Wolfgang Bossinger, Rolf Verres et al.: Schwingung und Gesundheit - Der Film
Rezensiert von Prof. Dr. em. Christel Hafke, 06.10.2010
Wolfgang Bossinger, Rolf Verres, David Lindner: Schwingung und Gesundheit - Der Film. Neue Impulse für eine Heilungskultur aus Kunst, Musik und Wissenschaft.
Traumzeit-Verlag
(Battweiler) 2008.
ISBN 978-3-933825-74-2.
19,80 EUR.
DVD-Box.
Verbindung zu Buchveröffentlichung
Dieser Film von V.-Ingrun Finke ist eine Ergänzung zu dem Buch: Wolfgang Bossinger, Raimund Eckle (Hrsg.): Schwingung und Gesundheit. Neue Impulse für eine Heilungskultur aus Wissenschaft, Musik und Kunst. Traumzeit-Verlag (Battweiler) 2008. 393 Seiten. ISBN 978-3-933825-69-8. 32,00 € und ich möchte auf die entsprechende Rezension unter https://www.socialnet.de/rezensionen/5990.php verweisen
Thema und Absicht des Films
„Es geht um die Vision einer ganzheitlichen Heilkunst und Heilkultur. Wer aus seiner Seele malt oder singt, kann sogleich seine innere Welt heilen. Und wenn wir eins sind mit unserer Seele und unserem Körper, dann können wir gemeinsam auch unsere äußere Welt heilen.“ Dieses am Ende des Films geäußerte Statement kann als Motto für den ganzen Film gesehen werden.
In dem Film kommen einige Autoren des gleichnamigen Buches zur Sprache und haben die Möglichkeit zur Veranschaulichung des Gesagten.
Dies gilt in besonderer Weise für die Kunsttherapeuten Werner Henkel und Raimund Eckle, die in sehr berührender Weise eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Naturraum Park aufzeigen.
Aber auch das faszinierende Gebiet, Muster und Strukturen der Natur künstlerisch umzusetzen oder Wasser auf Musik antworten zu lassen, bekommt durch den Film eine größere Anschaulichkeit. Alexander Lauterwasser zeigt und erklärt seine Wasser-Klang-Bilder und wie Frequenzen die sichtbaren Wellen im Wasser beeinflussen; man kann dann Christian Bollmanns Gesang als Schwingung im Wasser abgebildet sehen.
Auch Rolf Verres demonstriert hinter einem respektablen Flügel nicht nur Zugänge zur musikalischen Improvisation, er bezieht dieses Prinzip auch auf andere Bereiche der Kommunikation, z. B. das Gespräch. Er versteht Improvisation als eine Weise mit dem Unvorhergesehenen umzugehen und die Wahrnehmung zu verfeinern.
Meditationslehrer Munir Voss erklärt, dass Gesundsein für H.I. Khan (seinen Lehrer) und für die Sufis bedeute, in Harmonie zu sein, d.h. in Resonanz mit dem eigenen inneren Wesen, aber auch mit der äußeren Umgebung. Jedes Wesen singt ein Lied oder wird als ein Lied gesehen und gehört. Die eigene Melodie zu finden und zu lernen, sie richtig zu singen, das ist nach Munir Voss der eigentliche spirituelle Weg und das bedeutet auch Heilung. Die Kunst der Heilung bestehe darin zu erkennen, wo Dissonanzen oder Disharmonien sind und diese zu reinigen. Manchmal sei es auch erforderlich, dass sich das Lied, das die Seele singt, ändert. Krankheit beschreibt er so: dass etwas in unserem Leben, das bislang richtig war, nicht mehr im Einklang mit uns steht.
