Klaus Sander, Torsten Ziebertz: Personzentrierte Beratung
Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers, 28.01.2011

Klaus Sander, Torsten Ziebertz: Personzentrierte Beratung. Ein Lehrbuch für Ausbildung und Praxis.
Juventa Verlag
(Weinheim) 2010.
280 Seiten.
ISBN 978-3-7799-2078-6.
21,00 EUR.
CH: 35,50 sFr.
Reihe: Edition sozial.
Autoren
Klaus Sander, Jg.1940, war Professor für klinische Psychologie und Beratungspsychologie am Fachbereich Sozialpädagogik der FH Düsseldorf, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der GwG; zahlreiche Veröffentlichungen zur Personenzentrierten Beratung; Erfahrungen in Klinik, Beratungsstellen und psychotherapeutischen Praxen
Torsten Ziebertz, Dr.phil., Jg.1974, ist Diplom-Sozialpädagoge, Ausbilder für Personzentrierte Beratung (GwG) und systemischer Familientherapeut; Vorträge und Weiterbildung unter anderem zur Methodik der Personenzentrierten und systemischen Beratung, zahlreiche Veröffentlichungen. Der Autor ist Leiter des Ziebertz-Instituts für berufliche Bildung in Oberhausen.
Das Buch befasst sich mit dem derzeitigen Stand der Personenzentrierten Beratung, vermittelt aber auch eine grundsätzliche Einführung in das Thema Beratung.
Aufbau und Inhalt
Es handelt sich in der Tat um eine vollständig neu bearbeitete Ausgabe der ersten Auflage von 1999. Erhalten geblieben sind weite Teile der Grundstruktur, auch einige Fallbeispiele werden weiterverwendet. Kleinere Teile, die keine Aktualisierung benötigten, sind unverändert geblieben.
Das Buch gliedert sich in fünf Hauptteile
Kapitel 1 führt zunächst allgemein in das Thema Beratung ein, nimmt jedoch im Rahmen dieser allgemeinen Einführung immer wieder Bezug auf Personenzentrierte Beratung. Neben einer differenzierten Darstellung der Unterschiede von Psychotherapie und Beratung wird ein Typenschema eingeführt, das anhand von „Problemerfahrungsfeldern“ und „Vorgehensweisen“ eine differenzierte Typologie von neun Formen entwickelt, in der das gesamte Spektrum Sozialer Arbeit wiedererkannt werden kann. Das Kapitel endet mit der Vorstellung eines Modells von Beratungsverläufen, dass bereits in den siebziger Jahren entwickelt wurde und einem ersten Exkurs zur Bedeutung des Inkongruenzerlebens, das in den letzten Jahren in der Personenzentrierten Psychotherapieforschung sehr viel Aufmerksamkeit erfuhr und das auch in der Beratung gut nutzbar ist.
Im Kapitel 2 werden zentrale Themen und Begriffe des Personenzentrierten Ansatzes und seine Entwicklung dargestellt, ergänzt durch Praxisbeispiele, die Verbindung mit anderen Ansätzen und andere Anwendungsfelder, in denen der Personenzentrierte Ansatz genutzt wird.
In Kapitel 3 werden sieben Beratungsgespräche durch Gesprächstranskripte dokumentiert. Grundsätzlich handelt es sich um für Soziale Arbeit repräsentative Situationen. In einigen Kommentaren wird aber deutlich, wann das Setting durch die Situation von (studentischen) Ausbildungsteilnehmern geprägt ist, die diese Gespräche im Rahmen ihrer Ausbildung führen müssen.
In Kapitel 4 geht es um unproduktive und produktive Beratungspraxis. Vorgestellt werden zahlreiche Fallbeispiele, die sich an der bereits erwähnten Typologie orientieren. Alle Beispiele sind sorgfältig transkribiert und werden kommentiert bzw. diskutiert. Über die Realisierung der Therapeutenvariablen hinausgehende Aspekte des Beraterverhaltens werden vorgestellt und diskutiert.
In Kapitel 5 wird erörtert, wie Beraterinnen und Berater ihre Gespräche erleben. Grundlage der Darstellung und Diskussion sind Befragungen von Kursteilnehmern in Personenzentrierter Beratung - Studenten und Berufsanfänger - außerdem eine qualitative Studie von Ziebertz über professionelle Berater - 20 Jahre nach ihrer Personenzentrierten Fortbildung.
