überwunden zu sein scheint, so ist die Diskussion um Begriffe, Konzepte und entsprechende Maßnahmen immer noch unübersichtlich. Neben der Kontroverse fachlich-inhaltlicher Aspekte sind es aber v.a. die unterschiedlichen Akteursperspektiven und -interessen, die einen Konsens über geeignete Qualitätskriterien und -niveaus erschweren.[2] Angeheizt wird diese Debatte überdies durch regelmäßig aufgedeckte „Pflegeskandale“ bzw. Missstände in einzelnen Heimen, die durch die Art ihrer medialen Vermittlung einer sachlichen Auseinandersetzung häufig nicht zuträglich ist. Umso weniger erstaunt es vor diesem Hintergrund, dass die Akzeptanz der stationären Pflege bei den älteren Menschen als sehr gering einzustufen ist.[3] Mehr denn je besteht ein dringender Bedarf nach einer Versachlichung der Debatte und verlässlichen Grundlagen zur Bewertung der Qualität in der stationären Pflege.

Es mangelt andererseits nicht an ernsthaften Versuchen zur Qualitätsentwicklung. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren hierzu eine Reihe von Aktivitäten entfaltet, am prominentesten in Form des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes (PQsG) und der 3. Novelle des Heimgesetzes.[4] Im Herbst 2005 beendete der von den Bundesministerinnen Ulla und Renate Schmidt initiierte „Runde Tisch Pflege“ seine Arbeit und legte eine Vielzahl von Anregungen und Vorschlägen zur Verbesserung der Qualität in der Pflege vor, denen weitere gesetzgeberische Maßnahmen folgen sollen.

Für den stationären Bereich stehen mit dem MDK und der Heimaufsicht Akteure der externen Qualitätskontrolle mit weitreichenden Befugnissen bereit. Konsens ist allerdings, dass Qualität nicht von außen in die Einrichtungen „hineinkontrolliert“ werden kann, sondern von innen heraus entwickelt werden muss – dies entspricht im Übrigen auch dem gesetzlichen Auftrag, wonach die Träger von Pflegeeinrichtungen „für die Qualität der Leistungen ihrer Einrichtungen einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität verantwortlich“ sind (§ 112 SGB XI).

Auch wenn für die Behauptung eines „offenbaren Versagens“ der Heimaufsicht[5] die empirische Grundlage fehlt, so wird ihre Aufgabe von allen Beteiligten als schwierig eingestuft. Dazu tragen u.a. rechtliche Unklarheiten im Schnittfeld von Sozialleistungs- und Ordnungsrecht bei, ebenso wie der bisher fehlende Konsens über objektiv nachprüfbare Qualitätsstandards. Teilweise wird das Bemühen um Qualitätsverbesserungen auch konterkariert durch populistisch angehauchte Forderungen nach „Entbürokratisierung“ (z.B. bei Qualitätsnachweisen und Pflegedokumentationen), bei denen die Interessen der Heimbetreiber unterschwellig über die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen nach einer qualitativ hochwertigen Versorgung gestellt werden. Dieser Bürokratisierungsvorwurf hält einer empirischen Prüfung zudem nicht stand. Einer Studie von Wingenfeld und Schnabel[6] zufolge stehen für die Pflegedokumentation etwa 7 Minuten pro Bewohner und Tag zur Verfügung (etwa 5 % des Leistungsgeschehens), was die Autoren zu folgendem kritischem Schluss veranlasst: „Es ist schwer vorstellbar, dass innerhalb dieser Zeitmarge allen (…) Anforderungen, die für eine fachlich anspruchsvolle Dokumentation kennzeichnend wären, nachgekommen werden kann.“[7]

Unbestritten ist zumindest, dass durch die Novellierung des Heimgesetzes die Kompetenzen der Heimaufsicht wesentlich erweitert worden sind. So wurde u.a. Zweck und Anwendungsbereich des Heimgesetzes ausgedehnt, die Regelungen zu Heimverträgen konkreter gefasst, die Heimmitwirkung deutlich gestärkt, die Pflichten der Heimbetreiber ausgeweitet, neue Kooperationserfordernisse eingeführt sowie die Eingriffsrechte der Heimaufsicht erweitert. Dementsprechend aufwändiger gestaltet sich auch ihre Tätigkeit.

Vor diesem Hintergrund verwundert es durchaus, dass die Rolle der Heimaufsicht im Qualitätsgeschehen bislang noch kaum systematisch untersucht worden ist.[8] Ein erster Ansatz für eine Bestandsaufnahme bot sich der Forschungsgesellschaft für Gerontologie in Dortmund im Rahmen eines Projektes zur Situation der Heimaufsicht, über das im Folgenden berichtet werden soll.

2. Ergebnisse einer Befragung von Heimaufsichtsbehörden

Die hier präsentierten Darstellungen basieren auf einer postalischen Befragung im Zeitraum April bis Juni 2003, wobei die Grundgesamtheit aus sämtlichen (durchführenden) Heimaufsichtsbehörden in Deutschland bestand; insgesamt waren dies 321 Behörden. Je nach Größe und Verwaltungsgliederung der Bundesländer reicht die Zahl der Heimaufsichtsbehörden von 96 (Bayern) bis einer (Saarland, Berlin).

Der Rücklauf der Erhebung betrug insgesamt 22 %, wobei die Quoten je nach Bundesland sehr stark variierten. Insgesamt nahmen vier Bundesländer nicht an der Befragung teil (Berlin, Bremen, Brandenburg, Saarland), ein geringer Rücklauf kam aus fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein). Dagegen konnte ein nahezu vollständiger Rücklauf in zwei Bundesländern (Hamburg, Sachsen) und ein vollständiger Rücklauf in drei Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt) erzielt werden. Auch wenn die Ergebnisse somit keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben können, so sind sie doch geeignet für eine erste Bestandsaufnahme und lassen Tendenzen erkennen, die in späteren Untersuchungen vertieft werden können.

