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Ralph Schlieper-Damrich (Hrsg.): Wertecoaching in Krisen

Rezensiert von Dr. Thomas Kailer, 03.06.2011

Cover Ralph  Schlieper-Damrich (Hrsg.): Wertecoaching in Krisen ISBN 978-3-941965-14-0

Ralph Schlieper-Damrich (Hrsg.): Wertecoaching in Krisen. Aus erschütternden Situationen sinnvoll aufbrechen. managerSeminare Verlags GmbH (Bonn) 2011. 368 Seiten. ISBN 978-3-941965-14-0. 49,90 EUR.
Reihe: Praxishandbuch Coaching.

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Thema

Theoretische Grundlage des Buches ist die Logotherapie von Viktor Frankl. Sie wird vom Autorenteam in Richtung Coaching in Krisen konsequent weiterentwickelt. Die Umsetzung der Theorie wird in konkreten anonymisierten Coachinganliegen von den Autoren (Coaches) angewendet.

Autoren

Der Autor ist nach eigenen Angaben Pionier im Markt niveauvoller Individual-Ausbildungen zum Werte- und Sinn-Coach, Business-Coach, Mentor, Unternehmenskulturberater, Systemischen Personalentwickler. Außerdem bietet er Coaching für die ersten drei Führungsebenen an. Die anderen Autoren stammen alle aus dem Netzwerk CoachPro® und haben ebenfalls umfangreiche Erfahrungen im Coaching, wie aus den Autorenprofilen hervorgeht.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in einen theoretischen und in einen praktischen anwendungsorientierten Teil. Theoretische Grundlage ist die Logotherapie von Viktor Frankl. Sie wird im Vergleich zur ersten Veröffentlichung „Wertecoaching“ fortgeschrieben und mit dem Focus Wertecoaching in Krisen weiterentwickelt. Die Coachingfälle (Ausgangslage, Methodeneinsatz und Wirkweise) im Praxisteil greifen krisenhafte Situationen bei den Klienten auf und der Leser kann die Anwendung im Coaching nachvollziehen. Das Buch besteht aus den vier folgenden Kapiteln:

Kapitel 1: Wille zum Sinn. Die Zwischenüberschriften sind: Sinntheorie, Existenzanalyse und Logotherapie, Sinn, Coaching und Sinnfindung, Krise, Coaching bei Krisen.

Kapitel 2: Diagnostik und Methoden. Die Zwischenüberschriften sind: Sinnzentrierte Biografie, Business Enneagramm, Sinnkalender LebensWerte-Karten, Therapiebegleitende Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnostik.

Kapitel 3: Mut zum Geist. Die Zwischenüberschriften sind: Geist, Geistige Dimension des Menschen, 10 + 1 These zum Transfer logotherapeutischen Gedankenguts ins Wertecoaching bei Krisen, Merkmale des Geistmutes, Logopsychie.

Kapitel 4: Wertecoaching in der Praxis . Hier stellen insgesamt sechs Coaches ihre Arbeit im Coaching vor. Besprochen werden sieben Fallbeispiele.

Die Autoren merken zu Beginn an, dass sie die Vorstellung der Logotherapie auf die wichtigsten Aspekte konzentrieren, und auch bei der Darstellung des grundlegenden Konzeptes des Wertecoachings fassen sie sich kurz. Sie verweisen auf ihre erste Veröffentlichung „Wertecoaching“ und die ausführlichen Erläuterungen dort.

Kapitel 1: Wille zum Sinn

Die wichtigsten theoretischen Aspekte der Sinntheorie und der Logotherapie werden dargestellt. Dabei werden die zentralen Begriffe Freiheit, Verantwortung und Existenz erläutert.

Dann liegt der Schwerpunkt auf dem Prozess der Sinnfindung und seiner Bedeutung im Kontext von Coaching und Krisen. Beim Prozess der Sinnfindung entwickeln die Autoren das Modell der Sinnbrücke zur Selbst- oder Sinnverwirklichung aus dem ersten Buch weiter. Die Weiterung des Prozessmodells bestehe darin, dass der Klient, der durch einen situationsspezifischen Aspekt aus einem Teil der tragischen Berufstrias Verlust, Verfehlung oder Trennung in einen Zustand des Krisenempfindens gekommen ist und als sinnstrebiges Wesen […] über die Prozessschritte der Selbsterkenntnis und Selbstdistanzierung […] durch den Wertecoach begleitet wird, den Gang über die Sinnbrücke, der in den Zustand der Sinnfindung münde, beginne. Dieser Zustand führe zur individuellen Sinnverwirklichung, deren Wirkung als Empfinden von Erfüllung, Freude oder Glück berichtet werde.

Danach werden unterschiedliche Krisenmodelle ausführlich dargestellt und ihr Nutzen für das Coaching erläutert. Die Autoren arbeiten auf dieser Grundlage eine für das Coaching nützliche Krisendefinition heraus. Später in den Fallbeschreibungen wird z.T. darauf Bezug genommen, so dass sich für den Leser auch die Anwendung der Modelle erschließt.

