Ruth Brack, Kaspar Geiser (Hrsg.): Aktenführung in der Sozialarbeit
Rezensiert von Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp, 30.06.2003

Ruth Brack, Kaspar Geiser (Hrsg.): Aktenführung in der Sozialarbeit. Neue Perspektiven für die klientbezogene Dokumentation als Beitrag zur Qualitätssicherung.
Haupt Verlag
(Bern Stuttgart Wien) 2003.
3., überarbeitete Auflage.
168 Seiten.
ISBN 978-3-258-06517-5.
28,00 EUR.
Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft der Schulen für Soziale Arbeit, Band 16.
Das Thema
Aktenführung ist ein altes Thema in der Sozialarbeit und wurde unter diesem Stichwort in der Literatur eher schlecht als recht behandelt, weil es sich um ein ungeliebtes Thema handelt. Unter dem Stichwort Dokumentation der Arbeit bekommt es vor allem im Kontext der aktuellen Diskussion um wirtschaftlichen Umgang mit Ressourcen - auch den persönlichen fachlichen Ressourcen der Sozialarbeitenden - und der Qualitätsdebatte eine neue und wichtige Bedeutung. Nachweise über Effektivität und Effizienz werden von vielen Seiten eingefordert und auch in der Sozialarbeit selbst gerät das Thema unter dem Gesichtspunkt der Darstellung von Professionalität neu in den Mittelpunkt.
In vielen Einrichtungen der Sozialen Arbeit wird an Dokumentationssystemen getüftelt, es wird ausprobiert, infrage gestellt und verbessert - EDV gestützte Verfahren werden auf dem Softwaremarkt angeboten - andere schwören auf individuelle Lösungen.
Dass das Thema seit der 1. Auflage des Bandes im Jahre 1996 nach wie vor akut ist, zeigt die inzwischen vorlegte 3. Auflage des Bandes.
Die Autoren
Ruth Brack war bis 1993 als Dozentin an der jetzigen Hochschule für Sozialarbeit Bern in verschiedenen Funktionen tätig, und ist der Fachöffentlichkeit durch Zeitschriftenartikel und Fachbeiträge in Büchern bekannt, die sich durch ihren sehr konkreten Praxisbezug und Gebrauchswert auszeichnen. Manche Leser mögen sich noch erinnern an das vor Jahren gemeinsam mit Kaspar Geiser vorgestellte edv-gestützte Dokumentationsmodell "KLEVAL", das leider offensichtlich nicht mehr verfügbar ist.
Kaspar Geiser ist als Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit Zürich tätig; er ist besonders bemüht um die Professionalisierung der Sozialen Arbeit und hat sich neben eigenen Veröffentlichungen gemeinsam mit Ruth Brack an verschiedenen Stellen mit möglichen Dokumentationsformen der Sozialen Arbeit auseinandergesetzt.
Neben diesen beiden Herausgebern sind in dem Band je ein Beitrag enthalten von Alexander Kobel, ebenfalls langjährig als hauptamtlicher Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern tätig und von Werner Ziltener, Dozent an der Hochschule für Sozialarbeit Bern.
Alle Autoren sind - bzw. waren in der Erstausbildung - Dipl.Sozialarbeiter
Der Inhalt
Brack und Geiser verweisen in der Einleitung auf den latent vorhanden Konflikt zwischen betriebswirtschaftlichen und sozialarbeiterischen Anliegen in der Sozialen Arbeit. Daraus ergibt sich, dass von den Sozialarbeitenden in verstärktem Maße wirtschaftliches Denken und Handeln gefordert wird. "Professionalität und Betriebswirtschaft treffen sich da, wo auch von Sozialarbeiterinnen zielgerichtetes Arbeiten verlangt wird, dessen Ergebnisse einer systematischen Überprüfung zugänglich gemacht werden müssen."(S. 14) Wollen sie sich nicht von anderen Berufsgruppen fremd bestimmen lassen, müssen Sozialarbeitende eigene Wege der Dokumentation finden. Damit werde dann auch eine Voraussetzung für die Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit geschaffen.
