Claude Rosselet, Georg Senoner: Management macht Sinn
Rezensiert von Dr. Michaela Schumacher, 28.06.2011
Claude Rosselet, Georg Senoner: Management macht Sinn. Organisationsaufstellungen in Managementkontexten.
Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2010.
149 Seiten.
ISBN 978-3-89670-752-9.
D: 28,00 EUR,
A: 24,70 EUR.
Reihe: Management, Organisationsberatung.
Autor und Autor
Claude Rosselet besitzt mehrjährige Leitungserfahrung in Unternehmen, seit 1994 Beratung von Führungskräften, Management- und Projektteams sowie Organisationen in Innovations- und Veränderungsprozesse, Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen
Georg Senoner ist Berater und Coach mit den Schwerpunkten: Strategisches Management, Organisations- und Teamentwicklung, Interkulturelles Management, Konfliktmanagement.
Aufbau
Das Buch hat ein Geleitwort von Gunthard Weber, eine Danksagung, eine Einleitung und zwei Teile:
- Teil 1: Organisationsaufstellungen – Wissen in Szene setzen- mit 2 Kapiteln und
- Teil 2: Leitfaden für die Aufstellungsarbeit in Managementkontexten mit 5 Kapiteln,
Hinzu kommt noch ein Literaturverzeichnis.
Ziel der Autoren ist es Da rationalistische Ansätze der Entscheidungsfindung, die nahezu ausschließlich mit explizitem Wissen arbeiten ist es Ziel der Autoren mittels der Aufstellungsarbeit das implizite Wissen zu heben und zu nutzen.
Teil 1: Organisationsaufstellungen – Wissen in Szene setzen
Die Autoren stellen differenziert dar, wie mittels der Systemaufstellung Komplexität visualisiert werden kann. Sie ordnen das Verfahren methodisch ein. Sie erläutern die Phänomene „implizites Wissen“ und soziale Intelligenz und zeigen auf, wie die Systemaufstellung die impliziten Ordnungen von Organisationen erkennbar und nutzbar macht.
Systemaufstellung
- ist ein szenisches Verfahren, das ein „bewegtes Bild“ erzeugt und so eine Bewegungs-/ Entwicklungsrichtung, eine Intention ausdrückt
- arbeitet mit beiden Wissensanteilen – dem expliziten und impliziten Wissen
- nutzt die Sprache des Körpers und des Raumes. Probleminhaber/innen wählen den Fokus, aus dem sie das Problem wahrnehmen und stellen die Repräsentanten intuitiv im Raum auf. Die Repräsentanten erhalten keinerlei Regieanweisungen. Ihren „Rollentext“ entnehmen sie dem im Spielfeld möglich werdenden „repräsentierenden Wahrnehmungen“. Sie werden/sind Resonanzkörper des impliziten Wissen. Die Aufstellungsleitung erfragt bei den Repräsentanten die Körperwahrnehmungen und ihre Veränderungsimpulse auf der Platzierung. Folgen sie diesen und verändern ihre Position, so hat das Folgen für die Körperwahrnehmung anderer Repräsentanten. Ziel ist es, eine Konstellation zu finden und herzustellen, in der alle Repräsentanten in einer für sie stimmigen Beziehung zueinander stehen.
- bedarf
der Einlösung folgender Voraussetzungen:
- Personen, die bereit sind, sich auf repräsentierende Wahrnehmungen einzulassen.
- Personen, die offen sind für ungewöhnliche Antworten
- eine Leitung, die den Gesamtrahmen hält und den Prozess der Lösungsfindung – Fragen und Umstellungen – kompetent begleitet
- nutzt die kollektive Intelligenz, kreiert einen sozialen (Kommunikations)-Raum, in dem das Erfahrungswissen sich über die leiblich-affektive Dimension/Position und Empfindung inszeniert
- bedient sich selbstreflexiver Vorgänge – von der Bewusstheit zur Selbstbewusstheit
- zeigt, wie man sinnvollen nächsten Schritte konkreten Aufgabenbewältigung/Lösung machen kann
- nutzt die einem Organismus eingeschriebenen Erfahrung und diese teilt sich über Reflexion den Akteuren als „Erfahrungswissen“ mit. Sie beachtet dabei, dass Repräsentationen nur ein „Abdruck“ des Repräsentierten sind, jedoch nie das Repräsentierte selbst.
