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Christine Klein, Günther Schatz (Hrsg.): Jungenarbeit präventiv!

Rezensiert von Dr. phil. Gernot Hahn, 04.03.2011

Cover Christine Klein, Günther Schatz (Hrsg.): Jungenarbeit präventiv! ISBN 978-3-497-02169-7

Christine Klein, Günther Schatz (Hrsg.): Jungenarbeit präventiv! Vorbeugung von sexueller Gewalt an Jungen und von Jungen. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2010. 220 Seiten. ISBN 978-3-497-02169-7. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 41,50 sFr.

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Thema

Ausgehend vom Unterstützungsbedarf männlicher Kinder und Jugendlicher in ihrer Entwicklung, fokussiert das Buch die hohe Zahl sexuell auffälliger Jungen und auf die Gruppe männlicher Opfer. Die Publikation greift dazu die Frage nach geeigneten Präventionsmaßnahmen auf, damit verhindert wird, dass Jungen und Mädchen Opfer sexueller Gewalt werden und sich Täterverhalten entwickelt. Der Sammelband vereint Beiträge namhafter Praktiker aus dem Bereich der Präventionsarbeit aus den Arbeitsfeldern der Sexualerziehung, der Schule und Jugendhilfe und aus der Gruppenarbeit mit sexuell devianten Jugendlichen.

Herausgeberin und Herausgeber

Die Herausgeber des Buches sind in der Präventionsarbeit beschäftigt. Christine Klein, Dipl. Sozialpädagogin, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei FENESTRA, einer Forschungsstelle zur Prävention sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen in Benediktbeuern. Günter Schatz, Dipl. Päd., ist Vorsitzender der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V. und lehrt an der Kath. Stiftungsfachhochschule München, Fachbereich Soziale Arbeit in Benediktbeuern.

Aufbau und Inhalt

Der Sammelband beinhaltet 14 Einzelbeiträge die nicht weiter gegliedert wurden. Acht Kapitel befassen sich mit speziellen Aspekten (u. a. Vaterschaft, Sexualerziehung, Schule und Jugendhilfe, Männlichkeit im Migrationskontext, Gruppenarbeit mit sexuell auffälligen Jungen) der Präventionsarbeit. Diese Beiträge werden durch einführende Überlegungen zu allgemeinen Aspekten der Präventionsarbeit und ein abschließendes Kapitel, in dem weiterführende Überlegungen skizziert werden, eingerahmt.

Im Einleitungskapitel umreist Christine Klein die Ausgangssituation für die im Band aufgenommenen Beiträge: die Situation männlicher Kinder und Jugendlicher hat sich in der Folgezeit der Bildungsreform der 1970er und 80er Jahre deutlich verschlechtert. Jungen gelten teilweise als Bildungsverlierer mit schlechteren schulischen Leistungen und einem größeren Störungspotential, insbesondere im Kontext milieuspezifischer und ethnischer Aspekte. Klein analysiert, dass die „Rahmenbedingungen, die den Jungen in unserer Gesellschaft zur Verfügung stehen … unzureichend“ (9) sind. Die Hintergründe für diese Entwicklung sind derweilen nur bruchstückhaft erforscht. Die Entwicklung pädagogischer Antworten auf diese Situation definiert die Herausgeberin als „Pflichtaufgabe und nicht … als freiwilliges Angebot“ (10). Dort wo sinnvoll seien jungenspezifische pädagogische Angebote zu entwickeln, da wo möglich Kooperationen zwischen Jungen- und Mädchenarbeit zu fördern. Die in den Folgekapiteln aufgezeigten Arbeitsansätze und Konzepte werden selbstbewusst als Standard einer präventionsorientierten Jungenarbeit definiert.

In einem weiteren Beitrag der Mitherausgeberin „Prävention in der Jungenarbeit“ werden zunächst Basisbegriffe und –konzepte erläutert. Christine Klein geht dabei auf die Aspekte Jungenarbeit, Präventionsansätze, Lebenskompetenzförderung und Sexualerziehung ein. Im Kontext der vorliegenden Publikation wird dabei der Aspekt der Sexualerziehung, wenn auch leider sehr knapp, in einem eigenen Abschnitt abgehandelt, wäre allerdings besser unter der Überschrift der Lebenskompetenzförderung aufgehoben gewesen.

