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Manfred Günther: Wörterbuch Jugend - Alter

Rezensiert von Dorothea Dohms, 15.04.2011

Cover Manfred Günther: Wörterbuch Jugend - Alter ISBN 978-3-935607-39-1

Manfred Günther: Wörterbuch Jugend - Alter. Vom Abba zur Zygote. RabenStück Verlag (Berlin) 2010. 127 Seiten. ISBN 978-3-935607-39-1. 8,90 EUR. CH: 12,76 sFr.
Mit Karikaturen von Klaus Stuttman, einem Vor- von Austrofred und einem Nachwort von Ernst Volland.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

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Autor

Geboren im Ruhrgebiet.
1959-1968: Städtisches Jungen-Gymnasium Witten. Abitur.
1968-1970: Studium der Psychologie, Publizistik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.
1970-1974: Studium der Philosophie, Psychologie, Politologie und Soziologie an der FU Berlin. Diplom in Psychologie.
1974-1977: Studium Lehramt (Arbeitslehre / Wirtschaft) an der PH Berlin. Staatsexamen.
Weiterbildung in Psychosozialer Versorgung, Mediation und Notfallpsychologie.
1974-1976: Tutor für Grundschuldidaktik.
1977-1980: Heimschulpsychologie in einem heilpädagogischen Kinderheim des Diakonischen Werks.
1981-1999: Psychologe im Bezirksamt Berlin-Wilmersdorf. Jugendberatungsstelle „Joker“.
2000-2002: Jugendarbeit im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Abt. Jugend, Familie, Schule und Sport.
2003-2006: Mitarbeiter im Deutschen Forum für Kriminalprävention, Bonn/Berlin.
Seit 2007: Schulpsychologe in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin, Team Gewaltprävention.

Weitere Informationen zum Autor und zu seinem Cartoonisten unter:

www.mg-joker.de/mediapool sowie www.stuttmann-karikaturen.de/karikatur.php

Veröffentlichungen (im Buchhandel vergriffen)
Jugendliche im Berliner Psychodschungel. Berlin 1987.
Rechte junger Menschen. Berlin 1997.
Fast alles, was Jugendlichen Recht ist. Berlin 2003.

Vorbemerkung

Der 60jährige Autor, nach eigenem Bekunden eher kein „Spezialist für Jugendkulturen“, verweist in seinem Vorwort auf die natürliche Altersvergesslichkeit. Da sei, trotz Diktafon und Google, einem kleinen Wörterbuch, kaum größer als ein Taschenkalender und daher in der Westentasche unterzubringen, der Sinn nicht abzusprechen. Der Ursprung des hier vorliegenden Lexikons lag in einem nur sechs Seiten umfassenden Stichwortverzeichnis im Anhang der vor 13 Jahren erschienenen Broschüre „Rechte junger Menschen“. Bereits dort waren die Hinweise auf die, einzelne Altersgruppen betreffenden, Gesetze gepaart mit Begriffen aus der Jugendkulturszene, mit Wortspaltereien und Sarkasmen. 6 Jahre später erschien dann das Buch „Fast alles, was Jugendlichen Recht ist“. Auch dieser Titel enthielt ein kleines „Lebensalter-Lexikon“ mit diesmal 333 „lustig-ernsten“ Einträgen, deren kontinuierlicher Ausbau in den folgenden Jahren sich schließlich zu einem eigenständigen Wörterbuch mit „700 (Di)Lemmata“ auswuchs und vom Autor empfohlen wird zur vergnüglichen Lektüre allen alten und jungen „Geburtstagskindern…, Erzieher/innen, Sozialpädagog/inn/en, Eltern, Lehrkräften…, Comedy- und Kabarettbegeisterten“.

