Susanne Klein, Hans-Jürgen Appelt (Hrsg.): Praxishandbuch Betriebliche Sozialarbeit
Rezensiert von Selma Koch, 16.12.2010
Susanne Klein, Hans-Jürgen Appelt (Hrsg.): Praxishandbuch Betriebliche Sozialarbeit. Asanger Verlag (Kröning) 2010. 282 Seiten. ISBN 978-3-89334-531-1. 24,00 EUR.
Thema
Das Praxishandbuch gibt Einblick in das Arbeitsfeld der betrieblichen Sozialarbeit. Es beleuchtet unterschiedliche Dimensionen von den Anfängen als Fabrikpflege bis zu einer modernen betrieblichen Sozialarbeit mit einem breiten, über die Einzelfallberatung hinausreichenden Leistungsspektrum. Es gibt Hinweise, wie sich die betriebliche Sozialarbeit im Spannungsfeld zwischen einer sozialarbeiterischen Ethik und ökonomischen Zwängen entwickelt und positioniert. Zahlreiche Beispiele zeigen, wie Angebote und Dienstleistungen auf Grund eines gesellschaftlichen und betrieblichen Wandels ausgestaltet und in der Praxis umgesetzt werden. Die Herausgebenden verstehen das Buch als „additive Collage“- auf einen Leitgedanken wird bewusst verzichtet.
Herausgeberin und Herausgeber
Susanne Klein ist staatlich anerkannte Erzieherin, Diplomsozialarbeiterin, Weiterbildungsmanagerin und Vertriebscoach. Sie ist bei der Frankfurter Sparkasse als Sozialreferentin tätig. Hans-Jürgen Appelt ist Kaufmann, Diplomsozialpädagoge, Supervisor und Systemischer Berater. Er arbeitet als selbständiger Berater.
Aufbau und Inhalt
Der Reader setzt sich aus insgesamt zwanzig Beiträgen zu unterschiedlichen Themen der betrieblichen Sozialarbeit zusammen.
Nach einem Grusswort des Vorstandsprechers des Bundesfachverbandes Betriebliche Sozialarbeit (bbs) schildert der stellvertretende Vorsitzende des Human-Capital-Club München die Bedeutung der betrieblichen Sozialarbeit aus Unternehmenssicht. Es folgt eine Einführung der Herausgebenden.
Michael Bremmer zeigt die Entwicklung der betrieblichen Sozialarbeit von ihren Anfängen zu Beginn des 20 Jahrhunderts bis hin zum heutigen Verständnis als selbständige Serviceeinheit innerhalb von Unternehmen. Er beschreibt, wie der gesellschaftliche Wandel die Funktion der betrieblichen Sozialarbeit beeinflusst und sich dadurch die Begrifflichkeiten und Zielsetzungen verändern. Die Entwicklung zur Serviceeinheit demonstriert er anhand eines Beratungsmodells.
Edgar Baumgartner gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der betrieblichen Sozialarbeit in Deutschland. In seiner nicht repräsentativen Studie untersucht er die Angebotsprofile der betrieblichen Sozialarbeit, ihre Legitimation und die Positionierung. Es zeigt sich, dass sich ihr Aufgabenfeld weit über die Einzelfallberatung hinaus erstreckt und dass sie trotz randständiger Position in ihrer Existenz nicht bedroht ist. Baumgartner sieht in der Überwindung dieser Position eine zentrale Herausforderung.
Karin Wachter erläutert unterschiedliche Ansätze zur Wirkungsmessung betrieblicher Sozialarbeit. Sie beschreibt einerseits Methoden, welche den Nutzen für Unternehmen monetär ausweisen, wie die Kosten-Nutzenanalyse, die Break-Even Analyse und die Berechnung von Opportunitätskosten. Andererseits zeigt sie, wie die Wirkung betrieblicher Sozialarbeit indirekt erfasst wird, beispielsweise über die Verbesserung des Arbeitsklimas, die Erhöhung der individuellen Arbeitszufriedenheit oder den Aufbau von Reputation. Ansätze zur volkswirtschaftlichen Wirkungsmessung ergänzen die Ausführungen. Die unterschiedlichen Methoden werden abschliessend kritisch erörtert.
Matthias Schmidt fragt nach Parallelitäten zwischen der Ethik der betrieblichen Sozialarbeit und einer werteorientierten Unternehmensführung. Ausganspunkt bildet die Hypothese, dass sich die Ethik der betrieblichen Sozialarbeit und die Unternehmensethik wechselseitig beeinflussen. Damit die Ethik der betrieblichen Sozialarbeit im Unternehmen wirksam werden kann, stellt er drei Anforderungen. Sie muss sämtliche Unternehmensangehörige erreichen, die betriebliche Sozialarbeit soll Veränderungen im Unternehmen anstossen sowie müssen Veränderungsimpulse über die Unternehmensgrenzen hinaus wirken.
