Ludwig Zimmermann: 100 Fragen und Antworten für Betroffene und ihre Berater
Rezensiert von Arnold Schmieder, 02.05.2011

Ludwig Zimmermann: 100 Fragen und Antworten für Betroffene und ihre Berater. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2011. 120 Seiten. ISBN 978-3-8329-5880-0. 15,00 EUR. CH: 23,50 sFr.
Thema
Im Anschluss an sein Buch „Das Hartz-IV-Mandat. Anspruchsgrundlagen, Strategien, Gebühren“, 2010 ebenfalls bei Nomos erschienen, legt Ludwig Zimmermann nun in der Reihe NomosPraxis ein handliches Bändchen vor, das nicht nur einen schnellen Einstieg in die Beratungspraxis rund um Hartz IV vermittelt, wie es im Vorwort heißt, sondern viel mehr noch ein Nachschlagewerk für all jene Praktiker ist, die sich nicht nur als Juristen, sondern auch als Sozialarbeiter oder in sonstigen beratenden oder helfenden Berufen mit dieser Materie befassen müssen. Da zurzeit 6,7 Mio. Menschen in Deutschland auf solche Unterstützung angewiesen sind, da das Regelwerk recht kompliziert ist und etliche Neuerungen eingearbeitet werden mussten, steigt der Beratungsbedarf. Dabei geht es hauptsächlich um solche Probleme von Betroffenen, die sich aus der normal alltäglichen Lebenspraxis ergeben und zu Notlagen führen, für die der Gesetzgeber Hilfen vorsieht. Sehr ausführlich kommen aber auch besondere soziale Schieflagen zur Sprache, die man zunächst nicht erwartet, mit denen Berater aber offensichtlich zunehmend konfrontiert werden.
Aufbau und Inhalt
Das Hauptaugenmerk liegt auf Auskünften zu den häufigsten Ansprüchen von Betroffenen, wie der Autor sie nennt. Es geht etwa um Regelungen im Hinblick auf Wohnraum und Nebenkosten (wie etwa Heizkosten), um Übernahme von Kosten, die für Bildung entstehen, was gerade auch Nachhilfe für Kinder betrifft. Ebenso wichtig für die Praxis sind natürlich Fragen, in welchem Umfang Einkommen und Vermögen auf Leistungen angerechnet werden. Was eine Pflichtverletzung im Hinblick auf Auflagen ist und welche Sanktionen rechtlich möglich sind, wird ebenfalls behandelt.
Nicht nur diese und andere Fragen, die wiederkehrend sind und daher den Beratern vertraut, werden beantwortet. In großem Umfang gibt das Buch auch Einblick in problematische Situationen, deren rechtlich abgesicherte Lösung nicht schnell bei der Hand ist und die offensichtlich in der Beratungspraxis immer häufiger anstehen. Ob zum Beispiel ein Leistungsberechtigter auf Rückzahlung von Leistungen an Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft in Anspruch genommen werden kann, dürfte öfter nachgefragt werden und ist angesichts einer Pluralisierung von Lebensformen ggf. eine knifflige Angelegenheit. Ob ein Hilfebedürftiger während des laufenden Leistungsbezuges einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt stellen muss, scheint auch noch eine recht alltagsnahe Frage zu sein. Dagegen verwundern Fälle ‚atypisch laufenden Bedarfs‘ wie jener, ob ein Betroffener Anspruch auf Kostenübernahme für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem minderjährigen Kind hat, wenn sich das Kind bei der Mutter in den USA aufhält – ja, er hat. Auch gut zu wissen, dass es sich bei einer Rückzahlung aus einem Stromliefervertrag um eine auf die Unterhaltsleistung nach dem SGB II anzurechnende Einnahme handelt. Rückzahlung als Folge sparsamen Stromverbrauchs gilt nämlich als Einnahme. Das könnte irritieren, ist aber rechtens. Unmittelbar plausibel dürfte dagegen sein, dass ein Darlehen, welches Leistungsempfänger von einem Verwandten bekommen, nicht als Einkommen zu betrachten ist, das auf den Unterhaltsbedarf nach dem SGB II anzurechnen wäre.
Solche Fragen, wie sie hier beispielhaft vorgestellt sind, sind Gegenstand des Buches. Immer sind sie klar formuliert und ebenso klar und verständlich beantwortet. Ein sehr gutes Stichwortverzeichnis hilft bei der schnellen Suche und Orientierung. Zu jeder Frage gibt es ausführlichere Hinweise und häufig auch Beispiele, die nicht nur die Sachlage verdeutlichen, sondern durchaus als ‚Tipps‘ verstanden werden können. Ein Verzeichnis der erwähnten Paragraphen dürfte eher Juristen als Betroffene interessieren, zeigt aber deutlich, wie exakt und anspruchsvoll dieses vom Umfang schmale, dafür aber inhaltlich umso gewichtigere Bändchen gemacht ist.
Fazit
Der Jurist Ludwig Zimmermann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht und Arbeitsrecht, legt hier nach kurzer Zeit eine ‚abgespeckte‘ Version seines ersten Buches vor, das auch schon überzeugte. Hier nun stellt er unter Beweis, wie souverän er seine Disziplin beherrscht, da er es versteht, sich auch dem unkundigen Laien verständlich zu machen. Insofern ist diese Publikation als sinnvolle Ergänzung zu würdigen. Warum es ausgerechnet 100 Fragen und Antworten für Betroffene und Berater sind, bleibt unerfindlich – aber so wohl soll der Untertitel signalisieren, dass es sich um ein Nachschlagewerk handelt, das sich in der Tat nicht nur an versierte Spezialisten wendet.
Der Autor hat es in seinem Buch hervorragend verstanden, sich einer Sprache zu bedienen, zu deren Verständnis man keine juristische Vorbildung braucht. Es ist durchaus legitim, dass er immer wieder auf sein davor erschienenes Buch zum Hartz-IV-Mandat verweist, das ausführlicher ist und eher auch den Charakter einer juristischen Schrift hat, wobei er jedoch bereits mit diesem Werk eine Schneise ins Dickicht der Hartz-IV-Gesetzgebung und -Regelungen geschlagen hatte. Mit seinem neuen Buch nun macht er einem noch breiteren Publikum seine Insider-Kenntnisse zugänglich und dies offensichtlich ohne Substanzverlust. Ob dieser ebenso bemerkens- wie dankenswerten Leistung kann man dem Buch nur eine weite Verbreitung wünschen.
Rezension von
Arnold Schmieder
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