Für Munir Voss besteht der Körper aus reinem Licht und jedes Ding, das die Hand berührt, ist kristallisiertes Licht. Wenn diese Auffassung dazu führt, das Leben nicht mehr so trübe und dunkel zu betrachten, dann hat seiner Auffassung nach der Mensch den entscheidenden Schritt schon getan. Aber er hält es nicht für leicht, inmitten von Stress, Schmerz und Leid „und was man sonst noch im Leben hat“ letztendlich alles als einen Tanz von Lichtern zu betrachten.
Wolfgang Bossinger erklärt die Wirkung des Somachords, mit dem der ganze Körper in Schwingung versetzt wird, das durch ein Besingen des Patienten wirksam unterstützt werden kann. Hierdurch sieht er die Möglichkeit, an sehr frühe Erfahrungen von Geborgenheit anzuknüpfen und ein tiefes Loslassen zu ermöglichen. Er sieht eine Wechselwirkung zwischen Schwingung der menschlichen Stimme und Schwingungsfähigkeit der menschlichen Seele/des Herzens.
Maximilian Moser, Chronomediziner aus Graz, erklärt dann, dass das kranke Herz die Fähigkeit zum Klingen eingebüßt habe; nur ein gesundes Herz bilde eine Klangstruktur aus. Durch Tönen und Mantrensingen, die beide einen sehr langen Atem fördern, könne man das Herz wieder anregen.
Ähnlich wirken Klangschalen und Gongklänge auf den Körper. Die Klangschalen produzieren keine reinen Töne, sondern viele Überlagerungen und Obertöne, so dass das Ohr diese nicht mehr analytisch wahrnehmen kann; darum sacken viele Menschen bei diesen Klängen so tief weg.
Diskussion
Den
Begriffen Gesundheit und Heilung haftet etwas Magisches an: jeder
meint zu verstehen, was gemeint ist und doch bedeuten diese Begriffe
je nach Kontext oder eigener Befindlichkeit vermutlich etwas sehr
Verschiedenes: „Gesundheit wird einerseits zum nicht
hinterfragbaren Wert, ja zum Grundrecht erhoben, doch es bleibt
völlig unklar, was im Einzelfall als krank und gesund zu
bewerten ist.“ [1]
Die weitgefasste Definition der WHO schafft hier kaum Abhilfe und da
der Begriff weiterhin im Singular gebraucht wird (im Gegensatz zu
Krankheiten) schwingt hier etwas Totalitäres, unausgesprochen
Normierendes mit.
Dies gilt in einem noch sehr viel stärkerem
Maße für den Begriff der Heilung, der sicher nicht dem der
Gesundheit gleichzusetzen ist und in dem stets quasi-religiöse
Heils- und Erlösungsversprechungen mitklingen.
Doch was ist Heilung? [2] Die Sehnsucht nach Ganzheit, Harmonie und Einklang sind urmenschliche Sehnsüchte. Ganzheit bedeutet, auch unser Leid und unseren Schmerz anzunehmen, anzuerkennen, was ist und dies nicht wegzumanipulieren. Ganzheit heißt Gegensatzintegration: das aus dem Erleben Ausgeschlossene (wieder) zu spüren, auch wenn es ungeliebt ist. Jung nennt es Integration des Schattens; dies bedeutet, durch alle leidvolle Erfahrung hindurch zu schauen, wo die eigene Mitbeteiligung an problematischen Situationen liegt. Wenn wir die Pole oder Bereiche, die wir bislang nicht in uns selbst spüren wollten, die uns möglicherweise unbekannt sind und nur als Störendes im Gegenüber erscheinen, als eigene anerkennen, kann Erkenntnis unter Umständen sehr schmerzhaft sein.
