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Karin Racke: Berufspolitische Interessenorganisationen [...]

Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Alfons Limbrunner, 13.01.2004

Karin Racke: Berufspolitische Interessenorganisationen in der sozialen Arbeit am Rande der Bedeutungslosigkeit. Dargestellt am Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. (DBSH). Hartung-Gorre (Konstanz) 2003. 168 Seiten. ISBN 978-3-89649-837-3. 22,00 EUR.
MenschenArbeit, Band 16.

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Die Autorin und das Thema

Die Verfasserin ist Diplom-Sozialarbeiterin und hat ihr Examen an der Katholischen Fachhochschule in Freiburg abgelegt. Das Buch ist die überarbeitete(?) Version ihrer Diplomarbeit. Über die Motivation - ihre eigene oder die ihres Betreuers - dieses Thema zu bearbeiten, erfährt man leider nichts. Der Titel enthält als Ergebnis bereits das, was man als berufserfahrener und informierter Sozialarbeiter immer schon ahnte bzw. weiß.

Aufbau, Inhalt und Anmerkungen

Karin Racke entwickelt ihre Einschätzung in differenzierter und nachvollziehbarer Weise.

Das einführende, grundsätzliche Kapitel "Organisierte Interessen in Deutschland" leitet über in eine knappe, gut angelegte Darstellung der "Entwicklungslinien Sozialer Arbeit als Beruf", von den Anfängen über die Wirtschaftswunderzeit und der damit verbundenen Expansion beruflicher Sozialarbeit. Nachdem die Autorin eine Übersicht über "Berufspolitische Interessenorganisation in der Sozialen Arbeit" gibt, kommt sie zum Kern ihrer Untersuchung: "Fremdbeobachtet: der DBSH". Zunächst beschreibt sie historische Gesichtspunkte des Verbandes und stellt ihn in seiner Gewordenheit, samt Zielen und Aufgaben dar. Der wissenschaftlich geschulte Blick richtet sich auf die strukturell-organisationssoziologischen, die strategisch-methodischen und funktional-gesellschaftlichen Dimensionen. Die zusammenfassenden Thesen am Ende der jeweiligen Abschnitte sind, insbesondere für Leser, die mit dem Thema etwas vertraut ist, sehr hilfreich.

Die Autorin macht deutlich, dass es trotz der unvergleichlichen Expansionsgeschichte eines Berufes nicht gelungen ist, die Idee und Notwendigkeit eines Berufsverbandes auf einer breiten Basis zu verankern. Als Ursachen arbeitet sie im wesentlichen drei Faktoren heraus. Da sind zunächst die unterschiedlichen Erwartungen. Während berufstätige SozialarbeiterInnen primär Dienstleistungen und (persönlichen) Nutzen mit einer Mitgliedschaft verbinden, geht der Verband vom grundsätzlichen Engagement seiner Mitglieder aus und präsentiert sich als "Mitmachverband". Die Frage, wozu es denn individuell gut sein soll, einem solchen Verein anzugehören, wird nur auf einer sehr vagen und kaum attraktiven Ebene beantwortet. Am Beispiel einer kostspieligen und vollmundig inszenierten Mitgliederkampagne wird verdeutlicht, in welchen Diskrepanzen der Verband steckt. Und schließlich ist da die "Allzuständigkeit" als Fachverband, Gewerkschaft und Berufsverband mit den jeweilig unterschiedlichen Zielsetzungen. Anstelle sich auf die Interessenvertretung von SozialarbeiterInnen zu konzentrieren, die ohnehin zahlenmäßig dominieren, fühlt man sich auch noch für etliche andere Berufsgruppen (ErzieherInnen, HeilpädagogInnen, Diplom-PädagogInnen, DiplomsupervisorInnen, DiplomsozialtherapeutInnen et cetera) zuständig.

Wie kann die Bedeutungslosigkeit überwunden werden? Karin Rackes Vorschlag ist kurz und bündig: DBSH, beschränke dich auf Wesentliches, besinne dich deiner Kernaufgaben und lerne realistische, erreichbare Ziele zu setzen! Nur damit können die Widersprüche auf den unterschiedlichen Ebenen zumindest in Ansätzen kompensiert werden. Darüber hinaus ist eine Stärkung der Mitglieder zu forcieren. Appelle zur Mitarbeit und flotte Sprüche genügen nicht.

Diskussion

Rackes Betrachtungsweisen und Diagnosen stimmen, sind aber einseitig und defizitorientiert. Um das Dilemma des Berufsverbandes zu begreifen und das Bild vollständig und verstehbarer zu machen, muss der Blick auf die berufliche Sozialisation von SozialarbeiterInnen an Fachhochschulen gerichtet wird. Denn dort, wo die Grundlagen der vielbeschworenen "beruflichen Identität" gelegt werden sollten, dort passiert, außer der Anhäufung von Wissen, in der Regel wenig bis nichts. Das alte Lied: Betriebswirte werden von Betriebswirten, Ingenieure von Ingenieuren und Psychologen von Psychologen ausgebildet. In der Sozialen Arbeit, ja da ist freilich alles anders. Wie viele der bunt durcheinandergewürfelten Lehrenden zählen sich denn dieser Berufsgruppe zugehörig? Und wer sollte folglich ernsthaft und glaubwürdig die notwendigen Grundorientierungen vermitteln, zu denen auch die berufliche Selbstorganisation gehört?

Fazit

Mit ihrer Analyse macht Karin Racke allen Mitgliedern, den Bezirks- und Landesverbänden, den Gremien und der Verbandsspitze des DBSH ein nicht zu unterschätzendes Geschenk. Mit diesem roten Büchlein, das unverhältnismäßig teuer ist, lässt sich was anfangen. Sollte man die junge Berufskollegin aus Freiburg nicht zum nächsten bundesdeutschen Verbandstreffen einladen? Denn insgesamt gesehen und positiv formuliert, hat der Berufsverband trotz aller Widrigkeiten noch etliche Schätze zu heben.

Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Alfons Limbrunner
lehrte Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und ist als Autor, Coach und Supervisor (DGSv) tätig.

Es gibt 6 Rezensionen von Alfons Limbrunner.

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ISSN 2190-9245