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Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber - was ist Gold?

Rezensiert von Dr. Kirsten Oleimeulen, 14.09.2011

Cover Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber - was ist Gold? ISBN 978-3-608-94664-2

Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber - was ist Gold? Heilsame Geschichten entwickeln in Körper, Bild und Sprache. Ein integratives psychotherapeutisches Konzept. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2011. 290 Seiten. ISBN 978-3-608-94664-2. 32,95 EUR. CH: 46,90 sFr.

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Die Methode „Geschichten erzählen“

„Von einer Geschichte geht eine Wirkung aus, die Aufmerksamkeit bündelt sowie eine Kraft, die sich in alle Richtungen ausdehnt.“

Storytelling (deutsch: „Geschichten erzählen“) ist eine Erzählmethode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form einer Metapher weitergegeben und durch Zuhören aufgenommen wird. Die Zuhörer werden in die erzählte Geschichte eingebunden, damit sie den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken. Das soll bewirken, dass das zu vermittelnde Wissen besser verstanden und angenommen wird. Heute wird Storytelling neben der Unterhaltung durch Erzähler unter anderem auch in der Bildung, im Wissensmanagement und als Methode zur Problemlösung eingesetzt.

Implizites Wissen

Implizites Wissen oder stilles Wissen (vom englischen tacit knowledge) bezeichnet

nicht formalisiertes Wissen. Kenntnisse oder Fähigkeiten, die nicht explizit formuliert sind und sich möglicherweise auch nicht erklären sondern nur zeigen lassen. Das implizite Wissen besitzt eine zweigliedrige Grundstruktur, die sowohl für kognitive als auch körperliche Fertigkeiten gilt. Sie besteht aus dem zentralen Bewusstsein und dem unterstützenden Bewusstsein. In scheinbar automatisierten Tätigkeiten manifestiert sich die implizite Form des Wissens, die im Augenblick der Tat stumm ist, und deren Ergebnis erst im Rückblick bewusst wird oder werden kann.

Autorin

Dr. Phil. Annette Pestalozzi-Bridel, Fachpsychologin für Psychotherapie, Paar- und Familientherapeutin in psychiatrisch-psychologischer Gemeinschaftspraxis. Sie ist in verschiedenen psychotherapeutischen Methoden ausgebildet. Dazu gehören Systemische Paar- und Familientherapie, Psychodrama sowie psychodynamische imaginative Traumatherapie. Seit 1999 geht sie zusätzlich Lehrtätigkeiten an verschiedenen Institutionen nach.

Aufbau

Das Buch „Worte sind Silber – was ist Gold?“ setzt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus Theorie (I. Kapitel) und Praxis (II. Kapitel) zusammen.

In der Einleitung verweist Annette Pestalozzi-Bridel auf den Zusammenhang zwischen alten ägyptischen Kunstwerken und Psychotherapie, als die Kunst, etwas zum Leben zu bringen bzw. ihm Leben einzuhauchen.

I. Theorie

1. Geschichten im psychotherapeutischen Kontext. In diesem Kapitel wird dem Lesenden ein kurzer Abriss über Psychotraumatologie sowie der aktuelle Stand der Hirnforschung näher gebracht. Vor diesem Hintergrund kennen Geschichten kein Richtig oder Falsch, kein Entweder-Oder. Sie berühren, bewegen, erschüttern, verwandeln und wirken damit für den/die Klienten/in.

