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Thomas Hülshoff: Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik

Rezensiert von Prof.em Dr. Alexa Köhler-Offierski, 06.06.2011

Cover Thomas Hülshoff: Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik ISBN 978-3-8252-2698-5

Thomas Hülshoff: Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik. UTB (Stuttgart) 2010. 2., überarbeitete Auflage. 429 Seiten. ISBN 978-3-8252-2698-5. 24,90 EUR.
Reihe: UTB - 2698.

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Thema

Der Autor leitet das Vorwort zur 1. Aufl. ein mit dem Zitat von Paul Moor „Heilpädagogik ist Pädagogik und nichts anderes“ und begründet die Vermittlung von medizinischen Grundkenntnissen damit, dass HeilpädagogInnen einerseits mit Menschen pädagogisch arbeiten, die zugleich Kontakte zu einer Reihe anderer Berufsgruppen, wie z. B. der Medizin, der Ergotherapie, der Psychotherapie haben und schon deswegen Kenntnisse von deren Ansätzen von Nutzen sind. Zum anderen sei Heilpädagogik Pädagogik unter erschwerten Bedingungen. Dabei stehen die gesellschaftlichen Erschwernisse im Vordergrund, die Erschwernisse bestehen aber auch zum Teil in organischen Behinderungen. Auch von daher sei es „hilfreich und notwendig, sich mit allen Aspekten der Entwicklung ihrer Schüler und Klienten zu befassen, auch den medizinischen“.

Das Lehrbuch ist erstmalig 2005 erschienen und jetzt 2010 in einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt worden.

Autor

Thomas Hülshoff, Jahrgang 1953, war Assistenzarzt an der Kinderklinik in Solingen, Assistent im Heilpädagogischen Institut der Universität Köln sowie Assistenzarzt in der Kinder- und Jugend-Psychiatrie. Während dieser Zeit erweiterte er seine Qualifikation um eine familientherapeutische Ausbildung.

Seit 1986 ist er Professor für Sozialmedizin und hier speziell für die medizinischen Grundlagen der Heilpädagogik in der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Münster. Diese langjährige Lehrerfahrung und damit verbundenen durchgeführte Projekte kommen dem vorgelegten Lehrbuch zugute.

Aufbau

Ausgehend von den Differenzierungen von FörderschullehrerInnen orientiert sich Hülshoff weitgehend an speziellen Störungsbereichen. Die ersten beiden Kapitel legen allgemeine Grundlagen zu neurophysiologischen und zu sozialmedizinischen Grundlagen, letztere werden als Brücke zwischen Pädagogik und Medizin gesehen. Die Kapitel 3 bis 5 beziehen sich auf basale Wahrnehmungsfunktionen, auditive und visuelle Wahrnehmung. Es folgen Kapitel zur Motorik, zur Sprache, zu kommunikativen Fähigkeiten und Emotionen.

Das Buch wird durch ein Glossar medizinischer Begriffe sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Sachregister ergänzt.

Die Kapitel werden jeweils durch Übungsfragen und weiterführende kurz kommentierte Literaturhinweise abgeschlossen.

Piktogramme in den Randspalten erleichtern die Orientierung zu Forschung und Studien, Definitionen, Pro und Contra, Beispielen, darüber hinaus finden sich in den Randspalten auch orientierende Stichworte.

Inhalte

Das erste Kapitel zu den neurophysiologischen Grundlagen gibt eine allgemeine Einführung in den Aufbau des Gehirns, seine verschiedenen Zentren, seine Entwicklung, biochemischen Grundlagen einschließlich der Darstellung der wichtigsten Neurotransmitter. In diesem Kapitel werden bereits Stichworte zu den in den weiteren Kapiteln bearbeiteten Teilfunktionen gelegt.

In dem zweiten Kapitel zu sozialmedizinischen Grundlagen stellt Hülshoff unterschiedliche Krankheitsmodelle von naturwissenschaftlich orientiert bis zu soziologischen dar und greift auch theologische und philosophische Ansätze auf. Eine besondere Bedeutung erhält die Bearbeitung von Stress und Krankheit. Weitere Akzente sind die Darstellung des Salutogenese-Modells sowie des Konzeptes der Gesundheitsförderung. Danach wendet sich Hülshoff erneut der sozialen Dimension von Krankheit auch an Beispielen zu, um schließlich insbesondere auf die Situation des kranken Kindes einzugehen. Das Kapitel wird durch die Entfaltung der ethischen Dimensionen abgeschlossen.