Sollen nun in jedem Bereich eigenständige Dokumentationsformen und -verfahren entwickelt werden? Oder soll einer gewissen Standardisierung das Wort geredet werden? Vieles spricht dafür: Objektivierbarkeit, Vergleichbarkeit der Arbeit, Ausweis von Professionalität für den Beruf verbindet man damit, Sozialarbeit wird nach außen darstellbar, Berufsidentität wird gefestigt. Soll eine gewisse Vergleichbarkeit, Objektivierbarkeit, gegeben sein, kann nicht jeder Sozialarbeitende sein eigenes Modell entwickeln.
Die Verfasser stellen deshalb in dem vorliegenden Band verschiedenen Arbeitshilfen vor, die u.a. im Rahmen der Aus- und Fortbildung von Sozialarbeitenden entwickelt bzw. in einigen Einrichtungen bereits konkret genutzt werden. Auf dieser Grundlage kann in jeder Einrichtung überlegt werden, wie ein daran orientiertes Dokumentationsmodell für den eigenen Bereich gestaltet werden kann.
Kaspar Geiser befaßt sich in dem Beitrag "Klientbezogene Aktenführung und Dokumentation in der Sozialarbeit" mit grundsätzlichen Fragestellungen von Dokumentation und Aktenführung, stellt eine Grobstruktur der Dokumentationen eines Sozialberatungsdienstes und verschiedene Arten klientbezogener Dokumente vor, erläutert die Funktionen dieser Dokumente und macht deutlich, welche Vorteile für die Arbeit sich aus einer bewussten Strukturierung der Dokumentation ergeben. Auf diesem Hintergrund wird eine Übersicht über die im Rahmen der Fallführung erforderlich Einzeldokumente erstellt, die generell als Grundlage für die Aktenplanung im Bereich Sozialer Arbeit genutzt werden kann.
Ruth Brack will in ihrem ersten Artikel "Der Beitrag klientbezogener Dokumentation zur Qualitätssicherung in der Sozialarbeit" Aktenführung als eine zwingende Vorleistung für qualitätsbezogene Aussagen zu Ergebnissen sozialarbeiterischer Aktivitäten verstanden wissen. Hier geht es darum, Material zur Verfügung zu stellen, um Fragen nach dem Klientel, deren Problemen, den angebotenen (Dienst-)Leistungen und den Ergebnissen beantworten zu können. Gleichzeitig kann eine solche Aktenführung die Voraussetzung für eine Fallauswertung (Evaluation) bieten. Das könne weder durch eine einseitige stärkere Formalisierung, noch durch eine völlig frei organisierte Dokumentation geleistet werden. Deshalb spricht sie sich für eine teilweise Standardisierung dieser Arbeit aus, d.h. jedes der für die Dokumentation entwickelte "Formular" müsse auch "offene Rubriken" enthalten, in die frei formulierte Aussagen notiert werden können.
In einem zweiten Beitrag "Dokumentation: Akten als Fundgrube für die Evaluation in der ambulanten Sozialarbeit" folgt sie diesen Überlegungen und stellte solche konkreten "Formulare" zu Fallaufnahme, zur Situationsanalyse (orientiert an der prozessual-systemischen Handlungstheorie von Staub-Bernasconi), zum Beratungsplan (Hilfeplan), zu Besprechungs- und Ergebnisdokumentation vor. Obwohl die Formulare im einzelnen erläutert werden, muss sich der Leser ausführlicher mit ihnen beschäftigen, damit er sie in ihrer Vielfältigkeit nachvollziehen kann; eine Auseinandersetzung mit der o.g. Handlungstheorie und der daraus entwickelten vierdimensionalen systemischen Denkfigur, auf die hier nicht näher eingegangen wird, kann dabei hilfreich sein. Brack zeigt auf, wie und wofür diese Formulare im einzelnen genutzt werden und wie eine mögliche Auswertung ausgerichtet werden könnte.
Alexander Kobel stellt in seinem Beitrag "Dosssierführung im Gemeindesozialdienst - ein Beispiel" die Aktenführung in einem Gemeindesozialdienst (etwa unseren allgemeinen Sozialdiensten vergleichbar) anhand der dort genutzten Formulare mit kurzen Erläuterungen vor.
