Uwe Puetter: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU
Rezensiert von Prof. Dr. Marion Möhle, 22.09.2011

Uwe Puetter: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU.
UTB
(Stuttgart) 2009.
269 Seiten.
ISBN 978-3-8252-2968-9.
D: 18,90 EUR,
A: 19,50 EUR,
CH: 27,50 sFr.
Reihe: UTB - 2968. Europa kompakt - Band 3.
Thema und Entstehungshintergrund
Die europäische Integration wird in den sozialwissenschaftlichen Studiengängen immer mehr zu einem unverzichtbaren Kernbestandteil des Curriculums. Hier sind kompakte, einführende Lehrbücher von großer Bedeutung, die die komplexe Materie in verständlicher und übersichtlicher Form aufbereiten. Dabei stellt die Verflechtung der beiden Politikfelder der Wirtschaftspolitik auf der einen Seite und der Sozialpolitik auf der anderen Seite diesbezüglich eine besondere Herausforderung dar, die mit dem vorliegenden Lehrbuch gemeistert werden soll.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in acht Kapiteln aufgebaut, wobei ein Glossar und ein Index noch hinzukommen. In der Einleitung (zugleich Kapitel 1) verdeutlicht der Autor Uwe Puetter, der eine Professur am Department of Public Policy an der Central European University in Budapest inne hat, die Zielsetzung seines Lehrwerks. Besonders bedeutsam ist für ihn die transparente Darstellung von Gemeinschaftsorganen und Gremien der EU und deren Entscheidungswege. Dabei ist die Erläuterung der verschiedenen Steuerungsinstrumente von größter Bedeutung, die zum einen in einzelnen Bereichen der Wirtschaftspolitik von hoher Verbindlichkeit sind, zum anderen aber vor allem in der Sozialpolitik als weiche und informelle Koordinierungsverfahren ausgestaltet sind.
In Kapitel 2 erläutert der Autor die Bedeutung der wirtschafts- und sozialpolitischen Komponente der europäischen Integration. Dabei stellt er besonders die tiefe Verankerung der Wirtschafts- und Sozialpolitik bereits in der ersten Phase der europäischen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg heraus. Weiterhin diskutiert er die enge, wenngleich nicht immer unmittelbar ersichtliche Wechselbeziehung zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die Auseinandersetzung um das europäische Sozialmodell. Eine besondere Bedeutung hat die Diskussion um den Stellenwert der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit der Erweiterung der EU nach 2004 bzw. 2007 erfahren, die bis heute anhält. Bereits hier macht der Autor deutlich, dass die Folgen der EU – Erweiterung zu tief greifenden Veränderungen nicht nur in administrativer und institutioneller Hinsicht führen werden, sondern auch die Zukunft des europäischen Sozialmodells maßgeblich beeinflussen werden.
Kapitel 3 widmet sich der historischen Entwicklung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dabei geht Uwe Puetter chronologisch vor und bezieht an geeigneter Stelle immer auch die Rahmenbedingungen – wie etwa die weltwirtschaftlichen Veränderungen in den 70er Jahren – in die Darstellung ein. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels erläutert der Autor die grundlegenden europäischen Verträge wie die Einheitliche Europäische Akte, den Vertrag von Maastricht sowie die Verträge von Amsterdam und Nizza. Dabei werden immer die jeweiligen wirtschafts- und sozialpolitischen Implikationen dieser Verträge – vor allem auch hinsichtlich ihrer Wechselwirkung – diskutiert. Der Schluss dieses Kapitels widmet sich zum einem dem für die weitere europäische Integration wichtigen Steuerungsinstrument der Koordinierung, das seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre immer bedeutungsvoller wurde. Bereits hier erläutert der Autor knapp die Vorgeschichte der einzelnen Koordinierungsverfahren (EBS, Cardiff-Prozess, Köln-Prozess, Lissabon-Strategie), die an späterer Stelle nochmals aufgegriffen werden. Zum anderen diskutiert Uwe Puetter die zunehmende Bedeutung der Konstitutionalisierung für die europäische Integration, die trotz des – vorläufigen – Scheiterns einer europäischen Verfassung in den Verträgen immer deutlicher erkennbar wird.
