Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Heiner Raspe: Versorgungsforschung in Deutschland

Rezensiert von Prof. Dr. rer.medic. Martina Hasseler, 14.03.2011

Cover Heiner Raspe: Versorgungsforschung in Deutschland ISBN 978-3-527-33005-8

Heiner Raspe: Versorgungsforschung in Deutschland. Stand - Perspektiven - Förderung ; Stellungnahme. Wiley-VCH Verlag (Weinheim) 2010. 47 Seiten. ISBN 978-3-527-33005-8. 19,90 EUR.
Reihe: Standpunkte / Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Autorinnen und Autoren

Die Autoren dieser Publikation sind herausragende Vertreter der Gesundheitswissenschaft (Public Health), Sozialmedizin, Medizinischen Soziologie und Versorgungsforschung und haben an anerkannten Universitäten Deutschlands Lehrstühle für diese Disziplinen inne.

Entstehungshintergrund

Hintergrund dieser Publikation ist eine kritische Diskussion innerhalb der DFG über mögliche Förderungsschwerpunkte in der Versorgungsforschung. Es wurde beschlossen, dass es keines besonderen Förderungsinstrumentes für Versorgungsforschung bedarf, sondern dass die bestehenden innerhalb der DFG für die Förderung von Versorgungsforschung besser genutzt werden sollen. Vor diesem Hintergrund werden im Auftrag der DFG in dieser Stellungnahme grundlegende Fragestellungen der Versorgungsforschung exemplarisch erarbeitet und in den Kontext einer möglichen DFG-Förderung bzw. der bestehenden DFG-Förderinstrumente gestellt. Die Stellungnahme zielt explizit auf den wissenschaftlichen Nachwuchs, um diesen zu motivieren, Forschungsprojekte der Versorgungsforschung durch Nutzung von DFG-Förderinstrumenten zu realisieren. Die Autoren formulieren als Ziele der Stellungnahme, zunächst die bisherige nationale Entwicklung und den Stand der Versorgungsforschung in Deutschland zu kommentieren, im Weiteren das Gebiet der Versorgungsforschung näher zu definieren und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zur klinischen und Public Health Forschung zu erarbeiten, sodann die aktuellen grundlagen- und anwendungsbezogenen, inhaltlichen und methodologischen Themenfelder der Versorgungsforschung zu benennen und auf Prioritäten, Kriterien und Instrumente für eine Förderung innerhalb der DFG und bei anderen Förderern hinzuweisen.

Aufbau und Inhalte

Die Stellungnahme setzt sich aus insgesamt neun Kapiteln zusammen und ist auf übersichtliche 47 Seiten publiziert. Nach Kapitel 1 Zusammenfassung und Kapitel 2 Anlass, Ziele und Adressaten wird in Kapitel 3 eine Übersicht über Stand und Geschichte der Versorgungsforschung in den USA, Großbritannien und Deutschland dargestellt. In komprimierten Absätzen erfolgt der geschichtliche Überblick für die USA und Großbritannien. Die Darstellung für Deutschland ist etwas ausführlicher und geht auch auf einzelne Förderprogramme für Versorgungsforschung unterschiedlicher Institutionen und der DFG ein.

In Kapitel 4 wird die Aktualität der Versorgungsforschung thematisiert. Aufgrund der Probleme in der Planung, Organisation und Steuerung der Gesundheitsversorgung sowie den zunehmend komplexer werdenden Bedarfen in der Gesundheitsversorgung, werden die Fragestellungen immer differenzierter und mögliche Lösungen immer notwendiger. Nach Ansicht der Autoren hat Versorgungsforschung das Potenzial, in den eher unübersichtlichen Situationen der Gesundheitsversorgung interessensneutrale Zustandsbeschreibungen, klare Analysen, verlässliche Prognosen und seriöse Beratung zu leisten. Dafür sei aber notwendig, dass Begrifflichkeiten, Konzepte, Theorien und Methoden der Versorgungsforschung weiter entwickelt werden, um eine fundierte methodologische Grundlage zu haben.

Kapitel 5 hinterfragt die Interessen der Versorgungsforschung. Deutlich wird, dass Ergebnisse von Versorgungsforschungsprojekten oftmals von den gesundheitspolitischen Entwicklungen überholt werden. Auch wird die geringe Zusammenarbeit zwischen ministeriell zugeordneten Institutionen wie dem Robert Koch Institut und wissenschaftlichen Instituten an Universitäten und Hochschulen beklagt. Die Autoren hinterfragen, wie eine interessensneutrale(re) Forschung möglich ist und wie eine evaluative Kultur im nationalen Gesundheitssystem etabliert werden kann. Sie konstatieren, dass eine unifizierende Theorie der Versorgungsforschung oder eine monistische Methodologie nicht zu erwarten ist. Forschungsprojekte der Versorgungsforschung müssen auf heterogene Theorien und Methoden rekurrieren. Vielfach werde eine medizinisch-klinische Grundlegung in den Projekten notwendig sein.