Erfahrungswissen ist zum größten Teil im Nicht-Bewussten abgespeichert.
Implizites Wissen erfasst/spiegelt komplexe Abstimmungsprozesse, eine bestimmte Absicht umzusetzen, ohne Beteiligung des Intellekts – z.B. Körperbewegungen, Mimik, Gestik.
Explizites Wissen ist jederzeit aus dem „Speicher“ – z.B. Gedächtnis – abrufbar. Erst, wenn ein Beobachter diesen Daten eine Bedeutung zuweist, werden sie zu Informationen. Somit wird Wissen zu „…einer durch Kommunikation begründeten und bestätigten Praxis.“ (S.46).
Wissen, als auf Erfahrung gründende Praxis ist strukturiert und bildet regelgeleitete Muster.
In sozialen Systemen wirken sie als Ordnungsmomente des sozialen und organisationalen Wissen: Strategien, kohärente Strukturen, gemeinsamer Sinnhorizont. Ein Teil der Regeln ist schriftlich fixiert in Richtlinien, Handbüchern etc.Der größere Teil ist im impliziten Wissen abgespeichert und wirkt. Differenziert wird in drei Regelebenen- grammatische, informelle und technische -. Nur die letzte gehört zum expliziten Wissen.
Die
Systemaufstellung ist Rezeptor für das implizite soziale
Wissen.
An der Wahrnehmung situativer Qualitäten ist der
ganze Leib beteiligt, d.h. die Intuition. Dieser sechste Sinn
verknüpft uns mit den verborgenen Strukturmomenten einer
Situation. In der Systemaufstellung werden diese Daten zu
verlässlichen Informationen transformiert, die Intuition in den
Ausdruck gebracht. Die Systemaufstellung fängt das implizite
soziale Wissen ein und verdeutlicht die Logik auf der
affektiv-leiblichen Ebene. Dadurch wird die Wissensbasis um eine
entscheidende Dimension – Emotionalität und
Intentionalität – erweitert. Sichtbar wird so die Dynamik,
ob und wie die technischen Regeln an das grammatische und informelle
Regelsystemanschließen oder auch nicht. Dies ist die
Voraussetzung für ein „Management of rules“
Teil 2: Leitfaden für die Aufstellungsarbeit in Managementkontexten
Die Autoren erläutern differenziert Methode, settings, Ablauf der Systemaufstellung und ihre Kombinierbarkeit mit anderen Methoden des Konzepts „Lernende Organisation“.
Vier Prinzipien liegen der Aufstellungsarbeit zugrunde und sind relevant für das Wachstum und die Reproduktion sozialer Systeme.
- Beachtung
der Zugehörigkeitsbedingungen
- wer, mit welcher Funktion, Zuständigkeit und Aufgabe – - Würdigung
der Reihenfolge – Wachstum und Reproduktion
- bzgl. der Wachstumsdynamik gilt der Grundsatz der direkten Zeitfolge (Ältere vor Jüngeren); bzgl. der Reproduktion die inverse Zeitfolge (das neue vor dem alten System) - - Anerkennung
der höheren Verantwortung und des höheren Einsatzes
- Beiträge Einzelner, eines Teams, eines Teilsystems sind zu beachten und zu würdigen – - Förderung
individueller Leistungen und Fähigkeiten
- höherer Einsatz, Leistung und größere Fähigkeiten sind entsprechend zu honorieren, das erhöht und stabilisiert die Leistungs- und Lernbereitschaft -
Settings der Aufstellungsarbeit
Bei
der Aufstellungsarbeit in Management Constellations rückt die
Organisation in den Vordergrund: „Welche Entscheidungen müssen
wir als Team treffen, damit die Organisation als Ganze
erfolgreich(er) wird?“ (S.67). Beziehungsaspekte zwischen
Einzelnen oder Fragen des persönlichen Erfolgs/Misserfolgs
bleiben im Hintergrund; denn Ziel ist die Sinnstiftung und dafür
ist der Prozess als Ganzes relevant.
Für drei Settings –
Team, „offene“ Seminare, Einzel – werden die
Spezifika und Vorgehensweisen konkret vorgestellt und
erläutert.