Kapitel 2: Diagnostik und Methoden

In Kapitel zwei werden Diagnostik- und Methodentools vorgestellt, die bei den Prozessschritten Selbsterkenntnis und Selbstdistanzierung hilfreich sind. Darüber hinaus sind diese Tools für Coaches auch nutzbar, um mehr Sicherheit, bezogen auf den Grad der psychischen Belastung und der vorhandenen Selbstregulationskräfte, bei ihren Klienten zu erlangen. Dies macht es leichter einzuschätzen, ob eventuell ein therapeutisches Setting für die Begleitung gewählt werden muss. Zu den Tools gehören im Einzelnen: die Sinnzentrierte Biografie, das Business Enneagramm, der Sinnkalender, die LebensWerte-Karten und die Therapiebegleitende Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnose. Alle Methoden werden in ihren Grundzügen beschrieben und auf ihre Bedeutung im Kontext Wertecoaching in Krisen hin überprüft. Sie lassen sich zum Teil mit den Erläuterungen im Coaching anwenden. Andere Methoden wie die Therapiebegleitende Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnose benötigen eine eigene Qualifizierung.

Im ersten Buch zum Thema Wertecoaching finden sich die logotherapeutischen Basismethoden wie Dereflexion, Einstellungsmodulation, Sokratischer Dialog und Paradoxe Intention. In den Praxisbeispielen werden auch diese Methoden zum Teil aufgegriffen.

Kapitel 3: Mut zum Geist

In diesem Kapitel werden die Dimensionen des Menschenbildes von Viktor Frankl um die Begriffe Geist und Bewusstheit erweitert. Damit vervollständigen die Autoren den theoretischen Teil und runden ihn sinnvoll ab. Es wird deutlich, dass der Mensch mit seinem freien Willen zum Sinn und seinen Mut zum Geist in der Lage ist, Sinn zu finden. So vermitteln die Autoren die Haltung, dass die Bewältigung von Krisen unter der Bezugnahme auf das Geistige gelingt und Menschen – manchmal mit Unterstützung, da der Zugang zur geistigen Dimension in schweren Lebenssituationen erschwert ist – diese Kraft in sich aktivieren können.

Darüber hinaus werden das Graves-Value-System von Clare W. Graves und die Weiterentwicklung das Modell der Spiral Dynamics von Don Beck vorgestellt und die Bedeutung für das Wertecoaching in Krisen diskutiert.

Der Übergang von der Theorie in die Praxis wird dann durch elf Thesen zum Transfer logotherapeutischen Gedankenguts ins Wertecoaching bei Krisen eingeleitet. Sie stellen eine Weiterentwicklung der Thesen aus dem ersten Buch zum Wertecoaching dar. Die Thesen bieten einen guten Orientierungsrahmen, worauf es im Wertecoaching bei Krisen ankommt.

Zum Schluss des Kapitels wird der Begriff Logopsychie eingeführt. Hiermit soll der Mensch darin unterstützt werden, seine geistige Dimension zu nutzen, um Sinn zu finden. Dies verbessert nach Frankl den individuellen Zustands auf der psychischen Ebene. Der Logos wirkt auf die Psyche. Diesen Prozess nennen die Autoren Logopsychie.

Kapitel 4: Wertecoaching in der Praxis

Hier stellen insgesamt sechs Coaches ihre Arbeit im Coaching vor. Besprochen werden sieben Fallbeispiele. Die beschriebenen Interventionen in den Coachings sind sehr gut nachvollziehbar und ermöglichen es dem Leser, die Prozesse gut zu antizipieren und in die eigene Coachingpraxis zu übertragen. Die Autoren haben die Praxisbeispiele durch einen Spannungsbogen gegliedert, steigt doch vom ersten bis zum letzten Fall die „Krisenhaftigkeit“. In der Beschreibung der folgenden Praxisfälle bleibe ich in der Rezension eng an den im Buch dargestellten Inhalten:

Bertram Kasper arbeitet mit einem Geschäftsführer und einer Internatsleiterin aus Norddeutschland. Als Leitungsverantwortliche werden sie von der Verweigerung eines wichtigen Kooperationspartners eingeholt und müssen sich mit der familiären Dynamik der Gründerfamilie auseinandersetzen, um handlungsfähig zu bleiben. Dabei kommen beide an den Rand einer Krise und müssen einschneidende Entscheidungen in Betracht ziehen.

Gunda Seitz begleitet eine Klientin, die nach einem Karrieresprung in tiefe Zweifel und Selbstverzweifel verfällt. In einem Sinnfindungsprozess erschließt sich dabei neue Werte, die gänzlich andere Haltungen und Handlungen für ihre Bemühungen um ‚Wiedergutmachung‘ zur Folge haben.

Alexander Rehm arbeitet mit seinem Klienten, der sich beruflich und privat vollkommen überfordert fühlt, sich unaufhaltsam Richtung Burnout bewegt und in dieser Krise glaubt, sich verändern zu müssen. Erst die Erkenntnis, dass er so bleiben kann, wie er ist – nur besser –, ermöglicht dem Klienten über einen strukturierten Selbstwachstumsprozess in eine ‚sinnvolle‘ Handlung zu kommen.

