Sabine Trautmann-Voigt, Bernd Voigt: Grammatik der Körpersprache
Rezensiert von Dr. Kirsten Oleimeulen, 20.01.2012

Sabine Trautmann-Voigt, Bernd Voigt: Grammatik der Körpersprache. Körpersignale in Psychotherapie und Coaching entschlüsseln und nutzen ; mit 18 Tabellen. Schattauer (Stuttgart) 2009. 332 Seiten. ISBN 978-3-7945-2556-0. 45,00 EUR.
Thema
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick, 1985). Körpersprache ist eine Komponente zwischenmenschlichen Verhaltens, die menschliche Beziehungen – ohne Sprache, bewusst und unbewußt – aufrechterhält und steuert. Körpersprache umfasst Körperbewegungen, Gesten, Mienen, Haltungen und Handlungen sowie die Position im Raum (zueinander), auch der Tonfall zählt teilweise zur Körpersprache.
Die Körpersprache ist unsere erste und elementarste Sprache. Mit ihr verleihen wir unseren verbalen Aussagen Nachdruck. Sie verrät aber auch vieles über unser Gefühlsleben und wie wir zu unseren Mitmenschen stehen. Nach Mühlen Achs (1998) ist der Körper ein wichtiges Kommunikationsinstrument, mit dem wir über 70% unserer sozialen Informationen austauschen. Der Körper ist für die Autorin ein Beziehungsmedium mit zentraler Bedeutung. Um das zu veranschaulichen, präsentiert Mühlen Achs ein umfangreiches Bildmaterial. Es sind Bilder überwiegend aus der Werbung, die unmittelbar sinnfällig machen, wie durch Körperhaltung und Kleidung nicht nur das Geschlecht kenntlich gemacht, sondern auch Hierarchien zwischen den Geschlechtern zum Ausdruck gebracht und gefestigt werden, und wie diese Zeichen an die jeweils nächste Generation weitergegeben werden.
Autorin und Autor
Dr. phil. Sabine Trautmann-Voigt ist Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sowie Tanz- und Ausdruckstherapeutin (ADTR, BTD). Sie hat eine eigene Praxis in Bonn mit den Schwerpunkten Tanz- und Bewegungstherapie, Gruppentherapie und Traumatherapie (EMDR). Sie hält Führungspositionen als Institutsleitung des DITAT, der Leitung der Köln- Bonner Akademie für Psychotherapie (KBAP, staatlich anerkannte Ausbildungsstätte), als Lehrtherapeutin, Supervisorin sowie als Herausgeberin der Zeitschrift für Tanztherapie mit zahlreichen Fachpublikationen inne.
Dr. med Bernd Voigt ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Praktischer Arzt mit eigener Praxis in Bonn mit den Schwerpunkten Körperpsychotherapie, Paartherapie, Gruppentherapie und Traumatherapie (EMDR). Er ist Lehrtherapeut, Supervisor, weiterbildungsermächtigt für Psychotherapie/ Ärztekammer Nordrhein, Leiter des Zulassungsausschusses des KV Köln, Vorstandsmitglied in der Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin (DGPM/NRW), Leitung des MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum für Psychosomatik, Psychotherapie u. Psychiatrie), Ambulanzleitung der Köln-Bonner Akademie für Psychotherapie sowie Institutsleitung DITAT. Sein Profil wird durch zahlreiche Fachpublikationen abgerundet.
Aufbau und Inhalt
Das Buch „Grammatik der Körpersprache“ gliedert sich in 3 große Kapitel, die durch eine Einleitung sowie einen Interventionskatalog am Ende des Buches abgerundet werden.
1 Einleitung. In diesem Buch wird der Versuch unternommen, die wichtigsten Elemente der körpersprachlichen Kommunikation, ihren Bestand als verfügbares Bewegungsrepertoire und ihre Leistung für psychotherapeutische Verwendungszusammenhänge anhand ausgewählter Therapiebausteine und praktischer Anwendungsbeispiele darzulegen.
I Die Körpersprache als Kommunikationssystem
2 Zum Bedeutungswandel des Begriffs Körpersprache. Es gab nie eine eindeutige körpersprachliche Bedeutung, sondern nur gesellschaftliche Kontexte, in denen Bewegung oder Bewegungslosigkeit, Körperschmuck, Bodybuilding oder Magerkeit eine bestimmte Bedeutung zugewiesen bekommen.