2.1 Organisation der Heimaufsicht

Nach § 23 HeimG bestimmen die Länder die mit der Durchführung der Heimaufsicht zu beauftragenden Behörden. Es sollte davon auszugehen sein, dass die jeweilige länderspezifische Organisation der Heimaufsicht keinen nennenswerten Einfluss auf die Qualität der Heimaufsicht ausübt. Die zuständigen Behörden der Heimaufsicht in den Bundesländern und der Rücklauf der Erhebung sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1: Regelungen der Bundesländer zur Heimaufsicht (Stand: 2003)

Bundesland

Zuständige Durchführungsbehörden der Heimaufsicht

Anzahl

Rücklauf der Erhebung

Baden-Württemberg

- Landratsämter, in den Stadtkreisen die Gemeinden als untere Verwaltungsbehörden

44

4 (9 %)

Bayern

- Kreisverwaltungsbehörden (Landratsämter, kreisfreie Städte)

96

20 (21 %)

Berlin

- ab 2001: Bezirksämter, übergeordnet: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg

- ab 2004: Landesamt für Gesundheit und Soziales

1

--

Brandenburg

- Landesamt für Soziales und Versorgung, Abt. 5 Landessozialamt/Heimaufsicht/überörtliche Betreuungsbehörde, 2 ASV-Zweigstellen

2

--

Bremen

- Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (für die Städte Bremen und Bremerhaven)

1

--

Hamburg

- Bezirksämter

7

6 (86 %)

Hessen

- Landesamt für Versorgung und Soziales (im Regierungspräsidium Gießen)

- nachgeordnet: Ämter für Versorgung und Soziales

8

4 (50 %)

Mecklenburg-Vorpommern

- Landkreise, kreisfreie Städte

18

5 (28 %)

Niedersachsen

- Landkreise und kreisfreie Städte bei Einrichtungen für alte Menschen und pflegebedürftige Volljährige

- Bezirksregierungen bei o.g. Einrichtungen in Trägerschaft der Landkreise, der kreisfreien Städte und großen selbstständigen Städte1

- Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben bei Einrichtungen für behinderte Volljährige und gemischte Einrichtungen

62

6 (10 %)

Nordrhein-Westfalen

- Kreise und kreisfreie Städte

54

13 (24 %)

Rheinland-Pfalz

- Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV); inkl. ausführende Dienststellen

4

4 (100 %)

Saarland

- Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung

1

--

Sachsen

- Regierungspräsidien

3

2 (67 %)

Sachsen-Anhalt

- Landesamt für Versorgung und Soziales

- nachgeordnet: zwei Versorgungsämter

2

2 (100 %)

Schleswig-Holstein

- Landräte und Bürgermeister der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden

15

3 (20 %)

Thüringen

- Landesamt für Soziales und Familie

- nachgeordnet Versorgungsämter (Erfurt, Gera, Suhl)

3

3 (100 %)

1 Die Bezirksregierungen in Niedersachsen sind zum 1. Januar 2005 aufgelöst worden.

Überblickt man die entsprechenden Regelungen, lassen sich bezüglich der Durchführung der Heimaufsicht generell zwei unterschiedliche Organisationsweisen unterscheiden, und zwar „Ländermodelle“ (zehn Bundesländer) auf der einen Seite und „kommunale Modelle“ (sechs Bundesländer) auf der anderen Seite:

  • Die durchführende Heimaufsicht ist direkt bei der obersten Landesbehörde (Ministerium) angesiedelt. Dies trifft auf das Saarland bzw. Bremen zu.
  • Die Heimaufsicht ist einer Landesoberbehörde angesiedelt, vorwiegend den Landesversorgungsämtern, wobei deren Dienststellen die Durchführung der Heimaufsicht obliegt. Dies trifft auf die Bundesländer Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu.
  • In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sind die Bezirksämter durchführende Behörden, wobei in Berlin mittlerweile das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig ist.
  • Ebenfalls durch Landesbehörden, allerdings auf der Ebene der Regierungspräsidien ist die Heimaufsicht in Sachsen organisiert.
  • Insgesamt sechs Bundesländer ordnen die Durchführung der Heimaufsicht den Kommunen (Kreisen, kreisfreien Städten) zu. Dies gilt für Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein. In Niedersachsen besteht die Besonderheit, dass daneben die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe der Aufsicht einer Landesbehörde (Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben) unterliegen.

Laut Befragung sind einzelne Heimaufsichtsbehörden im Schnitt für 74 Einrichtungen mit durchschnittlich 4.512 Plätzen zuständig, was einer (hypothetischen) Größe der Einrichtungen von im Schnitt 61 Plätzen entspricht. Dabei sind offenbar Unterschiede zwischen den Bundesländern sehr stark ausgeprägt. Während die (beiden) Heimaufsichten in Sachsen-Anhalt im Schnitt jeweils 321 Einrichtungen mit über 15.200 Plätzen beaufsichtigen müssen, sind es in Mecklenburg-Vorpommern lediglich jeweils 25 Einrichtungen mit knapp 1.220 Plätzen, für die eine Heimaufsicht jeweils zuständig ist.