Da es nicht ganz einfach ist, einem Wörterbuch eine inhaltliche Zusammenfassung abzuringen, hier also stattdessen einige

Ausgewählte Inhalte

Altersgruppen. Bei „Akzeleration“ wundert sich der Autor über die Diskrepanz zwischen früherem Heranwachsen und immer später eintretendem Erwachsenwerden. Hingegen ist die „Midlife Crisis“, von 1974 bis 1989 ein häufig behandeltes Thema, inzwischen eher zu vernachlässigen: „Wir haben einfach andere Probleme“. Die „Alt-68er“ stellen in einigen Bundesländern das halbe Lehrerkollegium. Und das „Alter“ erhält – neben einer nicht so ernst gemeinten („Kumpel“ im Sinne von „Alldehr“) – gleich vier ernsthafte Erklärungen, dem Eingangsbegriff „Abba“ nicht unähnlich. Ein „Best Ager, eigentlich 50 +, kann auch danach noch gut aussehen. Und landet in den USA schließlich doch in „God‘s waiting room“ („Gegenden, z. B. in Florida, mit großem Rentneranteil“), um dort vielleicht über die „Lost Generation„(von allen Epochen beklagte „Jugend von heute“, die „zu nichts zu gebrauchen ist“) zu sinnieren. Hierhin passen auch die Begriffe „Rentner-Bravo“ für „Apotheken-Umschau“, „Sarghüpfer“ („unter englischen Ärzten verbreitete Bezeichnung für alte kranke Menschen“) und der „Sechsbeiner“ („Mensch-Rollator-Einheit“). Die „Grauen“ – gemeint sind die Panther – und ihre „ideelle Gesamtrentnerin Trude Unruh“ kommen hier gar nicht gut weg. Hingegen zeigt uns die „Großmutter-Hypothese“, dass in Haushalten mit Omas (und Opas) in der Nähe die Geburtenrate von Kindern bzw. Enkeln steigt, während sie fällt, je weiter weg Oma und/oder Opa wohnen.

Der Buchstabe „J“ – Jugend und Berlinerisches. Prozentual entschieden umfangreicher als etwa in herkömmlichen Wörterbüchern sind die Eintragungen unter dem Buchstaben „J“, denn hier tummeln sich nicht nur die „Jugend“ mit ihren Komposita, sondern auch eine stattliche Anzahl von bekannten Berliner J-Wörtern.
Er könne, so der Autor, „etwa 90 zusammengesetzte Hauptwörter… im Kontext Jugend… definieren, belasse es aber bei“, in seinen Augen wichtigen, „14 Wörtern“. Wie etwa „Jugendberufshilfe“, „Jugend(gerichts)hilfe“, „jugendnetz-berlin“, Jugendstraße“ (Rütlistraße, Neukölln), „JUMZ“ („Jugend mit Zukunft“, ein Finanzierungsprogramm des Berliner Jugendministeriums) Aber auch „Jugendbewegung“, „Jugendkultur“, „Jugendstil“ und „Jugendweihe“, „Mobile Jugendarbeit“ (aufsuchend, hinausreichend, Street Work).
Von den markanten Begriffen Berliner Ursprungs seien genannt die „Jummipuppe“ („adipöser Teenager“), der „Jemietsmensch“ („krasser Egoist“), die „Jewitterzieje“ („zänkische Frau“) und der Satz „Jroßmutta is die Älteste, also jut“ als Schlusspunkt eines Disputs, vergleichbar dem Lateinischen „Roma locuta, causa finita“. Im weiteren Alphabet finden sich noch der „Fannkuchen mit Beene“ (kleiner Dicker, XXL“), das „Hallelujameechen“ („weibliche Angehörige der Heilsarmee“), das „Heemeken“ („von Heimchen, also kleine Dünne“), „Olleken“ (hier übersetzt mit „liebe Frau“), „Pachulke“ („ungehobelter Mensch“), die „Schlotterlotte“ („eine reiche Freundin“), die „Strunze“ („Frauenzimmer“) und der „Steppke“ („ein kleiner Junge“).
Noch einmal zurück zur Jugend und Jugendszene. Hier finden sich Erklärungen zu den Begriffen „Chiller“ („gutaussehender Junge“), „Dating“ (Verabredungen, „ein Muss ab etwa 13“), „Elfen Couture“ („teure Mode für den Nachwuchs“) und „Forever 21“ („Mode für junge Frauen“). Das „Girlie“ („Backfisch“) darf ebenso wenig fehlen wie „Gruftie“ (u. a. als Bezeichnung für „gruftnahe über 30-Jährige“). „Ipschig“ bedeutet „klein“ und eine „Ische“, eigentlich jiddisch für „Gattin“, steht hier, leicht abwertend, für „Frau/Freundin“, während hingegen das „Männeken“ manchmal noch für „Burschen“ oder „Männer“ in Gebrauch ist.