Ausführlicher beschreibt das folgende Kapitel die Grundlagen der Jungenarbeit. Geschlechterunterschiede in den Bereichen Sprache, Explorationsverhalten, Aggression, Beziehungsgestaltung nimmt Allan Guggenbühl als Ausgangsbasis für jungenorientierte pädagogische Ansätze. Die stark auf den Schulalltag bezogenen Überlegungen und Praxisbeispiele greifen die besondere Bedürfnislage, aber auch Konfliktfelder positiv auf und wenden sie in einem zielgruppenorientierten Ansatz: dort wo Aggression im Schulalltag zum Problem wird, schlägt Guggenbühl Wettbewerbsspiele und Kampfturniere vor, die Struktur des Unterrichts sollte neben Phasen der Konzentration durch Bewegungsphasen abgelöst werden, jungentypische Themen gehören in den Unterricht integriert. Die Überlegungen zu einer geschlechterorientierten Pädagogik werden durch zahlreiche Praxisbeispiele illustriert.

Bernard Könnecke plädiert in seinem Beitrag dafür, sich von überkommenen Vorstellungen, wie „die Jungen“ sind, zu lösen. Jungen sind, und hier erfolgt eine deutliche Abgrenzung zum Vorkapitel, keine homogene Gruppe und neben ihrer biologischen Gemeinsamkeit kaum als einheitliche Gruppe zu fassen. Könnecke beschreibt im - leider sehr knappen - Beitrag Ansatzpunkte für eine veränderte Praxis in Richtung einer geschlechterreflektierten Arbeit mit Jungen im Rahmen vorwiegend koedukativ arbeitender Einrichtungen. Bezugspunkte für eine solche Arbeit sind hier die Berücksichtigung der Lebenslagen von Jungen, deren eigene Opfererfahrungen, deren Unsicherheit in Bezug auf die eigene sexuelle Orientierung, deren Selbststabilisierung durch Bezugnahme auf traditionelle Männlichkeitsideale. Als Ansprechpartner für solche Themen braucht es in der Praxis mehr männliche Fachkräfte, oder wie Könnecke schreibt: „Da muss ein Mann ‚ran“ (51).

In einem längeren Beitrag befasst sich Melitta Walter mit der Bedeutung von Männern als Vaterfiguren in pädagogischen Kontexten. Ihre Ausführungen bleiben nicht auf Familienverhältnisse beschränkt. Vaterfiguren sind im pädagogischen Alltag gefragt, in Kindertagesstätten, Schulen, Freizeiteinrichtungen, der Kinder- und Jugendhilfe. Zur Persönlichkeitsentwicklung sind Vorbilder notwendig, an denen sich –auch- männliche Jugendliche orientieren und reiben können. Tradierte Vorurteile machten es Männern in Erziehungsberufen bislang schwer, dort präsent zu sein, ein Umstand der eben auch unter dem Aspekt gendersensibler Pädagogik zum Tragen kommt. Walter kritisiert hier auch den Umstand der „verordneten Körperferne“, der dem Generalverdacht sexueller Übergriffigkeit männlicher Erziehungspersonen geschuldet ist. Zur Überwindung dieser Problematik ist ein offener Umgang in gemischtgeschlechtlichen Teams erforderlich, Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit und die Qualifizierung männlichen Erziehungspersonals. Jedenfalls, so resümiert Walter, wird „ohne die gleichwertige Beteiligung von Männern… die Jungen-Frage nicht befriedigend zu lösen sein“ (71).

