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Christina Bylow: Familienstand: Alleinerziehend

Rezensiert von Dr. Dagmar Brand, 07.09.2011

Cover Christina Bylow: Familienstand: Alleinerziehend ISBN 978-3-579-06751-3

Christina Bylow: Familienstand: Alleinerziehend. Plädoyer für eine starke Lebensform. Gütersloher Verlagshaus Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH (Gütersloh) 2011. 176 Seiten. ISBN 978-3-579-06751-3. D: 14,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 24,90 sFr.

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Autorin

Christina Bylow ist freie Journalistin und Autorin. Ihre Interviews, Porträts und Kritiken erscheinen u. a. in der „Berliner Zeitung“, in „Vogue“ und im „ZEITmagazin“.

Thema und Überblick

Auf dem Cover ist die folgende Aussage zum Buch farblich hervorgehoben: „Ein offenes und schonungsloses Buch für alle, die sich mit der Zukunft von Familien auseinandersetzen.“ Christina Bylow schreibt in der Tat ein Buch, das sehr viele Facetten der Auseinandersetzung mit der Lebensform Alleinerziehend beinhaltet. Sehr klar werden Stigmatisierungen, Diskriminierungen und Herablassungen benannt, wirklich schonungslos stellt die Autorin Vorurteile an den Pranger. Und sehr sensibel schildert sie die unterschiedlichsten Lebenssituationen allein erziehender Eltern. Dieses Buch räumt also gründlich auf. Die Verlagsangabe zur Zielgruppe des Buches („alle, die sich mit der Zukunft von Familie auseinandersetzen“) ist zwar nicht falsch, allerdings sind damit leider diejenigen nicht direkt angesprochen, die es eigentlich lesen müssten. So wird dieses Buch vor allem denjenigen Interessierten hilfreiche Argumente liefern, die in der Diskussion für die Lebensform sprechen, und es kann Alleinerziehende in ihren individuellen Situationen bestärken.

Aufbau und Inhalt

Im Vorwort schon wird deutlich, worum es Christina Bylow geht: Nicht Überzeugungsarbeit steht im Mittelpunkt, die Autorin will sich also nicht an „Kritikern ab[zu]arbeiten“ (S. 6), sie will auch keine repräsentative Studie vorstellen, sondern es geht um die Darstellung von Erfahrungsberichten - eingeordnet in gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Kontexte.

In das erste Kapitel “Verantwortung ist schön, macht aber viel Arbeit“ steigt die Autorin mit einer Reihe sehr anschaulicher Erfahrungsberichte ein. Es werden zudem zentrale Zahlen und Fakten zur Lebensform Alleinerziehend präsentiert, die schon für sich genommen gängige Klischees entkräften können. Weiterhin stellt die Autorin die wichtigsten rechtlichen Grundlagen von Trennung, Scheidung und Sorgerecht vor. Schließlich geht sie der Frage nach, warum überhaupt die Mehrzahl der Alleinerziehenden weiblich ist.

Unter der Überschrift „Restfamilie, Unfallmodell“ deckt Christina Bylow auf, warum Alleinerziehende eben nur als „Rest“, als unvollständig gegenüber der „Normalfamilie“ gelten. Wichtige Ursachen sieht sie in der Herablassung gegenüber Alleinerziehenden, in der allgegenwärtigen Elternparanoia, also der Fixierung der Eltern ausschließlich auf den eigenen Nachwuchs, und im Mutterideal. In der Folge erleben Alleinerziehende und ihre Kinder fast täglich Stigmatisierungen, mit denen sie irgendwie klar kommen müssen - auch dazu liefert die Autorin viele Beispiele.

Im dritten Kapitel „Trennungsgründe“ zeigt die Autorin die verschiedenen inneren und äußeren Prozesse auf, die bei Trennung und Scheidung zum Tragen kommen. Dabei argumentiert sie durchaus kontrovers und kann wissenschaftliche Erkenntnisse so transportieren, dass sie plausibel und am eigenen Fall nachprüfbar sind.

