Christina Feldmeier: Controlling für freie Träger von Kindertageseinrichtungen
Rezensiert von Prof. Dr. Michael Wüstenbecker, 15.09.2011

Christina Feldmeier: Controlling für freie Träger von Kindertageseinrichtungen. Funktion, Organisation und Instrumente.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2011.
515 Seiten.
ISBN 978-3-8300-5461-0.
128,00 EUR.
Schriftenreihe Schriften zum betrieblichen Rechnungswesen und Controlling - Band 89.
Autorin
Die Verfasserin, Dr. Christina Feldmeier, ist Diplomkauffrau. Sie war von 2005 bis 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Unternehmensprüfung und Controlling der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Die rezensierte Veröffentlichung ist ihre von der Heinrich-Heine-Universität angenommene Dissertation.
Thema
Die Aktualität des gewählten Themas resultiert insbesondere aus den weit reichenden Veränderungen, die die Landschaft der Kindestagesbetreuung derzeit erfährt. Neben dem politisch gewollten Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten, vor allem für Kinder unter drei Jahren, wandeln sich die qualitativen Anforderungen an die Angebote: neben Betreuung zunehmendes Fokussieren von Bildung und Erziehung. Im Zusammenspiel mit wachsendem Kostendruck lassen sich realiter Konzentrationsentwicklungen beobachten. Die Steuerung komplexer arbeitsteiliger Prozesse legt den Einsatz betriebswirtschaftlichen Instrumentariums nahe, speziell eines die Erreichung der Trägerziele unterstützenden Controllings. Allerdings, so die realitätsgerechte Einschätzung in der Einführung, treffe dieses im Sozialbereich häufig auf beträchtliche Vorbehalte und Widerstände, werde nicht selten als sachzielfeindliche Fremdkontrolle missverstanden. Mit ihrer Arbeit greift die Verfasserin solch' virulente Fehlwahrnehmung konstruktiv auf und fokussiert Controllingpotenziale am Beispiel einer besonders dynamischen „Sozialbranche“. Da die konkreten, vor allem finanziellen Rahmenbedingungen für Träger von Kindertageseinrichtungen landesgesetzlich bestimmt sind, nimmt die Verfasserin eine Einschränkung vor: Ihre Darstellung konzentriert sich auf die Situation in NRW.
Aufbau und Inhalte
Die Veröffentlichung gliedert sich in 6 Abschnitte.
Nach einer Einleitung, in der die Zielsetzung der Arbeit („Entwicklung eines umfassenden Controllings für freie Träger von Kindertageseinrichtungen“, S. 7) und der Gang der Analyse erläutert werden, wird in Abschnitt 2 Grundlagenwissen vermittelt: Was bedeutet Controlling, welche Controlling-Konzeptionen gibt es (S. 17 ff.)? Wodurch sind Nonprofit-Organisationen gekennzeichnet, wie lässt sich ihre Existenz jenseits der Sphären Markt und Staat erklären (S. 28 ff.)? Was sind Charakteristika von Kindertageseinrichtungen, wie ist die Trägerlandschaft strukturiert (S. 44 ff.)? Und nicht zuletzt: Warum ist ein Controlling zur Steuerung gerade freier Träger besonders notwendig (S. 53 ff.)?
Der dritte Abschnitt (S. 61 ff.) stellt ausführlich die externen und internen Einflussfaktoren eines Controllings für freie Träger von Kindertageseinrichtungen dar: Neben den Rechtsgrundlagen und den Entgeltbestimmungen ist insbesondere den Anforderungen des Jugendamtes, der Familien, aber auch der Spender Rechnung zu tragen (externe Faktoren). Wesentlicher interner Einflussfaktor ist das Zielsystem des Trägers. Denn das Controlling soll die Zielerfüllung der Organisation unterstützen. Entscheidend des Weiteren: der akzeptanzsensible Einbezug des (pädagogischen) Personals, das über das operative Tagesgeschäft die Zielerreichungsgrade realisiert und dessen Fachwissen für Prozessoptimierungen unverzichtbar ist.
