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Achim Beißwenger: YouTube und seine Kinder

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Beck, 18.03.2011

Cover Achim Beißwenger: YouTube und seine Kinder ISBN 978-3-8329-5241-9

Achim Beißwenger: YouTube und seine Kinder. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2010. 292 Seiten. ISBN 978-3-8329-5241-9. 29,00 EUR.

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Thema

YouTube führt in Deutschland den Markt der Internetportale für Videos an – das bestätigen auch Umfrageergebnisse im vorliegenden Sammelband. Deshalb steht das Titelstichwort „YouTube“ als Teil für das Ganze. „Seine Kinder“ bezeichnet die verschiedenen Spielarten von Video im Internet. Dazu zählt hier auch das Web TV: beispielsweise TV-Kanäle von Unternehmen. Das Buch handelt von Unternehmensstrategien, Geschäftsmodellen und der Vermarktung. Auf YouTube würden Hunderte Unternehmen mit ihren Marken werben und die Verbindung zu jüngeren Zielgruppen suchen.

Herausgeber

Beißwenger arbeitet als Unternehmer und Marketing-Manager. Er ist Gründer und Veranstalter der Audiovisual Media Days (AMD), einer Fachkonferenz für Online-Video und Web TV.

Entstehungshintergrund

Den Anstoß zum vorliegenden Sammelband habe die AMD-Konferenz 2009 gegeben. Die meisten Themen des Bandes seien dort verhandelt worden. Was das Interesse der Wirtschaft weckt, ist die zunehmende Beliebtheit von Videos in sozialen Netzwerken und im Web 2.0 – sowie die Vermutung, dass Plattformen wie YouTube „optimale Wirkungsbedingungen für werbliche Botschaften aufweisen“ (Thomas de Buhr & Stefan Tweraser, „My Time is Prime Time“, S. 76).

Aufbau

Das Buch gliedert sich in vier Teile:

  1. Grundlagen von Online-Video und Web-TV (Kommunikation, Aufmerksamkeit, Bekanntheit und Nutzung),
  2. Einsatzmöglichkeiten und Fallstudien hierzu,
  3. Gestaltung und Technologie sowie
  4. rechtlicher Rahmen und ein Ausblick.

Insgesamt versammelt der Band 16 Beiträge, von denen die Hälfte den Einsatzmöglichkeiten und Fallstudien gilt (Teil zwei: 118 S.).

Inhalt

Die drei Beiträge des ersten Teils stellen sowohl einige theoretische als auch empirische Grundlagen dar. Zu den theoretischen Grundlagen gehören beispielsweise strategische Modelle; die empirische Fundierung liefern die Ergebnisse einer Online-Befragung von NutzerInnen (Harald Eichsteller & Nina Wiech, „Untersuchung zur Bekanntheit und Nutzung von Corporate Video-Inhalten im Internet“).

Die Beiträge des zweiten Teils, „Einsatzgebiete und Case Studies“, zeigen, um wessen Perspektive es in diesem Buch geht. Aufschluss geben die Arbeitgeber der AutorInnen: Google, Microsoft, BMW, Daimler oder Deutsche Telekom, um nur die bekanntesten zu nennen. Dieser Teil richtet sich in erster Linie an der Praxis aus. Dabei schreiben die AutorInnen auch über andere Themen als Video-Unterhaltung und Marketing: etwa über den Einsatz von Videos innerhalb von Unternehmen. Video ist hier „ein Arbeitsmedium“, welches „Geschäftsprozesse verbessern, betriebliche und überbetriebliche Kollaborationstechniken unterstützen“ sowie „Leistungsbereitschaft erhöhen“ solle (Thomas Mickeleit, „Corporate Video – Bewegtbilder in der Unternehmenskommunikation“, S. 99).

Aus Sicht der Pädagogik und Sozialen Arbeit (Jugendarbeit) zieht YouTube die Aufmerksamkeit auf sich, weil hier die Unternehmen Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen. Die Unternehmen zielen auf Markenbildung und Umsatz; aufgrund der schon erwähnten Umfrageergebnisse ergeht an sie der Rat: „Vor allem Unternehmen, die mit ihren Online Video-Angeboten eher jüngere Zielgruppen ansprechen möchten, sollten diese unbedingt auf YouTube und anderen Videoportalen platzieren“ (Eichsteller & Wiech, S. 55).

14- bis 19-Jährige in Deutschland verbrächten im Schnitt pro Woche zwei Stunden auf YouTube – wie zwei Mitarbeiter von Google, dem Eigentümer, berichten (de Buhr & Tweraser, S. 73). Sie bewerben YouTube als eine Community, die es Unternehmen ermögliche, „mit den potenziellen Kunden in einen direkten Dialog zu treten“ (S. 83). „Clever“ seien Unternehmen, die „diese Mitgestaltungsfreude für sich nutzen und proaktiv für ihre Produkte einsetzen“ (ebd.). Das aber heißt faktisch, dass die Unternehmen die Situation herbeiführen oder beherrschen. Und dies setzt sich wohl gegen „das neue Selbstbewusstsein der Nutzer“ durch, das die Autoren unterstellen (ebd.).