Management Constellations kombiniert Formate der
systemischen Aufstellungsarbeit mit Methoden der lernenden
Organisation und anderen systemischen Verfahren ( z.B.Group-Field
Dialog). So gelingt es, die impliziten Dispositionen – die
„DNA“ einer Unternehmenspraxis – sowohl unmittelbar
erfahrbar und einsehbar zu machen als auch zu erkennen „welche
konkreten nächsten Schritte auf der Basis systeminhärenter
Exzellenz eine bestimmte Herausforderung bewältigen können.“
(S.69).
Ablauf der Aufstellung
Beschrieben und erläutert werden
- Rolle des Faciliators/der Aufstellungsleitung
- Formulierung der Auftragsfrage
- Bestimmung der aufzustellenden Elemente - Fokus (aus wessen Perspektive?); Aufgabe, Auftrag oder Zielsetzung; Akteure (wer ist in der Situation als Handelnde oder Betroffene?); relevante Kontextfaktoren, evt. Entscheidungsoptionen –
- Auswahl und Aufstellung der Repräsentanten
- Interpretation der Aufstellungsbilder
Schemata und entsprechende Aufstellungsformate
Drei wichtigen Themenfeldern werden Schemata und Formate zugeordnet und an Beispielen exemplifiziert
- Management
und Leadership
- St. Gallener Management-Modell, Epidauros-Modell, Werte-/Ressourcendreieck, modifiziertes TZI-Modell- - Strategie
und Innovation
- Stratey Maps, Schmetterlingsmodell, Wertequadrat, Potentialentwicklung – - Problemlösung
und Entscheidungsfindung
- Tetralemma, „All dies und selbst das nicht“, Problemstruktur, Konfliktlösung
Ergänzende Methoden und Techniken
Verbale Methoden der „Lernenden Organisation“ unterstützen zum einen die fokussierende Formulierung des Anliegens und zum anderen das gemeinsame Verstehen der szenischen Arbeit, des kollektiv getragenen Sinn: Dialog (David Bohm) nach der Aufstellung, World Cafe vor der Aufstellung, Open Space (Owen) nach der Aufstellung.
Innerhalb des Prozesses: Dialogisches Interview (z.B. zum Auffinden der aufzustellenden Elemente), Fish-Bowl (z.B. zur Klärung der Anliegen/Bestimmung der darzustellenden Elemente), Wiederkehrende Frage (z.B. zur Anliegenklärung und Bestimmung der aufzustellenden Aspekte),Vier Räume des Wandels (z.B. zur Identifizierung der Elemente und um Erkenntnisse zu verarbeiten).
Aufstellungsarbeit als Sinnstiftung
Vorgestellt wird das Konzept des Sensemaking (Weick) und für die Konzeptualisierung der Aufstellungsarbeit transferiert und das Verständnis von Weick „Organisieren ist ein kollektiver Prozess der Sinnstiftung“ (S. 140)
Abschließend benennen die Autoren zusammenfassend sechs zentrale Konstituanden für Mangement Constellations.
Diskussion
Den Autoren gelingt es die Thematik, fachlich und didaktisch kompetent und nachvollziehbar darzulegen. Gleichzeitig achten sie darauf und warnen davor, dieses Buch als Anweisung mißzuverstehen und ohne entsprechende Ausbildung und Erfahrung Systemaufstellungen vorzunehmen. Ihre Ausführungen sind präzise, differenziert, begründet und zeugen von vertiefter Erfahrung und hoher Achtsamkeit im Umgang mit Menschen und Organisationen.
Fazit
Das Buch ist empfehlenswert sowohl für Menschen, - Fachleute und Manager - die sich über Management Constellation informieren wollen als auch für Coachs und SupervisorInnen, Berater- und TrainerInnen, die mit Aufstellungen arbeiten, um ihr Wissen und Können zu überprüfen und zu vertiefen. Es ist lesenswert.
Rezension von
Dr. Michaela Schumacher
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Zitiervorschlag
Michaela Schumacher. Rezension vom 28.06.2011 zu:
Claude Rosselet, Georg Senoner: Management macht Sinn. Organisationsaufstellungen in Managementkontexten. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2010.
ISBN 978-3-89670-752-9.
Reihe: Management, Organisationsberatung.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/10994.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.
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