Peter Massing (Hrsg.): Kompetenzen im Politikunterricht
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 20.04.2011
Peter Massing (Hrsg.): Kompetenzen im Politikunterricht.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2010.
80 Seiten.
ISBN 978-3-89974-604-4.
Reihe: Wochenschau - s.
Der Mensch ist ein zôon politikon,
ein politisches Lebewesen, wie dies bereits der griechische Philosoph Aristoteles zum Ausdruck brachte, weil er vernunft- und sprachbegabt ist. Es ist notwendig, dass der Mensch politisch gebildet, aufgeklärt und fähig ist, in Gemeinschaft mit anderen Menschen friedlich, sozial und demokratisch zusammen zu leben. Im schulischen Unterricht und in der außerschulischen, lebenslangen Bildungsarbeit kommt deshalb der Politischen Bildung eine besondere Bedeutung zu. Der Wochenschau Verlag gibt Fachliteratur für Politik, Ökonomie, Geschichte, Ökologie, Arbeitswelt und Menschenrechte heraus. Insbesondere die Themenhefte sind es, die im Unterricht der Sekundarstufe I und II, aber auch in der Erwachsenenbildung, sowie in der Lehreraus- und –fortbildung einen anerkannten, didaktischen und methodischen Stellenwert haben. Die Zeitschrift für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften gilt als gemeinsames wissenschaftliches Forum für die Didaktiken der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Der Verlag ist auch Publikationsort für die Schriftenreihe der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE). Einmal im Jahr gibt der Verlag auch ein Sonderheft zu einem für den Politik- und Gesellschaftsunterricht relevanten Themenbereich heraus.
Aufbau und Inhalt
Das vorliegende Heft beschäftigt sich mit „Kompetenzen im Politikunterricht“. Der an der Berliner Freien Universität lehrende Didaktiker Peter Massing setzt sich in seinem einführenden Beitrag „PISA und die Folgen“ mit dem Perspektiven- und Paradigmenwechsel auseinander, der sich in der deutschen bildungspolitischen Diskussion vollzieht; weg von der Input- und hin zur Outputorientierung, was die Erkenntnis bedeutet, dass „sich der Erfolg von Reformplänen nicht auf der staatlichen Ebene entscheidet, sondern auf der Ebene der Einzelschule“. Die sich an den ausgewiesenen Bildungsstandards orientierenden Lerninhalte sollen mit „konzeptuellem Deutungswissen“, einem „Wissen, das sich auf grundlegende Konzepte für das Verstehen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Recht bezieht“, erschlossen werden. Der Autor stellt die relevanten (Politik-) Basiskonzepte vor, die die Bereiche Wirtschaft, Gemeinschaft, Kultur und Recht umfassen.
Der Politikwissenschaftler von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Joachim Detjen, setzt sich mit den Bildungsstandards auseinander, die von der GPJE 2003 als Fachvorschlag in den politik-didaktischen Diskurs eingebracht wurden, in denen das konzeptuelle Deutungswissen mit in den Paradigmen „Politische Urteilsfähigkeit“, „Politische Handlungsfähigkeit“ und „methodische Fähigkeiten“ ausdifferenziert werden.
Der Didaktiker der Gesellschaftswissenschaften von der Justus-Liebig-Universität Gießen, Wolfgang Sander, fragt mit seinem Beitrag „Basiskonzepte“ danach, wie es gelingen kann, dass „Schülerinnen und Schüler das in der Schule erworbene Wissen tatsächlich für ihr Weltverstehen und ihre Lebenspraxis außerhalb der Schule und für die Bewältigung der dabei auftretenden Probleme verwenden“. Dabei stellt er, durchaus kontrovers zu anderen in diesem Heft diskutierten Basiskonzepten, die Kompetenz der „politischen Urteilskraft“ in den Mittelpunkt seiner Konzeption, gewissermaßen als Vermittlung einer „Lebenskunst“, die die Möglichkeiten und Grenzen der Kompetenzorientierung zu berücksichtigen hat.
Gewissermaßen mit einem Blick über den Gartenzaun ermöglicht der Sozial- und Gesellschaftswissenschaftler der Pädagogischen Hochschule Salzburg, Christoph Kühberger, indem er über die „Genese und Konzeption des österreichischen Kompetenzmodelle für politische Bildung“ informiert.
Die Professorin für Sachunterricht und seine Didaktik von der Technischen Universität Braunschweig, Dagmar Richter, reflektiert über „Basis- und Fachkonzepte der Politik“. Die ausgewiesenen Mindeststandards für die politische Bildung im Primarbereich und in der Sekundarstufe I setzen auf den „reflektierenden Zuschauer“, mit dem Ziel hin zum „Aktivbürger“.
Der an einem Braunschweiger Gymnasium unterrichtende Politiklehrer Michael May fragt in seinem Beitrag „Planung kompetenzorientierten Politikunterrichts“ danach, welche Auswirkungen dieser auf Schule und Unterricht haben. Die Bestimmung von Unterrichtszielen als Kompetenzen bieten die Möglichkeit, die Entscheidungen für die Unterrichtsziele, Inhalte und Methoden an den jeweiligen domänenspezifischen Anforderungssituationen zu orientieren.
Zum Schluss formuliert der Berliner Fachseminarleiter für Geschichte, Sozialkunde und Politikwissenschaft, Ulrich Hagemann, Perspektiven für die Fachseminararbeit. Es stellt fest, dass der „doppelte Perspektivenwechsel“, der sich durch die Kompetenzorientierung ergibt, nicht mehr die „funktionierende Stunde“ im Blick des didaktischen Handelns nimmt, sondern die Ausbildung von vernetzten, fachspezifischen Problemlösungsfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler.
Den einzelnen Beiträgen sind Unterrichtsentwürfe, Fallbeispiele, Texte und Testaufgaben beigegeben, die die theoretischen Reflexionen und Konzeptionen veranschaulichen.
Fazit
Weil Politik die Vielfalt der Gesellschaft spiegelt und die unterschiedlichen Weltanschauungen und Interessen individuell und gemeinschaftlich zum Ausdruck bringt, bedarf es der politischen Bildung, um auf der Grundlage der Verfassung und der Menschenrechte ein menschenwürdiges, gerechtes und friedliches Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen. Die Wege dahin sind keine Einbahnstraßen, auch keine Privatgassen, sondern müssen von allen Menschen in der Gesellschaft gebaut und benutzt werden können. Die Kompetenzen dafür gilt es im Politikunterricht zu erwerben, nicht per ordre mufti, auch nicht als zentrale politische Steuerung, sondern mit einer informationsbasierten Qualitätsentwicklung „vor Ort“, in den Schulen, den Lehrerkollegien, Fachkonferenzen und der Schulgemeinschaft. Der Diskurs darüber wird, durchaus kontrovers und in verschiedenen Ansätzen, in der Sonderausgabe des Wochenschau Verlags „Kompetenzen im Politikunterricht“ geführt.
Das Heft sollte für die Lehreraus- und –fortbildung, in den Studienseminaren, den Fachkonferenzen der Schulen und für die Lehrplanarbeit bereit stehen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
Mailformular
Es gibt 1723 Rezensionen von Jos Schnurer.





