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Karin Wittneben: Pflegekonzepte in der Weiterbildung [...]

Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 13.12.2010

Cover Karin Wittneben: Pflegekonzepte in der Weiterbildung [...] ISBN 978-3-631-50270-9

Karin Wittneben: Pflegekonzepte in der Weiterbildung für Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer. Leitlinien einer kritisch-konstruktiven Pflegelernfelddidaktik. Peter Lang Verlag (Bern · Bruxelles · Frankfurt am Main · New York · Oxford) 2003. 5. Auflage. 315 Seiten. ISBN 978-3-631-50270-9.
Europäische Hochschulschriften - Reihe 11, Pädagogik - Band 473.

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Thema

In der Aus-, Fort- und Weiterbildung für das Berufsfeld Pflege kommt der Pflegedidaktik eine besondere Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich in Deutschland freilich um eine recht junge Disziplin, die sich erst – vor dem Hintergrund der Akademisierungsbestrebungen in der Pflege – in den letzten zwanzig Jahren etablierte und stetig weiterentwickelte. Bedeutenden Anteil an dem Geschehen hatte dabei die Krankenschwester und Hochschullehrerin Karin Wittneben, die sich bereits Mitte der 1980er Jahre intensiv mit dem Thema beschäftigte und 1991 ihre Forschungen in Buchform unter der Überschrift „Pflegekonzepte in der Weiterbildung zur Pflegekraft“ publizierte. Ihre Veröffentlichung erlebte mehrere Auflagen; 2003 erschien die fünfte, neu bearbeitete Auflage unter dem (neuen) Titel „Pflegekonzepte in der Weiterbildung für Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer“.

Autorin

Karin Wittneben (Jahrgang 1935), in Deutschland und Großbritannien ausgebildete Krankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe, studierte nach langjähriger Tätigkeit in der Pflege und der pflegeberuflichen Weiterbildung Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie in Hannover sowie Erziehungs- und Pflegewissenschaft mit Masterabschluss in den USA. Nach ihrer Promotion 1991 zum Dr. phil. am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hannover mit der Dissertation „Pflegekonzepte in der Weiterbildung zur Pflegelehrkraft. Über Voraussetzungen und Perspektiven einer kritisch-konstruktiven Didaktik der Krankenpflege“ wirkte sie von 1993 bis 2000 als Professorin für Erziehungswissenschaft am Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg mit den Schwerpunkten: Didaktik der Fachrichtungen Gesundheit / Pflege, Berufspädagogik, Pflegeschul- und Pflegeberufsgeschichte. Gleichzeitig war sie vom Wissenschaftssenator der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Planung eines Pflegelehrerstudienganges an der Universität Hamburg beauftragt worden.

Einen Namen machte sich Karin Wittneben auch in der historischen Pflegeforschung, insbesondere in der pflegehistorischen Biographieforschung, wobei sie zahlreiche fundierte Beiträge zu dem von Horst-Peter Wolff (Bände 1-3) und Hubert Kolling (Band 4) herausgegebenen „Biographischen Lexikon zur Pflegegeschichte“ beisteuerte.

Entstehungshintergrund

Die Grundstruktur des Buches entstand unter den zeitgeschichtlichen Bedingungen von 1985 bis 1989 im Rahmen einer Dissertation. Die 1. bis 4. Auflage (1991, 1992, 1994 und 1997) erschien unter dem Titel „Pflegekonzepte in der Weiterbildung zur Pflegekraft“. Aufgrund der rasanten Entwicklung in der Pflegewissenschaft und der akademischen Pflegelehrerbildung wurden für die vierte Auflage erstmals Erweiterungen, aber auch Kürzungen vorgenommen. So wurde aus dem Ursprungstext vor allem den Lesefluss störende Exkurse und die Beschreibung der individuellen und institutionellen Bedingungen der untersuchten Weiterbildungsstätten herausgenommen. Demgegenüber kamen Texterweiterungen durch Hinweise auf Entwicklungen, die Karin Wittneben selbst an dem Modell der multidimensionalen Patientenorientierung und dem Konzept der kritisch-konstruktiven Pflegedidaktik vorgenommen hatte, hinzu. Zugleich fanden Arbeiten Berücksichtigung, die zwischenzeitlich zur Diskussion und Modifikation des Modells beigetragen hatten, ebenso wie Untersuchungen, welche Forschungslücken schlossen, auf die in der ersten Auflage des Buches nur hingewiesen werden konnte.

Dem weiteren rasanten Wandel im Berufsfeld und der Disziplin „Pflege“ trug die Autorin in der fünften Auflage (2003) erneut durch Veränderungen und Erweiterungen des Textes Rechnung. So entfernte sie etwa alle Textstellen, die sich noch auf die Krankenpflegegesetzgebung von 1985 bezogen, und nahm an mehreren Stellen Bezug auf den 2002 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege. Zugleich erhielt das Buch einen neuen, modifizierten Titel.