Beginnend mit dem Kapitel „Allein erziehen heißt nicht allein bleiben“ bis zum Kapitel „Alle Rechte - keine Sorge?“ beschreibt Christina Bylow anhand von Erfahrungen Alleinerziehender viele Wege, wie die Herausforderungen des Alltags - sei es eine neue Partnerschaft, seien es die neue Wohnsituation, die eigene Erwerbstätigkeit, die Betreuungssituation der Kinder, der Unterhalt sowie Sorgerechtsregelungen - gemeistert wurden und werden könnten. Immer liefert sie dabei die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Hintergrundfolie für ihre Darstellungen mit. Das erleichtert den „nur“ interessierten Leserinnen und Lesern auf jeden Fall die Einordnung der individuellen Schicksale und ermöglicht Betroffenen, sich einerseits in den Schilderungen wiederzufinden und andererseits, sich von persönlichen Schuldzuschreibungen ein Stück zu entlasten.

Im Abschlusskapitel „Ausblick - In Zukunft getrennt vereint?“ entwickelt die Autorin unter Bezugnahme auf Althergebrachtes sehr anschauliche Zukunftsvisionen für allein erziehende Eltern und deren Kinder. Sie präsentiert Modelle und Ideen, wie Familie (und nicht nur die mit einem Elternteil!) funktionieren kann. Dabei fällt vor allem eine Auflistung der aus Autorinnensicht wichtigsten Handlungsfelder bei der Unterstützung von Alleinerziehenden positiv ins Auge. Solche Forderungskataloge sind zwar aus der bisherigen Diskussion hinreichend bekannt, aber hier sind die einzelnen Handlungsanregungen plausibel aus den vorangegangenen Kapiteln ableitbar. Und im Fazit bleibt dann den Alleinerziehenden nach den Worten von Christina Bylow nur noch, „sich mit der eigenen Situation zu versöhnen“, weil das der „beste Schutz gegen Mitleid, Herablassung und falsche Bewunderung“ (S. 156) sei.

Fazit

In ihrem Buch „Familienstand: Alleinerziehend. Plädoyer für eine starke Lebensform“ schreibt die Autorin: „Alleinerziehende Frauen sind so unterschiedlich wie andere Frauen auch, sie sind weder Heldin noch Mater Dolorosa, sie sind als Mutter nicht besser oder schlechter, depressiver oder optimistischer als andere Mütter auch. Sie sind in dieser Gesellschaft benachteiligt, weil sich die Ungerechtigkeit gegenüber Menschen mit Kindern in ihrem Fall stärker auswirkt als bei solchen in Ehen oder Lebenspartnerschaften“ (S. 21). Christina Bylow gelingt genau das, im Buch sehr anschaulich darzustellen. Mit ihrem Buch liefert sie eine sehr bildreiche und wortgewandte Darstellung des Alltags Alleinerziehender. Ihr gelingt es, auch wissenschaftliche Befunde und komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge transparent zu machen und die vielen Erfahrungsberichte mit diesen ‚objektiven Daten‘ zu verbinden. Das macht m. E. genau den besonderen Wert dieser Darstellung aus: die Einordnung individueller Erfahrungen in übergeordnete Zusammenhänge - oder auch die Verbindung von Mikro- und Makroebene, auch wenn die Darstellung i. e. S. keine wissenschaftliche ist.

Rezension von
Dr. Dagmar Brand
Bildungsforschung, Frauen- und Geschlechterforschung, Familienforschung, soziale Ungleichheit
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Es gibt 11 Rezensionen von Dagmar Brand.

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Zitiervorschlag
Dagmar Brand. Rezension vom 07.09.2011 zu: Christina Bylow: Familienstand: Alleinerziehend. Plädoyer für eine starke Lebensform. Gütersloher Verlagshaus Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH (Gütersloh) 2011. ISBN 978-3-579-06751-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/11111.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.


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