Christina Zitzmann: Wie gut sind wir eigentlich?
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 20.04.2011

Christina Zitzmann: Wie gut sind wir eigentlich? Qualitätsmanagement und Evaluation in der außerschulischen politischen Bildung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2011. 352 Seiten. ISBN 978-3-89974-675-4. 32,80 EUR.
Fragwürdige Qualitätsetikettierung oder Best-Practice-Projekte?
Manche behaupten, dass es, insbesondere bei der Bildungs- und Erziehungsarbeit, unmöglich sei, die Effektivität der Tätigkeiten und Maßnahmen zu messen, weil eben der Mensch keine Maschine sei, in die man mit einem Input etwas hineingeben und erwarten könne, dass der beabsichtigte Output heraus komme. Das freilich ist eine völlige Verkennung der notwendigen Aufgabe, darüber zu reflektieren – und zu prüfen – eine Zielvorstellung und die entsprechenden konzeptionellen, didaktischen und methodischen Schritte dahin zu evaluieren. Denn Evaluation heißt eben nicht, formal die beabsichtigten, geplanten Ziele zu kontorieren, sondern „weiter lernen zu wollen“ ( vgl. dazu zum Bereich der entwicklungspolitischen Evaluation: Annette Scheunpflug, Claudia Bergmüller, Nikolaus Schröck: Evaluation entwicklungsbezogener Bildungsarbeit, Waxmann Verlag, Münster/New York/Berlin/München 2010, in: socialnet Rezensionen unter www.socialnet.de/rezensionen/10042.php). Bilanzierung in diesem Sinne ist dann nicht nur der materielle Nachweis von gelungenen oder gescheiterten bildungspolitischen Vorhaben, sondern ein eminent notwendiger, selbst- und fremdvergewissernder Bestandteil der Maßnahme selbst.
Entstehungshintergrund und Autorin
Im Bereich der Sozialen Arbeit und hier insbesondere in der Kinder- und Jugendbetreuung wächst die öffentliche Kritik an den nicht selten kosten- und personalintensiven Projekten und Maßnahmen; etwa wenn die FAZ titelt: „Viel Geld mit wenig Wirkung“. Zu dieser kritischen, öffentlichen Aufmerksamkeit kommt die wissenschaftliche hinzu; es fehle, so die Autorin, an konkret auf- und nachweisbaren Kriterien und Werkzeugen für Qualitätsmanagement und Evaluation, die letztlich auch die Legitimation der entsprechenden Projekte und Programme im Rahmen der Sozialen Arbeit in Frage stellen. Die Diplom-Sozialpädagogin und Sozialwissenschaftlerin Christina Zitzmann, die als Bildungsreferentin in der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg tätig ist, legt mit dem Buch „Wie gut sind wir eigentlich?“ die Ergebnisse ihrer Dissertation an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen vor. Es ist die Frage nach der Messbarkeit und Bewertung von sozialpädagogischem Handeln in der außerschulischen politischen Jugendbildung, die die Autorin in ihrer Forschungsarbeit stellt.
Aufbau und Inhalt
In der sozialpädagogischen Praxisforschung wurden bisher eine Reihe von Theorien und Konzepten entwickelt, wie insbesondere mit destruktivem Verhalten und der zunehmenden Aggression von Kindern und Jugendlichen umgegangen werden kann ( vgl. dazu auch: Cornelia Muth / Annette Nauerth, Hrsg., Vertrauen gegen Aggression. Das dialogische Prinzip als Mittel der Gewaltprävention, Schwalbach 2010, in: www.socialnet.de/rezensionen/10589.php). Die Autorin gliedert ihre Arbeit in zwei Bereiche, die wiederum in mehrere Kapitel unterteilt sind: Im ersten Bereich formuliert sie Thema und Gegenstand der Untersuchung, indem sie die Begriffe „Qualität“, „Qualitätsmanagement“ und „Evaluation“ diskutiert und verknüpft. Im zweiten Bereich wird neben der Darstellung der Konzeption und der Methoden über die Ergebnisse der Forschungsarbeit informiert und in der Zusammenfassung Perspektiven aufgezeigt.
Weil in der „ökonomisierten Sozialen Arbeit“ die Effektivitätsfalle droht, ist es notwendig und verdienstvoll, mit der Frage nach den Qualitätsmaßstäben und –perspektiven die professionellen und gesellschafts- und sozialpolitischen Aspekte sozialpädagogischen Handelns zu diskutieren und die kontroversen Positionen zu verdeutlichen; denn „Qualität in sozialpädagogischen Handlungsfeldern entsteht aus einem hochkomplexen Bedingungsgefüge heraus, in dem verschiedene Faktoren in einer Wechselbeziehung stehen und bei dem auch schwer fassbare subjektive Faktoren eine wichtige Bedeutung haben…“. Weil aber auch, sowohl in der Theorie, als auch in der Praxis, die Aufmerksamkeit auf professionelle, fachspezifische und Sachqualität selten im Einklang gebracht wird mit den verschiedenen Evaluationszielen und –methoden, ist die dezidierte Darstellung der unterschiedlichen Evaluationskonzepte für den theoretischen Diskurs wie für den praktischen Vollzug sehr hilfreich.
