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Roger Schaller: Das große Rollenspiel-Buch

Rezensiert von Dr. Marga Müller-Mehring, 01.11.2001

Cover Roger Schaller: Das große Rollenspiel-Buch ISBN 978-3-407-36434-0

Roger Schaller: Das große Rollenspiel-Buch. Grundtechniken, Anwendungsformen, Praxisbeispiele. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2001. 250 Seiten. ISBN 978-3-407-36434-0. 32,90 EUR.

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Einführung in das Thema

Rollenspiele sind seit längerem beliebte Methoden in der Schule, in der Erwachsenenbildung und in anderen Lern- und Arbeitsgruppen. Immer öfter trifft man in diesen Gruppen aber auch auf Ablehnung dieser Technik. Und das liegt nach meiner Meinung vor allem am falschen Einsatz und an unsachgemäßer Durchführung von Rollenspielen. Denn das Anleiten von Rollenspielen will gründlich gelernt sein. Dazu ist es nötig, die verschiedenen Formen von Rollenspielen zu kennen und zu wissen, wo und wie sie einzusetzen sind. Dazu will dieses Buch Hilfestellung geben.

Der Verfasser schreibt gegen Ende: „Rollenspiele müssen erfahren werden. Diese Methode ist nur zu begreifen, wenn man sie als Teilnehmer erlebt hat.“ Das ist sicher eine unerläßliche Voraussetzung. Und: Zu der eigenen Erfahrung müssen Reflexion und vielfältige Kenntnisse hinzukommen, damit der Leiter/die Leiterin mit dem Faktor Emotionalität, dem zentralen Teil des Rollenspiels, bei sich und bei anderen umgehen kann. Auch das zeigt Schaller in seinem Buch auf.

Die wohl reichste Methodologie zum Rollenspiel entstammt dem Psychodrama, das von dem Psychiater Moreno (1889 - 1974) ursprünglich als psychotherapeutische Aktionsmethode entwickelt wurde. Inzwischen haben viele methodische Elemente des Psychodramas in verschiedene Arten von Rollenspielen in Lern- und Arbeitsgruppen Eingang gefunden. In diesen Gruppen geht es allerdings nicht um Therapie, sondern um Veränderung von Handlungsstrategien, um Rollenverständnis, Verhaltenstraining, Konfliktbearbeitung – also um (ganzheitliches) Lernen. Deshalb wird in Abgrenzung zum therapeutisch psychodramatischen Rollenspiel diese Art von Rollenspiel als „Pädagogisches Rollenspiel“ oder – in letzter Zeit häufig auch – als „Pädagogisches Psychodrama“ bezeichnet. Dieses Rollenspiel in Arbeits- und Lerngruppen steht im Mittelpunkt von Schallers Buch, wie auch seine Praxisbeispiele deutlich machen. Dabei verleugnet der Verfasser seine Herkunft vor allem vom Psychodrama nicht.

Hintergründe für die Entstehung dieses Buches

Roger Schaller ist Diplompsychologe und Psychodrama-Therapeut. Er arbeitet als Seminarleiter bei der Stiftung Arbeitsgestaltung in Uster/Zürich sowie als freiberuflicher Psychologe und Supervisor. Seit etwa 10 Jahren setzt er Rollenspiel vor allem in den Bereichen Suchtprävention und Erwachsenenbildung ein. Daher stammt auch die große Fülle von Praxisbeispielen in diesem Buch. Sie zeigen ein breites Spektrum von Seminarteilnehmern und von Themen. Es sind: Führungskräfte, Sportlehrer, SchülerInnen, erwerbslose Stellungsuchende, Fremdsprachenlehrer, alkoholauffällige Fahrzeuglenker, Personalberater, Sozialarbeiter, Mitarbeiter eines Betriebes, Langzeitarbeitslose, Eltern von SchülerInnen, Versicherungsverkäufer, Hotelangestellte, Mediziner u.a.m.

Es geht um: Konflikte, Streßbewältigung, Lehrerausbildung, Gewalt in der Schule, berufliche Weiterbildung, Kommunikationstraining, Teamsupervision, Trainingsseminare zu Verkaufsgesprächen und andere Themen. Daraus wird deutlich, daß es sich häufig um Kurse mit bildungsungewohnten TeilnehmerInnen handelt. Und gerade die daraus erwachsenden Probleme interessieren den Verfasser: „Wie machen wir Rollenspiele mit Teilnehmern, die selten oder sehr selten eine Bildungsveranstaltung für Erwachsene besuchen? Gerade hier liegen oft die Schwierigkeiten.“ Auf dem Hintergrund seiner vielfältigen Erfahrung mit diesen „schwierigen“ Teilnehmern verdeutlicht der Verfasser die Vorzüge des Rollenspiels und macht seinen Einsatz nachvollziehbar.

Aufbau und Inhalt

Schaller ist ein begeisterte Rollenspieler. Dem entspricht die Fülle des Materials, das er vorlegt. Er gibt dazu als „Lesehinweis“: „Es ist nicht notwendig, das Buch von A – Z zu lesen. Die einzelnen Abschnitte sind auch für sich alleine verständlich und aussagekräftig.“

Der erste Teil befaßt sich mit den bedeutendsten Grundtechniken der Methode Rollenspiel (Kapitel 1) und den bekanntesten Anwendungsformen des Rollenspiels in der Erwachsenenbildung (Kapitel 2). Neben Moreno rekurriert Schaller auf Boals „Theater der Unterdrückten“, auf Dorothy's „Moderne Suggestopädie“, auf das „Playback-Theater“ nach Fox und andere verwandte Methoden.