Nadija Amjad erläutert das Vorgehen in der betrieblichen Schuldnerberatung. Sie beschreibt das Erstgespräch mit dem Schuldner bzw. mit der Schuldnerin, die Analyse der Schuldensituation und die eigentliche Schuldenregelung. Die einzelnen Prozessschritte werden mit methodischen Hinweisen, rechtlichen Grundlagen sowie praktischen Hilfen ergänzt.
Kristina Braun zeigt, wie ausgehend von einer Anfrage, eine Klausurtagung zu moderieren, ein neues Dienstleistungsangebot der betrieblichen Sozialarbeit entwickelt wurde. Sie beschreibt die Planung und Durchführung der Klausur und legt dar, wie Erfahrungen aus der Beratungsarbeit in die Moderation einfliessen.
Kristina Hartwig beschreibt anhand eines Praxisbeispiels die Verfahrensschritte im Case-Management. Neben den Theoriebezügen zeigt sie Arbeitsinstrumente auf, beispielsweise ein Beratungskontrakt sowie ein Handlungs- und Ergebnisplan. Abschliessend reflektiert sie zentrale Aspekte des Case-Management-Prozesses.
Susanne Klein stellt das Präventionskonzept „Banküberfall“ der Frankfurter Sparkasse vor. Sie informiert über Trauma und posttraumatische Belastungsstörungen und verweist auf die Basis des Konzeptes, eine Befragung von Mitarbeitenden, die von einem Banküberfall betroffenen waren. Anschlissend werden die drei Bausteine des Konzepts „Schulung“, „Krisenintervention“ und „Nachsorge“ erläutert.
Rainer Köppenhöfer und Oliver Eichhorn präsentieren das Tutorensystem als Peergroup orientierten Ansatz in der betrieblichen Suchtprävention bei der BASF. Das Konzept basiert auf der Grundannahme, dass Auszubildende eher bereit sind, Unterstützung zu akzeptieren, wenn diese von Gleichaltrigen kommt und die Auszubildenden ihre eigene Lebenswelt selbst am besten kennen. Die Autoren geben einen Überblick über den Ablauf des Tutorensystems und weisen erste Erfahrungen aus.
Jürgen Riemer beschreibt ein Coaching-Angebot für neue Führungskräfte eines Universitätsklinikums. Ausgehend von der systemischen Betrachtung des Klinikums als Organisation und der unterschiedlichen Rollen einer Führungskraft im Unternehmen leitet der Autor Erwartungen an das Coaching und Anforderungen an den Coach ab. Er stellt den Coaching-Prozess dar und erläutert das methodische Vorgehen.
Sabine Schewe geht den Fragen nach, wann und wie Auszubildende einer Versicherung während der Ausbildung legale und illegale Drogen konsumieren, wie sich der Konsum verändert und ob Unterschiede im Konsum zwischen Gruppen von Auszubildenden bestehen. Sie gibt einen Überblick über frühere Studien, erläutert das Design ihrer Untersuchung und präsentiert die Ergebnisse. Abschliessend beschreibt sie, wie Suchtprävention aus den Erkenntnissen der Studie entwickelt und im Unternehmen umgesetzt wird.
Annette Söling-Hotze thematisiert Stressprävention in Unternehmen. Nach theoretischen Grundlagen zu Stress zeigt die Autorin unterschiedliche Interventionsmöglichkeiten in der Stressberatung. Sie erläutert Präventionsstrategien auf der individuellen wie auf der betrieblichen Ebene. Abschliessend regt sie die Sozialarbeitenden an, Konzepte zur Stressreduktion selber anzuwenden.
Lars Friege beschäftigt sich mit betrieblicher Sozialarbeit mit psychisch kranken Mitarbeitenden. Er vermittelt Grundlagenwissen über psychische Erkrankungen und gibt Hilfestellungen für die Beratung. Die Ausführungen enthalten konkrete Anleitungen zur Gesprächsführung mit den erkrankten Mitarbeitenden, Regeln für die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen- und Kolleginnen sowie Handlungsanweisungen bei Krisen und Suizidalität.
Christoph Korn sieht ein systematisches Gesundheitsmanagement als Antwort auf die Zunahme von Arbeitsplatzbelastungen. Durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement als Teil des Gesundheitsmanagements soll Arbeitsunfähigkeit überwunden und Arbeitsfähigkeit erhalten und gefördert werden. Der Autor beschreibt, wie in einem Vermessungsamt ein betriebliches Eingliederungsmanagement entwickelt und implementiert wird und welchen Beitrag die betriebliche Sozialberatung in der Umsetzung leisten kann.
Annette Löning zeigt, wie Mediation im betrieblichen Kontext für eine erfolgreiche Konfliktlösung genutzt werden kann. Sie beschreibt Rahmendbedingungen, erläutert Anwendungsbereiche und skizziert das methodische Vorgehen. Abschliessend werden Chancen und Risiken aufgeführt.