Die personelle Ausstattung der Heimaufsichten variiert ebenfalls sehr stark. Im Schnitt sind die Behörden mit drei bis vier Mitarbeitern ausgestattet, wobei die Spannweite aber von einem bis 21 Mitarbeitern reicht. Nach Bundesländern differenziert finden sich die höchsten durchschnittlichen Mitarbeiterzahlen in Sachsen-Anhalt (16), Hessen (8), Thüringen (7), Rheinland-Pfalz (5) und Niedersachsen (5). Die wenigsten Mitarbeiter pro Behörde sind in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern tätig. Um die personellen Ressourcen der Heimaufsichtsbehörden einschätzen und vergleichen zu können, wurde eine (hypothetische) Größe „Vollzeitäquivalente pro 100 Einrichtungen“ errechnet (Abb. 2). Dabei ergab sich ein Bundesdurchschnitt von 6,5, d.h. ein/e Vollzeitmitarbeiter/in ist für knapp 15 Heime zuständig. Deutlich über dem Durchschnitt – d.h. mit nominell besserer Personalausstattung – lagen die Bundesländer Niedersachsen (13,7), Mecklenburg-Vorpommern (9,8) und Bayern (8,2). Am unteren Ende rangierten Sachsen (1,5), Hamburg (2,2), Rheinland-Pfalz (3,4) und Sachsen-Anhalt (3,6).

Abb. 2: Vollzeitäquivalente der Heimaufsicht pro 100 Einrichtungen

Abb. 2: Vollzeitäquivalente der Heimaufsicht pro 100 Einrichtungen

Quelle: FfG-Erhebung 2003

Die Aussagekraft dieser Werte ist allerdings in zweierlei Hinsicht begrenzt. So konnte weder der Anteil der Arbeitszeit der Mitarbeiter/innen, der tatsächlich auf Aufgaben nach dem Heimgesetz entfällt, angemessen berücksichtigt noch eine Standardisierung anhand der Größe der zu prüfenden Einrichtungen vorgenommen werden.

Nach § 23 Abs. 2 HeimG sollen die Mitarbeiter nach ihrer Persönlichkeit geeignet sein und v.a. berufliche Erfahrung oder eine entsprechende Ausbildung besitzen. Bezüglich der Qualifikation der Mitarbeiter/innen ist festzustellen, dass mit 58 % der größte Teil den Verwaltungsberufen (Beamte, Verwaltungswirte, Verwaltungsangestellte etc.) angehört. Sozialarbeiter/innen machen 17 %, Pflegefachkräfte nur 14 % aus. Der Tendenz nach verfügen Thüringen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Hessen über signifikant überdurchschnittliche „Pflegefachkraftquoten“ im Bereich der Heimaufsicht. Der größte Teil der Mitarbeiter (44 %) arbeitet seit mehr als fünf Jahren im Bereich der Heimaufsicht. Andererseits haben 37 % der Mitarbeiter weniger als zwei Jahre Berufserfahrung im Umgang mit Pflegeeinrichtungen, was auf eine hohe Fluktuation schließen lässt.[9]

Von den insgesamt erfassten 251 Mitarbeitern geben 76 (=30 %) an, eine spezielle Schulung bei der Einarbeitung in ihr neues Tätigkeitsfeld erhalten zu haben. Im Hinblick auf die Komplexität der Aufgabe erscheint dies unzureichend. Der Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt zudem, dass im Schnitt deutlich weniger als ein Drittel speziell vorbereitete Mitarbeiter sind. In Sachsen beträgt die „Schulungsquote“ 100 %, in Schleswig-Holstein dagegen 0 % – was aufgrund des dort geringen Rücklaufs aber nicht verallgemeinert werden sollte.

Ein zentraler Aspekt der Qualitätsprüfung ist die Kooperation der Akteure der externen Qualitätssicherung, sprich Heimaufsicht, MDK und externe Sachverständige. Kooperationserfordernisse der Heimaufsicht ergeben sich insbesondere aus den §§ 2 und 20 HeimG sowie § 117 SGB XI. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 HeimG gehört es zu den wesentlichen Zwecken des Gesetzes, „die Zusammenarbeit der für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden mit den Trägern und deren Verbänden, den Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie den Trägern der Sozialhilfe zu fördern.“ Fast alle befragten Heimaufsichten gaben an, mit anderen Heimaufsichtsbehörden in Kontakt zu stehen. Verneinungen diesbezüglich gab es nur in Baden-Württemberg (1), Bayern (2) und Niedersachsen (1). Die inhaltlichen Schwerpunkte des Austausches lagen dabei auf rechtlichen Fragen, insbesondere Veränderungen infolge des novellierten Heimrechtes. An zweiter Stelle steht der Informations- und Erfahrungsaustausch, danach folgen Fragen zum Personal bzw. den Personalquoten, zu Organisation und Heimleitung. Am wenigsten genannt werden Fragen zur Pflege und Betreuung. Die Prioritäten des fachlichen Austausches unter den Heimaufsichtsbehörden sind somit weniger auf die Qualität der Heimversorgung ausgerichtet; vielmehr steht zur Zeit der rechtlich-organisatorische Themenkomplex im Vordergrund.

79 % der Behörden stehen mit weiteren Akteuren der externen Qualitätssicherung in Kontakt. Auffällig ist, dass in Niedersachsen, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommmern vergleichsweise weniger Behörden über derartige Kontakte berichteten. Schlüsselt man die Kooperationen weiter auf, so zeigt sich, dass in 66 % der Fälle weitere Arbeitssitzungen mit dem MDK und/oder Pflegekassen stattgefunden haben, davon zum überwiegenden Teil in regelmäßigen Abständen. Mit Sozialhilfeträgern fanden in 55 % der Fälle Treffen statt und mit sonstigen Trägern in knapp einem Viertel der Fälle. Zu diesen „Sonstigen“ gehören z.B. regionale Arbeitskreise, unabhängige Beratungsstellen, Trägerverbünde etc. Der Überblick über die einzelnen Bundesländer zeigt, dass in einigen von ihnen sicher noch Spielraum für die Erhöhung des Anteils regelmäßiger Treffen gegeben ist. Bei den Inhalten der Kooperationen mit externen Qualitätssicherern spielen erwartungsgemäß dieselben Themenbereiche eine Rolle wie bei den Kooperationen mit anderen Heimaufsichtsbehörden. Konkrete Kooperationsfragen (Absprachen gemeinsamer Prüfungen etc.) und der Informationsaustausch stehen deutlich stärker im Zentrum als rechtliche Fragen.

