Claudia Pinl: Ehrenamt. Neue Erfüllung, neue Karriere
Rezensiert von Prof. Dr. Harmut Bargfrede, 08.04.2011
Claudia Pinl: Ehrenamt. Neue Erfüllung, neue Karriere. Wie sich Beruf und öffentliches Ehrenamt verbinden lassen ; Möglichkeiten, Wege, Perspektiven. Walhalla Fachverlag (Berlin) 2010. 176 Seiten. ISBN 978-3-8029-3444-5. 19,90 EUR.
Thema
Das Ehrenamt, Bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligenarbeit, um die gängigen Begriffe im Themenfeld zu benennen, die teils synonym, teils kontextabhängig und unterschiedlich fokussiert benutzt werden, sind ein anhaltend aktuelles Thema. Der dritte Freiwilligen-Survey liegt vor. Mit dem lassen sich nun in drei Untersuchungsintervallen zehn Jahre bürgerschaftliches Engagement in Deutschland facettenreich verfolgen. Sicher werden wieder, wie bei den vorherigen Studien, Länderstudien folgen und die Debatten um das (aussterbende) so genannte „alte“ Ehrenamt und die Entdeckung des so genannten neuen bürgerschaftlichen Engagements mit ihren ganz eigenen Wurzeln liegen noch nicht lange zurück. Claudia Pinl begibt sich mit einem ganz eigenen Zugang auf das Themenfeld. Sie bewirbt das Ehrenamt und zwar vor allem das Öffentliche Ehrenamt als Ausweg aus tristem Berufsalltag und auch als Chance eines beruflichen Kurswechsels, sowie als mögliche (Parallel-) Karriereleiter. Dazu zeigt sie die Zugangsmöglichkeiten, rechtliche Rahmenbedingungen, Vereinbarkeitsmöglichkeiten mit Berufstätigkeit und finanzielle Möglichkeiten auf. Das macht sie mit vielen Beispielen und bei den Einsatzmöglichkeiten in nahezu gleich bleibender Struktur.
Autorin
Claudia Pinl ist Journalistin, die für die taz und Regionalzeitungen arbeitet und ist daneben seit langem immer wieder auch als Buchautorin tätig.
Aufbau und Inhalt
Nach einer Einleitung mit der Überschrift „Zufrieden im Beruf?“ in der die Autorin die Zielstellung des Buches (Wege in das Ehrenamt aufzeigen) verdeutlicht, befasst sie sich im ersten Kapitel „Was heißt hier Ehrenamt?“ unter Rückgriff auf den jüngsten Freiwilligen-Survey mit der Bandbreite bürgerschaftlichen Engagements, das sie zwischen Privat- und Produktionssphäre einordnet. Anschließend setzt sie sich kritisch mit dem Einsatz Freiwilliger als „Sparschweine der Nation“ (Zit.) im Blick auf die erhoffte Ersatzleistung freiwilligen Engagements anstelle staatlicher Aufgabenerfüllung angesichts knapper Kassen auseinander. Die Merkmale des Ehrenamtes: Unbezahlt, selbst bestimmt und gemeinwohlorientiert, werden an ihren Grenzen abgeklopft und Ehrenamt wird definiert. Ferner wendet sich die Autorin öffentlichen Ehrenämtern und denen mit hoheitlicher Funktion, sowie denen mit langer Tradition zu.
Im zweiten Kapitel zur Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt befasst sich die Verfasserin mit verschiedenen Freistellungsregelungen, empfiehlt das Gespräch mit dem Chef und zeigt mit einem Exkurs auf Corporate Social Responsibility und Corporate Volunteering auf, dass Unternehmen vom Engagement ihrer Beschäftigten und auch das Engagement der Unternehmen selbst, mindestens eine „Win-Win-Situation“ (Zit.) erzielen.