Werner Ziltner macht in einem kurzen Beitrag "Die Übergabenotiz - Ein Kurzbeispiel zum Thema Aktenführung" klar, wie auf schnelle und übersichtliche Art und Weise Informationen über den Klientenkreis an NachfolgerInnen weitergegeben werden können, damit diese sofort mit dem Klientenkreis weiter arbeiten können.
Abschließend beschäftigt sich Kaspar Geiser in seinem zweiten Beitrag mit der Abfassung von Berichten in der Sozialen Arbeit. Art und Funktion von Berichten, Berichte aufgrund eines Auftrages von Dritten oder auf eigene Initiative und die Unterscheidung von Gutachten und Berichten in der Sozialarbeit (Sozialberichten) werden diskutiert, eine grundsätzliche Berichtsstruktur vorgeschlagen und eine Checkliste für die Abfassung von Berichten vorgestellt.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich einerseits an die in der Praxis Tätigen, und zwar sowohl die in der direkten Klientenarbeit tätigen Fachkräfte wie auch an die in leitenden Funktionen Tätigen, habe sie doch erheblichen Einfluss auf die organisatorische und inhaltliche Planung von Aktenführung. Für Studierende und Dozierende an den Hochschulen bietet das Buch eine gute Grundlage für die Entwicklung von unterschiedlichsten Dokumentationsformen.
Fazit
Der vorliegende Text stammt in seinen Grundzügen aus dem Jahr 1996. Dass er immer noch nichts an Aktualität eingebüßt hat, zeigt wie langsam die Entwicklung in manchen Bereichen sich anlässt. Das Buch enthält viele Hinweise, die - das lässt sich in der Praxis feststellen - von verschiedenen Einrichtungen aufgegriffen und für die eigenen Zwecke weiterentwickelt worden sind.
Das ist auch die Chance des Buches. Die vielen Vorlagen, die darin enthalten sind, sind nämlich nur bedingt direkt umsetzbar. Hier spielt nicht nur eine Rolle, dass schweizerische Verfasser naturgemäß die Situation der Sozialarbeit in der Schweiz mit ihren etwas anderen rechtlichen Gegebenheiten im Visier haben, sondern auch andere Strukturen in den Einrichtungen eine Rolle spielen. Deshalb sollte der Text vor allem als eine Fundgrube an Ideen und Möglichkeiten genutzt werden, die eine Verbesserung der Aktenführung für die jeweils eigene Einrichtung, die Gestaltung der Dokumentation der eigenen Arbeit, die Anpassung an den jeweils eigenen Arbeitsplatz möglich machen, ohne dass dabei jeweils ein gesamter Rahmen neu entwickelt werden muss.
Einige der vorgestellten Vorlagen oder Formulare sind dabei so frappierend einfach - wie die Besprechungsdokumentation auf S. 91 und die Vorschläge für das Journal auf S.116 - , dass sie sofort zu Nachahmung anreizen und man die Vereinfachung gegenüber den "klassischen Aktenvermerken" sofort erkennt. Wenn man dagegen das Hilfeplanformular (Beratungsplan mit Arbeitsabsprache) auf S. 84 und das Formular zur Arbeitsabsprache auf S. 117 vergleicht wird deutlich, in welcher Bandbreite von einfach bis komplex Dokumentation möglich ist, für die man dann auch getrost dritte Möglichkeiten entwickeln kann. Das macht das Buch nach wie vor lesenswert und es sei deshalb allen empfohlen, die mit der gehörigen Portion Kreativität hier einen "Steinbruch" für die Realisierung ihrer Dokumentationsideen entdecken wollen.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass einige der Tabellen wegen der kleinen Schriftgröße nur schwer lesbar sind. Zwar ist die Darstellung auf jeweils einer Seite sinnvoll, weil dadurch das Gesamtkonzept des Formulars deutlich werden soll, aber hier sollte drucktechnisch eine andere Lösung gefunden werden.
Rezension von
Dipl.Soz.-Arb. Meinolf Westerkamp
Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Sozialarbeit
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