Aus alledem kann– auch bei behutsamer Interpretation – geschlossen werden, dass Qualitätsfragen der Versorgung bei den Kooperationen eine deutlich höhere Gewichtung erfahren sollten.

2.2 Tätigkeit der Heimaufsicht

Von den erfassten knapp 5.400 Einrichtungen wurden im Jahr 2002 nach Angaben der Befragten insgesamt 57 % einer wiederkehrenden und 28 % einer anlassbezogenen Prüfung unterzogen. Demzufolge sind nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, alle Heime geprüft worden. Allerdings ist die genaue „Prüfquote“ (Anteil der geprüften an allen Heimen) unbekannt, da in ein und derselben Einrichtung sowohl wiederkehrende als auch anlassbezogene Prüfungen stattgefunden haben können. Die sich aus der Befragung ergebenden Informationen sind in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3: Quote wiederkehrender und anlassbezogener Prüfungen der Heimaufsicht

Abb. 3: Quote wiederkehrender und anlassbezogener Prüfungen der Heimaufsicht

Quelle: FfG-Erhebung 2003; (1) bezogen auf die Zahl der Einrichtungen.

In der Regel finden wiederkehrende Prüfungen demnach deutlich häufiger statt als anlassbezogene Prüfungen; Ausnahmen hiervon bilden Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Bei den wiederkehrenden Prüfungen weisen die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg den höchsten Anteil bezogen auf die Gesamtzahl der Einrichtungen auf. Interpretiert man die Summe aus wiederkehrenden und anlassbezogenen Prüfungen als Indikator für die Gesamtzahl der geprüften Einrichtungen, so weisen vor allem die Bundesländer Sachsen (53 %), Rheinland-Pfalz (66 %), aber auch Bayern (78 %) und Sachsen-Anhalt (80 %) relativ geringe Quoten auf.

Die vorliegenden Daten belegen, dass der Zeitaufwand (Abb. 4) einer durchschnittlichen Prüfung, inklusive Vor- und Nachbereitung, sehr stark variiert, und zwar von 3 bis 100 Stunden (!). Der Durchschnitt liegt bei etwa 25 Stunden. Die Differenzierung nach Bundesländern zeigt einen überdurchschnittlich hohen Zeitaufwand in Hamburg, Thüringen, NRW und Bayern; relativ wenig Zeit benötigen die Heimaufsichten in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Sachsen. Allerdings sind in beiden Gruppen die Abweichungen je nach Behörde teilweise beträchtlich.

Über die Gründe für diese Abweichungen können auf der Basis der Befragung nur Vermutungen angestellt werden. Einflussfaktoren sind etwa die Größe der betreffenden Einrichtungen, die Gründlichkeit der Prüfung oder auch die Berufserfahrung der Mitarbeiter/innen. Genaueres hierzu ließe sich allerdings erst aus weiteren Untersuchungen ermitteln.

Abb. 4: Dauer der Prüfungen der Heimaufsicht (Mittelwert in Stunden)

Abb. 4: Dauer der Prüfungen der Heimaufsicht (Mittelwert in Stunden)

Quelle: FfG-Erhebung 2003.

Im Interesse aussagekräftiger Prüfergebnisse wird häufig gefordert, Prüfungstermine den Einrichtungen nicht im Vorhinein anzukündigen. Bei den wiederkehrenden Prüfungen haben nur 27 % der Behörden unangemeldet geprüft, bei den anlassbezogenene Prüfungen waren es immerhin zwei Drittel. Nur in Schleswig-Holstein führen die (befragten) Heimaufsichtsbehörden sowohl die wiederkehrenden als auch die anlassbezogenen Prüfungen ohne Terminbekanntgabe durch. Auffällig niedrige Quoten bei den unangemeldeten wiederkehrenden Prüfungen weisen die Bundesländer Niedersachen, NRW, aber auch Hessen und Hamburg auf. Bei den anlassbezogenen Prüfungen sind Hamburg und Hessen die Länder mit unterdurchschnittlichen Anteilen unangemeldeter Prüfungen.

In der Regel wird die Prüfung von einem Team durchgeführt, allerdings in knapp einem Viertel (27 %) der Fälle lediglich von einzelnen Mitarbeiter/innen, was angesichts der zu bewältigen Aufgabe eindeutig zu wenig ist. Nur in etwa der Hälfte der Fälle werden Prüfungen von Teams unter Einbindung von Pflegefachkräften durchgeführt. Der Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt, dass Teamprüfungen in Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen die Regel sind. Ein Verbesserungsbedarf in dieser Hinsicht besteht v.a. in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch in Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Bei Prüfterminen sind Heimleitung und Pflegedienstleitung naturgemäß die ersten Ansprechpartner. In fast zwei Drittel der Fälle ist auch ein Vertreter des Trägers anwesend. Der Soziale Dienst des Heims wird dagegen nur in knapp einem Viertel der Begehungen zu Rate gezogen, in sieben von zwölf Bundesländern überhaupt nicht. Kontakte zum Heimbeirat bzw. Heimfürsprecher besteht bei der Hälfte der Prüfungen. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf einen erheblichen Nachholbedarf.