In Kapitel 6 werden Merkmale und Fokus der Versorgungsforschung im Vergleich zur klinischen und Public Health Forschung analysiert. Diese Analyse zeigt dezidiert den Fokus der Versorgungsforschung, der bspw. auf die tatsächliche gesundheitliche Versorgung einer gegebenen Bevölkerung mitsamt ihrer wesentlichen Determinanten und Effekte oder gesamte Inzidenz oder Prävalenz eines bestimmten Gesundheitsproblems oder auf komplexe Technologien bis hin zu Versorgungskonzepten, -programmen und -systemen u.v.m. gerichtet ist.

In Kapitel 7 werden die Grundtypen der Versorgungsforschung kurz und knapp in ihren Grundzügen und möglichen charakteristischen Fragestellungen vorgestellt.

Die mögliche Rolle der DFG und ihre Förderinstrumente sind Thema in Kapitel 8. Zunächst werden mögliche Forschungsfelder exemplarisch vorgestellt. Es werden bspw. die Unterschiede in der Versorgung von chronisch kranken Menschen aus unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft oder Implikationen und Folgen von zunehmend privatwirtschaftlich geführten Versorgungsstrukturen oder Folgen von Separierung unterschiedlicher Versorgungssektoren und professioneller Tätigkeitsfelder aufgelistet. Als weitere Problemfelder werden eine Begriffs- und Konzeptbildung, Theoriebildung, Prüfung und Anwendbarkeit und Nutzung von theoretischen Einsichten und empirischer Evidenz sowie Methodenforschung und -entwicklung näher ausgeführt. Auf dieser Basis entwickeln die Autoren Förderhinweise und Förderkriterien für eine wissenschaftsgetriebene Versorgungsforschung. Demnach sollen Projekte gefördert werden, die unter anderem ein interessantes und relevantes theoretisches, methodologisches und /oder auch praktisches Versorgungsproblem bearbeiten; riskante, innovative oder dringende, aber von anderen Förderern aktiv vermiedene Fragen verfolgen; das Problem multidisziplinär bearbeiten; Ergebnisse von generellem Erkenntnisgewinn generieren, ihre Durchführbarkeit aufgrund von Akteuren oder Vorarbeiten plausibel machen u.ä.

Kapitel 9 umfasst Hinweise und Empfehlungen für eine weitere akademische Entwicklung von Versorgungsforschung. Diese zielen auf Nachwuchsforscher, wissenschaftliche Arbeitsgruppen, Einrichtungen und Fakultäten an Universitäten und Hochschulen ab.

Im Anhang ist ein Glossar zu finden, das wesentliche Fachbegriffe der Versorgungsforschung und von Public Health kurz und knapp definiert und für Einsteiger in das Fach gut geeignet ist.

Diskussion

Diese Veröffentlichung ist als Stellungnahme deklariert und auch als solche zu lesen. Sie fasst kurz und komprimiert die Entwicklung, Probleme und Forschungsschwerpunkte von Versorgungsforschung zusammen und offeriert Kriterien und Hinweise für mögliche Projekte. Deutlich erkennbar ist eine eher auf die medizinische Versorgung bzw. Profession ausgerichtete Forschungskultur. Fragestellungen aus anderen Disziplinen wie Pflegewissenschaften, Rehabilitationswissenschaften oder auch aus Bereichen der Physiotherapie, Ergotherapie u.a., die sich aus Versorgungsbedarfen nichtärztlicher Gesundheitsprofessionen speisen, aber deren Erkenntnisse durchaus für die Versorgung von Menschen von Relevanz sind, aber möglicherweise andere Perspektiven auf das Geschehen werfen, werden hier allenfalls rudimentär berücksichtigt. Dies mag damit zu tun haben, dass innerhalb der DFG diese Fachdisziplinen nicht ausdrücklich berücksichtigt sind und sich eher in anderen Fachbereichen wiederfinden. Da die Stellungnahme stark auf Förderung durch die DFG fokussiert ist, überrascht diese Schwerpunktsetzung nicht und kann vor diesem Hintergrund erklärt werden. Dennoch ist diese Publikation lohnenswert, insbesondere für Interessierte, die sich der Versorgungsforschung zuwenden wollen bzw. bereits in der Versorgungsforschung tätig sind.

Fazit

Insgesamt liegt hier eine komprimierte Stellungnahme zur Versorgungsforschung in Deutschland vor, die von namhaften Vertretern der Disziplin veröffentlicht wurde. Sie ist als Übersicht über Geschichte, Probleme, Typen, Themen und Methoden von Versorgungsforschung zu empfehlen. Sie gibt Anreize und Ideen für mögliche Fragestellungen oder methodische Herangehensweisen. Gleichwohl muss angefügt werden, dass diese Publikation nicht für Interessierte als Grundlagenliteratur zu empfehlen ist. Ein fundiertes Vorwissen ist für diese Lektüre notwendig.

Rezension von
Prof. Dr. rer.medic. Martina Hasseler
Website
Mailformular

Es gibt 25 Rezensionen von Martina Hasseler.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245