Rainer Kilb: Konfliktmanagement und Gewaltprävention
Rezensiert von Prof. Dr. Roland Stein, 10.10.2013

Rainer Kilb: Konfliktmanagement und Gewaltprävention. Grundlagen, Handlungsfelder und Konzeptionen. Springer VS (Wiesbaden) 2012. 250 Seiten. ISBN 978-3-531-17484-6. 24,95 EUR.
Thema
Konflikte und Gewalt sind in unterschiedlichsten Settings verbreitet und oft ein erhebliches Problemfeld für Pädagoginnen und Pädagogen. In diesem Buch sollen theoretische Grundlagen, bedeutsame Konzeptionen sowie Handlungsansätze für einen professionellen Umgang mit diesen Problemen vorgestellt und betrachtet werden. Dabei richtet sich der Blick auf Felder sozialer Arbeit, aber auch auf schulische Kontexte sowie das dort realisierte Konfliktmanagement und die Prävention von Gewalt.
Autor
Rainer Kilb, Jahrgang 1952, hat eine Professur für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit an der Hochschule Mannheim inne – zugeordnet der dortigen Fakultät für Sozialwesen. Er hat insbesondere verschiedene Arbeiten zu Gewalt veröffentlich, ein Schwerpunkt liegt dabei auf konfrontativen Ansätzen.
Entstehungshintergrund
Hintergrund der hier vorgelegten Arbeit sind die Forschungen und das vertiefte Wissen des Verfassers zu Gewaltprävention und -intervention sowie zu Konflikten, ihren Hintergründen und dem Umgang mit ihnen, dabei insbesondere der Entwicklung des „Anti-Aggressivitäts-Trainings“ seit den 1990er Jahren. Dabei verfolgt der Verfasser zwei Ziele: Er möchte nicht nur die individuellen Bedingungen und Voraussetzungen der Entstehung von Konflikten und Gewalt analysieren, sondern zugleich auch den Handlungen zugrunde liegende Systemstrukturen. Dies sieht er auf dem Hintergrund einer dem entsprechend antagonistischen Betrachtung der Probleme. Ergänzend sollen aber auch die Perspektiven von Opfern und weiteren Beteiligten Berücksichtigung finden. Dies entspricht dem heutigen wissenschaftlichen Fokus, dass gerade Zuschauer, Beobachter, „bystanders“ einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Entstehung, aber auch zur Verhinderung von Konflikten und Gewalt leisten können.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in sieben Hauptkapitel gegliedert. Einführende Gedanken werden unter das Motto gestellt, Konflikte zu nutzen, um Gewalt vorzubeugen – und dabei Entwicklungen voranzubringen.
- Ein umfangreiches Kapitel widmet sich Grundlagen und der Ausgangssituation. Nach einem historischen und kulturellen Blick auf Gewalt und Konflikt werden traditionelle bzw. klassische Theorien zur Erklärung dargestellt. Berücksichtigt werden dabei sowohl Ursachen und Hintergründe als auch komplexere Zusammenhänge und Interaktionsprozesse. Besondere Blicke gelten beispielsweise Geschlechtsspezifika, schulischer Konflikt- und Gewaltentstehung, Persönlichkeitscharakteristika oder auch sozialräumlichen und gesellschaftlichen Bedingungen.
- Im Folgenden wird eine aktuelle theoretische Ausgangsbasis entwickelt. Hier stehen gerade aktuelle Aspekte gesellschaftlicher und sozialräumlicher Bedingungen und Prozesse im Vordergrund. Auf dieser Basis entwickelt der Verfasser eine „Grundstrukturierung offensiver Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention“.
- Anschließend werden unterschiedliche Konfliktfelder betrachtet: insbesondere vorschulische und schulische Bereiche, Familie, peers, Arbeit und Beruf, besondere Institutionen. Damit wird ein breiter Kontext von Geschehensfeldern herausgearbeitet, um auf dieser Grundlage Schlussfolgerungen für eine v.a. sozialpädagogische Arbeit zu diskutieren.
- Noch konkreter werden dann Grundsätze des methodischen Arbeitens und verschiedene Maximen entwickelt.