2. Erforschen und Umgestalten von Geschichten in verschiedenen Bewusstseinsräumen. Die Kunst jeder Therapie beginnt bei der entscheidenden Frage, wie ein Zugang gefunden werden kann zu den impliziten Inhalten und Themen. Der Psychiater und Kunsttherapeut G. Waser (1990) definiert in seinem dreidimensionalen Modell des „kreativen Systems“ im Zusammenhang mit dem bildnerisch gestaltenden Prozess und in Anlehnung an die Stufen kognitiver Entwicklung von Piaget drei unterschiedliche Gestaltungsräume:

  • dem sensomotorisch-magischen Gestaltungsraum
  • dem symbolisch-animistischen Gestaltungsraum
  • dem mental, beseelten Gestaltungsraum

3. Sprachliche und bildhaft symbolische Gestaltung von Geschichten. Die therapeutische Anregung zu Symbolbildungen und der aktive, erlebnisorientierte Umgang mit Symbolen und symbolischen Inhalten hat eine dreifache Zielsetzung: die Kontaktaufnahme mit dem Unbewussten, die Auseinandersetzung mit impliziten, unbewussten Inhalten und die Aktivierung von Selbstorganisationsprozessen. Es schließen sich einige Fallbeispiele an dieser Stelle im Buch an.

4. Die körperliche Dimension von Geschichten. Auf der Körperebene geht es aus psychotherapeutischer Sicht in erster Linie um die Bedeutung der „wortlosen Erzählungen des Körpers“ (Damasio), um somato-affektive Marker – rasche nicht-sprachliche Berichte in Form von Körperempfindungen und/oder starken Gefühlen – zu gegenwärtigen Situationen und Erlebnissen aufgrund emotionaler Erfahrungen.

II. Praxis

5. Psychotherapeutische Resonanz auf Geschichten. Zu den psychotherapeutischen Aufgaben gehört auf der expliziten Ebene das Erzählen von Geschichten anzuregen sowie das Aufnehmen und Einbringen von Metaphern. Auf der impliziten und expliziten Ebene gehören folgende Aspekte dazu:

  • Anregen zu symbolisch-bildhaften Darstellungsformen
  • Anregen zur Aufstellung von szenischen Bildergeschichten
  • Anregen/Anleiten von Imaginationen
  • Anregen zu Traumerzählungen
  • Anregen und Anleitung zu psycho- und monodramatischem Umgang mit Geschichten
  • Anregungen zu Embodiment (Verkörperung)
  • Anregung zur Wahrnehmung und zum Aufnehmen von somatisch-affektiven Markern
  • Anregung zur Wahrnehmung und zum Auf nehmen von psycho-somatischen Symptomen

6. Die Sprache als Basis psychotherapeutischen Wirkens. Die Sprache ist die Basis allen psychotherapeutischen Wirkens, und dies auch dann, wenn ganzheitliches Begegnen und Verstehen, ein ganzheitlicher Umgang mit Geschichten in verschiedenen Gestaltungs- und Ausdrucksräumen verwirklicht wird.

7. Metaphorische Geschichten zwischen Wort und Bild. Bilderbücher sind wichtige Ressourcen und Begleiter im therapeutischen Prozess. Die anschaulich bildhafte, emotionsnahe, oft auch humorvolle Art und Weise, mit welcher sie einen konstruktiven Umgang mit kritischen und problematischen Situationen aufzeigen, motiviert Klientinnen, in Anlehnung an oder Abhebung von der gegebenen Geschichten, eigene alternative Verhaltensentwürfe zu entdecken und zu gestalten. Sie sind wichtige Ressourcen als Erinnerungshilfen für die neu entworfenen Erlebens- und Verhaltensweisen, für die Aktivierung neuer neuronaler Netze.

8. Anregung zu symbolischen Istbildern, Wunschbildern und Wunschgeschichten. Wenn implizite Inhalte und Prozesse verändert werden sollen, dann spielen symbolische Bilder eine Schlüsselrolle. Denn implizite, unbewusste Inhalte sind nicht über Sprache zugänglich, sie sind bebildert und werden bildhaft symbolisch kommuniziert.

9. Die Imagination von heilsamen Geschichten. In der Zauberkraft der Imagination, mit welcher heilsame Geschichten und mögliche zukünftige Szenarien ausgestaltet werden, liegt ein großes therapeutisches Potential. Die Anregung zu heilsamen Imaginationen ist eine Stabilisierungstechnik, die sich im Rahmen der Traumatherapie entwickelt und etabliert hat und deren Wurzeln auf alte schamanische Traditionen zurückzuführen sind. Die neuropsychologische Forschung konnte mit bildgebenden Verfahren aufzuzeigen, dass imaginative innere Bilder annährend dieselbe Hirnaktivität auslösen wie Bilder der äußeren Realität.

