Paul Bélanger: Theories in Adult Learning and Education
Rezensiert von Prof. Dr. Patricia Arnold, 22.06.2011

Paul Bélanger: Theories in Adult Learning and Education.
Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2011.
100 Seiten.
ISBN 978-3-86649-362-9.
D: 12,90 EUR,
A: 13,30 EUR,
CH: 19,90 sFr.
Reihe: Study Guides in Adult Education - 2.
Thema
Wie lernen Erwachsene und wer nimmt an Erwachsenenbildung und Weiterbildung teil? Diese beiden Fragen stehen im Mittelpunkt des Studientextes, den der kanadische Erziehungswissenschaftler und Bildungssoziologe Paul Bélanger verfasst hat. Beide Fragen sind für die Profession der Erwachsenenbildung, aber auch für Studium und wissenschaftliche Forschung zu Erwachsenenbildung im Kontext des lebenslangen Lernens von zunehmender Bedeutung.
Autor und Entstehungshintergrund
Prof. Paul Bélanger ist Direktor des Interdisziplinären Forschungszentrums zu Lebenslangem Lernen an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Université du Quèbec à Montréal (UQAM) in Kanada. Paul Bélanger ist ein ausgewiesener Wissenschaftler im Bereich des Erwachsenenlernens und der Weiterbildung, mit zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, leitenden Forschungspositionen und aktiver Gremien- bzw. Verbandsarbeit in diesem Bereich.
So ist Paul Bélanger seit dem Jahr 2000 Präsident des International Council for Adult Education (ICAE). Über elf Jahre, von 1989-2000 war er Direktor des UNESCO Instituts für Lebenslanges Lernen in Hamburg (damals noch UNESCO Institut für Pädagogik). Der rezensierte Studientext ist entstanden, als er 2008 eine Gastprofessur an der Universität Duisburg-Essen im Rahmen des Studienprogramms „Europäischer Master in Erwachsenenbildung“ inne hatte.
Aufbau und Inhalt
Der kompakte, aber aufgelockert formatierte Studientext umfasst ca. 100 Seiten, inkl. Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Stichwortverzeichnis sowie Übungen und Studienaufgaben zu jedem Kapitel. Der Text mit insgesamt zehn Kapiteln ist in zwei voneinander klar getrennte Teile gegliedert:
- Teil 1: Theorien zum Lernen Erwachsener (Kap. 2-5)
- Teil 2: Theorien zur Weiterbildungsbeteiligung Erwachsener Kap.( 6-9)
Im ersten Kapitel werden die beiden Teile bzw. die beiden zentralen Fragestellungen des Studientextes („Wie lernen Erwachsene?“ und „Wer nimmt an Weiterbildungen teil?“) kurz vorgestellt und der Aufbau des Buches erläutert.
Das zweite Kapitel führt in das Thema des ersten Hauptteils, Erklärungsansätze zum Lernen Erwachsener, ein und stellt die nachfolgend behandelten Ansätze zur theoretischen Modellierung von Lernprozessen im Überblick dar (in Textform sowie grafisch).
Das dritte Kapitel charakterisiert die drei klassischen Lerntheorien in ihren wesentlichen Grundzügen. Dabei handelt es sich um
- die behavioristische Lerntheorie (u.a. Skinner),
- die kognitivistische Lerntheorie (u.a. Bruner),
- sowie die konstruktivistische Lerntheorie (u.a. Wygotsky etc.).
Im vierten Kapitel werden theoretische Ansätze präsentiert, die speziell das Lernen Erwachsener in den Mittelpunkt stellen bzw. in diesem Kontext entwickelt wurden. Hier werden präsentiert:
- die humanistische Lerntheorie (u.a. Rogers),
- das Erfahrungslernen (u.a. Kolb)
- sowie das transformatives Lernen (u.a. Mezirow)
Die Vorstellung der theoretischen Ansätze erfolgt dabei immer nach einem ähnlichen Schema: es werden die Grundzüge mit den Schlüsselkonzepten der Ansätze auf 3-4 Seiten kurz beschrieben und erläutert. Dabei wird immer auch auf Originalpassagenen der jeweiligen Autoren zurückgegriffen und versucht, die Ansätze durch tabellarische Übersichten, Auflistungen der Kernbegriffe sowie schematische Abbildungen für die Lesenden zu erschließen.
Zu jedem Ansatz gibt es darüber hinaus Übungen und Studienaufgaben. Die Übungen sind Fragen, die die eigenständige Auseinandersetzung mit den Inhalten anregen sollen. Die Studienaufgaben dienen dem gleichen Zweck, verweisen aber immer auf Zusatztexte und setzen die Bearbeitung dieser Texte voraus.
Im fünften Kapitel werden alle skizzierten Ansätze im Zusammenhang diskutiert und in einer tabellarischen Übersicht abschließend verglichen.
Der zweite Hauptteil ist analog aufgebaut. Im sechsten Kapitel wird in die Fragen der Weiterbildungsbeteiligung kurz eingeführt, wobei auch auf die Bedeutung informellen Lernens hingewiesen wird, auch wenn es wesentlich schwieriger statistisch zu erfassen ist. Angestrebt wird mit dem zweiten Hauptteil eine Übersicht über die derzeitige Weiterbildungsbeteiligung im internationalen Vergleich sowie über die theoretischen Ansätze, die wichtige Einflussfaktoren auf die Teilnahme (bzw. Nicht-Teilnahme) erläutern.