Aus den Vorschriften des Heimrechts und sonstiger Verordnungen ergibt sich die Berechtigung der Heimaufsicht, eine Vielzahl von Unterlagen des Heimes einzusehen und zu kontrollieren. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass längst nicht alle von den Einrichtungen vorzulegenden Unterlagen auch tatsächlich kontrolliert werden. Die Befragung zeigt hierzu im Einzelnen:

  • In nahezu allen Fällen wurden Pflegeplanungen und Pflegedokumentationen geprüft. Personalakten und -listen wurden in 83 % der Fälle kontrolliert, Dienstpläne der Einrichtungen in drei Viertel aller Fälle.
  • Deutlich weniger oft wurden Bewohnerlisten (46 %), Heimverträge (44 %) oder Dokumente über die Wertsachenverwahrung der Bewohner (41 %) in Augenschein genommen. Ein Drittel der Behörden hat Speisepläne bzw. Ernährungsunterlagen für die Bewohner überprüft.
  • Zu den eher selten geprüften Dokumenten gehören Unterlagen über die baulich-räumliche Konzeption der Einrichtungen (26 %), Dokumente bezüglich der freiheitsentziehenden Maßnahmen und Hygieneunterlagen (22 %).
  • Kaum geprüft wurden Wirtschafts- und Finanzpläne (16 %), Förder- und Hilfepläne bei Bewohnern von Behinderteneinrichtungen (14 %) und Dokumente über die Medikamentenversorgung der Heimbewohner (13 %). Nur 11 % der Behörden gaben an, die Pflegeleitbilder zu prüfen.

Ein essenzieller Auftrag der Heimaufsicht im Sinne einer „partnerschaftlichen“ und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Heimen ist die Beratung. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Formen: zum einen die „allgemeine“ Beratung nach § 4 HeimG, mit der sich die Heimaufsicht als Partner der Klienten und Interessengruppen etablieren soll, zum anderen die „Mängelberatung“ nach § 16 HeimG, die den Einrichtungen die Gelegenheit geben soll, sich bei festgestellten Mängel umfassend über Verbesserungsmöglichkeiten zu informieren. Im Hinblick auf die „§ 4-Beratung“ zeigen sich je nach Zielgruppe unterschiedliche Beratungsbedarfe. So betreffen die häufigsten Beratungsthemen für Heimbewohner Fragen der Heimmitwirkung (43 Nennungen), danach folgen Fragen zu Heimverträgen, Heimentgelten und Kosten sowie Pflichten des Trägers (jeweils 14 Nennungen). Die häufigsten Beratungsthemen für Heimplatzbewerber, Angehörige, Seniorenbeiräte etc. sind dagegen Entgelt- und Kostenfragen (24 Nennungen), Beschwerden (20 Nennungen), Heimvertragsangelegenheiten (17 Nennungen) und Fragen bezüglich der Pflegeleistungen (14 Nennungen). Außerdem wird häufig die Suche nach geeigneten Heimplätzen besprochen. Der Tendenz nach zeigt sich, dass Bewohner von Heimen deutlich häufiger an Fragen der Mitwirkung im Heim und auch der Verpflegung interessiert sind als ihre Angehörigen. Für letztere stehen offenbar Kostenfragen und (begründete oder vermeintlich begründete) Beschwerden stärker im Vordergrund. Welche Motive hinter diesen Unterschieden stehen, muss offen bleiben. Denkbar sind sowohl die verstärkte Sorge der Angehörigen für ihre Eltern, aber auch eher eigennützige Motive oder ein „schlechtes Gewissen“, seine Eltern nicht selbst versorgen zu können oder zu wollen. Die häufigsten Themen für (potenzielle) Heimplatzbetreiber sind Fragen im Zusammenhang mit der Heimmindestbauverordnung (44 Nennungen), Voraussetzungen für den Heimbetrieb (18 Nennungen) und Informationen zu den örtlichen Bedarfsplanungen.

Bezüglich der Mängelberatung ist zunächst festzustellen, dass laut Erhebung im Jahr 2002 bei einer Gesamtzahl von 5.358 erfassten Einrichtungen in insgesamt 2.558 Fällen Mängel festgestellt worden sind. Im Vergleich dazu liegt die Anzahl der Mängelberatungen höher, d.h. demzufolge sind einzelne Einrichtungen mehrfach bzw. zu mehreren Terminen beraten worden. Exakte Angaben darüber, wie oft einzelne Heime geprüft und beraten wurden, können allerdings nicht gemacht werden. Sofern man die Anzahl der durchgeführten Prüfungen als Maßstab heranzieht, werden Mängelberatungen überdurchschnittlich häufig in Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Auffällig dagegen ist die vergleichsweise sehr geringe Zahl der Mängelberatungen in Sachsen-Anhalt. Auch in Sachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern fanden offenbar eher wenige Mängelberatungen statt.

Die häufigsten Ursachen anlassbezogener Prüfungen beziehen sich auf (vermutete oder tatsächliche) Pflegemängel (39 % der Fälle) und Personalmängel (32 %). Deutlich seltener waren Mängel in der sozialen Betreuung der Heimbewohner, bauliche Mängel oder Hygienemängel Prüfungsanlass. Der Blick auf die Prüfergebnissezeigt, dass es in knapp der Hälfte (48 %) aller Einrichtungen zu Beanstandungen aufgrund von Mängeln kam. Deutlich höhere Anteile finden sich in Niedersachsen (74 % der Einrichtungen), Schleswig-Holstein (73 %) und Hamburg (70 %). Dagegen ist der Anteil der Einrichtungen mit Mängeln in Bayern (16 %), Sachsen (21 %) und auch Rheinland-Pfalz (34 %) recht niedrig. Die Beanstandungen bezogen sich dabei am häufigsten auf das Personal (69 % der Fälle), auf die Organisation der Einrichtung (54 %) und die Pflegedokumentation (51 %).

