Susanne Stöcklin-Meier: Spiel [...] Wie wir Kindern eine reiche Kindheit schenken
Rezensiert von Lorena Rautenberg, 16.05.2011
Susanne Stöcklin-Meier: Spiel. Sprache des Herzens. Wie wir Kindern eine reiche Kindheit schenken. Kösel-Verlag (München) 2010. 255 Seiten. ISBN 978-3-466-30874-3. D: 16,95 EUR, A: 17,50 EUR, CH: 30,90 sFr.
Thema
Das Buch bietet neben theoretischen Überlegungen zum Kinderspiel eine Vielzahl von Spielideen für Eltern oder Erzieher, die meist mit wenig Materialaufwand zeit- und ortsungebunden umgesetzt werden können. Dabei folgt das Buch in seinen Spielvorschlägen dem Lebensalter der Kinder von der Geburt bis zum Grundschulalter.
Aufbau
Das Vorwort stellt das Spiel als die typische Lebensform des Kindes heraus und macht deutlich, dass Spielen nie nur Zeitvertreib ist. Vielmehr ist es die Entwicklungsaufgabe der Kinder und zugleich ganzheitliche Förderung.
30 Kapitel beschäftigen sich mit den wesentlichen Fragen zum Kinderspiel. Die Spielmöglichkeiten, die dabei aufgegriffen werden, reichen dabei vom Spielen im ersten Lebensjahr und den ersten Bilderbüchern über Spielen mit Sand und Wasser über klassische Ball- und Murmelspiele bis hin zu Märchen, Ritualen und Computerspielen.
Jedem Kapitel ist dabei eine Box vorangestellt, die aufzählt, welche Fähigkeiten der Kinder durch diese spezielle Spielart besonders gefördert werden. Daran anschließend wird erklärt, weshalb gerade diese Fähigkeiten gefördert werden sollten und worauf Eltern beim Spielen mit ihrem Kind und ggf. beim Umgang mit dem Spielzeug achten sollten. Am Ende jeden Kapitels werden in einem Kasten verschiedene Spielimpulse aufgeführt und Tipps gegeben.
Das letzte Kapitel ist ein Geschenkratgeber, der zusammenfasst, worauf beim Spielzeugkauf geachtet werden sollte.
Im Nachwort stellt Susanne Stöcklin-Meier ihr persönliches Lebens-ABC vor.
Das Buch schließt mit weiteren Buchempfehlungen, die thematisch den einzelnen Kapiteln zugeordnet werden.
Inhalt
Werteentwicklung im Kinderspiel. Es geht darum, wie grundlegende soziale Fähigkeiten wie Teilen, Konfliktfähigkeit, Regeln erkennen und einhalten, Geduld, Beweglichkeit oder Freude erleben von Kinder durch das Spiel erlernt und geübt werden.
Spielen im ersten Lebensjahr. Die nachschreitende, d.h. beobachtende und wiederholende Erziehung hat im ersten Lebensjahr besondere Bedeutung, um eine Überforderung des Kindes zu vermeiden. Sicherheit bzgl. der Aufsicht von Babys und der Wahl der Spielsachen spielt eine große Rolle. Insgesamt sind Sinneserfahrungen das zentrale Thema des ersten Lebensjahres. Während in den ersten sechs Monaten die Entwicklung der körperlichen Bewegungsfähigkeit den Schwerpunkt bilden sollte, können danach schon einfache Kinderverse und Spiele angeboten werden.
Die ersten Bilderbücher. Für Kinder ist es besonders wichtig, dass Eltern die Bilderbücher „vorlesen“ und so den Spracherwerb fördern. Bücher über Dinge, die Kinder aus dem Alltag kennen, entsprechen am besten dem Erleben der Kinder.
Bewegungsspiele in der Wohnung. Eine Vielzahl von Bewegungsspielen, die auch bei beengten Platzverhältnissen gespielt werden können, werden in diesem Kapitel vorgestellt.
Spielsachen zum Liebhaben. Kuscheltiere, Puppen und andere Schmusesachen helfen den Kindern, alltägliches Verhalten zu üben, indem sie die Spielsachen versorgen; zugleich lernen Kinder, feste Bindungen einzugehen.
Spielen im Sand. Das Erleben der Elemente ist wichtig für Kinder. Sand bietet dazu viele Möglichkeiten. Das Kapitel gibt auch Hinweise, wo man eine Sandkasten aufstellen kann und hilft mit Einkaufstipps.
Spielen mit Wasser. Für Baden und Waschen sollte genug Zeit eingeplant werden, damit die Kinder das Element Wasser erleben können. Neben Planschen und Herumspritzen sollten Kinder auch die Bedeutung des Wassers als Lebensspender kennenlernen.