Der vierte Abschnitt (S. 99 ff.) beschäftigt sich mit der Gestaltung eines Controllings für freie Träger von Kitas, wägt organisatorische Umsetzungsalternativen ab, stellt strategische und operative Controllinginstrumente vor: Target Costing, Benchmarking, Budgetierung, Berichtswesen etc. Jedes Instrument wird zunächst erläutert und seine Eignung für freie Träger von Kitas geprüft. Anhand eines fiktiven Beispielträgers, der von ihr konfigurierten Kling gGmbH, veranschaulicht die Verfasserin dann jeweils die konkrete Anwendung. Der Abschnitt 4 schließt mit Ausführungen zum „Umgang mit Widerständen gegen ein Controlling für freie Träger von Kitas“ (S. 387 ff.).
Über Interviews mit Trägervertretern, die der Abschnitt 5 (S. 405 ff.) wiedergibt, will die Verfasserin den Entwicklungsstand eines Controllings in der Trägerpraxis sowie entsprechende Einstellungen der Praktiker darstellen. Die geringe Zahl der realisierten Interviews (6) lässt zwar, wie sie selbst konstatiert, keine verallgemeinernden Aussagen zu, liefert aber gleichwohl aufschlussreiche Schlaglichter aus Trägern sehr unterschiedlicher Größenordnung. Der abschließende Abschnitt 6 (S. 429 ff.) enthält Zusammenfassung und Ausblick. Es folgen ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 435-495) sowie Anhänge, die u. a. den Interview-Leitfaden umfassen.
Diskussion
Die Veröffentlichung ist über weite Strecken auch für Nicht-Ökonomen gut verständlich. Die Darstellungen der Grundlagen des Controllings und der Existenztheorien von Nonprofit-Organisationen zeigen beispielhaft die Fähigkeit der Verfasserin, einen breiten Literaturhintergrund zu einem gut lesbaren Überblick zu verdichten. Gleichwohl: Die teils sehr formale Darstellung der Controllinginstrumente in Abschnitt 4, die dort verwendete Fachterminologie fordern vom Leser betriebswirtschaftliches Hintergrundwissen. Die trägerspezifische Ausgestaltung der jeweiligen Instrumente wird an der konstruierten Beispiel-Trägergesellschaft erfreulich praxisnah dargestellt. Mit Planungs- und Steuerungsaufgaben befasste Praktiker (auch jenseits des Kita-Bereichs) stoßen hier auf vielfältige Anregungen bzw. Handlungsempfehlungen - inklusive eines Klassifikationsrasters für (potenzielle) Widerstände im Zuge der Implementierung eines Controllings und daraus differenziert abgeleiteten präventiven und kurativen Strategieempfehlungen. Wermutstropfen: Einige Schaubilder sind bedauerlich klein gedruckt, die darin dargestellten Texte und Zusammenhänge entsprechend schwer zu erfassen (etwa S. 90, S. 374, S. 395).
Fazit
Die Veröffentlichung empfiehlt sich zuvorderst für mit organisatorischen Steuerungsfragen befasste Praktiker in freien Trägern von Kindertageseinrichtungen, insbesondere Trägerleitungen. Leser, die betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten in sozialen Organisationen eher misstrauisch gegenüberstehen, erhalten hier eine kenntnisreiche Einführung in die produktiven Potenziale eines auf spezifische Trägerbedarfe angepassten Controllings. Produktive Potenziale, die - konsequent erschlossen - Nonprofit-Organisationen ermöglichen, ihr jeweiliges Sachziel mit höherem Erreichungsgrad zu realisieren.
Rezension von
Prof. Dr. Michael Wüstenbecker
Professor für Sozialpolitik und Sozialwirtschaft an der Katholischen Fachhochschule Mainz.
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