Grundlagen der Untersuchung sind die im Rahmen der außerschulischen politischen Jugendbildung in katholischer Trägerschaft im süddeutschen Raum angebotenen Konfliktseminare. Die Autorin fragt nach den Motiven, wie die Angebote entstehen, welchen Stellenwert sie innerhalb der außerschulischen Bildungsarbeit einnehmen und wie die Qualitätssicherung der pädagogischen Arbeit vorgenommen wird. Dabei entwickelt sie ein Qualitätsmanagement- und Evaluationsprojekt, dessen Verlauf und Wirkung sie auf drei Ebenen operationalisiert: Auf der Ebene der Betroffenen, der professionellen Akteure und der trägerpolitischen Ebene. In den Ergebnissen wird deutlich, dass neben der Vermittlung von theoretischem Wissen insbesondere Wissen und Auseinandersetzung durch Erfahrung ermöglicht werden. Diese Erkenntnisse werden im übrigen gestützt durch die vorliegenden Forschungsergebnisse zur Konflikt- und Zivilcourageforschung ( vgl. dazu u.a.: Wolfgang Beutel, u.a., Hrsg., Demokratiepädagogik. Lernen für die Zivilgesellschaft, 2006, in: www.socialnet.de/rezensionen/4442.php, Susanne Hauser, u.a., Hrsg., Übergangsraum Adoleszenz. Entwicklung, Dynamik und Behandlungstechniken Jugendlicher und junger Erwachsener, Frankfurt/M., 2010, in: www.socialnet.de/rezensionen/9762.php, Wilhelm Berger, u.a., Hrsg., Kulturelle Dimensionen von Konflikten, Bielefeld 2010, in: www.socialnet.de/rezensionen/10333.php, Sabine Kurtenbach, u.a., Hrsg., Jugendliche in gewaltsamen Lebenswelten. Wege aus den Kreisläufen der Gewalt, in: www.socialnet.de/rezensionen/10408.php), wie auch zur Kompetenzforschung ( Ingo Juchler, Hrsg., Kompetenzen in der politischen Bildung, Schwalbach 2010, in: www.socialnet.de/rezensionen/9811.php, sowie: Kompetenzen im Politikunterricht, Nov. 2010, Rezension www.socialnet.de/rezensionen/11145.php). Die Ergebnisse richten auch das Augenmerk auf zwei Aspekte, die insbesondere für die praktische Durchführung von Konfliktseminaren und ähnlichen Veranstaltungen bedeutsam sind, aber seltener berücksichtigt werden: Der oftmals zu kurzzeitig angesetzte Zeitrahmen und die Bedeutsamkeit des Vertrauensverhältnisses zwischen den Seminarveranstaltern und –teilnehmern (siehe dazu auch: Nina L. Dulabaum, u.a., Mediation. Die Kunst, in Konflikten erfolgreich zu vermitteln, Weinheim/Basel 2009, in: www.socialnet.de/rezensionen/8545.php, Eckard König / Gerda Volmer, Systemisches Coaching, in: www.socialnet.de/rezensionen/7991.php, Matthias Busch u.a., Mediation. Ein Rollenspielbuch, Schwalbach 2010, in: www.socialnet.de/rezensionen/8762.php ).
Fazit
Die Forschungsarbeit von Christina Zitzmann ist ein Plädoyer dafür, dass, fachwissenschaftlich und im praktischen sozialpädagogischen Handeln eine stärkere Aufmerksamkeit darauf gerichtet werden muss, dass Qualitätsmanagement und Evaluation ein konstitutiver Bestandteil in der außerschulischen Jugendarbeit; denn „wenn Fachkräfte der außerschulischen politischen Bildung nicht möchten, dass in erster Linie politische und wirtschaftliche Interessengruppen die Bewertungskriterien für die pädagogische Arbeit festlegen, müssen sie selbst aktiv werden“.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 20.04.2011 zu:
Christina Zitzmann: Wie gut sind wir eigentlich? Qualitätsmanagement und Evaluation in der außerschulischen politischen Bildung. Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2011.
ISBN 978-3-89974-675-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10691.php, Datum des Zugriffs 22.03.2023.
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