Regina Neumann-Busies stellt ein Serviceangebot für pflegebedürftige Angehörige und Pensionäre der Firma Henkel vor. Das Projekt „Care Support – Pflegebegleitung im Unternehmen“ bietet Beratungs- und Bildungsangebote für pflegende Angehörige. Mit Berichten aus der Praxis erläutert die Autorin die Auswirkungen auf die Nutzenden und ihr Umfeld.
Oliver Richter erläutert das integrative Gesundheitsmanagement bei OTTO auf der Grundlage sozialer Verantwortung und eines ökonomischen Verständnisses. Um eine systematische Vorgehensweise zu gewährleisten schlossen sich die für den Gesundheitsschutz und die Gesundheitsförderung verantwortlichen Fachstellen zu einem Netzwerk zusammen. Der Autor beschreibt die Organisation, Zielsetzungen und Angebote des Netzwerks sowie die Aufgabenschwerpunkte der einzelnen Stellen. Abschliessend werden zukünftige Herausforderungen wie der Umgang mit älteren Mitarbeitenden angesprochen.
Jan Rickmann beschäftigt sich mit der betrieblichen Suchtprävention bei der Continental AG. Er beschreibt die strukturelle Einbindung und Positionierung der Suchtprävention, die Präventionsangebote und Sozialberatung für die Mitarbeitenden, die Schulung der Führungskräfte sowie Marketing und Qualitätssicherung. Der Autor weist darauf hin, dass das Präventionskonzept durch Praxisorientierung und Pragmatik auf allen betrieblichen Ebenen einen Nutzen ausweist.
Peter Taub-Martin zeigt, wie Coaching im Bereich der Personalentwicklung genutzt werden kann. Er fragt, welche Ansprüche an ein organisationsinternes Coaching gestellt werden und wie es in der Organisation positioniert sein muss. Ausgehend von theoretischen Grundlagen und Angaben zu den einzelnen Einsatzfeldern skizziert er das Produkt „Organisationsinternes Coaching“ und leitet daraus Anforderungen für Leistungserbringer von organisationsinternem Coaching ab.
Katja Müggler beschäftigt sich mit der Situation der betrieblichen Sozialberatung in der Schweiz. Ausgehend von der ökonomischen und sozialpolitischen Lage in der Schweiz weist sie auf die Entstehungsgeschichte der betrieblichen Sozialarbeit hin und skizziert die aktuelle Situation. Am Beispiel der Proitera GmbH erläutert sie die Aufgabenfelder, Handlungsprinzipien und Finanzierung eines Schweizer Anbieters für externe betriebliche Sozialarbeit.
Diskussion
Das Praxishandbuch bietet eine Melange aus thematischen Aspekten und Perspektiven zur betrieblichen Sozialarbeit. Die einzelnen Beiträge sind in ihrer Dichte und Wissenschaftlichkeit heterogen, durchwegs aber gut nachvollziehbar und leicht lesbar.
Der Aufbau folgt keiner Systematik und die Themenauswahl wird nicht begründet. Die inhaltliche Fragmentierung hat zur Folge, dass Themenbereiche wie Sucht und Coaching mehrfach beleuchtet, andere Bereiche, beispielsweise der Umgang mit älteren Mitarbeitenden oder Qualitätsmanagement kaum bzw. nicht behandelt werden. Auch weiterführende Literaturangaben zu den einzelnen Themen werden vermisst.
Obwohl es die Absicht der Herausgebenden war, auf den roten Faden zu verzichten und sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit geltend machen, wäre eine Struktur und eine begründete Wahl der Themenschwerpunkte wünschenswert. Dies würde die Orientierung für den Lesenden erhöhen und ein Gesamtbild der betrieblichen Sozialarbeit ermöglichen.
Fazit
Das Handbuch gibt somit einen Einblick in die aktuelle betriebliche Sozialarbeit in Deutschland. Durch die inhaltliche Fragmentierung bietet es jedoch keinen umfassenden Überblick.
Es hat die Qualität eines Lesebuches: Die einzelnen Aufsätze können selektiv genutzt werden. So finden Praktiker und Praktikerinnen im einen oder anderen Bericht Anregungen. Einzelne Artikel geben Studierenden Einblick in ein Arbeitsfeld oder demonstrieren die Entwicklung von Dienstleistungsangeboten. Praxisbeispiele zeigen Personalverantwortlichen oder der interessierten Linie die Arbeitsweise der betrieblichen Sozialarbeit.
Rezension von
Selma Koch
Sozialarbeiterin FH, dipl. Betriebsökonomin
Dozentin und Projektleiterin am Institut Sozialarbeit und Recht der Hochschule Luzern
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Es gibt 1 Rezension von Selma Koch.
Zitiervorschlag
Selma Koch. Rezension vom 16.12.2010 zu:
Susanne Klein, Hans-Jürgen Appelt (Hrsg.): Praxishandbuch Betriebliche Sozialarbeit. Asanger Verlag
(Kröning) 2010.
ISBN 978-3-89334-531-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10106.php, Datum des Zugriffs 16.01.2025.
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