Mit Kapitel 4 wird in die Wirtschafts- und Währungspolitik der EU eingeführt, wobei zunächst die rechtlichen und politischen Grundlagen der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) dargestellt werden. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Koordinierung herausgearbeitet, wobei detailliert auf die vertraglich festgelegten Instrumente und Verfahren (insbesondere Defizitregel sowie Stabilitäts- und Wachstumspakt) eingegangen wird. Dabei werden vor allem auch die relevanten Akteure und ihre jeweiligen Kompetenzen transparent dargestellt. Den Schlussteil dieses Kapitels bildet die Erläuterung der Lissabon-Strategie, insbesondere im Hinblick auf die dort deutlich erkennbare Verflechtung von Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Die Sozialpolitik steht schließlich im Mittelpunkt von Kapitel 5, die zunächst im Kontext der historisch engen Verflechtung mit der Wirtschaftspolitik betrachtet wird. Dabei stellt Uwe Puetter die wichtigsten Vertragsbestimmungen im Bereich der Sozialpolitik übersichtlich in einer Tabelle dar und macht aber gleichzeitig deutlich, dass die Reichweite und der Umfang der Sozialpolitik der EU aus diesen Vertragsbestimmungen längst nicht eindeutig herauslesbar sind. Im weiteren Fortgang dieses Kapitels wird die Sozialpolitik der EU im Kontext der Entwicklung des Binnenmarktes dargestellt, d.h. insbesondere Arbeitsmobilität, Arbeitszeit und Arbeitsumgebung sowie Gleichstellung von Männern und Frauen. Ein weiteres Unterkapitel widmet sich den Strukturfonds, wobei hier neben den rechtlichen Grundlagen v.a. die Wirkungsmechanismen der verschiedenen Strukturfonds herausgestellt werden. Die Beschäftigungspolitik steht dann im Mittelpunkt der Betrachtungen des nächsten Unterkapitels, wobei der Schwerpunkt hier auf der kritischen Diskussion der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS) liegt. Den Schlussstein dieses Kapitels bildet die Darstellung der sozialpolitischen Bereiche Soziale Sicherungssysteme, Mindestsicherung, Armutsbekämpfung und soziale Eingliederung und hier vor allem die Erläuterung des im Kontext der Lissabon-Strategie eingeführten Verfahrens der Offenen Methode der Koordinierung (OMK). Hier wäre angesichts der weit reichenden Bedeutung der OMK in verschiedene Felder der Sozialpolitik eine ausführlichere Darstellung wünschenswert gewesen.
Im Kapitel 6 werden die zentralen Entscheidungsorgane der Europäischen Union im Einzelnen vorgestellt, wobei neben Rat, Parlament, Kommission, Europäischen Gerichtshof und Europäischer Zentralbank auch der Eurogruppe, Fachausschüssen sowie Europäischen Agenturen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik eigene Unterkapitel gewidmet sind. Dass dieses Kapitel erst hier platziert ist, ist nicht ganz begreiflich, für das Verständnis der Kompetenzen und Entscheidungswege in der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik wäre es im vorderen Teil des Buches sinnvoller angeordnet gewesen.
Kapitel 7 nimmt die europäischen Sozialpartner und die Zivilgesellschaft in den Fokus und stellt zunächst die europäischen Dachorganisationen der Sozialpartner (Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB) sowie die Unternehmerverbände UNICE und CEEP) dar, bevor dann mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) ein weiteres wichtiges Organ der EU vorgestellt wird. Weiterhin werden mit dem sozialen Dialog und dem makroökonomischen Dialog die zentralen Verfahren zur Einbindung der Sozialpartner erläutert. Sehr knapp wird dann schließlich noch auf die Einbindung der Zivilgesellschaft, insbesondere von NGOs in den Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik eingegangen. Allerdings finden diese nur in einem Absatz Erwähnung, hier wäre eine etwas ausführlichere Würdigung des doch nicht unerheblichen Einflusses der NGOs insbesondere im Bereich der Sozialpolitik wünschenswert gewesen.
Das abschließende Kapitel 8 stellt unter der knappen Überschrift „Wie regiert wird“ zusammenfassend und vor allem komplexitätsreduzierend die in der Wirtschafts- und Sozialpolitik maßgeblichen Regierungsmechanismen dar. Diese fasst Uwe Puetter unter den Begrifflichkeiten „Regulierung“, „Koordinierung“ sowie „Flexible Integration“ zusammen.
Haupterkenntnisse des Buches
Mit diesem Buch wird die enge Verflechtung von Wirtschafts- und Sozialpolitik auf europäischer Ebene als historisch gewachsener Prozess dargestellt, wobei gleichzeitig die Komplexität der Verfahren und Instrumente in diesen Politikfeldern als ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Regierens herausgestellt wird. Dabei stellt Uwe Puetter die herausragende Bedeutung der Koordinierungsverfahren heraus, die für die weitere Gestaltung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik entscheidend sein werden.
Zielgruppen
Das Buch ist insbesondere für Studierende der Politikwissenschaft geeignet, ist aber auch für Studierende in den Fächern Volkswirtschaftslehre, Soziologie und angrenzenden Disziplinen geeignet. Darüber hinaus ist es auch für im sozialwirtschaftlichen Bereich tätige PraktikerInnen geeignet, für die europolitische Kompetenz in immer größerem Umfang unabdingbar ist.
Zielgruppen / Fazit
Für Studierende der o.g. Fächergruppen ist dieses Lehrbuch eine sinnvolle und gut lesbare Grundlagenlektüre, die durch die enge Zusammenschau von Wirtschafts- und Sozialpolitik eine Lücke im Bereich der immer noch längst nicht im ausreichenden Umfang erhältlichen Europa-Lehrbücher schließt.
Rezension von
Prof. Dr. Marion Möhle
Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege
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Zitiervorschlag
Marion Möhle. Rezension vom 22.09.2011 zu:
Uwe Puetter: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU. UTB
(Stuttgart) 2009.
ISBN 978-3-8252-2968-9.
Reihe: UTB - 2968. Europa kompakt - Band 3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10194.php, Datum des Zugriffs 11.12.2023.
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