Spiele im Freien. Kinder erleben die Natur anders als Erwachsene. Sie rennen und toben im Freien. Spiele im Freien sollten diesem Bedürfnis Rechnung tragen. Aber auch das Beobachten und Erleben mit allen Sinnen sollte geübt werden. Besondere Bedeutung nimmt das Erleben des Waldes ein.
Ballspiele. Das Kapitel gibt viele Spielideen für verschiedene Ballarten, vom ganz einfachen Rollen, Werfen und Fangen bis hin zu komplizierteren Spielen. Verse, die beleitend gesprochen werden können, unterstützen die Sprachentwicklung.
Murmeln sind eine runde Sache. Murmeln faszinieren Kinder fast immer. Viele Spielideen, die früher jedes Kind kannte, sind inzwischen vergessen worden. Das Buch stellt diese Murmelspiele wieder vor und belebt die Murmeln als Spielzeug wieder neu.
Das „kleine-Welt-Spiel“. Spielsachen, die in Miniatur den Alltag abbilden, z.B. Puppenhäuser, Bauernhöfe oder Miniautos, ermöglichen den Kindern, sich selbst „groß“ zu fühlen. Kinder können den Alltag nachspielen, verarbeiten und Verhaltensmuster üben. Das Kapitel gibt Einkaufstipps, Hinweise auf das Material und Spielimpulse.
Bauen und Konstruieren. Besonders gut geeignetes Material wie Bauklötze werden vorgestellt. Bauen und Konstruieren lässt Kinder erleben, dass sie selbst etwas erschaffen können. Wichtig ist aber, darauf zu achten, dass das Material ein Erfolgserlebnis ermöglicht. Schlecht verarbeitete Bausteine z.B. können Kinder eher frustrieren als fördern.
Rollenspiel. In den „So-tun-als-ob“ Spielen verarbeiten Kinder ihre Erlebnisse und trainieren verschiedene Verhaltensmuster. Hier ist der Kontakt mit anderen Kindern besonders wichtig.
Kaspertheater. Kinder lernen, Geschichten zu verstehen, sich zu merken und selbst zu erzählen, sie können die Puppen selbst basteln und die Geschichten so erschaffen. Außerdem können Kinder Erlebnisse mit den Figuren besprechen.
Vom Sinn der Kreisspiele. Abzählreime üben Vokabeln und Zahlen, Kinder lernen, sich einer großen Gruppe anzupassen, Verhalten nachzuahmen.
Spiele für den Ferienkoffer. Tipps zum Packen eines Koffers mit Spielmaterial für unterwegs erleichtern lange Autofahrten oder Besuche bei Freunden und Verwandten.
Gesellschaftsspiele. Gesellschaftsspiele erfüllen viele Funktionen: sie vermitteln Regeln und den Sinn, ihnen zu folgen, sie stellen eine gute Möglichkeit dar, Zeit miteinander zu verbringen und trainieren die Fähigkeit, mit Anstand zu gewinnen oder zu verlieren.
Denk- und Geschicklichkeitsspiele. Formenerkennen, Nachlegen oder Nageln, Ratespiele, Puzzles oder Jojo trainieren die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Kinder.
Sprachspiele. Besonders für Kinder, die mehrsprachig oder in einer Region mit ausgeprägter Mundart aufwachsen, sind Sprachspiele sehr wichtig. Allgemein gilt aber: alle Kinder brauchen die Vokabeln, um alltägliche Erlebnisse zu beschreiben. Durch Kinderverse und die Wiederholung von Wörtern in bestimmten Situationen bekommen Kinder die Möglichkeit, sich auszudrücken. Das Kapitel bietet viele Verse für alle Gelegenheiten, z.B. Schlaflieder, Gebete oder Fingerverse.
Falten und Spielen. Die Motorik und das geometrische Verständnis, was beim Falten z.B. von Origami oder Fröbelspielen gefördert wird, unterstützt die Intelligenzentwicklung. Einkaufstipps für geeignetes Material runden das Kapitel ab.
Zeichnen und Malen. Zeichnen und Malen sind in jedem Alter interessante Beschäftigungen. Wichtig ist auch hier eine sprachliche Begleitung.
Gestalten mit Material. Kinder können mit fast allen Materialien basteln. Einsatzmöglichkeiten von Perlen, Holz oder Ton werden in diesem Kapitel angeregt.
Vom Spiel der Farben. Farben beeinflussen schon bei Kindern die Stimmung, Licht und Schatten sind auch für Kinder faszinierend, Mandalas helfen Kindern, Ruhe zu finden. Auch innere Bilder und Fantasiereisen werden in diesem Kapitel vorgestellt und verschiedene Farbspiele vorgeschlagen.
