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Steffen Moritz: Erfolgreich gegen Zwangsstörungen

Rezensiert von Prof. Dr. Hans-Peter Michels, 04.03.2011

Cover Steffen Moritz: Erfolgreich gegen Zwangsstörungen ISBN 978-3-642-11307-9

Steffen Moritz: Erfolgreich gegen Zwangsstörungen. Metakognitives Training - Denkfallen erkennen und entschärfen ; inkl. CD mit praktischen Übungen. Springer (Berlin) 2010. 161 Seiten. ISBN 978-3-642-11307-9. 34,95 EUR. CH: 51,00 sFr.

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Thema

Menschen, die unter Zwängen leiden, fallen in der Öffentlichkeit selten auf. Meist verbergen sie die Zwangssymptome vor anderen Menschen, weil sie sich der Sinnlosigkeit ihres Tuns bewusst sind. Sie schweigen aus Scham, denn Zwangshandlungen, wie beispielsweise zeitintensive Rituale vor Verlassen der Wohnung, wirken skurril. Mitunter lassen sich bestimmte Zwänge, insbesondere Waschzwänge, weniger gut verheimlichen, wenn die durch Waschen hervorgerufenen Hautreizungen oder -wunden für andere sichtbar sind.

Von Außenstehenden sind Zwangsgedanken dagegen kaum zu identifizieren. Sie werden selten erkannt, es sei denn, der Betroffene offenbart sich. Das geschieht allerdings oft erst nach einer langen Krankheitsgeschichte, wenn der Leidensdruck besonders hoch ist.

In der Regel versuchen die Personen, die an Zwangsstörungen leiden, ihren Alltag sowie berufliche Anforderungen so gut es geht zu meistern. Erhebliche Kraft- und Zeitaufwendungen über Jahre lassen selten Entspannung und Erholung zu, führen zu Erschöpfung und massiven Einschränkungen der Lebensqualität.

Früher ging man davon aus, dass Zwänge bzw. Zwangsstörungen nicht allzu häufig auftreten. Dies lag wohl in der Verheimlichung ihres Leidens durch die Betroffenen selbst begründet. Heute werden Zwangsstörungen von der Auftretenshäufigkeit nach Ängsten und Phobien, Depressionen sowie Schizophrenien eingeordnet.

Die Symptome bei Zwängen sind vielfältig, so dass man von einer sehr heterogenen Problematik ausgehen kann. In den letzten Jahren bemüht man sich um eine Differentialdiagnostik in Subtypen, allerdings besteht hier die Kontroverse, ob man nach Symptomen oder neuropsychologischen Prozessen unterteilen soll.

Die Unterscheidung von Zwangshandlungen und Zwangsgedanken ist dagegen unstrittig, obgleich bei fast 90% der Betroffenen beide Aspekte auftreten. Lange galten Zwänge, insbesondere die Gedanken, als schwer therapierbar. Doch in den letzten Jahren sind deutliche Fortschritte sowohl in der Forschung wie bei den Behandlungsverfahren gemacht worden.

Das vorliegende Buch ist ein Beispiel dafür, welches speziell die Denkverzerrungen in den Mittelpunkt der Therapie stellt.

Autor

Prof. Dr. Steffen Moritz leitet die Arbeitsgruppe Klinische Neuropsychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Entstehungshintergrund

Das Buch basiert auf jahrelangen klinischen Erfahrungen und Forschungen mit Patienten, die unter Zwangsstörungen leiden.

Aufbau und Inhalt

In Teil I erläutert Moritz die theoretischen Hintergründe des Trainingsprogramms zur Modifikation von Kognitionen bzw. Metakognitionen bei Zwängen.
Er orientiert sich an den Annahmen von P. M. Salkovskis und A. Wells, welche den Gedanken eine zentrale Funktion bei der Zwangsstörung zuweisen. Nach deren Überzeugung sind es nicht so sehr die Inhalte der Gedanken, die den Zwang aufrecht erhalten, sondern Bewertungsvorgänge, also Gedanken über Gedanken (sogenannte „Metakognitionen“): Die betroffenen Personen könnten sich von bestimmten Gedanken einfach nicht freimachen, weil sie diese mit einer besonderen Bedeutung versehen würden (Denkverzerrungen). Meist führe dies zu Unruhe und Erregung, verbunden mit Ängsten, Schuldgefühlen o.ä., die wiederum dazu führten, dass sich weitere Gedanken aufdrängen würden. Mit „Gegengedanken“ würden sie versuchen die unangenehmen Zustände zu unterbinden, was zur Erleichterung führen würde, die jedoch nur kurzzeitig anhalte. Diese Mechanismen seien deshalb so veränderungsresistent, weil die Angstreduktion, sei sie auch nur vorübergehend, immer wieder angestrebt würde (im Fachjargon mit „negativer Verstärkung“ bezeichnet).
Man kann sich vorstellen, dass eine Art „Teufelskreis“ entsteht, dem die Betroffenen oft ohne Hilfe nicht entkommen können.
Die belastenden Kognitionen der Menschen mit Zwangsstörungen, die immer wiederkehrenden bzw. sich aufdrängenden Gedanken, Vorstellungen oder Bilder, müssen daher in einer Behandlung von Zwangsstörungen unbedingt beachtet werden.

In Teil II „Häufige Denkverzerrungen bei Zwang“ werden 14 Trainingseinheiten ausführlich und nachvollziehbar dargestellt. Mit den Übungen soll eine Veränderung der „Denkverzerrungen“, erreicht werden. So sollen Verzerrungen wie z.B.

  • „Schlimme Gedanken führen zu schlimmen Taten“,
  • „Die Welt ist gefährlich“,
  • „Man muss alles ganz genau wissen“,
  • „Ich bin für alles und jeden verantwortlich“,
  • „Grübeln hilft Probleme lösen“ oder
  • „Ich kann und bin nichts“,

vom Patienten – in Eigenregie oder mit Unterstützung eines Therapeuten – überprüft und revidiert werden. Hierzu werden Übungen vorgeschlagen, die dazu führen sollen, dass die Patienten sich von ihren intrusiven Kognitionen distanzieren können, zu angenehmeren Gedanken kommen oder sich konstruktive Kognitionen erarbeiten.

Zielgruppe

Betroffene, Angehörige, Psychotherapeuten und Berater.

Fazit

Moritz legt die Grundlagen des metakognitiven Trainings gegen Zwangsstörungen leicht verständlich dar. Für Betroffene und professionelle Praktiker hat dieses systematisch aufgebaute Programm einen hohen Gebrauchswert.

Rezension von
Prof. Dr. Hans-Peter Michels
Dipl.-Psychol.

Es gibt 40 Rezensionen von Hans-Peter Michels.

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Zitiervorschlag
Hans-Peter Michels. Rezension vom 04.03.2011 zu: Steffen Moritz: Erfolgreich gegen Zwangsstörungen. Metakognitives Training - Denkfallen erkennen und entschärfen ; inkl. CD mit praktischen Übungen. Springer (Berlin) 2010. ISBN 978-3-642-11307-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10891.php, Datum des Zugriffs 14.01.2025.


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