Kapitel 1:

Die folgenden Grundtechniken der Methode Rollenspiel sind weitgehend vom Psychodrama abgeleitet. Beschrieben werden:

  • Rollenübernahme und Rollenverteilung,
  • Imaginationen, vor allem „leerer Stuhl“,
  • Standbilder, das „Einfrieren“ von Rollenspielen und fließende Skulpturen,
  • Aufstellungen, vor allem Soziogramm und Gruppenbild,
  • Rollentausch,
  • Doppeln,
  • Spiegeln, einschließlich Videoaufnahmen,
  • Rollenübernahme auf dem Papier und Rollenanalyse .

In Kapitel 2 werden verschiedene „Rollenspielschulen“ vorgestellt. Der Verfasser ordnet die Rollenspiel-Anwendungsformen nach zwei Dimensionen:

  • angeleitetes - improvisiertes Rollenpiel,
  • pädagogische - psychologische Zielsetzung

und gibt Kurzbeschreibungen der verschiedenen Anwendungsformen und ihrer Ziele:

  • angeleitetes Rollenspiel mit pädagogischer Zielsetzung: Planspiel, Computer-Rollenspiel, Fantasy-Rollenspiel, Unternehmenstheater, Pädagogisches Theater, Zeitungstheater, Bibliodrama,
  • angeleitetes Rollenspiel mit psychologischer Zielsetzung:Märchenspiel, Forumtheater, Soziodrama, Dramatherapie,
  • improvisiertes Rollenspiel mit pädagogischer Zielsetzung: Rollentraining, Improvisationstheater, Interaktives Theater, Themenzentriertes Theater,
  • improvisiertes Rollenspiel mit psychologischer Zielsetzung: Situationsspiel, Jeux dramatique, Playbacktheater, Imaginationsrollentraining,
  • Psychodrama.

Ensprechend seiner Absicht, im Rollenspiel die persönliche Flexibilität und Handlungsfähigkeit zu erweitern, beschreibt Schaller drei Anwendungsformen genauer:

  • das Rollentraining; im Mittelpunkt steht dabei das protagonistenzentrierte Rollentraining mit Rollenzuweisungen und dem dazugehörigen Rollenspiel. Er beschreibt dann auch das angeleitete Rollentraining mit vorher definierten Rollen;
  • das Situationsspiel, entweder mit vorgegebenen Rollen oder als Gruppenspiel mit der dazugehörigen Auswertung;
  • das Imagination-Rollentraining; mit Anleitungen zu den Spielen: „Koffer packen“, „Wer stellt mich vor?“, „Museumsführer“.

Der zweite Teil ist ein Leitfaden für die didaktische Planung von Rollenspielen für Erwachsenenbildner, die das Rollenspiel vermehrt in ihrer Praxis anwenden wollen (Kapitel 3 und 4). Folgende Fragen werden beantwortet:

  • Wie führe ich die Methode Rollenpiel in einer Lerngruppe ein?
  • Welche Grundsätze und Regeln sind zu beachten?
  • Wie kann eine gezielte Auswertung den Lerntransfer emöglichen?
  • Welche Schwierigkeiten bei der Anwendung sind zu erwarten?

In Kapitel 3 beschreibt der Verfasser sehr eingehend

  • die Anfangsphase eines Rollenspiels mit einem Exkurs zur Bedeutung der Spielanleitung,
  • die Spielphase mit ihren Vorbedingungen, einigen Anwendungsregeln (u.a.: Einrichtung einer Bühne und ihre Gestaltung, Rollenverteilung, Entlassung aus der Rolle), günstigen Sozialformen, Bemerkungen zur Zeitstruktur und Hinweisen zu Hilfsmitteln (Raum, Requisiten u.a.m.),
  • die Auswertung von Rollenspielen mit den eher psychodramatischen Elementen: Entlassung aus der Rolle, Rollenfeedback, Sharing, Befindlichkeitsrunde bzw. einer eher inhaltsorientierten Auswertung mit Analyse, Transfer, Verhaltenstraining und Verhaltensreflexion.

Ein eigenes Kapitel 4 widmet der Verfasser Schwierigen Situationen.

Er grenzt nochmals deutlich Erwachsenenbildung (Pädagogisches Rollenspiel) von der psychologischen Therapie (Psychologisches Rollenspiel) ab. Das Wichtigste zur Förderung der Spielfähigkeit und der Spiellust einer Lern- oder Arbeitsgruppe ist die Teilnehmerorientierung und die Lernzielorientierung: Wo setze ich diese Methode mit Vorteil ein und wo eher nicht?

Eingestreut sind interessante Theorieexkurse mit den Themen:

  • Was ist eine Rolle?
  • Spielen als Lernmethode
  • Katharsis – Einfühlung und Identifikation im Rollenspiel
  • Zur Bedeutung der Spielleitung
  • Spontaneität als Lernvoraussetzung oder Lernziel

Fazit

Das vorliegende „große Rollenspielbuch“ bietet ein breites Methodenrepertoire; es gibt viele Denkanstöße; es wird mit seiner Fülle von Praxisbeispielen zu einem Nachschlagewerk für PraktikerInnen.

Der Vorteil dieses Buches ist zugleich ein Nachteil: Es werden viele Varianten und Einsatzmöglichkeiten des Rollenspiels dargestellt. Dabei wird keine große Linie sichtbar; das Buch bleibt ein Kompendium mit vielen guten Gedanken und Vorschlägen.

Rezension von
Dr. Marga Müller-Mehring
Supervisorin, Lehrbeauftragte für Themenzentrierte Interaktion (TZI), Rollenspielleiterin
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Es gibt 4 Rezensionen von Marga Müller-Mehring.

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ISSN 2190-9245