Hilfe für die magischen Jahre. In den Zauberjahren zwischen drei und fünf erleben Kinder die Welt als magisch. Alle Gegenstände „leben“, Märchenfiguren und Fantasiegeschichten sind für Kinder ebenso real wie der Alltag. Sie sind fest davon überzeugt, dass Wünschen hilft und erfinden ihre eigenen Geschichten. Wichtig ist, dass Erwachsene diese nicht als Lügen abtun, sondern als Entwicklungsphase würdigen, die für eine gesunde Entwicklung von Kindern wichtig ist.
Unsichtbare Freunde . Kinder teilen ihren Alltag mit unsichtbaren Freunden, die helfen, trösten und ihre Erlebnisse begleiten. Oft finden Kinder ihre eigenen unsichtbaren Freunde. Aber auch viele Kindergeschichten geben solch unsichtbaren Freunden Leben, dazu gehören z.B. Zwergengeschichten ebenso wie Engel oder die Geschichte von Osterhase und Nikolaus.
Die Welt der Märchen. Märchen zeigen den Unterschied zwischen gut und böse, unterstützen die Sprachentwicklung und bieten den Kindern Lebenshilfe, indem sie zeigen, dass auch die Schwachen gewinnen können. Inzwischen ist erwiesen, dass das Böse im Märchen wichtig ist und für Kinder nicht so furchteinflößend, wie Erwachsene oft glauben. Das Kapitel gibt Erzähltipps und geht auch auf Bibelgeschichten ein.
Rituale im Kinderalltag. Rituale regeln das soziale Miteinander, geben Sicherheit, Verlässlichkeit und Struktur. Rituale sind immer aktuell und für Kinder wichtig, um sich gesund zu entwickeln. Das Vorbild der Eltern spielt hier eine große Rolle. Rituale und Werte sind eng verknüpft, was im nächsten Kapitel nochmals deutlich wird. Es werden viele Ideen für Rituale im Alltag vorgestellt.
Mit Kindern spielerisch Werte entdecken. Das Kapitel geht davon aus, dass fünf Grundwerte in jedem Menschen per Geburt angelegt sind. Diese zu entwickeln und mit weiteren Werten zu ergänzen ist Aufgabe jeder Erziehung. Voraussetzung ist allerdings, dass die Eltern sich über ihre eigenen Werte im Klaren sind. Besonders betont wird die goldene Regel, dass das aktive Tun die beste Form zu lernen ist.
Computerspiele, Fernsehen & Co. Medien gehören heute zum Alltag der Kinder dazu. Werden sie altersgerecht eingesetzt, begleitet und besprochen, was die Kinder gesehen oder gespielt haben, ist dagegen nichts einzuwenden. Besonders die Zeitdauer des Medienkonsums muss dem Alter der Kinder angepasst sein. Das Kapitel stellt zwar den Erfolg von Lernspielen in Frage, rät aber nicht prinzipiell von Mediennutzung ab. Auch auf den Zusammenhang von Medien, Gewalt und Sucht geht das Kapitel ein.
Diskussion
Das Buch stellt umfangreich das Phänomen Kinderspiel dar. Jede Spielweise der Kinder von der Geburt bis etwa zum Grundschulalter findet Beachtung und wird mit viel Einfühlungsvermögen dargestellt. Die Liebe der Autorin zu Kindern und ihrem Beruf ist deutlich zu spüren und überträgt sich dabei auf den Leser. Bisweilen ist die Wortwahl für deutsche Leser – die Autorin stammt aus der Schweiz – etwas ungewöhnlich.
Leicht verständlich bietet das Buch Informationen für Eltern, was für ihr Kind in welchem Lebensalter wichtig ist und warum; es gibt gleichzeitig Ideen für das gemeinsame Spiel mit den Kindern, die von jedem problemlos ausprobiert werden können.
Fazit
Da das Buch weitgehend auf komplexe Fachsprache verzichtet und eher wie ein Handbuch oder ein Ratgeber aufgebaut ist, eignet es sich besonders für Eltern ohne pädagogische Vorbildung. Beim Lesen wird die Lust geweckt, die Spielimpulse direkt umzusetzen und ist damit auch für die Eltern motivierend. Es kann gut als Empfehlung bei einem Elternabend vorgestellt werden. Natürlich eignet es sich auch als Ideensammlung für Erzieherinnen und Erzieher. Problematisch ist für die Arbeit mit Migrantenkindern u. U. das Kapitel „Unsichtbare Freunde“, da hier die christliche Prägung sehr deutlich ist.
Rezension von
Lorena Rautenberg
Amtsleitung Amt für städtische Kindertageseinrichtungen
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Es gibt 33 Rezensionen von Lorena Rautenberg.
Zitiervorschlag
Lorena Rautenberg. Rezension vom 16.05.2011 zu:
Susanne Stöcklin-Meier: Spiel. Sprache des Herzens. Wie wir Kindern eine reiche Kindheit schenken. Kösel-Verlag
(München) 2010.
ISBN 978-3-466-30874-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10212.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.
Urheberrecht
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