Kinder. Wo soviel Jugend ist, da dürfen auch die Kinder mit ihren Komposita nicht fehlen. Sachlich geht es zu bei den Erläuterungen etwa zu „Kinderbeauftragte“, „Kindergeld“, „Kinder in Not e. V.“, „Kinderschutz“, „Kinder- und Jugendplan des Bundes“, „Kinderuniversität“, „Kinderwelten“ (ein Qualifizierungsprojekt der Berliner FU für Kita- und Grundschulpersonal) und „Kindesrecht“. Nicht ganz so ernst zu nehmen sind z. B. der Eintrag zur „Kinderbadewanne“ („Ob die Krise eine Kinderbadewanne ist, wissen wir nicht“, so die Kanzlerin 2009, eine Zeit-Konjunktur-Grafikkurve beschreibend), der Spruch „Kinder haften für ihre Eltern“ (gemeint ist die tatsächliche Haftung und die Anspielung auf ein Baustellenschild), die gemütliche Berliner Anrede „Kinnerkes“, der „Kinderteller“ (im Restaurant ein zusätzlicher leerer Teller, manchmal kostenlos, oftmals mit 2 Euro berechnet) oder der bekannte „Kindskopf“ („älterer Mensch mit Kindermanieren“).

Die Schönen Künste. Wo Jung und Alt sich ein lexikalisches Stelldichein geben, da dürfen auch die Schönen Künste nicht fehlen. Vertreten ist hier die Musik mit den Back Street Boys, Beach Boys, Boy George, das „Motto kleiner und großer Rockmusikphilosophen: Live fast, die young“, Modern Talking (mit den „schönen Mannsbildern Dieter Bohlen und Thomas Anders“), der Kultsong der Popgruppe The Who („My Generation“), NKOTB (New Kids On The Block), der Hit „One Life Stand“ der Elektro-Dance-Formation Hot Chip, die Superhits der Pet Shop Boys, der „legendär doofe Titel ‚Poor Boy‘“ der deutschen Band The Lords, die Sugarbabes und – immerhin – die Wise Guys. Und natürlich das „schöne Liebeslied der Beatles“ („When I‘m 64“).
Die Bildende Kunst, man liest es staunend, ist sogar vertreten mit Joseph Beuys, „seiner Zeit so weit voraus, dass er z. Z. noch weitgehend unverstanden“ ist.
Was man dagegen in der Literatur unter „Arschkind Pose“ zu verstehen hat, kann man bei der gleich mehrfach erwähnten Helene Hegemann („Axolotl“) erfahren. Nick Hornby darf in dieser Kategorie ebenso wenig fehlen, wie etwa Robert Gernhardt oder der Satz von Sophie Rois: „Ich selbst bin schon nicht von mir“. Sogar Ernst Jünger hat seinen Eintrag – nicht weit entfernt von Thomas Stephans „Justitia in Jugendhand“. Beim „Lolita-Syndrom“ wird tatsächlich auf Vladimir Nabokov verwiesen, und der „Roman unserer Kindheit“ von Georg Klein ist – nach Auffassung des Autors offenbar zu Unrecht – beim Leipziger Buchpreis an der „hippen Hegemann“, die wegen ihrer „Abkupfereien nicht mehr präsent-tragbar“ schien, vorbeigezogen. Gelobt wird Manfred Bofinger („Von Kindern und Riesen“) und das „absolut beste Aufklärungsbuch aller Zeiten: Wild Thing – Sextipps for Boys and Girls“. Eher ein Pflichteintrag gehört der Bravo, der „Mutter aller Jugend-Musik-Mode-Kino-Zeitschriften“.