Aufbau

Nach einem Vorwort und einer Einführung in die Problematik und das Forschungsdesign gliedert sich die Arbeit in vier Teile mit insgesamt sechzehn Hauptkapiteln:

I. Pflegetheoretischer Teil

    • 1. Die Dimension der Krankheitsorientierung in der Patientenorientierung
    • 2. Die Dimension einer verhaltensbezogenen Patientenorientierung im Modell der „cholinergischen Reizpflege“
    • 3. Die Dimension der handlungsbezogenen Patientenorientierung in der „Allgemein umfassenden Theorie der Pflege“
    • 4. Ein heuristisches Modell „multidimensionaler Patientenorientierung“ zur Analyse pflegedidaktischer Texte sowie zur Grundlegung einer Fachdidaktik der Krankenpflege

II. Analytisch-interpretativer Teil

    • 5. Forschungsstrategie zur Analyse und Interpretation ausgewählter Pflegebegriffe in der beruflichen Weiterbildung zur Unterrichtsschwester / zum Unterrichtspfleger
    • 6. Zu einem Pflegebegriff an der Schwesternhochschule der Diakonie in Berlin
    • 7. Zu einem Pflegebegriff an der Katholischen Akademie für Krankenpflege in Bayern
    • 8. Zu einem Pflegebegriff an Berufsfortbildungswerken (bfw) des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
    • 9. Zusammenfassung der Teilergebnisse: „Erfüllung“ der Typologie multidimensionaler Patientenorientierung zur Grundlegung einer Fachdidaktik der Krankenpflege

III. Fachdidaktischer Teil

    • 10. Grundlegende Überlegungen zur Fachdidaktik allgemein und zur Pflegedidaktik speziell
    • 11. Entwicklungslinien und Skizzierung der „kritisch-konstruktiven Didaktik“ (W. KLAFKI)
    • 12. Krankenpflege als Ausbildungsfach
    • 13. Krankenpflege als Bildungsfach
    • 14. Zum Beitrag beruflicher Weiterbildungsstätten zur Krankenpflege als Ausbildungs- und Bildungsfach bzw. zur Pflegedidaktik

IV. Pflegelernfelddidaktischer Teil

    • 15. Handlungs- und lernfeldorientierte Lehrplanentwicklung. Zum Anschluss der kritisch-konstruktiven Pflegedidaktik an das Lernfeldkonzept der Berufspädagogik
    • 16. Resümee und Schlussfolgerungen.

Inhalt

Zur Dimension ihrer Arbeit und den Veränderungen gegenüber der Vorauflage schreibt Karin Wittneben im Vorwort zur vorliegenden (fünften) Auflage: „Eine wesentliche Erweiterung und Aktualisierung des alten Textes erfolgt im vierten Teil, der den richtungsweisenden Titel ‚Pflegelernfelddidaktik‘ trägt. Im Anschluss an das in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik seit Jahren breit diskutierte Lernfeldkonzept werden erstmalig Perspektiven einer ‚kritisch-konstruktiven Pflegelernfelddidaktik‘ im Sinne einer Weiterentwicklung der kritisch-konstruktiven Pflegedidaktik ausgearbeitet. Einen Schwerpunkt der Erweiterung bilden Ausführungen zu einer hoch differenzierten pflegeberuflichen Handlungskompetenz. Grundlegend werden die formalen bzw. mentalen Konstitutionsbedingungen von Fachkompetenz, Personalkompetenz, Personenkompetenz (im personenbezogenen Dienstleistungsberuf ‚Pflege‘), Sozialkompetenz, Moralkompetenz, Methoden- und Lernkompetenz erläutert. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Erörterung des für das Lernfeldkonzept charakteristischen Prinzips der Handlungsorientierung. Was darunter auf der Zielebene, der Inhaltsebene und der Vermittlungsebene der Lehrplanentwicklung, der Unterrichtsplanung und der Unterrichtsdurchführung zu verstehen ist, wird ausführlich dargelegt“ (S. IX).

Im ersten Teil („Pflegetheoretischer Teil“) erfolgt die pflegetheoretische Fundierung einer Pflegedidaktik anhand des von der Autorin entwickelten „Modells der multidimensionalen Patientenorientierung“ (vgl. hierzu insbesondere die Abbildung auf Seite 107).

Der zweite Teil („Analytisch-interpretativer Teil“) widmet sich der Analyse und Interpretation von Texten, die Lehrende von beruflichen Weiterbildungsstätten verfasst haben, und zwar einer in evangelischer, einer in katholischer und einer dritten in gewerkschaftlicher Trägerschaft. Im Sinne einer kategorialen Inhaltsanalyse werden dabei die Aufmerksamkeitsrichtungen des heuristischen Modells der multidimensionalen Patientenorientierung an die Texte herangetragen und über den Verstehensprozess hinaus auf implizite und explizite Geltungsansprüche geprüft.

Dieses pflegetheoretische Fundament wird im dritten Teil („Fachdidaktischer Teil“) mit der bildungstheoretisch fundierten „kritisch-konstruktiven Didaktik“ zu einer „kritisch-konstruktiven Pflegedidaktik“ verknüpft.