Sexualerziehung in der Arbeit mit Jungen ist das Thema des Beitrags von Thomas Colberg. Als Grundsatz formuliert der freiberufliche Jungentrainer für geschlechtsspezifische, sexualpädagogische Workshops, dass sexualpädagogische Jungenarbeit eine sexualfreundliche Grundhaltung haben müsse, in der Körperlichkeit und Sexualität in ihren verschiedenen Ausprägungen als positiver und bereichernder Teil der Persönlichkeit betrachtet wird. Sein Beitrag umfasst eine Reihe von Gruppenübungen zu Themenbereichen wie z. B. ein Sex-Quiz, in dem spielerisch Wissen zu männlichem und weiblichem Körper, Verhütung, Schwangerschaft, HIV etc. abgefragt wird, ein Workshop „Vom Jungen zum Mann“, der die Thematik der Veränderungen von Jungen während der Pubertät aufgreift, oder eine Gruppenveranstaltungen zur „Kondom-Kunde“. Die in diesem Beitrag versammelten Kurzkonzepte zur sexualpädagogischen Gruppenarbeit machen deutlich, dass 1. eine offensive Thematisierung und Vermittlung sexualpädagogischer Inhalte unumgänglich ist und 2. der Spaß dabei nicht zu kurz kommen darf.

Am Beispiel eines Projekts des Kinderschutz-Zentrums Oldenburg, das als Präventionsprojekt für Jungen an Schulen durchgeführt wird, greift Michael Herschelmann Möglichkeiten sozialpädagogischer Jungenprojekte in Kooperation von Schule und Jugendhilfe auf. Jungen werden zu Opfern oder Tätern vor dem Hintergrund verinnerlichter Vorstellungen traditioneller Männlichkeitsdefinitionen. Die Gefahr von Präventionsprojekten liegt darin, die Täteranteile zu stark zu fokussieren, alleine auf dysfunktionale Anteile zu zielen. Herschelmann spricht von der Notwendigkeit eines Blickrichtungswechsels in der Präventionsarbeit mit männlichen Jugendlichen, mit dem Ziel, vorhandene Ressourcen zu aktivieren, gelungene Anteile von Männlichkeit zu stärken. Eine solche, an Prinzipien des Empowerment orientierte Arbeit stellt der Autor am Beispiel des Projekt „Crazy … oder: wie Jungen zum Mann werden. Eine AG … nur für Jungen“ vor. Das umfangreiche Gruppenprogramm thematisiert 21 Themenbereiche, von Fragen der Körperlichkeit, sexuelle Orientierung, sexuelle Praktiken bis hin zu sexuelle Gewalt, Beziehungsgestaltung, Pornografie und biografische Aspekte; einzelne Einheiten des Programms werden kurz vorgestellt. Ziel dieser Projektarbeit ist die Integration der Themenbereiche in den biografischen Kontext der teilnehmenden Jungen, die Orientierung an deren Erfahrungen und Lebenswelt. Das Programm zielt auf eine umfassende Förderung der Persönlichkeit, des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls männlicher Jugendlicher, das auch betroffenen Jungen (Opfern und Tätern) einen Zugang zu Hilfe ermöglichen will.

Ein weiteres ressourcenorientiertes Präventionsprojekt stellt Werner Schuller mit einem Selbstbehauptungstraining für Jungen vor. Das Programm zielt auf die Verbesserung der Wahrnehmung von Gefahrensituationen, Trainingssequenzen zur Selbstbehauptung und –verteidigung und vor allem auf die Vermittlung der Botschaft „Ich habe Handlungsmöglichkeiten“ (112) in schwierigen und gefährlichen Situationen. Der Beitrag schließt mit den „Qualitätsstandards für Selbstsicherheitstrainings für Mädchen und Jungen gegen sexuelle Übergriffe“ der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW, die an anderer Stelle bereits 2005 publiziert wurden.

Kultursensible Präventionsarbeit mit Jungen ist das Thema des Beitrags von Ahmet Toprak und Aladin El-Mafaalani. Ihr Beitrag basiert auf sozialisationstheoretischen Überlegungen in Bezug auf arabisch- und türkeistämmige Jungen, welche im Bereich der Gewaltkriminalität eine hohe Deliktrate aufweisen. Ihre, leider sehr knappen, Schlussfolgerungen für die präventive Arbeit mit heranwachsenden Migranten benennen die Notwendigkeit einer interkulturellen Kompetenz pädagogischer Fachkräfte und zielen auf die Integration der Eltern in die pädagogische Arbeit, sowie die Differenzierung der Angebote in zentralen außerfamiliären Bildungs- und Erziehungseinrichtungen.