10. Traum-Geschichten als Türöffner zum Unbewussten. Träume, die nicht beachtet werden, sind wie ungelesene Briefe. Ein ganzheitlicher Umgang mit Geschichten orientiert sich immer auch an Träumen, deren reiche, farbige Bilder Türöffner zu impliziten Inhalten sind. Träume erzählen in bildhafter Form Nachtseiten von Geschichten, sie komplementieren und spiegeln ihre Tagesseiten.

11. Umgang mit der körperlichen Dimension von Geschichten. Grundsätzlich geht es im Umgang mit Geschichten auf der Körperebene darum, Klienten für die wortlose Erzählung des Körper zu sensibilisieren, ihnen Anregungen zu geben zur Wahrnehmung von somato-affektiven Markern als bewusste Korrelate unbewusster Bewertungen im Sinne von Vorerfahrungen, auch Anregungen zu geben, psychosomatische Symptome als Ausdruck von Leidensgeschichten zu verstehen.

12. Erlebnisaktivierender psychodramatischer Umgang mit Geschichten. Ein psychodramatischer Umgang mit Geschichten ist erlebnisaktivierend und intensivierend in dem er den Körper, die Sinne, Bewegungs- und Handlungsimpulse sowie symbolische Bilder mit einbezieht und einen Zugang zu impliziten und nonverbalen Dimensionen von Geschichten ermöglicht. Dadurch werden unbewusste, oft maladaptive Erlebnis-, Denk- und Verhaltensmuster wieder erlebbar und damit veränderbar.

13. Alternative Geschichten und Handlungsmuster entwickeln als Kernstücke von Veränderung. Ein multicodierter, mehrdimensionaler und multiperspektivischer Umgang mit Geschichten ist Grundlage von Wandel und Veränderung im psychotherapeutischen Prozess. Im letzten Kapitel werden die für die Veränderung wesentlichen Momente im vernetzten Umgang mit Geschichten fokussiert und zusammengefasst.

Zielgruppe

Im klinischen Bereich tätige Therapeuten/-innen und Berater/-innen sowie die Auszubildenden der entsprechenden Fachrichtungen sind die bevorzugte Zielgruppe dieses Buches.

Fazit

Annette Pestalozzi-Bridel fokussiert in ihrem ganzheitlichen Ansatz von Geschichten auf das Unsagbare, dass ein Großteil menschlichen Fühlens und Handelns von unbewusst verlaufenden, impliziten Inhalten und Prozessen steuert. Dabei ist das Symbol als Darstellung des (anfangs noch) Unsagbaren mit den Mitteln des Sichtbaren von großer Bedeutung und kann dadurch zum Dreh- und Angelpunkt einer Psychotherapie werden. Die Aufgabe des Therapierenden ist es neben der Resonanz für jede Geschichte einen kreativen Raum zu schaffen, in dem der/die Klient/-in seine/ihre Geschichte entwickeln kann.

Lesen ist Silber, anwenden ist Gold.

Rezension von
Dr. Kirsten Oleimeulen
Psychologin – Familienberaterin, akkreditierte Psychologin für Gesundheitspsychologie und Prävention (BDP), systemische Familientherapeutin und Supervisorin, online-Beraterin
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Es gibt 96 Rezensionen von Kirsten Oleimeulen.

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Zitiervorschlag
Kirsten Oleimeulen. Rezension vom 14.09.2011 zu: Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber - was ist Gold? Heilsame Geschichten entwickeln in Körper, Bild und Sprache. Ein integratives psychotherapeutisches Konzept. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2011. ISBN 978-3-608-94664-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/11048.php, Datum des Zugriffs 07.12.2024.


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