- Daran schließt sich ein weiter konkretisiertes „allgemeines Handlungskompendium“ an, das ausführliche Entfaltung erfährt. Das konzeptionelle Feld reicht von Verhandlung und Vermittlung über Schlichtung und Deeskalation bis zu konfrontativen, kognitiv-behavioralen und auch kontrollierenden, einschränkenden Ansatzpunkten und Konzepten. Dabei spielt der Faktor der Eigentätigkeit und der konfliktbezogenen „Selbstlösung“ seitens der Betroffenen eine besondere Rolle. Dies wird anschließend nochmals direkter bezogen auf unterschiedliche Handlungsfelder, wie sie im vierten Hauptkapitel bereits grundgelegt wurden. Ergänzende Aspekte betreffen etwa den Bereich der Jugendgerichts- und -straffälligenhilfe, der Arbeit im Bereich der „community“ und des „Quartiers“ sowie den Blick auf besondere Zielgruppen mit möglicherweise gewalthafter Orientierung. Hervorzuheben ist, dass hier einschlägige Konzepte und Programme in tabellarischer Form systematisch ausgewertet werden.
Eine kleine Schlussbetrachtung macht nochmals auf die positive, entwicklungsfördernde Bedeutung der Bearbeitung von Konflikten aufmerksam – die nicht geleugnet und verdrängt werden sollten, sondern angegangen.
Literaturtipps beschließen verschiedene der Hauptkapitel.
Diskussion
Rainer Kilb hat ein dezidiertes Studienbuch konzipiert. Der Unterstützung des Lesens und Erarbeitens dienen zum Beispiel Übersichten, konkretisierende Beispiele sowie zur Reflexion anregende Fragen und Aufgabenstellungen. Dabei präsentiert sich das Buch unaufdringlich und folgt nicht dem „amerikanisierenden“ Trend einer allzu einfachen, plakativen Aufmachung. Es bleibt nüchtern und sachorientiert. Die sehr sorgfältige Aufarbeitung im Satzbild sorgt für insgesamt angenehme Lesbarkeit.
Bisweilen hätte sich der wissenschaftliche Leser noch etwas mehr Literaturbelege im Text gewünscht. Auch die Literaturrezeption im Gesamtbild hätte teilweise breiter erfolgen können; einige wichtige Grundlagenwerke und einschlägige Vertreter der Fachszene zu Aggressivität und Gewalt fehlen hier zum Erstaunen des Lesers. Einzelne Graphiken hätten noch etwas professioneller aufbereitet werden können. Nichtsdestotrotz sind auch die Tabellen und Abbildungen im Gesamtbild bereichernd und gelungen.
Inhaltlich wird ein sehr weiter Kontext eröffnet. Der Autor wird der in der Einleitung formulierten Intention, sowohl die im Konflikt- und Gewaltgeschehen beteiligten konkreten Personen und ihre Beiträge als auch gesellschaftliche Strukturen und Prozesse in den Blick zu nehmen, sehr differenziert und in Tiefe und Breite durchweg kompetent gerecht. Die Ausführungen schlagen drei durchaus beeindruckende Bögen: erstens zwischen individueller und gesellschaftsbezogener Betrachtung und Analyse, zweitens zwischen grundlegender, solider Theorieorientierung und praktischer Anwendung – und drittens zwischen unterschiedlichen Herangehensweisen von niedrigschwelliger Prävention bis zu hochschwelliger, stark konfrontativer Intervention da, wo sie erforderlich ist.
Fazit
Das Buch richtet sich explizit an Studierende der Sozialen Arbeit. Es kann aber ohne Zweifel in zweierlei Hinsicht breitere Interessentengruppen erreichen: Zum einen eignet es sich als Studienbuch für unterschiedliche pädagogische Qualifizierungsbereiche, etwa für Lehramtsstudierende oder auch für Sonderpädagogen mit Schwerpunkt Verhaltensstörungen. Zum anderen dürfte es auch für viele Professionelle in der Praxis interessant sein, die sich über den aktuellen Stand von Theorie und Handlungskonzepten in den Bereichen des Konfliktmanagements und der Gewaltprävention informieren wollen.
Diese Arbeit von Rainer Kilb kann rundweg für all diese Zwecke empfohlen werden; sie bietet einen sehr guten Überblick der Diskussion auf aktuellstem Stand.
Rezension von
Prof. Dr. Roland Stein
Universität Würzburg, Institut für Sonderpädagogik - Pädagogik bei Verhaltensstörungen
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