Das siebte Kapitel skizziert entsprechend zunächst einmal die empirische Datenlage zur Nutzung von Weiterbildung im internationalen Vergleich. Herangezogen werden u.a. Daten des Internationalen Adult Literacy Surveys (1994-1998 / 2003), des Adult Education Surveys von Eurostats (2009) sowie für die Daten zu Deutschland die TNS Infratest Studie 2008. Betrachtet werden die Weterbildungsquoten insgesamt im Ländervergleich, aber auch die Zusammenhänge von Weiterbildungsbeteiligung und Faktoren wie Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, erster Bildungsabschluss etc.
Zusammenhänge, die hier sichtbar werden, werden im achten Kapitel diskutiert und verschiedene Erklärungsansätze vorgestellt. Hervorzuheben ist dabei, dass mit biographischen Ansätzen (z.B. Konzept der „Biographizität“) auch Erklärungsansätze einbezogen werden, die ggf. in der Lage sind, die zunehmende Zahl der Fälle „atypischer Weiterbildungsteilnahme“ zu erklären. Kapitel sieben und acht stellen ebenso wie die Kapitel zu den Lerntheorien jeweils Übungen und Studienaufgaben zur Vertiefung bereit
Das neunte Kapitel fasst die konstatierten Ungleichheiten in der Weiterbildungsteilname sowie die theoretischen Erklärungsansätze noch einmal kurz zusammen. Im abschließenden zehnten Kapitel werden die beiden Hauptstränge des Buches, relevante Lerntheorien für die Erwachsenenbildung und der analytisch-vergleichende Blick auf die Weiterbildungsteilnahme Erwachsener zusammen geführt und die zentralen Ergebnisse resümiert.
Diskussion
Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen des kleinen Bandes? Für wen ist der Studientext geeignet, in welchem Kontext lässt er sich einsetzen? Diese Fragen sollen die nachfolgende Bewertung strukturieren:
Klare Stärke des Studientextes ist es, in kompakter Form eine gute Einführung in zwei zentrale Fragestellungen in der Erwachsenenbildung zu geben. Mit Hilfe des Textes kann man sich einen Überblick über wesentliche Lerntheorien verschaffen und sich wichtige Grundkenntnisse über die zentralen Disparitäten in der Weiterbildungsbeteiligung sowie über die zugehörigen Erklärungsmodelle aneignen. Als weitere Stärke ist hervorzuheben, dass neben der Präsentation wichtiger soziodemographischer Einflussfaktoren durch den internationalen Vergleich zugleich herausgearbeitet wird, dass diese keine deterministische Wirkung haben, sondern dass Weiterbildungsbeteiligung in einem komplexen Wirkungsgefüge entsteht: Institutionelle und bildungspolitische Rahmenbedingungen beeinflussen die Beteiligung ebenso wie individuelle, biographische Erfahrungen.
Der Text ist gut strukturiert, zugänglich geschrieben (entsprechende Englischkenntnisse vorausgesetzt!) und bietet mit seinem klaren Aufbau, den zahlreichen Zusammenfassungen sowie den Übungs- und Studienaufgaben mit Verweis auf Zusatzliteratur darüber hinaus viele Erschließungshilfen.
Als wesentliches Manko des Textes ist der fehlende Bezug zum deutschsprachigen Erwachsenenbildungs-Diskurs zu nennen, der auch die Einsatzmöglichkeiten für den Studientext limitiert. Der Text basiert überwiegend auf englischsprachiger Literatur sowie einigen französisch- sprachigen Quellen. Er stellt keinerlei Anschluss zu deutschsprachigen Wissenschaftlern im Bereich der Erwachsenenbildung wie Arnold, Siebert, Faulstich etc. her. Auch die subjektwissenschaftliche Lerntheorie von Holzkamp, die stark in der Erwachsenenbildung in Deutschland rezipiert wurde, findet keine Erwähnung. Damit eignet sich der Text gut als zusätzliche Literatur in einem Seminar zum Lernen Erwachsener und trägt hier insbesondere zur Internationalisierung der Lehre bei. Um als Grundlagentext für Studierende in Deutschland zu fungieren, fehlt aus meiner Sicht die Verbindung zum aktuellen deutschsprachigen Diskurs. Formal weist der Text einige Schwächen auf: das Manuskript hätte sorgfältiger Korrektur gelesen werden müssen und das Layout ist nicht immer ganz konsistent.
Fazit
Der kompakte Studientext zu Theorien der Erwachsenenbildung von Paul Bélanger, langjährigem Direktor des UNESCO Instituts für lebenslanges Lernen, gibt einen guten Überblick über theoretische Erklärungsmodelle zum Lernen Erwachsener und zu ihrer Beteiligung an Weiterbildungsangeboten aus internationaler Perspektive. Mit seiner klaren Struktur und zahlreichen Übungs- und Studienaufgaben bietet er sich als Zusatztext in Seminaren zur Erwachsenenbildung an, um in den internationalen Diskurs einzuführen. Für einen Grundlagentext an einer deutschen Hochschule fehlt allerdings der Anschluss an den deutschsprachigen Diskurs.
Rezension von
Prof. Dr. Patricia Arnold
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften | Hochschule München. Lehrgebiet Sozialinformatik, E-Learning, Erwachsenenbildung
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Website
Es gibt 4 Rezensionen von Patricia Arnold.
Zitiervorschlag
Patricia Arnold. Rezension vom 22.06.2011 zu:
Paul Bélanger: Theories in Adult Learning and Education. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2011.
ISBN 978-3-86649-362-9.
Reihe: Study Guides in Adult Education - 2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10903.php, Datum des Zugriffs 20.03.2023.
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