Die Zehnte Muse. Zum guten Schluss noch einpaar kleine Leckerbissen der eher unernsten Art. Wer oder was ist ein „Adulescens facinorosus“? Ein „Halbstarker“. Und was eine „Domiseda“? Eine „Anhängerin der Lehre Eva Hermans, Deutschlands Vorzeigemutter“. Was sind die „Freerange Kids“? „Kinder in Freilandhaltung“. Und wie erklärt man das „Frühenglisch“? „9-Jährige: ‚Ich weiß es! Flower Power heißt Blumentopf!‘“ Was wohl sollte man verstehen unter dem Begriff „Gerontotrophium“? Ein „Altenheim“. Und was ist „Infantil“? Ein „Anpassungsdefekt bei Erwachsenen“. Und was meint man, wenn von „Verzwergten Menschen“ die Rede ist? Die „ehemaligen Eingeborenen der DDR (Arnulf Baring)“. Das Wort vom „Krampfadergeschwader“, angeblich eine Bemerkung Günter Oettingers über eine Gruppe älterer Damen, katapultierte diesen seinerzeit nach Brüssel. Und nicht ausgespart wird im „Null„-Artikel („die Erziehungsfähigkeit von einem Teil der Migranten-Eltern tendiert zu Null“) der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der als „bieder, uninspirierter Bezirkspummel“ hier sein Fett abkriegt. Nicht minder Die Grünen: Unter dem Stichwort „Süßigkeiten“ erfahren wir, dass Renate Künast seinerzeit sich für ein Werbeverbot in der Nähe von Schulen stark machte, ihr ehemaliger Staatssekretär jedoch inzwischen Leitender Referent beim US-Konzern „Mars“ ist.

Fazit

Dies sei vorweggenommen: Wer ein kleines Jugendlexikon erwartet hat, wird enttäuscht sein. Viel eher geht es bei dem vorliegenden Büchlein um ein – inhaltlich streckenweise doch recht willkürlich zusammengestelltes – Kompendium von Begriffen und Begrifflichkeiten aus den Bereichen Jugend/Jugendarbeit und Alter/Altenarbeit, wenn auch lexikalisch dargeboten. Das klassische „Wörterbuch der Jugendsprache“ wird vom Autor als zu bayerisch-lastig benotet. Dagegen sollte der Leser bei diesem Wörterbuch tunlichst aus Berlin und Umgebung stammen, obwohl immerhin den Wise Guys die Ehre eines Eintrags zuteil wurde. Der Informationswert des Büchleins ist wohl eher bescheiden, und der vom Autor ebenfalls mit einem Eintrag bedachte „jugendliche“ Dieter Hildebrand würde sich wohl kaum bei seinen Programmen des lustigen Vokabulars bedienen. Dann schon eher der des öfteren erwähnte Mario Barth.

Was bleibt, ist der ganz persönliche Versuch des Verfassers, mit einem Augenzwinkern die oftmals als „klingonisch“ empfundenen Verständigungsschwierigkeiten zwischen Alt und Jung zu erklären und zu überwinden.

Rezension von
Dorothea Dohms
Ortsverbandssprecherin der Grünen im Stadtrat von Niederkassel

Es gibt 41 Rezensionen von Dorothea Dohms.

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ISSN 2190-9245