Irene M. Beier: Mit Eltern im Gespräch
Rezensiert von Thomas Buchholz, 25.03.2011

Irene M. Beier: Mit Eltern im Gespräch. Ein Leitfaden für Krippe und Kita. Kallmeyer Verlag (Seelze/Velber) 2010. 88 Seiten. ISBN 978-3-7800-1052-0. 19,95 EUR.
Thema und Entstehungshintergrund
Mit dem flächendenkenden Ausbau der Kindertagesbetreuung ändern sich die Bedingungen für die Erziehung und Bildung von Kindern bis sechs Jahre grundlegend. Durch den Ausbau übernimmt der Staat ebenfalls Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern. Erziehung von Kindern bis sechs Jahre realisiert sich damit nicht mehr allein in der Familie, sondern in einem Dreiecksverhältnis zwischen Kindern, ihren Eltern und den Fachkräften der frühkindlichen Bildung. Vor diesem Hintergrund sollen ErzieherInnen in Kindertageseinrichtung und Eltern eine Erziehungspartnerschaft eingehen, die durch gegenseitige Wertschätzung, durch Akzeptanz und durch einen gemeinsamen Austausch gekennzeichnet ist. „Der Begriff ‚Partnerschaft‘ meint, dass die Familie und die Institutionen kindlicher Bildung gleichberechtigt sind, ein ‚Bündnis‘ geschlossen haben, ähnliche Ziele verfolgen, gemeinsam Verantwortung tragen und Vertrauen zueinander haben“ (Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre, 2008, S. 42). Eine so verstandene Erziehungspartnerschaft setzt eine dialogische Haltung von ErzieherInnen gegenüber den Eltern voraus. „Mit Eltern im Gespräch“ setzt an dieser Grundhaltung an und zeigt in 14 Kapiteln, wie der dialogische Austausch mit Eltern im (pädagogischen) Alltag gelebt kann.
Aufbau und Inhalt
Die Autorin konzeptioniert das Buch als praktischen Handlungsleitfaden für den dialogischen Austausch mit Eltern. Nach einer kurzen Einführung beschreibt die Autorin die Aufgaben von ErzieherInnen im Kontext Elternarbeit. Dabei macht Irene Beier deutlich, dass ErzieherInnen nicht die Probleme von Eltern lösen oder Lösungsvorschläge geben können. Denn: Nur wenn Eltern mit Hilfe der ErzieherIn selbst Lösungen entwickeln, sind diese auch für das Familiensystem tragfähig und zielführend. Hinter dieser Sichtweise steht der systemische Blick auf Familien (systemischer Ansatz). Dieser wird im zweiten und dritten Kapitel des Buches vorgestellt und anhand von zwei Übungen zur Selbsterfahrung vertieft.
In Kapitel vier beschreibt Irene Beier drei Familientypen. Sie unterscheidet dabei zwischen dem instabilen Familiensystem, den pseudo-stabilen und dem stabilen Familiensystem. Vor einem Gespräch sollte die ErzieherIn reflektieren, welches Familiensystem ihr eventuell begegnen kann/wird „So [kann sie] Reaktionen und Verhaltensweisen der Familienmitglieder einschätzen und sich auf einen entsprechendes Vorgehen im Gespräch vorbereiten“ (S. 21).
Die Beschreibung und Vertiefung unterschiedlicher Kommunikationsmodelle nach Virginia Satir und Friedmann Schulz von Thun ist Gegenstand des fünften Kapitels. Die Autorin erklärt kurz und verständlich die Kernaussagen der Kommunikationstheorien und vertieft die Theorie anhand praktischer Übungen. Der Teil des Buches über die Theorie der Kommunikation wird mit einigen knappen Ausführungen über aktives Zuhören abgeschlossen.
In den Kapiteln acht bis zehn stellt Irene Beier anschaulich dar, wie Eltern-, Aufnahme- und Entwicklungsgespräche geplant und gestaltet werden können. Die Autorin gibt Hinweise für die Vorbereitung, Planung, Zielbestimmung, Durchführung und Reflexion der Gespräche. Die umfangreichen Checklisten für die Vorbereitung und Planung von Gesprächen sowie Fragebögen für die Aufnahme eines Kindes in die Einrichtung oder für ein Entwicklungsgespräch können im Alltag hilfreich sein. Beispiele für ein Elterngespräch und ein Rollenspiel als Übungsmethode können dazu beitragen, ErzieherInnen auf ihre Aufgabe weiter vorzubereiten.
Auf eine besondere Art von Gespräch geht die Autorin im nächsten Kapitel ein – dem Konfliktgespräch. Allerdings sind ihre Ausführungen an dieser Stelle sehr knapp gehalten und können nur wenige Hinweise darauf geben, wie mit einem konkreten Konfliktfall umgegangen werden kann. In Kapitel 12 und 13 greift die Autorin Gesprächs- und Fragetechniken auf. Großen Stellenwert hat hierbei das Formulieren von ICH-Botschaften. Durch die Verwendung von ICH-Botschaften wird der Äußerung von Vorwürfen entgegengewirkt. Der Sender kann vielmehr zum Ausdruck bringen, wie es ihm in einer bestimmten (störenden) Situation geht (Welche Gefühle löst das Verhalten meines Gegenübers in mir aus?) und welche Konsequenzen auf das eigene Verhalten folgen. Erfahrungsgemäß fällt es jedoch vielen Personen schwer, ICH-Botschaften zu senden. Daher ist es begrüßenswert, dass auch hierfür Irene Beier mehrere Übungen vorschlägt.
Im letzten Kapitel stellt die Autorin verschiedene Techniken aus dem bereits bekannten systemischen Ansatz dar. Hier geht es darum, „in einem Elterngespräch neue Erkenntnisse und Informationen zu erhalten“ (S. 74). Dabei bedient sich Irene Beier z.B. der Techniken des zirkulären Fragens, der Wunderfrage, des Aufstellens und der paradoxen Intervention.
Diskussion und Fazit
Gespräche mit Eltern finden auch im professionellen Kontext der Kindertagesbetreuung oft unreflektiert statt. Kommunikation kommt daher häufig beiläufig (ohne bewusste Reflektion oder Planung) zustande. Gleichwohl sind professionell gestaltete Gespräche das wichtigste Medium für den Austausch mit Eltern. Sie verlangen ErzieherInnen ein hohes Maß an Sozial- und Interaktionskompetenz sowie Rollen- und Methodenkompetenz ab (vgl. auch Kindergarten heute. Erfolgreiche Methoden für die Team- und Elternarbeit. 2003). Zu diesen Kompetenzen zählt auch das Vorbereiten, Planen und Durchführen von Elterngesprächen mit unterschiedlichen Anlässen und in unterschiedlichen Settings sowie die Verwendung der zur Verfügung stehenden Kommunikationswerkzeuge. Die Leistung des vorliegenden Buches besteht darin, Kommunikationstechniken auf die Arbeit in Krippe und Kita zu übertragen und für ErzieherInnen in der Praxis anwendbar zu machen. Die Autorin geht dabei so vor, dass kurz und prägnant die wichtigsten Kommunikationsmodelle und Kommunikationsmittel vorgestellt werden. Anhand zahlreicher Übungen wird die Theorie vertieft und ihre Anwendbarkeit in der Praxis geübt. Zahlreiche Beispiele im Text erhöhen die Lesbarkeit des Buches und halten die Ausführungen anschlussfähig an eigene Erfahrungen aus der Praxis.
Rezension von
Thomas Buchholz
M.A.
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Es gibt 19 Rezensionen von Thomas Buchholz.