Patrick Schoden befasst sich in einem weiteren Beitrag mit der Rolle der Väter im Kontext der Präventionsarbeit. Väter sind in ihrer Eigenschaft als männliche Identifikations- und Projektionsfiguren wichtige Kooperationspartner in der Prävention sexualisierter Gewalt. Bezugspunkte sind hier die Integration „neuer“ Männlichkeitsdefinitionen, die Wahrnehmung des Phänomens männlicher Opfererfahrungen und Beziehungsgestaltung (unter Männern) als positive Lernerfahrung. Für die pädagogischen Fachkräfte sieht Schoden vielfältige Entwicklungsaufgaben: von der Reflexion eigener Werte und Normen, über die Auseinandersetzung mit dem eigenen sexuellen Skript hin zu rechtlichen Aspekten und Fragen der Öffentlichkeitsarbeit.

Auf die Bedeutung des Beziehungsaspekts in professionellen Beratungssituationen bei der Identifikation von Missbrauchsgeschehen geht Peter Mosser ein. Der Psychologe aus der Münchner Beratungsstelle für männliche Opfer sexualisierter Gewalt „kibs“ beschreibt eindringlich anhand von Alltagssituationen, aber auch am Beispiel sexueller Gewalterfahrung, „dass der geschlechtsbezogene Aspekt menschlichen Leids in der Wahrnehmung des Betrachters immer dann ‚automatisch‘ verschwindet, wenn Männer zu Opfern von Gewalt werden“ (141). Männliche Jugendliche bleiben in ihrer Opfererfahrung oft unentdeckt (unsichtbar, wie Mosser schreibt), weil eine Statuszuschreibung als schutzwürdiges Opfer, das Aufmerksamkeit und Hilfe benötigt aufgrund geschlechtsabhängiger Verzerrungen nicht erfolgt. Zur Veränderung dieser Situation plädiert der Autor für eine beziehungsbasierte Arbeit in unterschiedlichen pädagogischen Kontexten. Auf der Grundlage einer Sensibilisierung von Fachkräften in Bezug auf Risikosituationen und geschlechterabhängige Symptombildung nach Missbrauchserfahrung entwickelt Mosser Handlungsstrategien zum Umgang mit Verdachtsfällen oder eindeutigen Situationen sexueller Gewalt. Der Entwicklungsbedarf in diesem Feld ist enorm, allerdings werden die öffentlichen Mittel zur Entwicklung professioneller Arbeitsansätze seit langem zurückgefahren. Mosser: „Das Auseinanderklaffen zwischen stetig steigenden Anforderungen zur Realisierung von Kinderschutzaufgaben einerseits, bei gleichzeitiger Verknappung der dafür notwendigen Ressourcen andererseits macht Hilfesysteme anfällig für eine Kultur der Unaufrichtigkeit“ (151).

Aus der Gruppenarbeit mit sexuell übergriffigen männlichen Jugendlichen berichten Kirstin Dawin und Michael Schwarz. Die Arbeit des „KinderschutzZentrum“ belegt, warum überhaupt mit Tätern gearbeitet werden muss und wie das gelingen kann. Nach der Benennung von Rahmenbedingungen für die therapeutische Arbeit mit sexuell übergriffigen Jugendlichen (Arbeit im Zwangskontext, Umgang mit Scham, Kooperation mit behördlichen Stellen, Behandlungsvertrag) formulieren die Autorinnen die zentralen Ziele der ambulanten Therapie: Rückfallvermeidung, Deliktrekonstruktion mit Aufdeckung des Deliktkreislaufs, Verantwortungsübernahme, Opferempathie, Förderung der psychosexuellen Entwicklung und Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenz.

Der Band endet mit zwei kurzen Abschnitten des Mitherausgeber Günther Schatz. In einem Beitrag werden hier Hinweise zur Prävention von sexuellem Missbrauch in und durch pädagogische Institutionen formuliert. Im Kapitel „Ausblick“ definiert Schatz Forderungen nach einer weiteren Professionalisierung der Präventionsarbeit, welche neben der weiteren Ausformulierung der Konzepte in der Wirksamkeitsforschung und in der deutlichen Einforderung politischer, gesellschaftlicher und v. a. finanzieller Unterstützung angesiedelt sind.