Heilung passiert immer von innen; alle Hilfe von außen bleibt wirkungslos, wenn nicht eine innere Bereitschaft vorhanden ist, wenn sie nicht von innen zugelassen wird. Wenn wir Heilung außen durch andere oder bestimmte Verfahren suchen, geraten wir leicht in die Schlingen von Gurutherapeuten und esoterischen Erlösungsversprechungen. Erfolgreiche Schattenarbeit führt nicht unbedingt zu Trost, Wohlbefinden oder einem glücklichen Leben, aber zur Selbstregulationsfähigkeit und zu einem besseren Umgang mit unseren Konflikten und Ambivalenzen. Wer nur noch ins Licht guckt, ist vermutlich irgendwann geblendet und kann die unmittelbare Umgebung nicht mehr sehen. Auch sind Zweifel angebracht, ob eine esoterische künstlerische Methode oder Denkweise oder ein verschmelzendes, entgrenzendes Gruppenerlebnis heilen können. Es wäre genau zu untersuchen, was da als Heilung bezeichnet wird.
Heilung braucht Sympathie von außen und von innen, von sich selbst und vom mitfühlenden Gegenüber, um die Angst vor Ausstoßung und Getrenntheit spüren und überwinden zu können.
Weil es kaum Institutionen und Orte gibt, die die Sehnsucht nach Halt und Heilung befriedigen, ist die Empfänglichkeit für Heilungs- und Paradiesvorstellungen sehr verständlich. Doch dieses Bedürfnis nach Transzendenz (= das Gewöhnliche übersteigen) und Heilsein lässt sich leicht missbrauchen. Denn es gibt keine Erlösung aus dem Alltäglichen und keine endgültige Lösung von Ängsten, Konflikten und Widersprüchen. Die Integration des Schattens meint, Ängste und Konflikte als Bestandteil des Lebens anzunehmen und mit ihnen kreativ umgehen zu lernen. Versöhnung der Gegensätze bedeutet, die Suche nach dem äußeren Paradies, d.h. einer konfliktfreien Existenz oder Erlösung aufzugeben. Das Paradies ist innen, wenn und weil die Widersprüche sich nicht mehr bekämpfen. Loslassen kann ich nur, was zu mir gehört, was ich erobert habe.
Fazit
Der Film hat – ähnlich dem Buch – sehr faszinierende Teile und gibt Einblick in Bereiche, die keineswegs dem therapeutischen Mainstream entsprechen; einiges klingt fremd und erklärungsbedürftig. Aber in dieser Faszination liegt eben womöglich für manchen die Gefahr, wieder etwas Neues entdeckt zu haben, die ultimative Lösung, die es bislang immer nicht war. Gerade in dem Zwischenbereich zwischen esoterischen Theorien und Wissenschaft liegt eine gewisse Verführung zum Extraordinären.
Als Ergänzung zum gleichnamigen Buch ist der Film eine Bereicherung, nicht zuletzt, weil die Autoren Stimmen und Gesichter bekommen und die visuelle und optische Präsentation manches sehr viel anschaulicher werden lassen.
[1] Simon, Fritz B. (1995). Die andere Seite der Gesundheit. Ansätze einer systemischen Krankheits- und Therapietheorie. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, S.10
[2] Ich stütze mich in den folgenden Überlegungen maßgeblich auf Überlegungen, die ich bereits an anderer Stelle geäußert habe: s. Hafke, Christel (1998). Vertrauen und Versuchung.Über Machtmissbrauch in der Therapie. Hamburg: Rowohlt Verlag, Kap. 4
Rezension von
Prof. Dr. em. Christel Hafke
em. Professorin der Fachhochschule Emden, lehrte schwerpunktmäßig im Bereich Kultur/Ästhetik/Medien, Soziologie und Ethik
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Zitiervorschlag
Christel Hafke. Rezension vom 06.10.2010 zu:
Wolfgang Bossinger, Rolf Verres, David Lindner: Schwingung und Gesundheit - Der Film. Neue Impulse für eine Heilungskultur aus Kunst, Musik und Wissenschaft. Traumzeit-Verlag
(Battweiler) 2008.
ISBN 978-3-933825-74-2.
DVD-Box.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10104.php, Datum des Zugriffs 07.12.2024.
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