Zusätzlich wurde nach den fünf häufigsten festgestellten Mängeln bei Prüfungen insgesamt gefragt, also wiederkehrenden und anlassbezogenen zusammengenommen. Dabei zeigt sich, dass der am häufigsten genannte Mangel die Pflegedokumentation (von 74 % der Behörden genannt) betrifft. Danach folgen Personaldefizite (64 %), womit meist zu wenig Pflegekräfte, nicht erfüllte Fachkraftquoten oder unzureichende Nachtdienstbesetzungen gemeint sind. Defizite in der Organisation der Einrichtungen, vor allem Führungsprobleme, Dienstplangestaltung und interne Kommunikation betreffend, haben 54 % der Behörden angeführt. Deutlich seltener wurden Hygienemängel (38 %), bauliche Mängel (36 %) und Pflege(qualitäts)mängel (31 %) genannt. Rechtliche Unregelmäßigkeiten, vor allem bei den Heimverträgen (Entgeltregelungen), nannte knapp jede dritte Behörde, danach folgen Probleme in der Medikamentenversorgung (26 %), schlechte soziale Betreuung (z.B. unwürdiger Umgang mit Bewohnern, Vernachlässigung) und schließlich defizitäre Ernährung bzw. Flüssigkeitsversorgung (13 %). Der Eindruck, der sich hieraus ergibt, lässt sich so formulieren, dass offenbar Mängel überwiegen, die primär in der Zuständigkeit der Einrichtungsleitung liegen, also etwa die Ausgestaltung des Pflegedokumentationssystems, Arbeits- und Ablauforganisation und Personalfragen. Zumindest in quantitativer Sichtweise überwiegt dieser Mängelbereich deutlich die Probleme in der direkten Pflege und Betreuung oder den medizinischen und hygienischen Standards. Es kann allerdings auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass dieser Befund mit der spezifischen Sichtweise und Qualifikation der Mitarbeiter der Heimaufsicht zusammenhängt. Dazu kommt, dass aufgrund der offenen Abfrage gewisse Ungenauigkeiten nicht zu vermeiden sind. Hier wären weitere Untersuchungen anzuschließen.

Abb. 5: Die häufigsten festgestellten Mängel bei Heimbegehungen betreffen ...

Abb. 5: Die häufigsten festgestellten Mängel bei Heimbegehungen betreffen ...

Quelle: FfG-Erhebung 2003

Der Heimaufsicht stehen bei festgestellten Mängeln bekanntlich eine Reihe von ordnungsrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Zahl der Anordnungen betrifft, kann aufgrund der Unvollständigkeit des Rücklaufs wiederum nur ein lückenhaftes Bild gezeichnet werden. Dazu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Behörden keine Angaben zu dieser Frage gemacht hat. Die Daten lassen vermuten, dass tendenziell überdurchschnittlich viele Anordnungen in Hamburg (eine Behörde mit 40 Anordnungen!), NRW, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erlassen wurden. Weiterhin haben die insgesamt 50 antwortenden Behörden im Jahr 2002 nur 17 Untersagungen und sechs Beschäftigungsverbote ausgesprochen. Die meisten Beschäftigungsverbote der auskunftgebenden Behörden wurden wiederum in Hamburg verhängt. Untersagungen gab es vergleichsweise am häufigsten in Hessen, wobei die Unterschiede nach Bundesländern jedoch sehr gering sind.

Beschäftigungsverbote und Untersagungen kommen also im Vergleich zu Anordnungen sehr selten zur Anwendung. Gründe für diese Zurückhaltung sind auf Seiten der Heimaufsicht das Zurückschrecken vor den komplizierten (haftungs)rechtlichen Konsequenzen bzw. auf Seiten der betroffenen Heimträger die Furcht vor den drohenden Sanktionen.

2.3 Veränderungsbedarfe aus Sicht der Heimaufsicht

Ziel der schriftlichen Erhebung war es auch, ein Meinungsspektrum zur Situation der Heime einerseits und zur Situation der Heimaufsicht andererseits zu erfragen. Bei der Einschätzung der aktuellen Heimsituation waren die positiven Urteile wenig differenziert; insgesamt haben 21 Behörden allgemeine Statements gemacht in dem Sinne wie „Die Heimsituation ist im Großen und Ganzen gut“ oder ähnliches – allerdings ohne genauere Angaben. Jeweils nur eine Heimaufsicht gab an, dass das Personal in den Heimen sehr bemüht und die Fachkraftquote erfüllt sei. Die Anzahl der negativen Statements ist dagegen deutlich höher, wobei zu bedenken ist, dass es Aufgabe der Heimaufsicht ist, Mängel zu erkennen, und somit den Blick auf die eher problematischen Seiten der Heimlandschaft zu richten. Das wichtigste Problem der Heime besteht nach Ansicht der Behörden in der mangelhaften Personalsituation. So beklagten 22 Behörden allgemein den Personalmangel in den Heimen, zehn wiesen explizit auf nicht eingehaltene Fachkraftquoten hin, 13 monierten die mangelnde Qualifikation der Pflegekräfte, acht sprachen von einer zu hohen Arbeitsbelastung, sechs von gestiegenen allgemeinen Anforderungen. Danach folgen Probleme rund um die Pflege, so etwa „Defizite in der Pflege“ (zehn Nennungen), ungenügende Versorgung von Demenzkranken (drei Nennungen) oder zu wenig Pflege und Betreuungsangebote (zwei Nennungen). Insgesamt weniger ins Gewicht fallen nach Ansicht der Behörden bauliche Mängel (sieben Nennungen), oder auch Fragen der Heimmitwirkung (zwei Nennungen). Immerhin 13 Behörden (=18 %) meinten, dass die Heime sich generell in einer schlechten wirtschaftlichen bzw. finanziellen Lage befänden.