Zielgruppe

Der Band wendet sich als Praxis- und Methodenreader an in der Jungenarbeit tätige Fachleute aller pädagogischen Berufsgruppen. Zur Unterstützung der gendersensiblen Jungenarbeit verstehen die Herausgeber das Buch auch als Motivationslektüre für politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger und Geldgeber, welche so für die Notwendigkeit professioneller, präventiver Jungenarbeit sensibilisiert werden sollen.

Diskussion

Anliegen des Buches ist es nicht, Jungen als grundsätzlich potentielle Täter zu stigmatisieren, sondern durch die aufgezeigten Beispiele und Konzepte, auch zur Lebenskompetenzförderung und Sexualerziehung eine Basis zu schaffen, die Jungen ermöglicht ein gelingendes und verantwortliches Leben zu führen „ohne Sexualisierung von Aggression und Dominanz und ohne [die] … Gefahr …, Opfer oder Täter sexueller Gewalt zu werden (8)“. Die hier vorgestellten unterschiedlichen Beiträge zur Präventionsarbeit sind ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der praktischen Arbeit in diesem Feld, aber auch zur Differenzierung des Verständnisses von Opfer- und Täterperspektiven und damit ein wichtiger und längst überfälliger Baustein zur Versachlichung der Diskussion um männliche Täterpotentiale und gendersensible (Sozial)pädagogik. Die Breite der Argumentationslinien, von der Frage nach modernen Väterrollen, dem Zusammenhang von Bildungs- und Entwicklungsarbeit, Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung und des Migrationskontextes bis hin zur Arbeit mit sexuell auffälligen Jungen belegt auf überzeugende Weise, welche unterschiedlichen Möglichkeiten präventiver und behandelnder Sozialer Arbeit mit dem Ziel der Delinquenzprävention notwendig und möglich sind. Die Zuordnung bestimmter Verhaltens- und Erlebensweisen bei Jungen, deren Bedürfnis- und Motivationslage wird allerdings in einzelnen Beiträgen teilweise zu undifferenziert aufgegriffen. „Jungen sind unruhiger wie Mädchen. Sie rennen eher Treppen hinauf, schlagen Türen zu und können oft nicht still sitzen“ (42) schreibt z. B. Guggenbühl in seinem Beitrag. Sicher sind Jungen auch so, aber nicht nur. Ich vermisse hier die Berücksichtigung der Jungen, die eben nicht dem typischen Rollenverhalten entsprechen, die „weich“ und „eher weiblich“ sind und durch diese Variablen in Konflikte geraten, oder gar in eine Opferrolle gedrängt werden. Der Band zeigt auf, welche Spannweite an Ansätzen, Aspekten und Interventionsformen in der Präventionsarbeit möglich ist. Leider sind einzelne Beiträge (Kultursensible Aspekte, Selbstbehauptungstraining, sexueller Missbrauch in Institutionen) zu kurz gefasst. Wichtige Themen werden dort teils nur angerissen, die Ausformulierung der Theorie, oder die Hinterfragung der Präventionspraxis, auch durch Einbeziehung von Forschungsergebnissen zur Wirksamkeit von Präventionsprogrammen kommen dort häufig zu kurz.

Fazit

Der Sammelband gibt einen guten Überblick zu pädagogischen Konzepten in Prävention und Behandlung sexueller Gewalt an Jungen und von Jungen. Der Band ist Fachkräften in allen pädagogischen Einrichtungen und Feldern zu empfehlen. Sexuelle Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das neben spezialisierten, Zielgruppen orientierten Präventionsangeboten möglichst breit aufgefasst und umgesetzt werden muss. Damit ist der Band hervorragend geeignet für die Arbeit in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Schulen und Beratungsstellen.

Rezension von
Dr. phil. Gernot Hahn
Diplom Sozialpädagoge (Univ.), Diplom Sozialtherapeut
Leiter der Forensischen Ambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
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ISSN 2190-9245