Mit dem anschließenden „Im Namen des Volkes“ wird dann das erste Einsatzfeld ehrenamtlichen Engagements ausführlicher beschrieben. Die Schöffentätigkeit wird mit den Zugangsmöglichkeiten und Beispielen beschrieben und der mögliche Auslagenersatz und die Regelungen zum Verdienstausfall dargelegt. Was man von diesem Ehrenamt hat (Zuwachs an Menschenkenntnis) erfährt der Leser anschließend, wie auch, dass Ehrenamtliche Richter auch an Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichten gebraucht werden. Das Kapitel schließt mit der Vorstellung der Schiedsfrauen und Schiedsmänner als weiteres Ehrenamtsfeld, den damit erzielbaren Aufwandsentschädigungen und dem Zugangsweg.
Im fünften Kapitel stellt Claudia Pinl dann die Möglichkeiten ehreamtlichen Engagements in der Jugendarbeit vor. Wiederum nennt sie Voraussetzungen und Zeitbedarf, den Auslagenersatz und Erstattungsmöglichkeiten des Verdienstausfalles, beschreibt Beispiele und Karrierechancen durch hauptamtliche Beschäftigung in einem Jugendverband oder in internationalen Jugendorganisationen. In fortgesetzt gleicher Struktur und mit optisch abgesetzten Beispielen beschreibt sie dann die verschiedenen Kammern als Felder ehrenamtlichen Engagements, die Mitwirkung in Betriebs- und Personalräten und in beruflichen Interessenverbänden, um sich dann der Kommunalpolitik und weiteren Engagementbereichen auf kommunaler Ebene zuzuwenden. Dem folgen Aufsichtsräte und weitere „Gremien im Überfluss“ (Zit.) mit den inhaltlichen Streiflichtern, die dem Leser im Kapitel neun von den inhaltlichen Stoßrichtungen her, schon recht vertraut sind. In dieser Struktur werden dann auch der Katastrophenschutz und die Rettungsdienste beleuchtet und daran schließen sich die Bereiche Selbstverwaltung der Sozialversicherung und Natur- und Umweltschutz an. Mit den Ehrenämtern im Bildungsbereich im Rahmen von Elternvertretungen und im kirchlichen Bereich, sowie dem beliebtesten Feld „Sport“ schließt die Autorin ihren Überblick. Steuerpflicht und Freibeträge sowie der Versicherungsschutz im Ehrenamt schließen sich inhaltlich an.
Eine Bilanz beendet das Buch, in dem der persönliche Zugewinn durch ehrenamtliches Engagement als die Möglichkeit, Kreativität auszuleben, ein Kontrastprogramm zum beruflichen Einerlei zu haben und u. U. fehlende Anerkennung im Beruf ausgleichen zu können, beschrieben wird. Claudia Pinl zeigt auf, was Ehrenamtliche vor allem mitbringen sollten und was diese zurückbekommen (Erwerb von Soft Skills, regionales Ansehen und Karriere, Macht und Einfluss als Bürgermeister, Vorsitzende in Gremien und als Chef der Arbeitnehmervertretung). Eine Checkliste als Entscheidungshilfe zum Eintritt in ehrenamtliches Engagement und Hinweise dazu, wo öffentliches Ehrenamt besonders als Vorstufe zu einem Berufswechsel in hauptamtliche Tätigkeiten geeignet ist, runden die Bilanz ab.
Diskussion
Bunt statt Grau! Wie der „Nebenjob“ öffentliches Ehrenamt Farbe ins Arbeitsleben bringt. So bewirbt der Verlag auf dem äußeren Einband den Titel, den er einen Berufs- und Karriereratgeber nennt.