Der Klient, mit dem Alexandra Brinkama arbeitet, erlebt nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes Leere, Orientierungslosigkeit und Verlust von Selbstwert. Er macht sich auf die Suche nach Klarheit und Sinn für seine nächsten beruflichen Schritte. Seine Selbstbesinnung führt ihn zu neuen Ressourcen – Bewusstsein, Haltungen und Handlungsmöglichkeiten.

Dem beruflichen Aufstieg auf die ersehnte Top-Management-Position folgt unmittelbar der Zusammenbruch des Familiensystems mit einer neuen Partnerschaft beim Klienten von Ralph Schlieper-Damrich. Die Reise des Klienten nach dem Sinn wird beschrieben.

Um Tod und Leben geht es ganz wörtlich für die Klientin, mit der Volker Jacob in Wien gearbeitet hat. Die Diagnose lautet: ‚Bösartiger Krebs!‘ Und die Folge: ‚Lebenszeit begrenzt!‘ In einem ‚kunst-vollen‘ Prozess der Würdigung bisherigen Lebens sowie der Entdeckung von neuen Wert- und Sinn-Möglichkeiten, von Ressourcen und Religion eröffnen sich der Klientin stimmige berufliche und private Lebens-Perspektiven – auch im Angesicht des Todes.

Mit dem Fall von Harald Bromitz werden die Praxisbeiträge mit einer Besonderheit abgeschlossen. Anders als in allen anderen Coachings beschreiben hier Alexander Rehm und Ralph Schlieper-Damrich, wie ein Klient in einem nur vierstündigen Setting eines ‚zufälligen‘ Tandemcoachings lernt, eine massive Ad-hoc-Krise handzuhaben.

Diskussion

Aus meiner Sicht ein wichtiges Buch zur rechten Zeit, gewinnen doch die psychosozialen Krisen auch in Unternehmen an Bedeutung und stellen bei Nichtbeachtung einen immensen wirtschaftlichen Schaden dar, wie einige jüngere Untersuchungen zeigen. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, wie Unternehmen und auch der Einzelne mit einer möglichen Krise umgehen. Die Sinnfindung spielt in diesem Kontext eine wesentliche Rolle, wie im Buch auf eindrückliche Weise deutlich wird. Das Bild der Sinnbrücke bleibt mir als Leser besonders im Gedächtnis.

Die Theorie ist fundiert aufbereitet und stellt eine echte Vertiefung der Materie im Vergleich zum ersten Buch dar. Es ist aus meiner Sicht deshalb eine echte Neuauflage. Auch der Teil über das Thema Krisen ist eine gute Zusammenstellung aller gängigen Theoriemodelle und die Anwendung ins Coaching ist sowohl für Personalabteilungen als auch für Coaches von Bedeutung.

Die geschilderten Praxisfälle im Buch machen deutlich, das Coaching ein adäquates Mittel für die Auseinandersetzung mit Krisen darstellt und eine echte Hilfe zur Selbsthilfe sein kann. Die Beispiele machen Mut, sich auf die eigene Sinnfindung zu begeben bzw. diesen Aspekt im Coaching deutlicher in den Fokus zu stellen.

Das Buch wird durch eine Internetseite (www.wertecoaching.biz) unterstützt, wo die Leserin und der Leser dort die Möglichkeit hat, weitere nützliche Hinweise bzw. Vertiefungen abzurufen.

Fazit

Das Buch ist eine konsequente Fortschreibung des ersten Buches „Wertecoaching“. Dies trifft sowohl auf die Vertiefung der Theorie, als auch auf die Praxisteile zu. Das Thema Krisen wird intensiv fokussiert und es werden vielfältige Wege für den Umgang und die Bearbeitung im Coaching aufgezeigt. Neben dem Ansatz von Frankl gibt es viele nützliche Querverweise, so dass der Leser ein reichhaltiges Angebot bekommt.

Durch das gesamte Buch kommt die positive Haltung der Autoren im franklischen Sinn gegenüber ihren Coachees zum Ausdruck. In allen Praxisbeispielen, ist ein offenes und nachvollziehbares Vorgehen zu erkennen, so dass auch erfahrene Coaches sicher davon profitieren können.

Darüber hinaus wünsche ich dem Buch auch viele Leser aus dem Managementbereich. Ich denke, es ist von Bedeutung, dass sich auch Führungskräfte mit dem Thema Wertecoaching in Krisen auseinandersetzen. Dies hilft ihnen sicher, ihre Mitarbeitenden und sich selbst besser zu verstehen und mit krisenhaften Situationen umzugehen.

Rezension von
Dr. Thomas Kailer
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Es gibt 1 Rezension von Thomas Kailer.

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Zitiervorschlag
Thomas Kailer. Rezension vom 03.06.2011 zu: Ralph Schlieper-Damrich (Hrsg.): Wertecoaching in Krisen. Aus erschütternden Situationen sinnvoll aufbrechen. managerSeminare Verlags GmbH (Bonn) 2011. ISBN 978-3-941965-14-0. Reihe: Praxishandbuch Coaching. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10895.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


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