Im dritten Kapitel werden basale Wahrnehmungsfunktionen wie der Geruchs-, der Geschmacks-, der Tast-, der Gleichgewichtssinn in ihrer Bedeutung für die Lebensführung und ihre Entwicklung dargestellt, um dann auf basale Wahrnehmungsstörungen und heilpädagogische Herausforderungen einzugehen. Hier werden auch unterschiedliche Ansätze von der basalen Stimulation bis zur Montessori-Pädagogik angegeben.

Die Kapitel 4 Auditive Wahrnehmung und 5 Visuelle Wahrnehmung werden jeweils eingeleitet durch die Darstellung der Grundlagen der jeweiligen Wahrnehmungsfunktion wie der prä- und postnatalen Entwicklung. Ein Unterkapitel zu den spezifischen Störungsbildern und der Diagnostik und exemplarischer Behandlungsansätze schließt sich an.

Das 6. Kapitel wendet sich der Motorik zu, deren Grundlagen dargestellt werden, ebenso wie die motorische Entwicklung und motorische Störungen. Auf die heilpädagogischen Herausforderungen folgen erneut heilpädagogische Arbeitsfelder wie Frühforderung, heilpädagogische Förderung innerhalb und außerhalb der Schule.

Der Aufbau des 7. Kapitels zur Sprache ist analog. Grundlagen, Sprachentwicklung, Sprech- und Sprachstörungen folgen. Allerdings weist Hülshoff ausdrücklich darauf hin, dass eine Reihe anderer Behinderungen im Bereich der Motorik, des Sehens oder Hörens auch mit einer Störung der Sprache einhergehen kann.

Im 8. Kapitel werden die kognitiven Fähigkeiten bearbeitet. In diesem Kapitel geht Hülshoff auf Wahrnehmung, auf die Zusammenhänge von Wahrnehmung und Denken sowie Gedächtnis ein und orientiert sich dann an den Entwicklungsstufen nach Piaget. Ein weiteres Unterkapitel wendet sich den Lernschwierigkeiten und geistiger Behinderung zu. Hier betont er allerdings mit Rückgriff auf Feuser, dass eine Kategorisierung als geistig behindert als sozial und kulturell zu verstehendes Konstrukt angesehen werden muss (S. 317). Hülshoff wendet sich auch wegen des ausgeprägten Stigmatisierungseffektes gegen diese Begrifflichkeit. Er gibt des Weiteren einen Überblick über mögliche Ursachen aus der organmedizinischen Perspektive. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und Hyperaktivität wird in einem eigenen Unterkapitel bearbeitet.

Das letzte Kapitel bezieht sich auf Emotionen. Hierzu hat Hülshoff ein eigenes Lehrbuch herausgegeben. Auf rund 50 Seiten stellt er unterschiedliche Emotionen und ihre Entwicklung und Differenzierung dar und wendet sich dann emotionalen und psychosozialen Störungen bei Kindern und Jugendlichen zu. Beispielhaft erfolgt dies an der Enuresis, an Kindern mit Gewalterfahrungen, an Angstsyndromen im Kindes- und Jugendalter, Depressionen und Suizidalität sowie der Anorexia nervosa.

Diskussion

Hülshoff legt ein sehr sorgfältig differenziertes Lehrbuch der medizinischen Grundlagen der Heilpädagogik vor. Das Lehrbuch ist stringent durchgegliedert, was die Orientierung erleichtert. Glossar, Übungsfragen und weiterführende Literaturhinweise am Ende jeden Kapitels erleichtern die Verwendung. Viele Beispiele knüpfen entweder an der Selbsterfahrung an oder veranschaulichen Zusammenhänge auch in der Verknüpfung mit den heilpädagogischen Herausforderungen durch Projektberichte. Hervorzuheben ist die durchgearbeitete Verknüpfung medizinischen Wissens mit den heilpädagogischen Aufgaben. An dieser Stelle spiegelt das Lehrbuch auch die aktuelle Übergangssituation innerhalb der Pädagogik wider: Konzepte wie die Salutogenese und Gesundheitsförderung und insbesondere der Inklusionsgedanke verstärken eine allgemeine heilpädagogische Orientierung, während andererseits die Gliederung die Spezialisierungen in der Sonderpädagogik widerspiegelt.

Fazit

Insgesamt ist dieses Lehrbuch uneingeschränkt zu empfehlen. Der einzige Vorschlag für eine weitere Auflage bestünde darin, auch bei den neurophysiologischen Grundlagen nicht nur zu beschreiben sondern auch mit Abbildungen die Orientierung zu erleichtern.

Rezension von
Prof.em Dr. Alexa Köhler-Offierski
Seniorprofessorin Evangelische Hochschule Darmstadt

Es gibt 26 Rezensionen von Alexa Köhler-Offierski.

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ISSN 2190-9245