Bezüglich des Veränderungsbedarfes in den Heimen folgt die Bewertung der Behörden grundsätzlich den festgestellten Mängeln. Konsequenterweise wird am meisten Bedarf beim Personal gesehen. 14 Behörden waren der Ansicht, dass der Personalbestand der Heime deutlich erhöht werden müsse, 13 forderten mehr Fortbildungen für das Heimpersonal, sechs einen verbindlichen Personalschlüssel, fünf eine bessere Grundausbildung. Weiterhin wichtig erscheint den Behörden die Konzeption der Einrichtung und die Qualität der Betreuung. Bessere Heimkonzepte fordern 13 Behörden. Speziell die soziale Betreuung sehen 12 Behörden als verbesserungswürdig an, in drei Fällen wird mehr aktivierende Pflege gefordert. Bessere Pflegedokumentationen werden in acht Fällen, professionellere Pflegeplanungen in vier Fällen genannt. Neben einer Reihe von Einzelaspekten fällt schließlich noch auf, dass sechs Behörden bessere Finanzierungsbedingungen für die Heime fordern.

Auch bei der Einschätzung der Situation der Heimaufsicht selbst ist eine Polarisierung der Aussagen zwischen positiven und negativen Statements festzustellen. Insgesamt 14 Heimaufsichten (19 %) gaben an, generell keine Probleme zu haben. Weitere fünf Behörden haben ihren Personalbestand erhöht, zwei hielten ihren Personalbestand für ausreichend. Drei Behörden betonten besonders, dass die Arbeit im Team zur Erhöhung der Arbeitsmotivation führe. Ebenso wie bei der Heimsituation sind die kritischen Statements bezüglich der Situation der Heimaufsicht zahlreicher und differenzierter. Der häufigste Kritikpunkt ist die mangelnde Personalausstattung (20 Nennungen = 28 %). Fünf Behörden gaben an, dass es zu wenig Fachkräfte in der Heimaufsicht gäbe, wobei die Vermutung nahe liegt, dass damit wohl in erster Linie Fachkräfte zur Beurteilung der Pflegequalität gemeint sind. Mit den gestiegenen Anforderungen durch die novellierten Gesetze fühlen sich fünf Behörden überfordert, zwei fühlen sich insgesamt überlastet. Einige klagen darüber hinaus über mangelnde Akzeptanz innerhalb der Verwaltung (vier Nennungen), und in zwei Behörden wird explizit eine schlechte Einarbeitung bemängelt.

Bei den Antworten zum Veränderungsbedarf stehen Anzahl und Qualifikation des Personals an erster Stelle der Wünsche, was nach den präsentierten Informationen nicht überrascht. Dabei rangieren Fort- und Weiterbildungen, inklusive einer besseren Einarbeitung deutlich an erster Position (17 Nennungen). Sieben Behörden forderten mehr Personal, jeweils fünf eine weitere Pflegefachkraft bzw. Vollzeitstellen, drei eine weitere Verwaltungsfachkraft. Neben einer ganzen Reihe von Einzelaspekten, die sich nur schwer unter ein gemeinsames begriffliches Dach fassen lassen, sticht noch die Forderung nach „Standardisierung“ der Prüfungen heraus. So geben vier Behörden an, dass verbindliche Handlungsleitfäden bzw. Durchführungsbestimmungen hilfreich wären; ebenfalls vier Behörden würden bundeseinheitliche Standards für Qualitätsprüfungen begrüßen. Eher selten werden dagegen externe Kooperationserfordernisse genannt, z.B. was die bessere Zusammenarbeit mit den Einrichtungen bei Mängeln oder Terminabsprachen mit anderen Institutionen betrifft.

3. Diskussion

Mit den dargestellten Ergebnissen lassen sich auf empirischer Basis Hinweise auf die Effektivität der Heimaufsicht im Rahmen der Qualitätssicherung in stationären Pflegeeinrichtungen ableiten. Als allgemeines Fazit der Untersuchung lässt sich formulieren, dass es – trotz suboptimaler Datenlage – höchst zweifelhaft erscheint, dass die Heimaufsichtsbehörden gegenwärtig ihrem umfassenden Prüfungsauftrag gerecht werden können. Diese Zweifel ergeben sich aus mehreren Aspekten:

  • Die Personalausstattung ist in vielen Behörden, gemessen am zu bewältigenden Arbeitspensum, unzureichend. Der gesetzliche Auftrag zur Überprüfung der Mindestqualität wird zwar im Großen und Ganzen erfüllt, allerdings zeigt sich, dass längst nicht alle Einrichtungen in der erforderlichen Regelmäßigkeit geprüft werden.
  • Angesichts des an mehreren Stellen zutage tretenden Personalmangels der Heimaufsichtsbehörden ist auch die in einigen Fällen viel zu knapp bemessene Dauer der Heimprüfungen bedenklich. Da andererseits auch Unterschiede in der Effizienz der Prüfungen denkbar sind, müssten die Ursachen für die stark schwankenden Prüfdauern weiter untersucht werden.
  • Die Heimaufsicht prüft in erster Linie Struktur- und Prozessqualität. Die Ergebnisqualität, z.B. in Form von Bewohnerbefragungen, bildet trotz der Begutachtung des Zustandes einzelner Bewohner nur in Ausnahmefällen einen Prüfungsschwerpunkt. Auch der Heimbeirat wird zu selten systematisch in das Prüfungsgeschehen integriert.
  • Ein weiteres Problemfeld ist der dringende Schulungsbedarf der Mitarbeiter. Bisher ist der Anteil von Mitarbeitern, die für ihr neues Aufgabenfeld geschult worden sind, mit 30 % sehr gering. Verstärkte Bemühungen um Fortbildungen sind somit dringend angeraten.
  • Die Komplexität des gesetzlichen Prüfauftrags macht schließlich die Kooperation von Heimaufsicht, MDK und anderen beteiligten Akteuren zwingend notwendig. Die in der Befragung ansatzweise erkennbaren Defizite bedürfen dringend weiterer Bearbeitung. Dabei sollte auch der fachlich-inhaltliche Austausch der (durchführenden) Heimaufsichtsbehörden länderübergreifend institutionalisiert und ausgebaut werden.