Zielgruppen
Das Buch wendet sich lt. Klappentext an „Beraterinnen und Berater, die den Personenzentrierten Ansatz kennenlernen und praktizieren wollen.“
Studenten entsprechender Fachrichtungen werden nicht ausdrücklich erwähnt, obwohl das Buch von Aufbau und Inhalt her die Erfahrungen der Verfasser mit dieser Zielgruppe widerspiegelt und auf Erfahrungen im Studium der Sozialarbeit z.T. ausdrücklich eingegangen wird.
Diskussion
Ausgesprochen sinnvoll ist eine im Buch mehrfach erscheinende vertiefte Auseinandersetzung mit systemischen Ansätzen, deren Bedeutung für die Berufspraktiker unter anderem in Kapitel 5 deutlich wird. Das gleiche gilt für die Würdigung der eigenständigen Entwicklung des Beratungsbereiches, die erst seit einigen Jahren deutlich wird und ihren Niederschlag unter anderem in eigenständigen Organisationen findet. Diese Abgrenzung von der klinischen Psychologie ist gerade für Sozialarbeiter bedeutsam. Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht nur auf Definitionen von Beratung, sondern beschreibt auch veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Grundlage dieser Veränderung. Positiv hervorzuheben ist weiterhin eine gute Darstellung inhaltlicher Weiterentwicklungen des Personenzentrierten Ansatzes, vor allem bei der Nutzung eines gegenüber Rogers deutlich erweiterten Inkongruenzbegriffs, der nicht nur in der klinischen Psychologie, sondern auch in der sozialen Arbeit sehr bedeutsam ist. Die umfangreich dargestellten Praxisbeispiele sind transkribierte und kommentierte Gesprächsaufzeichnungen, mehrheitlich deutlich auf die Praxis sozialer Arbeit ausgerichtet.
Zur Einordnung der Praxisbeispiele entwickeln die Autoren die bereits erwähnte Typologie von „Problemerfahrungsfeldern“ und „Vorgehensweisen“, die im Verlauf des Buches immer wieder genutzt wird, um z.B. Passungsprobleme von Berater und Klient zu thematisieren. Diese Typologie ist keineswegs unkompliziert und nach meinen Erfahrungen für Studierende der Sozialen Arbeit schwerer verständlich als für routinierte Berufspraktiker. Eine vergleichbare Art der Herausforderung wird auch in Kapitel 4 deutlich, in dem sehr ausführliche, kommentierte Transkripte von Beratungsgesprächen sicher eine Herausforderung für Studierende darstellen, die oft verkürzt-plakative Darstellungen als Lerngrundlage mehr schätzen. Der Aussage von E.T.Gendlin zum personenzentrierten Ansatz: „ It„s simple, but it is not easy!“ muss ja dann widersprochen werden, wenn es - wie in der sozialen Arbeit - um die Anpassung dieses Ansatzes an höchst unterschiedliche institutionelle Rahmenbedingungen, höchst unterschiedliche Aufgaben und höchst unterschiedliche Klientengruppen geht. In diesem Buch geht es um die kreative Anpassung des Ansatzes an wechselnde Bedingungen und nicht die resignierende Feststellung, dass der Ansatz für bestimmte Arbeitsfelder weniger geeignet sei. Dies immer wieder darzustellen, gelingt den Autoren in vorzüglicher Weise.
Fazit
Das Buch ist das Ergebnis der Zusammenarbeit eines erfahrenen Wissenschaftlers, der seit langem in der Ausbildung tätig ist, mit einem deutlich jüngeren Berufspraktiker. Gerade in den Kapiteln, in denen auf die Geschichte des Ansatzes und auf die Bezüge zu anderen Ansätzen verwiesen wird, wird ein geradezu enzyklopädisches Wissen deutlich. Dieses findet seine Ergänzung in umfangreichen und qualitativ hochwertigen Praxisdarstellungen.
Für die Grundausbildung von Studenten und die Fortbildung interessierter Praktiker erscheint mir die durchaus komplexe Struktur und die Art der Darstellung eine angemessene Herausforderung zu sein.
Aus meiner Praxis als Lehrender im Studiengang Soziale Arbeit weiß ich, dass Studierende in der Prüfungsvorbereitung eine eher verkürzte, auf zentrale Inhalte beschränkte Darstellung oft mehr schätzen.
Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers
Systemischer Familientherapeut, Ausbilder der GwG (GF, SV), Supervisor DGSv
Lehrer für besondere Aufgaben (Theorien und Methoden der Sozialarbeit) i.R.
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