3 Die Dialektik zwischen Körpersprache und verbaler Kommunikation. Es gibt keine der verbalen Grammatik entsprechenden Regeln zur Normierung einer Kombination körpersprachlicher Signale.
II Die Entwicklung der Körpersprache aus biologischer und evolutionsgeschichtlicher Perspektive
4 Angeborene Reflexe, Entwicklung des Gehirns und Bedeutung der fünf Sinne. In diesem großen Kapitel werden die prä- und postnatale Entwicklung der Kinder mit dem Schwerpunkt frühkindlicher Reflexentwicklung sowie deren fehlende Rück-/Entwicklung mit entsprechenden Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern ausführlich dargestellt.
5 Körpersprache im Gehirn und in Beziehung. Psychische Entwicklungsmuster entstehen aus körpersprachlichen Entwicklungsabfolgen. Dabei ist die Entwicklung des Bewegungsrepertoires auf der motorischen Ebene als ein Äquivalent zur Entwicklung des Sprachrepertoires auf der kognitiven Ebene zu sehen. Spiegelneurone bilden die neuropsychologische Grundlage körpersprachlichen Verstehens und erklären warum gegenseitiges Verstehen bzw. Empathie zu mehr als 90% vom nonverbalen Austausch und nicht von den Inhalten der verbalen Kommunikation abhängt.
6 Körpersprache lesen: bewegungsanalytische Grundlagen. In diesem Kapitel werden 3 Prozessanalysesysteme zur Dekodierung von Handlungsprozessen ausführlich dargestellt: ursprünglicher Ansatz der Bewegungsanalyse (LMA) aus dem Ausdruckstanz nach Rudolf von Laban, psychoanalytisch begründeter Ansatz des Kestenbergs Movement Profile (KMP) nach Judith Kestenberg sowie der Ansatz des Body Movement Mind Paradigma (BMMP).
7 Körpersprache und Psychodynamik. Schulübergreifend gibt es wahrscheinlich nur zwei grundsätzliche Dimensionen, die Psychotherapie wirksam machen: Gelungene Beziehungsregulierungen und gezielte problembezogene Interventionen. Letzteres Bedarf einer gut eingesetzten Technik und sollte sich auf alle Ebenen der menschlichen Wahrnehmungen, auf Kognitionen, Motorik und Emotionen beziehen.
8 Fallbeispiele. Im letzten Kapitel werden 4 Fallbeispiele zur Veranschaulichung der Grammatik der Körpersprache in der Psychotherapie präsentiert:
- Ein Fallbeispiel mit der Diagnose einer emotionalen Störung und Bindungsstörung im Kindesalter.
- Ein Fallbeispiel mit Ängsten bei depressiver Persönlichkeit.
- Ein Fallbeispiel einer Suchterkrankung sowie
- ein letztes Fallbeispiel einer posttraumatischen Belastungsstörung und Traumafolgestörung.
9 Interventionskatalog. Der Interventionskatalog gibt Hilfestellungen bei der Integration körpertherapeutischer Interventionen in psychotherapeutische Sitzungen und wird abgerundet mit einer Reihe ausführlich beschriebener Übungen mit dem entsprechenden Indikationsbereich.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich an Psychotherapeuten/-innen, die mit Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichen arbeiten.
Fazit
Das Erlernen einer Sprache setzt eine Auseinandersetzung mit ihrer Grammatik voraus. Das Buch „Grammatik der Körpersprache“ bietet als Kompaktdarstellung die Grundlagen dieser Grammatik an. Der Lesende dieses Buches wird von dem dicht gedrängten theoretisch fundierten Wissen gefesselt und bekommt Appetit auf mehr. Obwohl der Interventionskatalog sicher schnell ermöglicht, kleinere bewegungsorientierte Interventionen in den Alltag zu integrieren, macht das Buch deutlich, dass eine fundierte Ausbildung nötig ist, um grundlegend körpertherapeutisch arbeiten zu können.
Rezension von
Dr. Kirsten Oleimeulen
Psychologin – Familienberaterin, akkreditierte Psychologin für Gesundheitspsychologie und Prävention (BDP), systemische Familientherapeutin und Supervisorin, online-Beraterin
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