Der vierte Teil („Pflegelernfelddidaktischer Teil“) enthält eine systematisch ausgearbeitete Überleitung zu einer „kritisch-konstruktiven Pflegelernfelddidaktik“. Diese knüpft an das in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik breit diskutierte „Lernfeldkonzept“ an und macht es erstmalig für die „Pflegeberufspädagogik“ fruchtbar. Zugleich geben grundlegende Ausführungen zur Handlungsorientierung auf der Ziel-, Inhalts- und Vermittlungsebene konkrete Hinweise für eine „pflegehandlungsbezogene und pflegelernfeldorientierte Lehrplanentwicklung“.

Im Hinblick auf die seit Anfang der 1990er Jahre bestehenden Möglichkeiten für Pflegende, ihr Fach an Fachhochschulen und Universitäten zu studieren beziehungsweise für die Unterrichtstätigkeit zu qualifizieren, spricht sich die Autorin – sowohl unter dem Gesichtspunkt der Qualifikation als auch dem Besoldungsniveau – eindeutig für einen Universitätsabschluss für PflegelehrerInnen aus, entweder mit 1. Staatsexamen, Diplom oder Mastergrad.

Diskussion

Mit ihrer Untersuchung hat Karin Wittneben zunächst eindrucksvoll gezeigt, dass die bis dahin bestehenden Weiterbildungsstätten trotz jahrelangem Engagements in der beruflichen Pflegelehrerbildung, die bis Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts ausschließlich in Händen beruflicher Weiterbildungsstätten (Fachschulen) lag, keinen konsistenten Pflegebegriff, keine Pflegewissenschaft und keine wissenschaftliche Pflegedidaktik hervorbrachten.

In einer Zeit, in der Lehrkräfte für Krankenpflegeschulen nur an so genannten Weiterbildungsstätten unterschiedlicher Träger (privat, kirchlich, gewerkschaftlich) ausgebildet wurden, hat die Autorin mit wegweisenden, wissenschaftlich begründeten Aussagen einen Pflegebegriff definiert und darauf aufbauend Perspektiven einer Pflegedidaktik entwickelt, die bis heute bedeutend sind. Seit der Veröffentlichung ihrer Dissertation 1991, mit der sie zugleich die wissenschaftliche Phase in der Entwicklung der Pflegedidaktik einleitete, hat sie ihr Modell der „kritisch-konstruktiven Pflegedidaktik“ zur „kritisch-konstruktiven Pflegelernfelddidaktik“ stets weiterentwickelt. Dementsprechend und folgerichtig änderte sich auch der Buchtitel 2003 von „Pflegekonzepte in der Weiterbildung zur Pflegekraft“ zu „Pflegekonzepte in der Weiterbildung für Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer“.

Bei der heutigen Bewertung des Buches sollte bedacht werden, dass Karin Wittneben ihre Untersuchung zu einer Zeit durchführte, als die Pflege noch nicht im Hochschulbereich Fuß gefasst hatte. So haben etwa Roswitha Ertl-Schmuck und Franziska Fichtmüller im Jahre 2010 ein Buch über „Theorien und Modelle der Pflegedidaktik“ vorgelegt, in dem sie sich mit fünf Modellen der Pflegedidaktik auseinandersetzten, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Kriterien entwickelt wurden, wobei sie den Ansatz von Karin Wittneben unberücksichtigt ließen (vgl. die Besprechung des Rezensenten in: www.socialnet.de/rezensionen/10111.php). Zur Begründung ihrer Entscheidung führen die beiden Diplom-Pflegepädagoginnen an, dass Wittneben ihr Modell 2003 um das Lernfeldkonzept erweitert habe. „Als problematisch“ sehen die beiden Autorinnen dabei vor allem das Festhalten von Wittneben an ihrem ursprünglichen „Modell der multidimensionalen Patientenorientierung“. Dieses verweise auf einen Pflegebegriff in dem die inzwischen profunden und differenzierteren Wissensbestände der Pflegewissenschaft „nur unzureichend eingegangen“ seien. Somit könne die von Wittneben entwickelte Typologie zur Patientenorientierung auch pflegedidaktisch kaum genutzt werden, da die Gefahr bestehe, darüber einen zu engen Pflegebegriff zu transportieren. Dies kann man freilich so sehen, muss man aber nicht.

Unabhängig von dieser Kritik gebührt Karin Wittneben das große Verdienst, mit ihrer Untersuchung – der erste ausgearbeitete und differenziert durchargumentierte Versuch zur Begründung einer Fachdidaktik der Pflege – schon frühzeitig die Pflege, Pflegewissenschaft und vor allem die Lehre in der Pflege auf eine fundierte wissenschaftliche Grundlage gestellt zu haben.

Fazit

Die von Karin Wittneben vorgelegten „Pflegekonzepte in der Weiterbildung für Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer“ gehören zunächst in die Hände von Studierenden und Lehrenden der Pflegedidaktik. Darüber hinaus können das Buch aber auch alle gewinnbringend zur Hand nehmen, die sich um die (weitere) Entwicklung der Pflegewissenschaft Gedanken machen.

Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Es gibt 192 Rezensionen von Hubert Kolling.

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ISSN 2190-9245