Offenbar befindet sich die staatliche Heimaufsicht derzeit am Beginn einer neuen Etappe, in der ihre Rolle zwar gesetzlich vorgezeichnet ist, die Umsetzung in die Praxis aber noch deutliche Schwierigkeiten bereitet. Die Heimaufsicht ist in ihrer jetzigen Ausstattung in vielen Fällen nicht in der Lage, Qualität in Heimen umfassend zu prüfen. Dagegen kann zwar eingewendet werden, dass der Auftrag der Heimaufsicht lediglich darin besteht, eine gewisse „Mindestqualität“ zu garantieren und nur in dringenden Fällen ordnungsrechtlich einzugreifen, da ein umfassender Anspruch sie überfordern würde. Dies widerspricht jedoch dem neuen Selbstverständnis der Heimaufsicht als „Partner der Heime“. Für die Heimaufsicht stellt sich die Aufgabe, die Träger und Leitungen der Heime durch fachliche Kompetenz zu überzeugen.

Wesentlich erscheint, dass die Heimaufsicht sich auf dem aktuellen Stand der Qualitätssicherungsdiskussion befindet, damit neue Erkenntnisse der Forschung schnell aufgenommen und in die tägliche Praxis umgesetzt werden können. Damit würde nicht zuletzt die notwendige Kooperation mit dem MDK bzw. anderen institutionellen Qualitätsprüfern deutlich erleichtert. Dazu gehört im Übrigen auch, personelle Kontinuität in den Heimaufsichtsbehörden herzustellen, was einen längerfristig angelegten Kompetenzerwerb überhaupt erst möglich macht. Letztlich ist die Heimaufsicht nur ein Akteur in einem Ensemble, in dem alle gemeinsam für eine bessere Lebensqualität in den Heimen verantwortlich sind. Deswegen muss die Kommunikation zwischen den Akteuren stimmen, sie müssen die „gleiche Sprache sprechen“. Aus den im Rahmen dieses Beitrags dargelegten Mängeln lassen sich in diesem Zusammenhang durchaus Ansatzpunkte für Verbesserungen ableiten. Gelingt dies, könnte die Arbeit der Heimaufsichten zukünftig stärker von Beratung und Dialogorientierung bestimmt sein – mit der Chance auf einen Vertrauensgewinn bei den Einrichtungen.


[1] Schnabel, E.: Personalbemessung in der Pflege – Anforderungen und Perspektiven, in: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, 4/2005, S. 40–45.

[2] Schnabel, E./Schönberg, F.: Qualitätssicherung in der Pflege: Bestandsaufnahme und Perspektiven für NRW, in: Naegele, G./Peter, G. (Hrsg.): Arbeit – Alter – Region, Münster 2000, S. 193–207.

[3] Schneekloth, U.: Möglichkeiten und Grenzen einer selbständigen Lebensführung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen in Privathaushalten, 2004.

[4] Arnold, K./Däbritz, S.: Was ändert sich für die Heimaufsicht? Neue rechtliche Grundlagen und ihre praktischen Konsequenzen, in: NDV 2001, 383–384.

[5] Klie, T.: Qualitätssicherung in Not, in: Forum Sozialstation, Nr.119/2002, S.34–38.

[6] Wingenfeld, K./Schnabel, E.: Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Untersuchung im Auftrag des Landespflegeausschuss NRW, Düsseldorf 2002.

[7] Wingenfeld/Schnabel (Fußn. 6), S. 77.

[8] Zu regionalen Studien für Baden-Württemberg vgl. Klein, B.: Zukunft der Heimaufsicht – Wie muss eine zukunftsfähige Fortbildung für die Heimaufsicht gestaltet werden? IAO (Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation), Eigenverlag 2003 bzw. für Nordrhein-Westfalen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales (MAGS) NRW: Heimaufsicht in Nordrhein-Westfalen. Bestandsaufnahme und Perspektiven, Düsseldorf, Eigenverlag 1995.

[9] Dies steht im Übrigen im Einklang mit Daten einer Studie aus Baden-Württemberg, nach der 40 % der Mitarbeiter weniger als zwei Jahre Berufspraxis im Feld der Heimaufsicht haben. Nach Ansicht der Autoren widerspricht dies der gesetzlichen Forderung nach ausreichender Berufserfahrung laut § 23 HeimG; vgl. Klein (Fußn. 8).

Verfasst von
Klaus Schmitz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung "Gesundheitliche und pflegerische Versorgungsforschung" am Institut für Gerontologie an der Universität Dortmund
Website

Dr. Eckart Schnabel
Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Gerontologie an der Universität Dortmund
Website

Es gibt 1 Materialie von Klaus Schmitz.
Es gibt 1 Materialie von Eckart Schnabel.

Zitiervorschlag
Schmitz, Klaus und Eckart Schnabel, 2006. Staatliche Heimaufsicht und Qualität in der stationären Pflege [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 02.05.2006 [Zugriff am: 25.01.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/54.php

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