Ein Instrument ist das so genannte virale Marketing, das sich „die Kraft und Interaktivität von sozialen Netzwerken“ zunutze macht, „um Botschaften innerhalb der Community zu verbreiten“, und zwar über die NutzerInnen selbst (S. 87). Hoffnungsfroh klingt der kommerzielle Grundton, den zwei andere Autoren anspielen: „Möglichkeiten, den eigenen Content im Web zu platzieren, gibt es genug – von der Platzierung bei YouTube bis zu eigenen Kanälen auf sevenload, MySpace und Co.“ (Christian Borsi & Nicolas Westermann, „Neue Video-Technologien als Grundlage für Distribution, Targeting und Seeding“, S. 231).

Der dritte Teil, zur Gestaltung und Technologie, befasst sich mit Schnittstellen: etwa mit berührungssensitiven Displays; mit dem „Sound Branding“, das heißt der Entwicklung von Marken durch auditive Merkmale, die sich einprägen. Und der dritte und letzte Beitrag dieses Teils stellt Video-Technologien vor und bespricht deren Einsatz je nach Vorhaben.

Auch der letzte Teil – rechtliche Rahmenbedingungen und Ausblick – fußt auf dem Standpunkt der Unternehmen. Der erste der beiden Beiträge klärt, was jeder „Anbieter von Bewegtbildern im Internet“ rechtlich beachten muss – beispielsweise, ob er eine Rundfunklizenz benötigt, wer sie erteilt und was sie kostet (Alexandra Heӱn, „Rechtliche Rahmenbedingungen von IPTV“, S. 243). Der zweite Beitrag erwägt, welche Werbeformen am meisten versprechen und welche Geschäftsmodelle tragfähig sein könnten.

Diskussion

Chancen und Gefahren sozialer Netzwerke diskutiert die Pädagogik anders, als es der vorliegende Sammelband unter Marketing-Gesichtspunkten unternimmt. Gegenstand sind im vorliegenden Band nicht die Chancen des Selbstausdrucks, des Experimentierens und der Identitätsarbeit und auch nicht Gefahren wie die Preisgabe persönlicher Informationen und Daten sowie deren Missbrauch. Spricht das Buch von Chancen, dann zielt dies auf die „Aufmerksamkeit, Herz und Portemonnaie“ der KonsumentInnen (Einbandrückentext). Gefahr droht, wenn die Refinanzierung des Video- oder Web TV-Angebots scheitern könnte oder wenn eine der Marke abträgliche Diskussion in der Community außer Kontrolle geriete.

Aus pädagogischer Sicht wäre für die Jugendlichen ein Übel, wenn zutrifft, dass sie sich „oft […] gar nicht darüber bewusst“ sind, „dass sie sich mit den Marken aktiv beschäftigen und wie sie beeinflusst werden, während sie sich in Social-Media-Umfeldern über ihre Markenerlebnisse austauschen“ (Marc Mielau & Axel Schmiegelow, „Markenführung in sozialen Medien – neue Wege zum Konsumentenherz“, S. 115). Jugendliche wären dann tatsächlich Opfer von Marketingstrategien; hierzu kann der Band aber nicht genügend empirische Aussagen machen.

Bei der Beurteilung gilt es auch die Nutzungsweise von Communitys wie YouTube zu beachten. Zwei Stunden durchschnittliche Nutzung pro Woche bedeuten nicht zwei Stunden Werbezeit. Noch trifft es nicht zu, dass Kinder und Jugendliche „heute schon sehr viel länger YouTube-Videos schauen als das Fernsehprogramm betrachten“ (Joachim Graf, „Aufmerksamkeitsökonomie und Bewegtbild“, S. 41). Es ist aber ernst zu nehmen, dass die Nutzung sich nach Gruppen unterscheidet. So sind es laut Beißwenger, der ein internationales Marktforschungs-Unternehmen zitiert, männliche Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren, die Online-Videos zeitlich am intensivsten nutzen („Audiovisuelle Kommunikation in der globalen Netzwerkgesellschaft“, S. 19).

Fazit

Das Buch öffnet einen ziemlich unverstellten Blick auf die Strategien von Marketing-ExpertInnen, die sich der Medien Online-Video und Web TV bedienen. Für PädagogInnen ist das Buch insoweit interessant, als es zeigt, welchen kommerziellen Zugriffen Jugendliche in einem für sie bedeutsamen Ausschnitt ihrer Lebenswelt ausgesetzt sind. Die Jugendarbeit beispielsweise kann mit diesem Wissen aufklären und die Sensibilisierung Heranwachsender gegen solche Zugriffe gezielt erweitern.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Beck
Pädagogische Forschung und Lehre
Website

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Zitiervorschlag
Christian Beck. Rezension vom 18.03.2011 zu: Achim Beißwenger: YouTube und seine Kinder. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2010. ISBN 978-3-8329-5241-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10682.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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