Das im Buch von Claudia Pinl beschriebene Bunt des bürgerschaftlichen Engagements ist in Wirklichkeit sehr viel bunter, als hier beschrieben, da sich der Titel auf das öffentliche, das klassische Ehrenamt begrenzt und die vielen übrigen Felder bürgerschaftlichen Engagements auf geringerem Organisationsniveau, bis auf einige Hinweise in der Einleitung ausblendet. Unstrittig ist hingegen, dass Engagement außerhalb des beruflichen Kontextes, die persönliche Vielfarbigkeit an Kenntnissen und Fertigkeiten deutlich erweitern kann, die darüber mittelbar auch der Arbeitswelt zu Gute kommt. Problemlösungskompetenzen, Toleranz, Perspektivwechselfähigkeiten, kommunikative Kompetenz und u. U. auch handwerkliches Geschick, um nur einige wenige mögliche Zuwachsbereiche anzusprechen. Deshalb und wegen der gesellschaftlichen Gestaltungskraft kann nicht genug für ein Mehr an bürgerschaftlichem Engagement geworben werden, wozu auch dieses Buch einen Beitrag liefert. Ob es ein Berufs- und Karriereratgeber ist, bleibt fraglich. Denn: mit nüchternem Blick gibt es sie zwar, die Chance eines Überganges von Ehren- zu hauptamtlicher Tätigkeit, aber wohl nicht in dem Umfange, wie es das Buch stellenweise den Lesern nahe legt. Und das Nadelöhr der Karriere mit Macht, Ansehen und Einfluss vom kommunalpolitischen Engagement zum Sitz im Bundestag oder von der Interessenvertretung in den Aufsichtsrat ist wohl kleiner, als die hier gezeichneten Möglichkeiten. Mancherorts liest sich das Buch wie ein „Fluchthelfer“ aus grauem Arbeitsalltag. Endlich überhaupt Anerkennung, raus aus den Routinen und das über Ehrenamtliches Engagement. Dieses unterstellt ganz viel Grau in der Arbeitswelt. Dabei sind es die jüngeren, gut gebildeten, weiter vernetzten Menschen, die vor allem Spaß haben wollen, noch mehr interessante Menschen kennen lernen wollen und das Gemeinwohl vor Ort mitgestalten wollen, die sich besonders bürgerschaftlich engagieren, wie alle Studien zum Engagement betonen und wohl nicht in grauen Routinetätigkeiten verhaftet sind. Sollte das Buch als Ratgeber zur „Fluchthilfe“ genutzt werden, so ist es sicher hilfreich, denn die Freistellungsmöglichkeiten sind allesamt gut recherchiert – vor allem für öffentlich Bedienstete. Präzise recherchiert sind die Inhalte des Buches nahezu allesamt und es kann für den interessierten Leserkreis Dank der durchgängigen Struktur der Kapitel über die Einsatzgebiete von öffentlichem Engagement auch gut als Handbuch genutzt werden. So muss man es nicht von vorn nach hinten lesen, man schlägt einfach das enger interessierende Engagementfeld auf. Die Ausnahme präziser Informationen stellt der mit „Wichtig“ gekennzeichnete Hinweis dar, dass eine Verpflichtung auf sechs Jahre zum Zivil- oder Katastrophenschutzdienst vor der Heranziehung zum Grundwehrdienst oder Zivildienst schützt. Der Hinweis hat sich bereits Monate nach Erscheinen überholt.
Fazit
Ein Berufs- und Karriereratgeber ist der Titel wohl nur bedingt. Stattdessen ist es ein recht leserfreundliches Handbuch für all diejenigen, die ein Anfangsinteresse am öffentlichen Ehrenamt haben und Orientierungshilfen suchen. Dabei ist das Buch mit seinen Informationen bspw. zum Zeitaufwand im jeweiligen Engagement, ehrlich und realistisch und für manchen vielleicht auch (schützend) ernüchternd.
Rezension von
Prof. Dr. Harmut Bargfrede
lehrt am Studiengang Sozialmanagement der Hochschule Nordhausen u. a. das Vertiefungsgebiet „Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenmanagement und Bürgerstiftungen“
Es gibt 18 Rezensionen von Harmut Bargfrede.
Zitiervorschlag
Harmut Bargfrede. Rezension vom 08.04.2011 zu:
Claudia Pinl: Ehrenamt. Neue Erfüllung, neue Karriere. Wie sich Beruf und öffentliches Ehrenamt verbinden lassen ; Möglichkeiten, Wege, Perspektiven. Walhalla Fachverlag
(Berlin) 2010.
ISBN 978-3-8029-3444-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10680.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.
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